30.12.2023

Serienkritik der Kurzserie "Bodies" bei Netflix

In den letzten Tagen habe ich mir die kurze Serie "Bodies" (8 Teile) auf Netflix angeschaut. Gleich vorneweg: gute Unterhaltung, gute Schauspieler, einigermaßen in sich logische Handlung. Wertung: 9 von 10 Zeitmaschinen.

Natürlich habe ich jetzt schon einen Teil der Pointe vorweggenommen, aber nicht viel dabei verraten. Natürlich ist eine Zeitreise im Spiel, wenn dieselbe Leiche in vier verschiedenen Epochen aus dem Nichts erscheint und forensisch untersucht wird. Die Epochen sind 1891, 1941, 2023 und (erst später) 2053.

Was mich dazu veranlasst hat, mal wieder eine Kritik über eine Serie zu schreiben, ist der philosophische Aspekt, der hier zum Tragen kommt. Der Aufhänger der Serie ist eine in sich geschlossene Zeitschleife, die im Verlauf der Serie gezeigt wird.

Einige Vorkommnisse geschehen, die zunächst ohne Zusammenhang erscheinen. Dies klärt sich, während die Handlung voranschreitet.

Wer die Serie ohne Vorkenntnisse genießen will: ab hier folgen diverse Spoiler, ohne die sich die Handlung nicht diskutieren lässt; also dann bitte hier aufhören zu lesen :-)

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In kurzen Worten zusammengefasst: ein eher unglücklich im englischen Pflegesystem ("the system" oder "foster system") aufgewachsener junger Mann erfährt von seinen Pflegeeltern, dass er dazu ausersehen ist, die englische Gesellschaft umzuformen und England zu einem besseren Ort zu machen. Dazu ist allerdings die Explosion einer riesigen Bombe nötig ("the blast"), wobei nach diesem Terroranschlag mit mehreren Hunderttausend Toten die Nation zusammensteht und geeint wird. Der Wahlspruch dieser neuen Gesellschaft ist "Know you are loved" (KYAL).

Die Serie erzählt in der Kulisse mehrerer Epochen die Hintergrundgeschichte, warum ein nackter Mann aus dem Nichts erscheint und jeweils von einem Londoner Polizisten dieser Zeit gefunden wird. Jeder versucht auf seine Weise, das Rätsel zu lösen. Erst spät kommt die vierte Epoche im Jahr 2053 dazu, und diese Polizistin Iris Maplewood findet sowohl die spätere Leiche (noch als lebenden Menschen) als auch die Auflösung: Der Zeitreisende ist ein Wissenschaftler, der die Zeitmaschine entwickelt hat, um die Explosion zu verhindern. Zunächst ist Maplewood fest im System verankert, weil sie dadurch ihre Lähmung mit Hilfe eines Rückenimplantats ("spyne") überwinden kann. Sie ändert allerdings ihren Standpunkt, als ihr klar wird, wie manipulativ das System ist und welche Absichten der Commander verfolgt.

Der Wissenschaftler Defoe diskutiert mit ihr über Schicksal, den freien Willen und die Unabänderlichkeit von Geschehnissen. Er glaubt, dass der freie Wille nur eine Illusion ist und alle Abläufe genauso geschehen, wie sie es tun. Er hintergeht sie, flüchtet vor ihr, entführt sie dann mit Hilfe von Komplizen und zeigt ihr die Zeitmaschine. Da ihr Implantat zu orten ist, führt er aber somit den Commander zum Versteck der Zeitmaschine und ermöglicht ihm die Zeitreise. Als der Wissenschaftler ihm folgen will, schießt Maplewood auf ihn, während er sich schon auf der Reise befindet. Die Kugel trifft ihn ins Auge.

Das ist der Kernpunkt der Geschichte, die hier erzählt wird: der alte "Commander" im Jahr 2053 ist 2023 der junge Mann mit den Pflegeeltern. Diese Pflegeeltern haben ihm Sprachnachrichten in Form von Schallplatten vorgespielt, die angeblich von seinem Urgroßvater besprochen wurden. Tatsächlich ist es aber so, dass der Commander 2053 in die Zeitmaschine tritt und ins Jahr 1890 reist, um dort mit dem Wissen aus der Zukunft viel Geld an der Börse zu machen und eine Geheimgesellschaft zu gründen, die den Bau der Bombe vorbereitet, die 2023 explodieren soll.

Der Commander nimmt die Identität eines Kriegshelden an und überzeugt dessen Mutter mit dem Versprechen auf Reichtum, seine Identität zu bestätigen, auch wenn er dem echten Julian Harker nicht ähnlich sieht. 

Diese geheime Gesellschaft ist so gut in allen Kreisen vernetzt, dass sie 1891 den Polizisten Hillinghead mit Intrigen ins Gefängnis bringt und dann tötet, so dass er keine Gefahr für die Gesellschaft darstellt. Harker plant, die Tochter Polly zu heiraten und seine Nachkommen sollen die Gesellschaft weiter führen. Der letzte Sohn dieser Dynastie wird dann mit Absicht ein Kind zeugen und die Mutter verlassen, damit die Pflegeeltern ihn manipulieren können.

Der Polizist Charles Whiteman (ein geflüchteter Jude Karl Weissmann) versucht 1941, den Fall zu lösen und wird ebenfalls mit Intrigen zerstört. Zunächst lässt er sich von der Gesellschaft bestechen, um kleinere schwarze Geschäfte durchzuführen, Beweise zu vernichten etc. Dabei wird er von einem 11-jährigen Mädchen Esther beobachtet, die er später zu retten versucht. Sie wird während eines Luftangriffs der Deutschen in einem U-Bahn-Schacht von einem Mitglied der Gesellschaft vergiftet, um Whitemans Identität zu schützen. Dieses Ereignis führt dazu, dass Whiteman ebenfalls versucht, die Gesellschaft zu zerstören und die Mitglieder zu entlarven.

Im Finale der Serie reisen Maplewood und die gealterte Polizistin Hasan, die schon 2023 versucht hat, den Fall zu lösen, in die vorangegangenen Epochen, um dort die Vergangenheit zu ändern und somit die Zeitschleife zu durchbrechen, durch die Elias Mannix immer wieder zu Julian Harker wird und seinen eigenen Urgroßvater zeugt.

Ein Hauptplot der Geschichte ist die Art der Zeitreise: durch "Quantum" wird bei der Zeitreise ein Duplikat des Reisenden erzeugt und somit reisen zwei Personen gleich "weit" sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft. Das Defoe-Duplikat, das in die Zukunft reist, kann gerettet werden und überlebt Maplewoods Schuss. Dadurch erfahren sie von ihm, wo die Zeitmaschine sich befindet und wie sie benutzt wird. Kritik hier: laut Defoe wird ein Duplikat erzeugt, aber es reisen ja insgesamt vier Defoes nach 1891, 1941, 2023 und 2053?

Spoiler: das Verhindern der Explosion gelingt, weil Elias nach der Explosion immer Gewissensbisse hatte und die Tat bereut. Diese Zweifel wachsen durch die Zeitreise der Polizistinnen, die 1891 und 2023 eintreffen. Der sterbende Julian Harker bespricht 1941 eine letzte, geheime Schallplatte, in der er Elias auffordert, die Bombe nicht zu zünden. Whiteman versteckt die Schallplatte in einem Bilderrahmen einer Polizistenkneipe, die Hasan 2023 erkennt. Elias hört die Schallplatte und beschließt, die Bombe nicht zu zünden. Die Zeitschleife ist gebrochen, und keine der Zeitreisen findet statt. Elias hat nie existiert, vermutlich ist die Zukunft 2053 auch vollkommen anders. Die zeitgereiste Hasan verschwindet aus 2023 und vermutlich auch Maplewood aus 1891. Auch die zeitreisenden Defoes verschwinden aus der Realität.

Die Serie umgeht die übliche schmerzliche Diskussion über ein Zeitparadoxon: da die Explosion nicht stattfindet, weil die Gesellschaft nie gegründet wird, gibt es auch keinen Grund für die Zeitreise in der Zukunft, da die Bombe nie gebaut wird; möglicherweise wird die Zeitmaschine auch gar nie entwickelt, weil es keinen Antrieb dafür gab (eben: die Exposion zu verhindern). Elias hat nie existiert und kann deshalb nicht die Zeitreise antreten.

Ob also nun der freie Wille existiert oder nur eine Illusion ist, wie Defoe behauptet, ist irrelevant: wenn die Illusion "gut genug" ist, entscheidet sich jeder Mensch, das zu tun, was sich in der entsprechenden Situation gerade anbietet. Elias hat seinen freien Willen ausgeübt und sich dazu entschlossen, die Bombe nicht zu zünden. Die Geschichte hat also eine andere Wendung genommen und offensichtlich ist "freier Wille" möglich. Elias hat sogar sich und seine Existenz geopfert und daneben natürlich auch seine (kurze) Ahnenreihe, weil er ja auch als Harker nie den Sohn Hayden mit Polly gezeugt hat.

In der Serie werden Ideen und Anklänge aus anderen Zeitreisefilmen aufgegriffen: ähnlich wie bei Terminator kann nur lebendes Gewebe eine Zeitreise durchführen. Maplewood verliert ihr Implantat und kommt dadurch querschnittsgelähmt in der Vergangenheit an. Aus demselben Grund finden die Forensiker auch keine Kugel und keine Austrittswunde bei Defoes Leiche.

Die Polizisten hinterlassen eingekratzte Hinweise in einer Backsteinmauer neben dem Fundort der Leiche(n), die den anderen Polizisten dann in die Lage versetzen, z.B. die Verbindungen zwischen den Leichenfunden zu erkennen bzw. das Versteck der Schallplatte zu finden. Diese Idee hatte schon der 11. Doktor im 50-Jahre-Jubiläum von "Doctor Who", als er, von Elizabeth I. eingekerkert, den Code des Vortex-Manipulators in die Wand des Tower-Gefängnisses einritzt. Clara kann dann 2013 mit diesem Code den Zygonen entkommen (Fun Fact: es ist das Datum der Erstausstrahlung von Doctor Who, "2311631716", der 23. 11. 1963 um 17:16).

Die Diskussion um den "freien Willen" findet sich auch besonders prominent in "Good Omens" von Sir Terry Pratchett, als Adam sich entscheidet, die Apokalypse nicht auszulösen und sich somit seinem höllischen Vater zu widersetzen. Die Geschichte gibt es auch als Theaterstück von den Hanauer Dramateuren.

Was mir unangenehm aufgefallen ist, weil es aufgesetzt erschien, ist die homosexuelle Episode von Hillinghead mit dem Journalisten. In letzter Zeit habe ich oft das Gefühl, dass LGBTQ-Themen in Filmen und Serien auftauchen müssen, weil es Mode ist. In "Umbrella Academy" war das perfekt gelöst und passte in die Handlung: aus dem Mädchen Vanya wird der Mann Viktor und es ist einfach normal. In "Bodies" wirkt es gezwungen und künstlich und stört den Fluss der  Handlung. Harker inszeniert zwar mit dem betäubten Hillinghead Fotos in homosexuellen Posen, um ihn damit erpressen zu können, aber dies geschieht dann doch nie. Es wirkt, als ob das Drehbuch hier geändert wurde und der Handlungsteil nie bis zum Ende verfolgt wurde.

21.12.2023

Nochmal die "Technologieoffenheit" - Leserbrief

[veröffentlicht am 30.12.2023]

Ich würde ja sehr gern weiter mit Hr. F. auf der Grundlage sachlicher Argumente und Fakten diskutieren, aber leider will Hr. F. nicht auf die Fakten eingehen, die ich ihm als Antwort genannt hatte. Stattdessen höre ich nur “mimimi” aus seiner kurzen Replik und den Vorwurf der persönlichen Angriffe.

Ganz im Gegenteil: es ist nicht mein Diskussionsstil, mein Gegenüber persönlich anzugreifen. Ich lege Wert auf den Austausch von Argumenten, die faktisch nachprüfbar sind. Hr. F. hingegen glaubt an Schwurbelwissenschaftler wie Vince Ebert, der auf kabarettistische Weise versucht, den Klimawandel weg zu scherzen. Dabei ist er in guter Gesellschaft mit Dieter Nuhr, wobei letzterer auch auf den Versuch von Pseudofakten verzichtet und nur noch schlechte Witze macht.

Hr. F. wünscht sich Wundertechnologien, die derzeit Gegenstand der Forschung sind, aber definitiv nicht in einem Zeitraum großmaßstäblich verfügbar sein werden, um die Klimakatastrophe abzuwenden.

Noch einmal neue Fakten zu Atomkraft: der chinesische Investor CGN hat sich aus dem Bau des Kernkraftwerks Hinkley Point C in England zurückgezogen. Die Kosten dort sind von 20 auf 38 Milliarden Euro explodiert. Der zweite Investor ist der französische Staatskonzern EDF, der mit 18 Milliarden Euro Schulden Pleite ging und verstaatlicht wurde. Mittlerweile hat EDF über 60 Milliarden Euro Schulden angehäuft. Damit ist der Weiterbau von Hinkley C vermutlich gescheitert.

Das neue Kernkraftwerk in Olkiluoto in Finnland ist nach zehn Jahren Verzögerung und vervierfachten Baukosten (12 statt 3 Milliarden Euro) zwar fertig gebaut und in Betrieb gegangen, aber nach wenigen Wochen Betrieb schon wieder abgeschaltet worden, weil der erzeugte Strom zu teuer ist und am Markt nicht wirtschaftlich zu verkaufen ist.

Das neue Kernkraftwerk Flamanville in Frankreich hat dasselbe Problem: eine Vervielfachung der Baukosten (11 statt 3 Milliarden Euro), mehrere Jahre Verzögerung bis zur Fertigstellung, und ebenfalls zu teurer Betrieb.

Kernkraftwerke sind nur langsam regelbar. Wenn sie laufen, müssen dafür Erneuerbare aus dem Stromnetz genommen werden - das ist das Gegenteil von sinnvoll. Strom aus Kernkraft treibt den Strompreis an der Börse hoch. Derzeit ist der Strompreis unter dem Niveau von 2008 (in diesem Jahr war der höchste Preis in 20 Jahren vor dem Ukrainekrieg 2022).

Gerade hat die Opposition mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht eine Kürzung von 60 Milliarden Euro in den Haushalten der nächsten 4 Jahre erzwungen. Das ist großartiger Stil, da dieselbe Partei für dieses Sondervermögen und seine Umwidmung gestimmt hat. Die neue Ampelregierung war technisch und formal nach dem Regierungswechsel überhaupt nicht in der Lage, diese Regelung kurzfristig rückgängig zu machen.

Also: woher soll das Geld für neue Kernkraftwerke kommen? Die Privatwirtschaft wird sie wegen des Haftungsrisikos nicht allein bauen. Geld für Subventionen ist nicht vorhanden.

Wir haben das Wissen und die Technik, wir müssen das nur - endlich - nutzen! Selbst ohne Solar und Wind haben wir genügend Kapazitäten zur Erzeugung von Strom. Deutschland braucht maximal 80 GW Strom pro Tag (im Schnitt 60 - 80), und selbst bei windstiller Nacht haben wir 130 GW Kapazität mit sonstigen Stromerzeugern. Im Schnitt hat Deutschland im Jahr 2023 52 % Strom aus Erneuerbaren erzeugt, eine Steigerung von 5 % gegenüber 2022 - das ist der richtige Weg, auch wenn es knapp werden wird!

07.12.2023

Das Märchen von der Technologieoffenheit - Leserbrief

[veröffentlicht am 07.12.2023]

Das war mal wieder ein Leserbrief von Hr. F., der ein heftiges Kopfschütteln auslöst ob der Faktenfreiheit bei allem, was er an “Argumenten” anführt, um über die amtierende Regierung zu jammern.

Es war nicht Habeck und auch sonst war es nicht die Ampel, sondern die vorherigen CDU/FDP- bzw. CDU/SPD-Regierungen, die die meisten Kernkraftwerke abgeschaltet haben. Die letzten drei Kraftwerke sind während der Regierungszeit der Ampel abgeschaltet worden, aber das dazu erlassene Gesetz stammt noch von der Vorgängerregierung und wurde jetzt nur (fast) fristgerecht umgesetzt.

Hr. F. erwähnt “Dual Fluid Reaktoren” - auch dazu gibt es ein paar magere Forschungsergebnisse, aber nichts, was sich großmaßstäblich einsetzen ließe, um unsere derzeitigen akuten Probleme durch die Klimakatastrophe zu lösen. In den USA wurden die Bauarbeiten an einem Mini-Fusionsreaktor aus Kostengründen wieder eingestellt - Kernfusion kommt wie üblich erst in 40 Jahren.

Genauso weiß Hr. F., dass Fracking ungefährlich ist wegen der “Verdünnung”. Das Umweltministerium denkt seit 2017 anders darüber: “Erdgasgewinnung in Schiefer-, Ton-, Mergel- und Kohleflözgestein (...) aufgrund der fehlenden Erfahrungen und Kenntnisse in Deutschland grundsätzlich verboten ist. Lediglich zu wissenschaftlichen Zwecken können die Bundesländer bundesweit maximal vier Erprobungsmaßnahmen im Schiefer-, Ton-, Mergel- oder Kohleflözgestein zulassen.”.

Warum weinen Laien immer noch den Kernkraftwerken nach? Die Abschaltung war aus vielerlei Gründen vollkommen richtig. Seit dieser Entscheidung ist die Kohleverbrennung für die Stromerzeugung um fast die Hälfte zurückgegangen. Deutlich weniger Wind und Solar musste abgeregelt werden, mal ganz abgesehen davon, dass es immer noch keine vernünftige Endlagerlösung für Atommüll gibt. Atomstrom ist der teuerste Strom überhaupt. In Frankreich wurde der Energieversorger EDF verstaatlicht und häuft weiterhin massiv Schulden an, weil die Kernkraftwerke dort soviele Probleme machen.

Das derzeitige Problem in Deutschland ist der Stromtransport aus dem Norden, der jedes Jahr mehrere Hundert Windkraftanlagen baut, in den ideologisch verblendeten Süden (obwohl ich ansonsten den Begriff “ideologisch” ablehne). Söder hat sogar vor zehn Jahren mit Rücktritt gedroht, wenn die Kernkraftwerke nicht abgeschaltet werden. Allerdings haben er und sein Vize Aiwanger von der FW es ebenfalls zehn Jahre versäumt, Alternativen zu bauen: in Bayern wurden dieses Jahr gerade mal 6 Windkraftanlagen genehmigt und zwei gebaut. Im Vergleich dazu: In ganz Deutschland wurden allein im ersten Halbjahr 2023 on-shore 331 neue Windenergieanlagen gebaut.

In den letzten zwei Jahren hat die Verbrennung von Gas und Öl massiv zugenommen. Wir sind derzeit auf dem Weg zu mehr als 2,5 Grad globaler Erwärmung. Der Pazifik heizt sich unglaublich auf, und Forscher befürchten, dass die ersten Kipppunkte schon erreicht sind, nämlich die Arktis und der Amazonas. Auch wenn es gefühlt nicht so war: in Deutschland ist 2023 die durchschnittliche Temperatur 2 Grad über dem langjährigen Jahresmittel gewesen. Wir haben die gesetzlich festgelegte Grenze von 1,5 Grad (Paris 2015), der die deutsche Regierung verpflichtet ist (Grundgesetz Art. 20a), bei weitem gerissen.

“Technologieoffenheit” ist ein Schlagwort, das gern verwendet wird, um die ökologische Energiewende mit Solar, Wind, Wasser und Biogas zu behindern. Besonders die FDP liebt diesen Begriff. Das ist dieselbe FDP, die immer gern von “Der Markt regelt” spricht, bis eine Lobbygruppe anklopft und nach Subventionen fragt, weil der “Markt” zwar durchaus regelt, aber dies schlicht nicht den Wünschen der Lobbys entspricht. Das war aktuell bei E-Fuels so, als postwendend eine Porsche-Managerin nach staatlichen Hilfen rief, weil die Herstellung von E-Fuels teuer und ineffizient ist.

“Technologieoffenheit” ist ein Begriff zur Verzögerung und ein Zeichen von Entscheidungsunwillen. Während der Forschungsphase sollte man natürlich in alle Richtungen offen sein, aber wenn sich ein Lösungsweg anbietet, der besser ist als alle anderen, wird es Zeit, die vorhandenen begrenzten Mittel auf den besten Weg zu konzentrieren statt sich weiterhin zu verzetteln.

04.12.2023

Private Wasserstoff-Autos sind sinnlos - Leserbrief

[veröffentlicht am 02.12.2023]

In der Kolumne von Prof. Breckow am 22.11. erwähnt er sehr häufig Wasserstoff (H2) als Treibstoff für PKWs. Wasserstoff wird üblicherweise durch Elektrolyse aus Wasser gewonnen und wird gerade sehr intensiv diskutiert. Medienwirksam werden dazu von Politikern gern “Elektro-Lyseure” eingeweiht. Dazu ein paar Gedanken über die Effizienz.

Für die elektrolytische Produktion von 1 kg Wasserstoff benötigt man ca. 55 kWh an Strom und mehr als 10 Liter Wasser. Der Energiegehalt von 1 kg Wasserstoff ist aber “nur” 33 kWh bei der Nutzung in einem PKW. Ganz offensichtlich ist Wasserstoff also keine sinnvolle Option für den Antrieb von PKW oder LKW. Auch Busse und Schienenverkehr erscheinen unter diesem Aspekt nicht brauchbar. BMW hat die Produktion von wasserstoffgetriebenen PKW aufgegeben. Mercedes forscht seit Jahrzehnten an Brennstoffzellen und liefert nicht.

Falls man Wasserstoff aus Kohlenwasserstoffen herstellt (z.B. Methan), erhält man wiederum unerwünschte Abfallprodukte.

Mit 55 kWh Strom fährt ein E-Auto knapp 400 km, und man vermeidet den Verlust von 22 kWh Strom, wenn man den Zwischenschritt Wasserstoff einfach weglässt und die Energie direkt im Akku eines E-Autos speichert. Nebenbei ist jedes Wasserstoff-Auto ein E-Auto, denn der Wasserstoff wird in einer Brennstoffzelle wieder in elektrischem Strom umgewandelt.

Abgesehen davon gibt es nicht genügend Strom, um umweltverträglich “grünen” Wasserstoff für den Individualverkehr zu produzieren. Wasserstoff wird jetzt und künftig in großem Umfang in der Industrie benötigt. Wenn man nun “blauen” oder gar “grauen” Wasserstoff verwenden muss, ist man umweltmäßig ganz schlecht unterwegs.

Genau wie die Totgeburt E-Fuels ist Wasserstoff für private PKW sinnlos, weil die nötige Größenordnung der Herstellung absolut unpraktikabel und vor allem eine gigantische Energieverschwendung ist. Der Weg zum E-Auto ist alternativlos, alle Autohersteller haben angekündigt, bis zu welchem Zeitpunkt sie keine Verbrenner mehr herstellen und verkaufen wollen.

Wasserstoff ist kein Treibstoff, sondern ein Speichermechanismus, wenn man überschüssigen Strom hat, und in der Industrie nützlich, aber auf keinen Fall im Verkehrs- und Transportwesen.

Für lebenswerte Innenstädte wäre natürlich weniger Individualverkehr noch viel besser, vorausgesetzt, der ÖPNV wird so stark ausgebaut, dass Politiker nicht mehr mit dem Strohmannargument hantieren können, der “Rentner auf dem Land” müsse mobil bleiben und ein Auto zum Einkaufen verwenden.

Außerdem hat Prof. Breckow die Zahlen für den Energiegehalt von Benzin und Diesel etwas übertrieben: Benzin hat einen Heizwert von ungefähr 8 kWh pro Liter, Diesel von etwa 10 kWh pro Liter, also nicht 10 bzw. 12, wie er schrieb. Der Wirkungsgrad ist nochmals schlechter: ein Otto-Motor erreicht keine 25%, ein Diesel auch nur knapp 30%. Im Vergleich dazu kann ein E-Auto mehr als 80% der aufgewendeten Energie in Bewegung umsetzen statt in Wärme und Abgase, und beim Bremsen wird sogar Energie zurückgewonnen (rekuperiert).

28.11.2023

Die CDU demonstriert in Karben nicht gegen die AfD - Leserbrief

[veröffentlicht am 28.11.2023]

Die Stellungnahme von Hr. Beck zum Fernbleiben der CDU war ein peinliches Zeugnis der Tatsache, dass die CDU offensichtlich immer noch heimlich mit der AfD liebäugelt. Seine Mitteilung ist ein bunter Strauß von Behauptungen, die vom eigentlichen Problem ablenken sollen, dass die CDU sich nicht deutlich(er) positionieren will.

Die Verharmlosung “die AfD ist eine demokratische Partei” zeigt, dass Hr. Beck die aktuellen Nachrichten der letzten Wochen nicht verfolgt hat oder nicht wahrnehmen will. Die AfD ist mittlerweile in fast allen Bundesländern als “gesichert rechtsextrem” eingestuft worden und wird zu Recht vom Verfassungsschutz permanent beobachtet. Nichts an der AfD ist demokratisch!

Auch die Behauptung, dass man der AfD keinen gewonnenen Prozess vor Gericht zur Erzwingung einer Vermietung gönnen will, ist eine ebenso peinliche Verharmlosung und versuchte Normalisierung der AfD. Es gibt genügend Urteile, die den Vermietern bestätigen, dass sie der AfD einen Mietvertrag verweigern können.

Die “Tradition von Adenauer und Kohl” zu erwähnen, ist ja ebenfalls ein Treppenwitz der Geschichte. Kohl ist der Kanzler des Kungelns und der Korruption, der über “Spendengelder” vor Gericht log, obwohl es um Schwarzgeld ging. Nur seinem Alter und einem milden Richter war zu verdanken, dass er trotz seiner Aussagenverweigerung keine Erzwingungshaft antreten musste. Kohl haben wir in den 80ern die Verhinderung des Glasfaserausbaus zugunsten von Privatfernsehen und Kupferkabeln zu verdanken. Seine Wiederwahl nach der Wiedervereinigung gelang nur dank der großzügigen Geldgeschenke und Umtauschkurse an die DDR.

Natürlich darf dann auch ein Seitenhieb auf die “irreguläre Migration” nicht fehlen, der eigentlich an dieser Stelle überhaupt nichts zu suchen hat. Ich hoffe, Hr. Beck ist klar, dass dieser Kampfbegriff 2017 von der AfD erfunden wurde?

Das Grundgesetz garantiert jedem, dass er in Deutschland Asyl beantragen darf. Der juristische Umweg, dass man im ersten Betretungsland der EU Asyl beantragen muss und nicht weiterreisen darf, ist ein fieser Trick, mit dem ein Binnenland wie Deutschland sich fein aus der Affäre gezogen hat. Dieser Trick und die Brandmarkung als “irregulär”, also mit der Unterstellung “illegal”, widerspricht der Genfer Flüchtlingskonvention (kein Flüchtling darf wegen eines illegalen Grenzübertritts bestraft werden; mit dem Asylantrag erfolgt eine automatische Duldung und damit erlischt eine eventuelle Illegalität sowieso).

Genauso fehlt seit Jahren ein vernünftiger Prozess, mit dem die Ankömmlinge auf alle Mitgliedsländer der EU verteilt werden, damit wir alle gemeinsam Hilfe leisten und den Aufwand schultern können. Stattdessen werden von Frontex überfüllte Boote auf dem Meer zurückgedrängt und gelandete Flüchtlinge unter menschenunwürdigen Bedingungen in Lagern eingesperrt, die dann im schlimmsten Fall auch noch in Brand gesteckt werden. Aber Hr. Beck meint ja, dass die “irreguläre Migration” ein Problem in Deutschland ist. Ganz polemisch gesagt: Deutschland hat 1990 die Immigration von 17 Millionen DDR-Bürgern in die westdeutschen Sozialsysteme geschultert, und jetzt wird ein riesiges Geschrei gemacht, obwohl die Größenordnung um ein Vielfaches geringer ist?

Aber was will man auch mehr von einer Partei erwarten, die laut Wahl-O-Mat 75% Übereinstimmung mit dem Parteiprogramm der AfD hat? Um so erschreckender, dass der Beschluss des Fernbleibens im Vorstand “einstimmig” beschlossen wurde.

Applaus an alle Vereinigungen und Bürger, die hier deutlich gezeigt haben, dass die AfD mit demokratischem Gegenwind rechnen muss und die Mehrheit sie ablehnt.

30.10.2023

Der neue Asterix "Die weiße Iris"

Natürlich habe ich als großer Comic- und insbesondere Asterix-Fan Donnerstag morgen gleich den neuesten Band 40 gekauft und gelesen.

Die Zeichnungen sind sehr schön, die Texte sind intelligent, die Handlung ist nachvollziehbar und natürlich gibt es am Ende das übliche Grillfest mit Wildschweinen.

Trotzdem hinterlässt dieser Band gemischte Gefühle, nachdem die erste Begeisterung abgeklungen ist, dass die zwei Jahre seit dem letzten Band endlich herum sind. Es ist eigentlich zuviel von allem, was in diese Geschichte alles hineingestopft wurde, und alles ist schon so ein bisschen bekannt.

Der römische Intrigant Visusversus (eine Verballhornung von "vice versa"), der das Dorf besiegen will, ist eine Mischung aus dem "Seher" Lügfix, dem Architekten Quadratus aus der Trabantenstadt, dem intriganten Tullius Destructivus und dem Finanzbürokraten Technokratus, der die Gallier mit Geld dekadent machen will.

 Er erzählt den Galliern wie Lügfix, was sie hören wollen; er wirft mit Geld um sich und schmiert den Händlern (Automatix und Verleihnix) Honig um's Maul, und er ist hinterrücks intrigant wie Tullius Destructivus. Zum ersten Mal (in meiner Wahrnehmung) verkauft Verleihnix keine Fische aus Lutetia, sondern frischen, selbstgefangenen. Das war überraschend.

Die Geschichte ist zu voll mit Anspielungen auf frühere Asterix, die Klimakleber, Verkehrsstaus und andere moderne Widrigkeiten. Gutemine wird von Visusversus unter falschen Voraussetzungen nach Lutetia gelockt, ihr Bruder Homöopatix hat einen kurzen Gastauftritt und sogar ein Bühnenauftritt von Obelix mit Lampenfieber wird aus dem Band "Kupferkessel" neu aufgekocht. Die Versöhnung von Majestix und Gutemine kommt mit wenig Anlass und ist in meinen Augen unglaubwürdig, nachdem sie vorher - berechtigte! - Kritik an den familiären Rollen aufgebracht hat.

Fazit: nett, nicht so ein Reinfall wie "Gallien in Gefahr", aber nicht so gut gelungen wie die vorherigen "Pikten", "Greif", "Italien" und "Papyrus".

27.10.2023

Bewahren wir unsere Schöpfung! - Leserbrief

[veröffentlicht am 27.10.2023]

Zur Abwechslung möchte ich mal den Konservativen und den extrem Konservativen und den religiösen Menschen ein paar Gedanken anbieten.

Die Bibel spricht von “macht Euch die Erde untertan”. Damit ist gemeint, dass wir pfleglich mit unserer Umwelt umgehen, und nicht, dass wir sie ausbeuten und zerstören. Wenn Sie als Gläubige nicht mit dieser Interpretation des Bibelworts übereinstimmen, sollten Sie mit einem Theologen Ihrer Wahl sprechen.

Die Klimakatastrophe wird dazu führen, dass ein Großteil der Südhalbkugel durch Dürre und Überflutung unbewohnbar und vor allem landwirtschaftlich unbenutzbar werden wird.

Das wird eine gigantische Fluchtwelle von Menschen in Gang setzen, die in den kühleren Norden ziehen wollen.

Allein diese Überlegung sollte alle AfD-Anhänger dazu bringen, dass man nicht am Symptom - den Flüchtlingen - herumdoktern sollte, sondern die Ursache angehen muss: und das wäre in diesem Fall eine Umweltpolitik fahren, die eben dafür sorgt, dass unsere Welt bewohnbar bleibt. Jeder, der “Deutschland den Deutschen” rufen will, sollte also ein glühender Verfechter von Umweltschutz, Energiewende, Wärmewende, Heizwende und vielleicht auch Mentalitätswende werden.

Leider scheint es so zu sein, dass gerade konservative Menschen gern die Zeitungen aus dem Springerverlag lesen. Die berichten leider sehr einseitig und bei der Größe der Buchstaben bleibt die notwendige Komplexität auf der Strecke. Die Einseitigkeit könnte vielleicht daher rühren, dass der größte Investor des Springerverlags außerdem hohe Investitionen in fossile Konzerne und Mietwohnungen mit fossilen Heizungen getätigt hat und nun ohne Rücksicht auf die Zukunft diese Investitionen schützen möchte. Das geht am besten durch ein “weiter so” - jeder soll weiterhin mit Öl und Gas heizen und die Brötchen mit dem Auto beim Bäcker holen. Anders lässt sich die Blockadepolitik der FDP in der Koalition nicht erklären.

Da nun das Gebäude-Energie-Gesetz durch tatkräftige Sabotage der FDP noch weiter verwässert wurde, müsste umgekehrt nun jeder der anderen “Sektoren” mehr CO2 einsparen, und insbesondere müsste nun Wissing in die Pflicht genommen werden, seine konkreten Ziele jedes Jahr zu erreichen (11 Mio. t CO2-Einsparung). Ein Tempolimit wäre volkswirtschaftlich und für die Umwelt sinnvoll (Einsparungspotenzial 5-7 Mio t CO2, nachweislich weniger Verkehrsunfälle).

Außerdem wäre es sinnvoll, umweltschädliche Subventionen zu streichen und dadurch eine Lenkungswirkung zu erreichen (z.B. stärkere Förderung von elektrischem ÖPNV, Streichung von Dienstwagensubventionen, Car-Sharing, noch mehr Förderung für PV-Anlagen auf öffentlichen Gebäuden, Schulen, Behörden, Stop der Quatsch-Argumentation über e-Fuels und “grünen” Wasserstoff für den Individualverkehr ...).

Stattdessen werden die Ampelparteien bei den beiden Landtagswahlen abgestraft (alle Parteien verlieren - leider - deutlich an die AfD) und sowohl Söder als auch Kubicki irrlichtern noch schlimmer herum, dass die Ampel alles ändern muss, statt zu überlegen, ob ihre destruktive Art dazu beiträgt, dass die Politikverdrossenheit insgesamt immer stärker zunimmt.

23.10.2023

Und wieder das Märchen vom Pull-Effekt - Leserbrief

[veröffentlicht am 11.10.2023]

Der Name des Glossisten Deutschländer passt zur Zielrichtung seiner Glosse vom 06.10. So einen schlimmen ausländerfeindlichen, hetzerischen Beitrag finde ich erschütternd und menschenverachtend.

Erneut wiederholt ein Glossist die Behauptung, dass durch die finanzielle und sachliche Unterstützung von Geflüchteten noch mehr Flüchtlinge angezogen werden - der angebliche und sogenannte “Pull-Effekt”.

Erneut also bedient ein Glossist die Hetze gegen Menschen, die vor Krieg, Terror und Verfolgung flüchten. Solche Glossen sind Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen, ob nun in einer Partei organisiert oder nicht.

Auch Hr. Kuger, der Fraktionsvorsitzende der AfD im Wetterauer Kreistag, verwendet diese Behauptung seit langem. Schon im Mai 2020 schwadroniert er in der Kreistagssitzung von “Gesinnungsethik” und “Menschenschleppern” (die WZ berichtete).

Der “Pull-Effekt” wurde seit 2015 mehrfach wissenschaftlich in mehreren EU-Ländern untersucht und jedes Mal in jeder Studie eindeutig widerlegt. Schon nach der o.g. Kreistagssitzung habe ich in einem Leserbrief einige dieser Studien benannt und damit Hr. Kuger (und jetzt erneut mehrere aktuelle Glossen der letzten Tage) widerlegt. Nicht einmal die konservative FAZ konnte Nachweise für “Pull-Faktoren” recherchieren.

Es gibt nicht nur den Asylparagraphen 16 im Grundgesetz, sondern auch die UN-Menschenrechtskonvention und die Genfer Flüchtlingskonvention. All diesen eigentlich selbstverständlichen humanistischen Vereinbarungen hat sich Deutschland bedingungslos angeschlossen - zu Recht! - und sie garantieren, dass jeder Flüchtling rechtliches Gehör bekommen muss.

Die Glossisten der WZ scheinen all dies vergessen zu haben, genau wie Merz, und zitieren damit AfD-Narrative, dass es “zuviele” Flüchtlinge gibt.

Der einzige “Pull-Faktor”, den ich argumentativ akzeptieren kann, ist die Abwesenheit von Krieg in Deutschland. Flüchtlinge kommen nicht her wegen einer Zahnbehandlung, sondern sie flüchten vor Krieg in ihrem Heimatland.

12.10.2023

Glossen in der WZ reden die Ampelpolitik schlecht - Leserbrief

Die Glossisten Schäfer, Sattler und Deutschländer geben sich in den Beiträgen vom 25. und 26.09. große Mühe, die derzeitige Ampel-Politik auf allen Ebenen schlecht zu reden. Hr. Deutschländer ist sich nicht einmal zu schade dafür, Habeck die Schuld für das “Heizungsgesetz” zuzuschieben, und Sattler erhebt eine anekdotische Einzelerzählung zu einem “Clan”-Problem, dessen Name angeblich nicht mehr genannt werden dürfe.

Habeck die Schuld daran zu geben, was die FDP mit ihrer unermüdlich von Lobbys getriebenen Oppositionspolitik beim “Heizungsgesetz” (Gebäude-Energie-Gesetz) an Verschlechterungen durchgesetzt hat, grenzt schon sehr an Fake-News. Die Kampagnen hierzu entstammen im Wesentlichen der Springer-Presse (“Heiz-Hammer”) und deren Hauptinvestor KKR, dem gleichzeitig mehrere Tausend Mietwohnungen gehören.

Schauen wir doch mal genauer hin, z.B. auf die Sonntagsfragen, wenn Wahl wäre ... Die einzige stabile Partei mit minimalen Schwankungen sind die Grünen. Alle anderen Parteien verlieren im Rekordtempo an die AfD, dank der unterirdischen Versuche der CDU/CSU, sich an den rechten Rand der Wählerschaft anzubiedern. Insbesondere Merz, Söder und Aiwanger sind hier peinliche Schlusslichter, aber auch die hessische CDU steht nicht viel besser dar. Der Wahl-O-Mat bescheinigt der CDU hier für die bevorstehende Landtagswahl eine 70%-ige Übereinstimmung mit dem Programm der AfD, und das gibt niemandem zu denken - im Gegenteil werden z.B. bei Facebook Kommentare, die darauf hinweisen, mit “Du linksextremer Verfassungsfeind” beantwortet.

Die Ampel hat zur Halbzeit mehr als Zweidrittel der Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt, und Habeck und Baerbock sind Arbeitstiere. Die FDP-Minister fallen eher durch Schweigen, Blockaden und Untätigkeit auf, zuletzt z.B. bei dubiosen 98 Mio. Euro an Wasserstoff-Subventionen. Das Verkehrsministerium schiebt ein gigantisches Defizit bei der vereinbarten CO2-Einsparung vor sich her, deshalb wurde das entsprechende Gesetz durch eine “Lex Wissing” aufgeweicht und statt der Sektorenziele gibt es nun wieder ein einziges “großes” Einsparziel über alle Ressorts hinweg, was utopisch ist, weil die anderen Ressorts das Defizit im Verkehrsressort nicht aufwiegen können. Dabei wäre es so einfach: mehr als die Hälfte seiner jährlichen Bringschuld (11 Mio. t CO2) könnte Wissing durch ein Tempolimit erreichen (6 Mio. t CO2), und das wäre sogar kostenfrei ohne Belastung seines Etats möglich.

Mehrere Nobelpreistragende Ökonomen haben nach der Wahl vor Lindner als Finanzminister gewarnt, und wie man heute sieht, war die Warnung zu Recht erfolgt: in einer drohenden Rezession eine Austeritätspolitik mit Sparmaßnahmen und Zinserhöhungen zu betreiben, ist seit Jahrzehnten bekanntermaßen falsch. Das ging in Griechenland schief, und wie man es richtig macht, haben Portugal und Spanien gezeigt: dort hat der Staat mit einer vernünftigen Ausgaben- und Förderpolitik das Ruder herumreißen können, die Inflation dort liegt bewundernswert niedrig.

Die Ampel und hier insbesondere die Grünen räumten in den letzten zwei Jahren im Rekordtempo die Versäumnisse von fast 40 Jahren CDU-Regierungsbeteiligung auf. Habeck hat die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen beendet und treibt, begleitet von guten, verständlichen Erklärungen (wenn man zuhören will) die Energiewende voran.

Schauen wir mal konkret, was die Ampel und insbesondere das Wirtschaftsministerium geleistet hat:

  • Habeck sichert Gasversorgung ohne Russlandlieferungen
  • Gaspreis im Handel wieder unterhalb des Vorkriegsniveaus
  • 211 Mrd. Euro Fördergelder bis 2027 für den Klima- und Transformationsfonds
  • Geywitz und Habeck setzen EU-Recht fristgemäß um, um so EU-Vertragsstrafen zu verhindern
  • Hersteller von Öl- und Gasheizungen stellen - wie seit Jahrzehnten geplant - auf Wärmepumpen um
  • Windkraftgenehmigungsverfahren durch Habeck stark beschleunigt und hierdurch die Unabhängigkeit von Russland schneller gesichert als noch 2022 erhofft
  • PV-Ausbau neben Autobahnen und Bahnlinien läuft hoch
  • neue PV-Fabriken in Deutschland im Bau
  • Energiewende bringt Arbeitsplätze
  • PV-Ausbau von 5 GW 2021 auf über 7 GW 2022 gesteigert. Für das erste Halbjahr 2023 sind schon 5 GW Zubau erreicht und damit die 10 GW-Marke für das ganze Jahr in Sicht.

06.09.2023

LineageOS mal wieder - nach langer Zeit

Lange Zeit war es still um die Installation von Custom ROMs auf meinen Handys ... jetzt hatte ich mal wieder Lust und Gelegenheit und ein abgelegtes Handy, für das es ein offizielles LineageOS-ROM gibt.

Vor langer Zeit war Motorola mal im Besitz von Google, und aus dieser Zeit resultieren immer noch einige erfreuliche Leistungen und Features, die die Handys von Motorola auszeichnen. Zugegeben, die Update-Politik könnte besser sein. Ob das mit dem späteren Verkauf an Lenovo zusammenhängt und Lenovo dadurch sparen will, ist schwer zu sagen. Die Geräte bekommen derzeit im Schnitt nur alle zwei Monate ein Update und nicht jeden Monat pünktlich am 5. wie die Google-Pixel-Modelle. Mein letztes Update ist das vom Juli, und ich erwarte das September-Update so ungefähr zu meinem Geburtstag :-)

Trotzdem gefallen mir die Modelle von Motorola ziemlich gut - ich habe mich auf die Mittelklasse eingeschossen, die "G"-Modelle (ich liebäugele aber durchaus als nächstes mit einem Edge 30 Ultra ...). Derzeit verwende ich ein "G200 5G" (auch wenn es in Berstadt derzeit noch kein 5G gibt), das es bei Amazon als B-Ware-Schnäppchen gab. Das vorherige Modell war ein "G 5G plus" und hatte nur 4 GB RAM. Das machte sich bei der Benutzung deutlich bemerkbar. Beim Wechseln zwischen Apps hakte es deutlich, und die Speicherverwaltung hat sehr oft Apps komplett aus dem Speicher entfernt, so dass beim Wechseln ein Neustart der App nötig war. Die Kamera ist bei allen Modellen ziemlich gut, auf jeden Fall ausreichend für meine Schnappschüsse. Die Bedienung und die zusätzlichen Gesten, die die Motorola-Geräte anbieten, finde ich enorm praktisch, und das Android ist nahezu identisch zum Original von Google - es gibt keine aufgeblähten Aufsätze wie bei Samsung oder Xiaomi oder zwangsinstallierte Software von Facebook, LinkedIn o.ä., die man nicht entfernen kann, ohne das Gerät zu "rooten" und dadurch die Gewährleistung zu riskieren.

Für das G 5G plus ("nairo") ist a) der Update-Support abgelaufen und b) es gibt ein offizielles LineageOS-ROM für dieses Modell. Was also liegt näher, als es mal wieder zu wagen?

Im Nachhinein bin ich etwas verärgert, dass Motorola keine Updates mehr für dieses Modell liefert. Da ich selbst als Software-Entwickler mit ziemlich modernen Werkzeugen arbeite und insbesondere viel mit automatischer Erstellung und Prüfung von Softwarepaketen zu tun habe, verwundert mich die Entscheidung, keine Updates mehr zu liefern. Die meisten Updates für Android werden von Google zugeliefert und können nahezu vollautomatisch integriert werden. Danach ein Update-Paket zu erstellen und auszuliefern, ist dann nur noch eine Sache von wenigen Minuten. Seit Jahren geht durch die Presse, wie gefährlich Cyber-Angriffe sind, und dass Updates die wichtigste Gegenmaßnahme sind - und trotzdem beharren Hersteller auf absurd kurzen Zeiträumen für die Bereitstellung von aktuellen Updates gegen Sicherheitslücken.

Es gibt ein paar wenige Situationen, in denen es plausibel ist, dass keine Updates mehr geliefert werden. Ein solcher Fall ist, dass sich ein Hardwarehersteller aus dem Geschäft mit Chips für Smartphones vollständig aus dem Geschäft zurückzieht. So geschehen bei Texas Instruments, die den CPU-Chip für das Samsung Galaxy Nexus geliefert haben. Danach gab es keine Updates mehr für die integrierten Module wie Bluetooth, WLAN, Kamera etc., die alle als Binärpakete von TI zugeliefert wurden.

Aber zurück zum eigentlichen Thema :-)

Spoiler: alles lief wunderbar geschmeidig - einfach der Schritt-für-Schritt-Anleitung bei LineageOS folgen. Jetzt hat das G 5G plus ein neues Leben mit Android 13 und monatlichen Updates :-)

  1. Entwicklereinstellungen freischalten (7x auf "Build Datum" tippen)
  2. Bootloader in den Entwicklereinstellungen entsperren ("OEM unlock")
  3. USB-Debugmodus einschalten und "vertrauenswürdiges Gerät" bestätigen
  4. Gerät mit USB-C-Datenkabel an den PC anschließen (sowohl Linux als auch Windows auf dem PC sind möglich)
  5. Im Fastboot-Modus den Code mit dem Befehl "fastboot oem get_unlock_data" abfragen
  6. Den Code auf dieser Motorola-Webseite eingeben. Nicht die Weiterleitung nach Deutschland anklicken, sondern die US-Seite verwenden (man muss sich dazu mit einer Emailadresse als Benutzer registrieren oder das Login mit Google verwenden)
  7. Auf die Email von Motorola warten (10 min.)
  8. Im Fastboot-Modus das Handy mit dem Befehl "fastboot oem unlock <Code>" und dem Code aus der Email entsperren
  9. Immer noch im Fastboot-Modus das LineageOS-Recovery installieren
  10. Bootloader neu starten
  11. Kopierskript für die A/B-Partitionen mit "adb sideload" starten
  12. Recovery starten (Bedienung mit Touchscreen möglich, nicht nur mit den Tasten)
  13. Speicher formatieren
  14. LineageOS-ROM mit "adb sideload" installieren (die Datei mit "-nairo-signed.zip" am Ende)
  15. MindTheGApps mit "adb sideload" installieren (die OpenGApps werden nicht mehr gepflegt)
  16. Neu starten
  17. Handy einrichten wie üblich

04.09.2023

Warum hat die AfD Zulauf? - Leserbrief

[veröffentlicht am 02.09.2023]

Weshalb wundert sich Hr. Sattler in seiner Glosse vom 22.08. darüber, dass die AfD stärker wird?

Ich kann es ihm genau erklären: weil allerorten die Narrative, über die sich die AfD freut, lang und breit durch die Presse und die Medien getragen werden und AfD-Politikern viel Raum gegeben wird. Auch Hr. Sattler ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte.

Auf der einen Seite nämlich beklagt er die Gefahr, dass die AfD Stimmen gewinnt, auf der anderen Seite laboriert er genau deren Stichpunkte, von denen leider keiner so richtig stimmt.

Er stellt fest, dass “höchstens” die Hälfte der Geflüchteten seit 2015 eine Ausbildung gemacht hat und in Lohn und Brot steht. Ich finde hingegen, das ist eine großartige Leistung unseres Schul- und Ausbildungssystems, dass so schnell so viele Menschen aus anderen Kulturkreisen sich hier in einer ihnen fremden Sprache zurecht finden konnten. Die andere Hälfte sind vermutlich großteils Kinder, Jugendliche, Senioren oder pflegende Familienangehörige. Es ist also höchst unehrlich, sich zu beklagen, dass “nur” die Hälfte Ausbildung und Beruf gefunden hat und nicht zu (er)klären, wie diese Zahl zustande kommt.

Deutschland geht es wirtschaftlich nach wie vor gut, und jetzt unser Land als “kranken Mann” oder als vom Abstieg gefährdet zu bezeichnen, spielt auch nur dem politischen rechten Rand in die Karten. Die Ampel ist seit zwei Jahren an der Regierung und räumt die Hinterlassenschaften und Nachlässigkeiten der letzten Dekaden von Regierungen mit CDU-Beteiligung auf. Solch eine aggressive Oppositionsagitation, und das sogar mit offenen Unwahrheiten, habe ich in den letzten 40 Jahren nicht erlebt.

Wenn man Deutschland schlecht macht und den Geflüchteten und Zuwanderern die Schuld gibt, passiert genau das: niemand will mehr freiwillig zu uns kommen und hier arbeiten. Wir brauchen dringend eine geregelte Zuwanderung. Es ist bezeichnend, dass Lindner diesen März bei einer Auslandsreise nach Ghana auf die Frage, wer zum Arbeiten nach Deutschland kommen wolle, sich keiner der jungen Leute in einem Hörsaal einer Universität gemeldet hat.

Vielleicht würde es helfen, mal ganz objektiv und konkret zu berichten, was das Programm der AfD ausmacht, wer profitiert und wer leidet? Schauen wir in die neueste DIW-Kurzstudie (Zusammenfassung von volksverpetzer.de).

In Bezug auf die Klimapolitik gibt es laut der Studie keine Partei, die Klimaschutzmaßnahmen konsequenter ablehnt als die AfD. Zudem möchte die AfD die Rechte von Minderheiten einschränken und plant, die Europäische Union zu schwächen oder gar abzuschaffen. Studienautor Fratzscher:

  • „In der Sozialpolitik wünscht sich keine Partei stärkere Einschnitte.“
  • „In der Gesellschaftspolitik unterscheidet sich die AfD am stärksten, will Rechte vor allem für Minderheiten beschneiden.“
  • Bei „Demokratie und Innenpolitik will die AfD Rechte und Freiheiten deutlich restriktiver handhaben als alle anderen Parteien im Bundestag“.

Die AfD ist gegen eine Mindestlohnerhöhung und gegen eine Stärkung der Rechte von Mietern, und für Steuersenkungen, von denen vor allem Besserverdienende und Vermögende profitieren. Laut Kurzstudie würden solche AfD-Positionen „die ohnehin schon häufig am Rande der Gesellschaft stehenden AfD-Wähler noch stärker marginalisieren und ihre gesellschaftliche und politische Teilhabe beschneiden.“

Die AfD ist gegen die Besteuerung großer Vermögen und die Erbschaftssteuer. Den Solidaritätszuschlag für die Spitzenverdiener will sie komplett abschaffen. Das Gleiche gilt für die Wirtschaftspolitik, bei der die AfD generell die Rolle des Staates beschneiden und die Macht des Marktes vergrößern will.

Die Studie hebt hervor, dass viele AfD-Anhänger nicht erkennen, dass sie direkt von den negativen Auswirkungen ihrer Partei betroffen wären, z.B. in Form von Jobverlusten oder Schwächung der EU. Viele AfD-Unterstützer glauben fälschlicherweise, dass ein stärkerer Nationalismus und eine marktfreundliche Politik ihnen persönlich nutzen würden. Die Studie stellt fest, dass genau das Gegenteil der Fall wäre.

23.08.2023

Ich habe aber schon vor Merz gegen die Grünen gehetzt! - Leserbrief

[veröffentlicht am 23.08.2023]

Nun gut, Hr. F. hat schon vor den Tiraden des Merz die Grünen schlecht gemacht. Ehre, wem Ehre gebührt.

Leider ist nichts davon richtig, was er schreibt: die Grünen sind die einzige Partei, die derzeit in den Umfragen bis auf kleine Schwankungen stabil bleibt. Alle anderen Parteien verlieren an die AfD.

Erneut fällt Hr. F. auf die einseitige Berichterstattung seiner bevorzugten krawalligen Nachrichtenquellen herein: Jim Skea, der Vorsitzende des IPCC, hat mitnichten gesagt, dass alles halb so schlimm ist. Seine Kernaussage ist, dass wir durch die Berichterstattung nicht in Schockstarre verfallen, sondern tatsächlich Maßnahmen ergreifen müssen. Insbesondere hat er aktuell gesagt: “Every action we take to mitigate climate change helps," he said, adding that the measures are becoming ‘increasingly cost-effective.’" (Sinngemäß: “Jede Maßnahme, die wir ergreifen, um den Klimawandel zu stoppen, hilft. Je mehr wir tun, desto billiger wird es insgesamt”). Das ist die positive Erweiterung seiner Äußerungen aus dem letzten Jahr: “It's now or never, if we want to limit global warming to 1.5 C. Without immediate and deep emissions reductions across all sectors, it will be impossible.” (“Wenn wir die Erderwärmung auf 1.5 Grad C begrenzen wollen, ist jetzt der letzte Zeitpunkt dafür, die Emissionen sofort und massiv zu reduzieren. Später wird es unmöglich sein.”).

Aber: je mehr wir das seit 2016 in der EU gesetzlich festgelegte Ziel von 1.5 Grad C überschreiten, desto höher werden die Gefahren und Schäden durch Extremwetter. In manchen Bundesstaaten der USA können Hausbesitzer keine Gebäudeversicherung mehr abschließen, weil den Versicherungsgesellschaften das Risiko durch Extremwetter zu groß wird.

Man sieht hier erneut, wie man durch einseitige und selektive Berichterstattung erreichen kann, dass eine Aussage nahezu vollständig ins Gegenteil verkehrt wird. Zumindest bei Hr. F. hat es funktioniert: seine unterschwellige Botschaft ist nun: alles nicht so schlimm, nix zu sehen, gehen Sie weiter, wir müssen nix unternehmen, hören Sie auf mit dem CO2-Psychoterror, alles ist gut. Er steckt sich die Finger in die Ohren und will nichts mehr hören über Umweltschutz und den Klimawandel.

Nebenbei schafft es Hr. F. auch noch, die vorgebliche Vetternwirtschaft mit “Habeck und Graichen” zu erwähnen, die sich als Sturm im Wasserglas entpuppt hat, da kein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist. Umgekehrt verzichtet er gern darauf, die Vetternwirtschaft im Verkehrsministerium zu erwähnen, bei der ein Abteilungsleiter Patente über Brennstoffzellen hält und gleichzeitig für die Vergabe von 98 Mio. Euro an die Wasserstoffindustrie zuständig ist. Derzeit ist unklar, ob er durch die Patenteinnahmen unmittelbar profitiert. Bei den üblichen Krawallblättern erfährt man hierzu: nichts außer dröhnender Stille. Das passt ja auch nicht in deren Narrativ, dass die FDP etwas falsch machen könnte.

Die kognitive Dissonanz lässt sich auch hier beobachten: in früheren Leserbriefen war es die schlimme Ampel, die das fiese Gebäude-Energie-Gesetz durchpeitschen will. Im Leserbrief vom 15.08. sollen wir die “Schuldverschiebung” hinter uns lassen - ein Eingeständnis, dass das GEG eben nicht von der Ampel stammt. Das GEG in der ursprünglichen Fassung war erstaunlich streng und hätte somit mittelfristig eine Verbesserung für die Umwelt bewirken können. Die FDP hat durch ihre Intervention so viele Schlupflöcher erzwungen, dass ich wirklich nicht verstehen kann, was Hr. F. jetzt noch am GEG schlecht finden kann.

Mein Fazit: es geht nur darum, die derzeitige Politik schlecht zu reden, unabhängig von den tatsächlichen Ergebnissen der Regierungsarbeit.

19.08.2023

Wer hat denn nun Kompetenz? - Leserbrief

[veröffentlicht am 19.08.2023]

Hr. Seligmann schafft es erneut, mich mit der Faktenfreiheit in seiner Kolumne zu verblüffen. In der Kolumne vom 12.08. zählt er mehrere Punkte auf, die er der amtierenden Regierung anlastet.

Ich kann ihm nur in seinem zweiten Punkt zustimmen:

Die Digitalisierung in Deutschland könnte wirklich besser voranschreiten. Bezeichnend dafür ist mal wieder die Opposition in der Ampel. Lindner hat angekündigt, die Mittel für die Digitalisierung um 99 % von 399 Mio. Euro auf 3 Mio. Euro zu kürzen.

Für alle anderen Punkte aus seiner Aufzählung hier einige Fakten:

Der deutschen Wirtschaft geht es nicht schlecht. Das ist natürlich branchenabhängig, und was speziell die Autoindustrie gerade plagt, ist hausgemacht - die Entscheidungsschwäche in Politik und Wirtschaft, die die Opposition gern “Technologieoffenheit” nennt, führt dazu, dass uns China bei E-Autos rechts und links überholt. Tesla hat ebenfalls gerade deutlich die Preise gesenkt. Wer sich jetzt noch ein Verbrennerauto anschafft, hat in wenigen Jahren einen sehr schmerzhaften Wertverlust zu erwarten.

Ein guter Indikator für die Wirtschaftsleistung ist die Arbeitslosenquote, und da steht Deutschland in der EU ziemlich gut da. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im ersten Halbjahr um gerade mal 0,3 % gesunken (Stichworte Corona und Ukraine), erholt sich aber schon wieder. Deutschland ist nach wie vor an vierter Stelle der wirtschaftsstärksten Länder weltweit. Gerade wird ein Wirtschaftswachstum von 6 % gemeldet.

Der Strompreis sinkt und ist derzeit an der Börse fast auf dem Vorkriegsniveau angekommen. Die Abschaltung der Atomkraftwerke war sinnvoll. Atomstrom ist die teuerste Variante der Erzeugung und hat durch das “merit order”-Prinzip den Börsenpreis lange Zeit künstlich hochgehalten. Jetzt gibt es deutlich mehr EE-Strom in europäischen Verbundnetz, und die Strompreise fallen. Nebenbei sind derzeit auch 29 deutsche teure Kohlekraftwerksblöcke abgeschaltet, weil es auf dem Markt genügend EE-Strom gibt.

Die Steuerpolitik in Deutschland belastet abhängige Beschäftigung und bevorzugt große Firmen extrem. Wenn es Steuerreformen geben soll, sollten kleine Einkommen entlastet und die Steuertricks der großen Firmen verhindert werden. Subventionen wie das Dienstwagenprivileg oder Tricks wie “double dutch irish” - die buchhalterische Verlagerung von Gewinn in Niedrigsteuerländer (auch in der EU!) kosten den Fiskus Milliarden. Hier ist dringend EU-weit eine konsolidierte Steuerreform nötig.

Außerdem wäre es sinnvoll, Steuerprüfungen dort anzusetzen, wo es sich “lohnt”, nämlich bei großen Firmen. Es gibt ein auffälliges Missverhältnis: 25 % aller “kleinen Fische” haben im Schnitt irgendwann eine Steuerprüfung, während es bei großen Firmen nur 4 % sind, obwohl hier mehr “Ertrag” zu erwarten ist (Steuerfahnder-Affäre!).

Große Firmen sind über trickreiche Firmengeflechte in Irland ansässig und zahlen dort minimale Steuern, weil z.B. die “Vermietung” von Software (auch an Tochterfirmen) nahezu steuerfrei ist.

Zum Punkt “Zuwanderung”: ab jetzt gehen jedes Jahr eine Mio. Menschen in den Ruhestand, es gibt aber nur jugendlichen Nachwuchs von knapp 400.000 Menschen pro Jahr. Wenn wir Zuwanderung insbesondere von Fachkräften wollen, muss Deutschland weniger fremdenfeindlich werden. Der Ruf von Deutschlands Arbeitsmarkt im Ausland ist ruiniert durch die offen fremdenfeindliche, rassistische und faschistische AfD, insbesondere im Osten Deutschlands. Zur Erinnerung: die CDU hat in jeder Koalition seit 1980 eine regulierte Zuwanderung in der Gesetzgebung verhindert. Mehr als die Hälfte aller Flüchtlinge, die seit 2015 aufgenommen wurden, sind gut integriert, haben die Sprache erlernt und sind in Beschäftigung.

Habeck hat es geschafft, die großen Chipfirmen TSMC und Intel nach Deutschland zu holen, die hier Werke für Chips von 28 bis 60 nm Strukturgröße gründen wollen (Brot- und Butter-Chips für die Industrie). Das ergibt auch Chancen für Zulieferer. Wenn wir die nach 2012 zerstörte Solarindustrie (wer war’s?) wieder aufbauen können, ist Deutschland gut aufgestellt. Zum Vergleich: die USA loben gerade 390 Mrd. Dollar Subventionen für Zukunftstechnologien aus und locken auch deutsche Firmen an.

02.08.2023

Die CDU ist die schlechtere AfD - Leserbrief

 [Veröffentlicht am 01.08.2023]

Zuerst dachte ich, Hr. F. zeigt durch die zurückliegenden Leserbriefe, dass er sich als Pressesprecher der kommenden CDU-FDP-Koalition bewirbt, auf die er vermutlich hofft. Nach seinem letzten Beitrag mit den “gepackten Koffern”, dem “CO2-Psychoterror” und dem “Mainstream” glaube ich eher, dass er zu den Querdenkern mit AfD-Nähe tendiert.

Nach dem flammenden Plädoyer für e-Fuels und gegen die Wärmepumpe kommt nun ein Leserbrief, der das Erstarken der AfD den Grünen und ihrer Politik in der Ampel-Koalition zuschreiben will.

Er folgt damit blindlings den Sprüchen, die Hr. Merz klopft.

Eigentlich hätte ich erwartet, dass eine ehemalige Führungskraft einer recht großen Firma in der Lage ist, Informationen aus mehreren Quellen zu verwerten und zu beurteilen.

Stattdessen wird die einseitige Propaganda der CDU wiederholt, die sich nur daran abarbeitet, die Regierungspolitik schlecht zu machen, ohne eigene Ideen und Vorschläge zu liefern.

Was Hr. F. der Regierung in die Schuhe schieben will: das Gebäude-Energie-Gesetz mit dem “Heizungsverbot”.

Fakt ist: das GEG stammt wortwörtlich aus der Feder von Altmaier und Seehofer und wurde 2019 entworfen. Es wurde bis April 2023 in allen Gremien bis hin zum Koalitionsausschuss einstimmig befürwortet, bis die FDP urplötzlich ausscherte und massive Verschlechterungen verlangte und durchsetzte.

Das GEG in der aktuellen Fassung enthält katastrophal schlimme Schlupflöcher, um quasi allem aus dem Weg zu gehen, was es ursprünglich bewirken wollte. Eigentlich müsste Hr. F. darüber jubeln, wie die FDP das GEG zerstört hat.

Hr. Merz wiederholt immer und immer wieder rechte Positionen und befolgt damit das Mantra von F.J. Strauß - “es darf keine Partei rechts der CSU geben”. Aber wer die Positionen der AfD nahezu wortwörtlich übernimmt und sich selbst als “AfD mit Substanz” bezeichnet, holt keine Wähler zurück, sondern verprellt nur die halbwegs liberalen Wähler. Die Wählerwanderung geschieht derzeit von den konservativen Parteien zur AfD - die Grünen sind halbwegs stabil geblieben.

Aus der “Brandmauer gegen rechts” und der Drohung, jeden aus der CDU auszuschließen, der mit der AfD zusammen arbeitet, ist nicht viel übrig geblieben: die JU von Sonneberg fordert in einer Pressemitteilung, dass man “jetzt zur sachorientierten Politik zurückkehren” müsse. Dies und die ersten Abstimmungen mit gleichlautender Stimmabgabe von CDU und AfD in mehreren Stadt- und Kreisparlamenten lässt ahnen, dass die “Brandmauer” und der “Parteiausschluss” nur leere Worthülsen waren.

21.07.2023

Tatsachen sind keine Meinung - Leserbrief

Ein paar allgemeine Gedanken, wie es dazu kommt, dass Menschen wissenschaftlich erwiesene Tatsachen ablehnen und versuchen, dagegen zu argumentieren, obwohl sie dazu fachlich nicht kompetent sind.

[veröffentlicht am 29.07.2023]

Ich möchte eigentlich nicht mehr weiter konkret auf die fragwürdigen Behauptungen der Klimawandelleugner F., K., P. usw. eingehen, die schon oft genug widerlegt worden sind.

Stattdessen möchte ich überlegen, was hier immer wieder passiert:

Ein Klimawandelleugner behauptet mit verschiedenen, verschrobenen, lange widerlegten Argumenten aus der Feder von Thinktanks oder von der Youtube-Universität, dass der Klimawandel (mittlerweile muss man schon “Klimakatastrophe” verwenden) entweder nicht existiere, “nicht bewiesen” sei, “nicht so schlimm” sei, oder dass man “sich daran gewöhnen” könne. Dies wird untermauert mit gezielt ausgewählten Datenpunkten ohne Kontext, die vermeintlich diese Position stützen.

Darauf folgen ein oder mehrere Leserbriefe mit Belegen, dass alle diese Behauptungen falsch und wissenschaftlich hanebüchener Unsinn sind, und es entbrennt eine wilde Debatte mit Unterstützern des Ersteren.

Ohne jetzt inhaltlich darauf einzugehen: es ist einfach traurig zu sehen, dass sich Leserbriefschreiber, die keinerlei (oder wenig oder andere) wissenschaftliche Kompetenz auf dem Gebiet der Klimaforschung haben, sich trotzdem anmaßen, den herrschenden wissenschaftlichen Standpunkt zu bestreiten und dabei die Verzögerungs- und Ablenkungsstrategie von Thinktanks (also Lobbyorganisationen) wie EIKE, Nuklearia, Prometheus u.a. übernehmen, ohne zu bemerken, wie sie dabei an der Nase herum geführt werden.

Diese Realitätsverweigerung nennt die Psychologie “kognitive Dissonanz”. Damit wird beschrieben, dass die Wahrnehmung der realen Tatsachen verweigert wird und das Opfer immer verzweifelter nach Erklärungen sucht, um nicht das eigene Weltbild umkrempeln zu müssen. Einher geht diese Verzweiflung mit dem "Confirmation Bias" (Bestätigungsvorurteil), also einer vorurteilsbehafteten überproportionalen Gewichtung der zur eigenen Überzeugung passenden Meldungen in den Nachrichtenmeldungen und dem Kleinreden gegenläufiger Meldungen.

Es wird nach Erklärungen gesucht, um nicht die eigene Wohlfühlblase verlassen zu müssen, egal wie abstrus diese auch werden - und das werden sie, ich erinnere nur an die Versuche, mit Bierflaschen, Blutalkoholpegel, oder der Gasgleichung zu erklären, dass eine weltweite Forschergemeinde von mehr als 13.000 renommierten Klimaforschern falsch liegt.

Nicht einmal die derzeit täglich lesbaren Horrormeldungen über Hitzerekorde, Dürre, Fluten und andere Wetterextremereignisse führen dazu, die Klimakatastrophe als Auslöser für diese Phänomene zu akzeptieren.

Wie arrogant und von sich selbst überzeugt oder andererseits, wie naiv muss man sein, um wissenschaftliche Tatsachen als “Meinung” zu diffamieren und abzutun? Dieselben Menschen nutzen begeistert wissenschaftliche Errungenschaften wie Smartphones, ein Navi im Auto, freuen sich über Fortschritte wie Airbags, ICEs, Internet, den (leider zu billigen) Flug nach Malle, aber wenn alle Wissenschaftler erklären, dass das Ausgraben und Verbrennen von uralten Wäldern doof ist, dann wiegt die “eigene Meinung” schwerer? Windräder darf man nicht aufstellen, weil die freie Sicht oder der Denkmalschutz gestört wird? Photovoltaik als Überdachung darf man nur aufstellen, wenn die Statik eine Schneelast von sechs Metern Höhe aushält?

Umgekehrt kann es natürlich genausogut sein, dass hier keine Inkompetenz vorliegt, sondern Absicht, um kurzfristig weiterhin viel Geld zu verdienen. Auch das wäre eine Erklärung dafür, warum Verzögerung (“irgendwann haben wir Kernfusion und e-Fuels”) oder Verweigerung (“Wärmepumpen funktionieren nicht in Deutschland”) so urplötzlich in der öffentlichen Diskussion auftauchen. Verwunderlich nur, dass dies in der kleinen, unauffälligen Wetterau passiert.

Wir brauchen mehr Umdenken und weniger Bürokratie, insbesondere die 10H-Abstandsregelung für Windkraftanlagen in Bayern muss fallen (Mindestabstand zur Bebauung ist zehnmal die Höhe der Anlage). Derzeit kauft Norddeutschland billigen EE-Strom in Norwegen und Dänemark (Frankreich als Lieferant derzeit mit deutlichem Abstand dazu erst an dritter oder vierter Stelle) und leitet ihn nach Polen weiter, von dort kauft ihn Bayern wiederum, weil eine Nord-Süd-Stromtrasse fehlt, die von Bayern seit Jahren verhindert wird.

Neuestes Bonbon, das für die "Verzögerungstaktik" spricht: Im sächsischen Vogtland ruft CDU-Landrat Thomas Hennig auf einer Veranstaltung des windkraft-kritischen Vereins „Lebenswertes Vogtland“ die Behörden dazu auf, Genehmigungsverfahren „so lange hinzuziehen, solange es rechtlich möglich ist“.

12.07.2023

Wie kann sich der Staat Bildung leisten - Leserbrief

Eine Glossistin der WZ denkt über die Finanzierung von Bildung nach.
[veröffentlicht am 12.07.2023]

Ein paar Gedanken zur geplanten Kürzung des Elterngelds.

Hier gibt es zwei Seiten zu betrachten: die Kürzung betrifft Menschen mit über 150.000 € zu versteuerndem Einkommen - Bruttoeinkommen minus alle absetzbaren Abzüge. Wir sprechen also über Familien mit etwa 200.000 € Jahresverdienst. Dies sind die oberen 4 % Verdiener, also ca. 60.000 Familien.

Auf der anderen Seite wird hier leider ein Signal gegeben, dass der besserverdienende Partner (ebenso leider: vermutlich der Mann) keine Elternzeit nehmen muss, sondern weiter arbeiten gehen “darf”. Dies zementiert erneut die traditionelle Rolle, dass die Mutter nach der Geburt eines Kindes zuhause am Herd bleiben soll - ein fatales Signal.

Die Kürzung an sich ist realistisch betrachtet nicht verkehrt, aber ohne eine Gegenmaßnahme zur obigen Überlegung ist es eine deutliche Verschlechterung auf dem Weg zur Gleichstellung der Partner in einer Familie.

Die Regelung zur Elternzeit sollte parallel zur Kürzung verbessert werden, so dass auch Väter länger zu Hause bleiben können (und sollen).

Leider gerät durch die unnötig schrille Debatte in den Hintergrund, dass die Kindergrundsicherung und das Bafög ebenfalls massiv gekürzt wurden. Aus der Debatte über Hilfe für Kinder wurde also eine Debatte über die - vielleicht - gefährdete Gleichstellung von Partnern gemacht. Studieren ohne Bafög können nur noch Kinder wohlhabender Eltern.

Zur Finanzierung von Elterngeld und Kindergrundsicherung gibt es einige sehr einfache Möglichkeiten:

Noch immer ist der Flugverkehr komplett von der Mineralölsteuer befreit. Wir subventionieren also unmittelbar klimaschädliche Flüge durch billiges Kerosin. Es ist immer noch günstiger, zu fliegen als mit der Bahn zu fahren. VW z.B. besitzt eine Fluggesellschaft, die extrem steuerbegünstigt fast 2.500 “dienstliche” Flüge pro Jahr durchführt, etwa zwischen Wolfsburg und Stuttgart.

Genauso umweltschädlich ist die Subventionierung von Firmenwagen. Da der Arbeitgeber üblicherweise alle Kosten zahlt, gibt es hier keine Anreize, energiesparend zu fahren oder auf private Fahrten zu verzichten. Stattdessen wird ein Dienstwagen als Statussymbol betrachtet - je größer, desto toller. Deutschland ist das einzige Land, in dem es beim Preis keine Obergrenze für steuerliche Absetzbarkeit gibt.

Die Steuergeschenke für Dienstwagen summieren sich je nach Berechnung auf über 10 Milliarden Euro pro Jahr. Sogar die linksgrüne “auto motor sport” schlug kürzlich vor, das Dienstwagenprivileg für Wagen mit Verbrennungsmotor abzuschaffen und schätzt die zusätzlichen Steuereinnahmen bis 2030 auf 42 Milliarden Euro. Als Nebeneffekt schätzt das Magazin eine Million mehr E-Autos als Dienstwagen und somit eine Entlastung um mehrere Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Der Finanzminister träumt im Gegensatz dazu von Milliardensubventionen für e-Fuels, weil deren Herstellung sonst zu teuer wäre.

Die Mineralölunternehmen jubeln: Shell (37 Mrd. €), Chevron (33 Mrd. €), BP (26 Mrd. €), Exxon (52 Mrd. €), Total (33 Mrd. €) und Aramco (161 Mrd. $) melden Rekordgewinne von 50 bis 150 % gegenüber dem Vorjahr. Ein Teil dieser Gewinne war sicherlich dem letztjährigen “Tankrabatt” zuzurechnen. Andere Länder holen sich davon einen Anteil als Übergewinnsteuer zurück, Deutschland nicht.

Der Verkehrsminister könnte 30 Mrd. Euro und nebenbei viel CO2 sparen, wenn er auf den Neu- oder Ausbau von 1300 km neuen Straßen und Autobahnen verzichtet. Mehr Straßen führen unweigerlich zu mehr Verkehr und mehr CO2, sagen Studien.

Auch Steuervermeidung und Steuerhinterziehung (geschätzt 150 Mrd. € pro Jahr) sollten stärker bekämpft werden. Stattdessen werden Steuerfahnder gemobbt und in den Ruhestand versetzt (die Steuerfahnder-Affäre in Hessen) oder die Schäden der Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte von fast 50 Mrd. € ignoriert.

Es wäre sinnvoll, wenn wir Steuern da erheben, wo es sich für den Staat lohnt, wie z.B. bei Erbschaften, Kapitalertrags- und Vermögenssteuer, beim Abbau von Subventionen oder einer zeitweiligen Übergewinnsteuer.

Deutschland ist das Land, in dem Lohnarbeit unverhältnismäßig stark besteuert wird, aber Firmen sich künstlich arm rechnen können.

03.07.2023

Märchen über importierten Strom aus Frankreich - Leserbrief

Ein regelmäßiger Glossist schreibt in einem Nebensatz, dass wir "Atomstrom aus Frankreich importieren müssen", weil wir unsere deutschen KKW abgeschaltet hätten. Das ist eine genauso schlichte wie falsche Erklärung, warum wir Strom importieren, und das schrieb ich als Entgegnung.

[veröffentlicht am 01.07.2023]

Warum darf Hr. Seligmann unwidersprochen das FDP-Märchen wiederholen, dass wir den Atom- und Kohlestrom aus Frankreich kaufen, weil wir unsere Kernkraftwerke abgeschaltet haben?

Bevor solche Behauptungen sich weiter verbreiten, sollte sich Hr. Seligmann darüber informieren, wie das europäische Stromverbundnetz funktioniert, bevor er kausale Zusammenhänge erfindet, die nicht aus dieser Realität stammen. Es stimmt eben gerade nicht, dass wir Strom aus Frankreich kaufen, weil wir die deutschen Kernkraftwerke abgeschaltet haben!

Die deutschen Kernkraftwerke hatten zuletzt weniger als 4 % Anteil am deutschen Strommix und haben im Gegenteil dafür gesorgt, dass der Strompreis an der Börse sehr hoch war (“merit order”, der teuerste Anbieter bestimmt den Preis für alle Stromarten). Nach dem Abschalten ist der Strompreis kontinuierlich gesunken, und da wir ausreichend Wind und Solar als Ersatz haben, die eben nicht abgeschaltet werden mussten, konnten wir sogar die Stromerzeugung aus Kohlekraftwerken im Vergleich zum Vorjahr auf die Hälfte reduzieren. Das größte deutsche Kohlekraftwerk Datteln 4 ist z.B. seit mehr als zwei Monaten abgeschaltet, weil es schlicht zu teuer ist.

Der Atomstrom aus Frankreich ist nur deshalb so billig, weil Frankreich den Energieversorger EDF nach der Insolvenz für über 18 Mrd. Euro verstaatlichen musste und der Strompreis in Frankreich staatlich gedeckelt ist, also massiv aus Steuergeldern subventioniert wird. Der Atomstrom aus Frankreich ist also gar nicht billig, sondern das französische Steuersäckel wird dafür ausgeblutet.

Die Idee beim europäischen Verbundnetz ist doch gerade, dass der billigste Strom innerhalb ganz Europas ge- und verkauft wird. Im Moment ist das zufällig und auch nur für einen kurzen Zeitraum Atomstrom aus Frankreich. Es ist aber erwartbar, dass Frankreich mit dem geringsten Anteil an Erneuerbaren Energien (unter 25 %) bei der kommenden, jetzt schon absehbaren Wasserknappheit wieder viele Kernkraftwerke wegen Kühlwassermangel abschalten muss, und dann sehr viel Strom importieren muss. Es stimmt auch nicht besonders beruhigend, dass Macron baufällige Kernkraftwerke trotz Sicherheitsvorfällen per Dekret weiter am Laufen hält, obwohl dort Risse von mehreren Zentimetern Länge im Beton des Sicherheitsbehälters klaffen.

Über das ganze letzte Jahr gesehen war Deutschland netto ein Exporteur von Strom, auch weil Bundesländer wie NRW nahezu 100 neue Windkraftanlagen bauen. Mit dem Export hat Deutschland mehrere Mrd. Euro verdient, und für den Import umgekehrt weniger als 1 Mrd. Euro ausgegeben. Jetzt fällt uns aber sehr schmerzlich auf die Füße, dass die CSU im Bund zuviel Einfluss hat und die Nord-Süd-Stromtrasse verhindert hat, und absurde Regelungen wie 10H aufgestellt hat, um keine Windkraftanlagen zu bauen. Nun will Söder auch noch verhindern, dass es mehrere Strompreiszonen in Deutschland geben soll, weil er genau weiß, dass dadurch der Strom in Bayern teurer werden würde.

Es ist sinnlos, für die eigene kurzsichtige Propaganda Momentaufnahmen der Stromerzeugung zu verwenden. Eine aussagekräftige Bewertung ist nur über einen längeren Zeitraum sinnvoll, und da steht Deutschland erstaunlich gut da (tja, bis auf Bayern). Gerade im Winter ist die Windkraft sehr stark gewesen. Gleichzeitig ist es auf lange Sicht wichtig, die Stromerzeugung zu diversifizieren, mit einem möglichst hohen Anteil an Erneuerbaren, wie Wind, Solar, Wasser, Biomasse, und für die Lücken dann kurzfristig z.B. Gaskraftwerke hochzufahren, die man dann ebenso schnell wieder abschalten kann.

Es wäre wünschenswert, wenn Kolumnisten sich erst zu Themen äußern, wenn sie vorher mit einem Fachmann zusammen recherchiert haben, um die Fakten richtig darzustellen.

Es gibt keinen einzigen Grund, den deutschen Kernkraftwerken nachzutrauern.

27.06.2023

Märchen über Wärmepumpen - Leserbrief

[veröffentlicht am 27.06.2023]

Hr. F. erzählt wieder Märchen über Wärmepumpen, die angeblich in Deutschland nicht funktionieren.

Das gesamte Ausland lacht über die deutschen Vorbehalte gegen Wärmepumpen.

Dänemark verbietet seit 2013 den Einbau neuer Gas- und Ölheizungen, Frankreich seit 2020. Insgesamt haben 17 europäische Staaten solche Verbote für neue fossile Heizungen.

Der Anteil von Wärmepumpen liegt in Skandinavien enorm hoch: in Finnland liegt der Anteil bei 70 Wärmepumpen pro 1000 Bürger - der höchste Wert in Europa. Es folgen Norwegen mit 62, Schweden mit 40 und Dänemark mit 30. In Deutschland liegt der Wert bei knapp 6. Sogar Italien (20) und Frankreich (15) liegen vor Deutschland.

Wärmepumpen haben anscheinend dasselbe ideologische Problem wie ein Tempolimit: es funktioniert nicht in Deutschland. Das könnte vielleicht mit der einseitigen Berichterstattung in Krawallblättern zusammen hängen, die z.B. die Begriffe “Heiz-Hammer” und “Heizungsverbot” erfanden, um das noch 2019 von Seehofer und Altmaier entworfene Gebäude-Energie-Gesetz schlecht zu reden.

Entgegen Hr. F.s Auffassung funktionieren Wärmepumpen auch bei tiefen Außentemperaturen. Ich kenne zumindest keine dramatischen Berichte über Todesfälle durch häusliche Erfrierungen in Dänemark oder Norwegen. Der Wirkungsgrad mag im Winter sinken, aber dem kann man durch eine Hybridanlage entgegenwirken, die automatisch bei Bedarf geschaltet wird. Abgesehen davon gibt es mehrere Typen von Wärmepumpen (Luft-Luft, Luft-Wasser, Sole-Wasser, Wasser-Wasser), und z.B. eine Erdwärmepumpe liefert problemlos auch bei Frost stabil Wärme ins Haus.

Eine Wärmepumpe ist anderen Arten von Heizung überlegen: man steckt z.B. 1 kWh Strom hinein und erhält je nach Leistungszahl 2 bis 5 kWh Wärme ins Haus geliefert (umgekehrtes Kühlschrankprinzip). Kombiniert mit einer PV-Anlage auf dem Dach und einem Stromspeicher ist das sehr preiswert. Bei einem Unterschied im Preis zwischen Öl und Strom (90 ct/Liter gegen 40 ct/kWh, wenn man nicht selbst mit PV Strom produziert) rechnet sich das schnell. Und das Öko-Gewissen gewinnt, denn ein Liter Heizöl verbrennt zu Feinstaub und ca. 2,5 kg CO2 pro Liter, und wenn man die Lieferkette des Öls mitberechnet, ist man schnell bei ca. 4 kg CO2 pro Liter Öl.

Wärmepumpen sind eine wirtschaftlich enorm lukrative Chance für die deutsche Industrie, und z.B. MAN hat das schon erkannt: die Firma baut eine Mega-Wärmepumpe mit 70 MW Leistung in Dänemark, mit der durch Fernwärme 100.000 Einwohner versorgt werden. Bosch hat eine Wärmepumpe entwickelt, die bis zu 70°C Vorlauftemperatur generieren kann - das häufigste Argument gegen Wärmepumpen ist ja, dass sie nur bei niedriger Vorlauftemperatur gut und sparsam funktionieren.

Fast 75% der in der EU verkauften Wärmepumpen wurden auch in der EU produziert, und die EU hat einen weltweiten Marktanteil von 37%.

Empfehlenswert zu schauen: der Wissenschaftler Andreas Schmitz, bekannt als “AkkuDoktor” bei Youtube und Twitter, hat diverse Videos und Artikel veröffentlicht und beschreibt darin praxisnah, wie gut Wärmepumpen auch in Altbauten funktionieren können, und das für unter 10.000 € Kosten.

Nebenbei: welches schräge moralische und demokratische Weltbild muss man haben, wenn man das Leben in China als “diszipliniert und gut geführt” bejubelt?

20.06.2023

Wissenschaft ist fast wie Religion - Leserbrief

[veröffentlicht am 20.06.2023, Streichung in rot]

Erneut gibt ein Leserbriefschreiber zu erkennen, dass Vorurteile schwerer wiegen als die Akzeptanz der eigenen Unwissenheit.

Es ist wirklich traurig zu lesen, dass Wissenschaft gleichgesetzt wird mit einer Religion, an die man “glauben” oder es auch lassen kann.

Die Physik und die Natur lassen nicht mit sich spassen, sie finden statt, auch wenn Hr. P. nicht daran “glauben” will, was passiert.

Wissenschaft ist kein Wunschkonzert, sondern ein Ringen um die bestmögliche Erklärung für Phänomene, die wir beobachten. Dieses Ringen um Erkenntnis hat dazu geführt, dass sich alle Klimaforscher weltweit einig sind, dass die Klimakatastrophe menschgemacht ist und wir nur noch knapp 6 Jahre haben, um den CO2-Ausstoss so weit zu verringern, dass die Erde weiterhin überlebensfähig für uns bleibt.

Gibt es denn nicht aktuell schon genug Warnzeichen, dass sich Dinge ändern müssen? Jedes Jahr gibt es neue Hitzerekorde, gefolgt von Unwettern. Jedes Grad Erwärmung der Atmosphäre führt dazu, dass die Luft 7 % mehr Wasserdampf speichern kann, was wiederum zu stärkeren Gewittern führt. Da gleichzeitig der Boden immer mehr austrocknet, kann der Niederschlag nicht aufgenommen werden - und es kommt zu Sturzfluten wie im Ahrtal.

Die Arktis und die Antarktis schmelzen ab. 60% von Spanien sind von einer Jahrhundertdürre heimgesucht, die die Bodenerträge (Gemüse und Obst) stark verringert. Hitzerekorde von 45 und 50 Grad im Frühjahr (!) werden aus Asien gemeldet. Die Pegel von Gardasee und Rhein sind so früh im Jahr niedrig wie noch kaum jemals. Und Hr. P. wiederholt immer noch das Märchen, dass 425 ppm CO2 “nicht schlimm” seien und führt mit einer Milchmädchenrechnung schlicht vor, dass er die Zusammenhänge nicht versteht.

Es ist nicht per se der absolute Wert von 425 ppm CO2, der schlimm ist, sondern der rapide Anstieg. 1850 war der Wert etwa 280 ppm und es gab ein “Gleichgewicht der Kräfte” von Verbrauch und Ausstoß. Das Problem ist die schnelle Veränderung dieses Werts, die unzweifelhaft der Mensch zu verantworten hat. Die Natur wäre auch mit 425 ppm CO2 im Gleichgewicht, wenn sich dieser Wert über einen langen Zeitraum eingependelt hätte - dann wäre das gesamte Ökosystem nach wie vor in Balance.

Was aber jetzt passiert, ist ein zu schneller Umbruch, durch den sich ein Sturzbach von klimatischen Veränderungen über uns ergießt, darunter Luftströmungen, Meeresströmungen, der Amazonas-Regenwald usw. Insgesamt gibt es 9 globale und 7 regionale kritische sog. “Kipp-Punkte”, die Gefahr laufen, unumkehrbar zerstört zu werden. Die Menschheit als Ganzes wird sich nicht an eine um im Schnitt 4 Grad erwärmte Erde gewöhnen können. Es wird vielleicht ein paar Superreiche geben, die sich irgendwo einigeln können, aber ein Großteil der Menschheit kann das nicht.

Aber Hauptsache, die FDP träumt uns vor, dass wir mit “Zukunftstechnologien” jetzt im Moment nichts unternehmen müssen, weil in zehn Jahren die Wundertechnik kommt, die alle Probleme löst. Unser einziges Problem ist aber derzeit, dass wir diese Zeit nicht haben und jetzt anfangen müssen, den CO2-Ausstoss massiv zu verringern.

Wir können nicht auf e-Fuels warten. Um “grünen” Wasserstoff zu erzeugen, fehlen uns Wasser und EE-Strom. Kernfusion ist ebenso ein Zukunftstraum, der vielleicht in 40 Jahren kommen könnte (Scherz unter Physikern: die Kernfusion ist immer 40 Jahre entfernt). Die Kernfusion, die wir jetzt nutzen können, findet in der Sonne statt. EE in Deutschland ist schon sehr erfolgreich: es gibt Tage, an denen mehr als 100% Strom erzeugt wird, so dass wir für kostenlosen exportierbaren Strom Geld bekommen. Selbst nachts sind noch 60% des Strombedarfs aus Windkraft möglich. Es gibt derzeit schon deutsche Stromspeicher für mehr als 8 GW, und bis Ende des Jahres soll die 10 GW-Marke geknackt werden. Da der tägliche Bedarf in Deutschland 60-80 GW beträgt, sind das doch halbwegs gute Nachrichten.

27.05.2023

Länderfinanzausgleich nicht verstanden - Leserbrief

Langsam kommt es mir so vor, als ob der WZ-Glossist Sattler ein rotes Tuch vor sich her trägt, auf das ich gereizt reagiere. Da kommt in letzter Zeit nur noch rechter Unfug und sachlicher Quatsch. Letzter Kracher: Bremen wagt es, 2,5 Mrd. Euro auszugeben, obwohl sie Geld aus dem Länderfinanzausgleich erhalten! Skandal!

Darauf hatte ich das dringende Bedürfnis, meinen alten Leserbrief von vor 10 Jahren nochmal zu suchen, nachdem ein damaliger Provinzpolitiker ähnlich krawallig geschrieben hat, wie großzügig die Nehmerländer mit dem gnädigen Almosen Länderfinanzausgleich wirtschaften.

[veröffentlicht am 27.05.2023]

Herr Sattler äußert sich polemisch über Dinge, die er nicht in aller Gänze durchdrungen hat, wie mir scheint, nämlich den Länderfinanzausgleich. Damit ist er aber nicht allein, denn schon vor 10 Jahren habe ich darüber geschrieben, als sich ein Politiker ähnlich zielstrebig dieses Thema als Fettnäpfchen ausgesucht hatte.

Hr. Sattler schreibt über den Länderfinanzausgleich und behauptet, dass die Geberländer die Wohltaten in den Nehmerländern finanzieren (hier: Bremen will 2,5 Mrd. Euro ausgeben).

Dabei unterschlägt er wie leider üblich, dass der Länderfinanzausgleich nicht die Ausgaben der Länder ausgleicht, sondern ihre Einnahmen an den Durchschnitt aller Bundesländer angleichen soll.

Im Klartext bedeutet dies, dass sich der Länderfinanzausgleich nach den durchschnittlichen Einnahmen eines Bundeslands pro Einwohner berechnet. Das Ziel ist, dass alle Bundesländer ungefähr vergleichbare Lebensbedingungen für ihre Bürger bieten können. Je mehr sich ein Nehmerland von unten dem Durchschnitt annähert, desto stärker sinken die Ausgleichszahlungen! Außerdem werden Steigerungen bei Steuereinnahmen teilweise nicht angerechnet, um einen Anreiz zu schaffen, sich aus eigener Kraft zu verbessern.

Die Idee des Länderfinanzausgleich liegt vor allem darin begründet, dass große Konzerne ihre Steuerschuld am Firmensitz bezahlen und nicht länderweit nach den Filialen verteilen. Baden-Württemberg z.B. bekommt 22,5% der bundesweiten Körperschaftssteuer (mit anderen Worten: fast ein Viertel dieser Steuer fließt in ein Bundesland!), hingegen alle neuen Bundesländer zusammen nur 9%.

Es ist also durchaus angemessen, dass die Länder, die durch günstige Umstände mehr Einnahmen haben, diese Einnahmen mit den anderen Bundesländern teilen.

Der größte Schreihals im Streit um den Länderfinanzausgleich ist Bayern, das selbst jahrzehntelang gern Zahlungen entgegennahm. Inflationsbereinigt hat Bayern erst vor kurzem den Schritt zum "Nettozahler" getan. Als Nehmerland hat sich Bayern vorher nie beschwert.

Noch 2013 erhielt Bayern milliardenschwere Ausgleichszahlungen für Solarförderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, die hauptsächlich von Nordrhein-Westfalen aufgebracht wurden. Höre ich bei dem Thema Gejammer aus Bayern über die Ungerechtigkeit oder hält man hier einfach gern die Hand auf, wenn andere zahlen müssen?

Der Länderfinanzausgleich steht - teilweise berechtigt - in der Kritik, aber die CDU im Bund ist nicht unschuldig daran, dass sich nichts bewegt: nur im Konsens wäre eine Reform möglich. Hier ist gefragt, dass sich beide Seiten bewegen und nicht einseitig mit dem Finger gezeigt wird.

Als Lektüre zum Einstieg empfehle ich den Wikipedia-Artikel. Er ist zwar etwas trocken, bietet aber einen ersten Überblick und weitere Quellenangaben. Mir scheint, Hr. Sattler sollte ihn lesen, bevor er weitere Glossen dazu verfasst.

26.05.2023

Führerschein nur nach Gesundheitsprüfung - Leserbrief

[veröffentlicht am 25.05.2023]
Fr. Warnecke hat eine schräge Vorstellung von kausalen Schlussfolgerungen. Zunächst stellt sie korrekt fest, dass das Risiko von Senioren, einen Unfall im Autoverkehr zu verursachen, deutlich höher ist als der Schnitt und vergleicht ihn mit dem Risiko von 18- bis 24-Jährigen.

Danach überlegt sie, dass es für bestimmte Berufsgruppen verpflichtende Gesundheitsprüfungen gibt (LKW- und Busfahrer z.B.), aber gleichzeitig nennt sie die Überlegung der EU, auch für Senioren eine Tauglichkeitsprüfung einzurichten, eine “Diskriminierung”.

Damit hat sie überhaupt nicht verstanden, was eine Diskriminierung ausmacht! Der Gesetzgeber kann selbstverständlich aus sachlichen Gründen seine Bürger unterschiedlich behandeln. Das ist hier nachweislich und wissenschaftlich - statistisch - erwiesen! Die Kennzeichnung von Diskriminierung ist die Willkür. Genau das Gegenteil ist hier der Fall.

Zum Schluss ihrer Glosse appelliert sie an die Senioren, das Auto stehen zu lassen, wenn sie “sich nicht wohl fühlen”. Das ist diese grandiose Eigenverantwortung, die wir seit Jahren beobachten, die zu unglaublicher Rücksichtnahme im Umgang miteinander geführt hat, z.B. zum Klatschen auf dem Balkon für das Pflegepersonal, oder für das freiwillige Tragen von Masken im Umgang mit vulnerablen Menschen.

Fr. Warnecke zeigt eindrücklich, wie man kognitive Dissonanz und Wissenschaftsleugnung in Worte fasst. Zunächst zitiert sie wissenschaftliche Erkenntnisse, verweigert aber die notwendigen Schlussfolgerungen daraus mit dem vollkommen falschen Argument der Diskriminierung, also der vermeintlichen Rücksichtnahme auf diejenigen, denen durch eine sinnvolle Regelung Nachteile entstehen könnten.

Man könnte alternativ auch darüber nachdenken, dass Senioren oder andere Gruppen, die die Gesundheitsprüfung für die Fahrerlaubnis nicht (mehr) bestehen, Anrecht auf eine kostenlose ÖPNV-Dauerkarte bekommen.

23.05.2023

Verschleppungstaktik bei der Energiewende - Leserbrief

[veröffentlicht am 23.05.2023]

Und erneut schließt sich der Glossist Sattler der aktuellen rechtskonservativen Mode an, die derzeitige Klimapolitik der Ampel nicht nur zu kritisieren, sondern zu verdammen. Er schließt sich damit einem Trend an, massiv halbwahre Behauptungen in die Welt zu setzen, um der Regierung zu schaden, und sich hinterher daran zu erfreuen, dass die Umfragewerte der Ampel vorgeblich sänken. Spoiler: tun sie eigentlich nicht, außer bei einer Sonntagsfrage der INSA. Andere Umfrageinstitute sehen das anders. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt ...

Ein paar Fakten: die langfristige Abschaffung der Öl- und Gasheizungen wurde 1998 von der damaligen Regierung Kohl in Gang gesetzt. Die jetzige Regierung setzt also um, was die EU vorgibt. Wenn sie das nicht tut, hagelt es Verletzungsverfahren und Strafgebühren. Andere Länder verbieten schon seit vielen Jahren den Einbau neuer Öl- und Gasheizungen. Das gesamte Ausland lacht über die schrägen Behauptungen in Deutschland, dass man mit Wärmepumpen nichts ausrichten kann, weil sie z.B. nur mit Fußbodenheizungen funktionieren würden.

Dabei gibt es sogar noch eine ganze Menge Ausnahmeregelungen: selbstverständlich darf man bestehende Heizungen weiter betreiben und so lang wie möglich reparieren. Man darf sogar neue Gasheizungen einbauen, wenn man gleichzeitig mit dem Einbau von z.B. Solaranlagen für Kompensation sorgt. Außerdem soll es gestaffelte Zuschüsse für die Anschaffung geben. Zunehmend werden bürokratische Hürden für Solaranlagen abgebaut, und eine Balkonsolaranlage gibt es schon für einige Hundert Euro.

Zur Panikmache gehört auch, Beträge im hohen fünf- und sogar sechsstelligen Bereich in die Welt zu setzen, die angeblich für eine Heizungssanierung fällig würden. Mal ehrlich: wer einen Sanierungsbedarf von 50.000 € oder mehr sieht, hat einen Sanierungsstau und hat 20 Jahre lang nichts an seinem Besitz energetisch modernisiert. Auch Hausbesitzer müssen regelmäßig Rücklagen ansparen, sowohl für Notfälle als auch für notwendige Erhaltung und Verbesserung ihrer Immobilie. Dazu gehört auch die Wärmedämmung.

Die Abschaffung der Kernkraft wurde von der Merkel-Regierung mit CDU und FDP 2011 beschlossen. Auch hier setzt die Ampel nur bestehende Gesetze um. Die Betreiber haben sich 10 Jahre lang darauf eingestellt - jetzt gibt es kein Zurück mehr.

Nochmals zum Interview mit Kubicki: falscher kann jemand gar nicht liegen. Statt der behaupteten 15 Mio. t mehr an CO2 durch die Abschaltung wurden sogar im April 2 Mio. t CO2 weniger emittiert, weil weniger Solar- und Windkraftanlagen abgeregelt werden mussten. Pikante Fußnote: die Zahl “15 Mio. t CO2“ stammen aus einer Studie des Wissenschaftlers Thess, der sonst eher durch seine Mitgliedschaft in der Kernkraft-Lobbyorganisation “Nuklearia” auffällt.

Bedauerlich an dieser ganzen medialen Posse ist nebenbei, dass der bayrische Selbstdarsteller Söder jahrelang die Energiewende in Bayern verhindert hat, z.B. durch die 10H-Regel für Windkraft, oder die Blockade einer Nord-Süd-Stromtrasse. Nun muss Bayern teuer (teurer als nötig) Strom aus dem südlichen Ausland kaufen, weil unser selbst erzeugter EE-Strom aus dem Norden nicht nach Bayern transportiert werden kann. Vielleicht sollte er weniger mit dem Maßkrug für Pressefotos posieren und dafür mehr Sitzungen im Landtag wahrnehmen, um seiner Pflicht als Regierungsmitglied nachzukommen (ihm droht ein Bußgeld, weil er 25 von 30 Landtagssitzungen versäumt hat). Immerhin kann er stolz verkünden, dass Bayern dieses Jahr schon 2 Windkraftanlagen genehmigt hat. Zum Vergleich: andere Bundesländer genehmigen 100.

Wenn ich diese ganze Ansammlung von medialen Trommelfeuer gegen die (notwendigen!) Fortschritte der Energiewende betrachtet, beschleicht mich das Gefühl, dass der Investor KKR, dem 48% Anteile am Springerverlag (“Bild”-Zeitung, “Welt” usw.) gehören, Angst um seine diversen Engagements im fossilen Sektor hat. Die Ölindustrie verdient pro Tag um die 2,5 Mrd. Euro, da kann man schon mal ein bisschen Einfluss auf die Politik nehmen und in der Presse und in sozialen Netzwerken ein wenig hetzen, oder?

02.05.2023

Interview mit Kubicki - Leserbrief

Am 19.04.2023 erschien ein großes Interview mit dem FDP-Bundestagsvizepräsidenten Kubicki, der verschütteter Milch nachtrauert und jammert, dass durch die Abschaltung der Kernkraftwerke mehr CO2 emittiert wird, weil Kernkraft durch Kohlestrom ersetzt wird, und er bejubelt neue Bauprojekte. Das waren sehr viele halbe und viertel Wahrheiten. Zunächst schrieb ich eine Email an die Redaktion, warum der Interviewer nicht besser vorbereitet in das Gespräch gegangen war. Daraufhin bot mir die Redaktion an, meine Email auch als Leserbrief zu veröffentlichen.

[veröffentlicht am 28.04.2023]

Hallo liebe Redaktion,

Sie drucken völlig ohne Einordnung die Behauptungen von Kubicki ab, dass durch die Abschaltung der KKW spontan 15 Mio t CO2 *mehr* emittiert werden würden.

Diese Zahl wird seit Tagen erbittert diskutiert (z.B. bei Twitter und Mastodon) und die Realität ist deutlich anders. 15 Mio t CO2 wären fast 450 g CO2 pro erzeugter Kilowattstunde.

Nur mal eine grobe Schätzung über den Daumen: der deutsche Strommix liegt in der Größenordnung von 425 g CO2 pro kWh Strom (Zahlen von 2021). 15 Mio t CO2 ist unrealistisch und viel zu hoch gegriffen für die drei letzten KKW, die sowieso nicht besonders leistungsfähig waren.

Der Anteil von Kohle am deutschen Strommix fällt kontinuierlich und liegt momentan bei ca. 30%. Die 15 Mio t CO2 ergeben sich als großzügig aufgerundeter *Maximalwert*, wenn wir die KKW durch 100% Kohlestrom ersetzen würden. Realistisch müssen wir also 30% von 15 Mio t CO2 rechnen, das ergibt 4,5 Mio t CO2. Rein zufällig könnte man durch ein Tempolimit 5 bis 7 Mio t CO2 pro Jahr einsparen. Aber natürlich möchte Kubicki *diesen* Zusammenhang nicht herstellen.

Abgesehen davon ist nominal überhaupt nicht von "mehr" CO2 zu sprechen, weil durch den europäischen Emissionshandel (ETS) der CO2-Ausstoß exakt den CO2-Zertifikaten entspricht und somit buchhalterisch konstant ist. Das freigewordene "Guthaben" der abgeschalteten KKW wird den anderen Stromerzeugern zugeschlagen, also ein Nullsummenspiel. Die längerfristige Idee ist, dass die Zertifikatanzahl mit der Zeit zurückgeht, dadurch der Preis für den Handel mit Zertifikaten steigt und die Stromerzeuger "teure" CO2-Emittenten, also hauptsächlich Kraftwerke mit Kohle und Gas, am schnellsten ersetzen oder abschalten.

Das finnische KKW ist eines von nur drei Neubauprojekten in Europa. Es hat sich 10 Jahre verspätet und kostet 11 Mrd. Euro statt geplanter 3 Mrd. Euro.

Das französische KKW verzögert sich weiter und läuft kostenmäßig ebenfalls völlig aus dem Ruder. Da 30 der 56 französischen KKW letztes Jahr im Sommer abgeschaltet werden mussten, ist der EDF-Konzern pleite gegangen und musste für über 18 Mrd. Euro verstaatlicht werden.

Das türkische KKW-Bauprojekt liegt mitten in einem Erdbebengebiet und musste schon mehrfach neu geplant werden, um die Sicherheitsanforderungen an das Erdbebenrisiko anzupassen. Versichern will dieses KKW trotzdem kein Versicherungskonzern, das Risiko liegt also beim Staat und somit beim Steuerzahler.

Und Kubicki wiederholt das Märchen, man könne die KKW einfach so "zwei Jahre" weiterlaufen lassen oder auf Reserve halten. Die Brennstäbe sind verbraucht, deswegen liefen die drei KKW zwar länger als bis Jahresende, aber die erzeugte Strommenge ist dieselbe geblieben - einfach, weil die Brennstäbe nicht mehr Kapazität hatten - der sogenannte "Streckbetrieb". Neue Brennstäbe zu bestellen und herzustellen, dauert mehr als ein Jahr.

Ich finde es dermaßen traurig, dass Politiker ihre Märchen immer weiter und weiter erzählen, selbst wenn die Fakten schon lange eine ganz andere Sprache sprechen. Ich würde mir wünschen, dass Interviewer besser vorbereitet in so ein Gespräch gehen und ihren Interviewpartner sofort mit der Realität konfrontieren könnten.

09.04.2023

Solidarität mit dem Hobbywissenschaftler - Leserbrief

Nachdem der eine Leserbriefschreiber erneut die Gasgleichung (pV=nRT) ausgepackt hat, um die Klimakatastrophe zu verleugnen, springt ihm ein anderer Einsender bei und verteidigt das Recht auf "Selbstdenken" und die eigene Meinung. Warum das falsch ist, musste ich in einem Leserbrief beantworten.

[veröffentlicht am 08.04.2023]

Respekt vor Hr. P., der dem Klimaleugner und Hobbywissenschaftler K. solidarisch zur Seite eilt und damit zeigt, dass er den Unterschied zwischen Meinung, Fakten und wissenschaftlicher Arbeitsweise nicht im Mindesten verstanden hat.

Meine Aussage war “Alle relevanten Klimawissenschaftler sind sich einig, dass die Klimakatastrophe menschgemacht ist”, und die Politik unternimmt zu wenig, zumal wir eine Opposition in der Koalition haben, die nach wie vor von e-Fuels, neuen Atomkraftwerken und “grünem” Wasserstoff für alle träumt, auch für private Heizungen und Autos.

Hr. P. setzt dem entgegen, dass es nötig sei, sich eine eigene Meinung zu bilden, und unterstellt damit unausgesprochen das Narrativ, dass es ein “Verbot” von gegensätzlichen Meinungen gäbe.

So funktioniert Wissenschaft nicht. Es geht nicht um “Meinungen”, sondern um Fakten. Alle relevanten Wissenschaftler haben die vorhandenen Tatsachen geprüft und die konkrete Schlussfolgerung daraus ist, dass die Klimakatastrophe definitiv menschgemacht ist und dringend Maßnahmen ergriffen werden müssen, bevor weltweit Kippelemente wie Grönland, die Arktis, die Antarktis, der Amazonas, Korallenriffe oder die Atlantikströmungen unumkehrbar zerstört werden. Es gibt laut PIK 9 globale Kern-Kippelemente und 7 weitere regionale Kippelemente, von denen gut die Hälfte schon kurz vor dem Kippen steht.

Meine Kritik an der derzeitigen Pseudodiskussion ist, dass Laien, die nicht auf diesem Gebiet forschen, Behauptungen aufstellen, die den bekannten und anerkannten Fakten widersprechen. Hier fehlt gänzlich der Wille und die Fähigkeit, eigene Grenzen zu erkennen und sich auf tatsächliche Fachleute zu verlassen. Diese vehemente Ablehnung von Fakten zur Klimakatastrophe hat kurzsichtige wirtschaftliche Gründe und den Erhalt der persönlichen Bequemlichkeit.

Jeder Wissenschaftler ist ein Experte auf seinem Gebiet - wenn sich nun also 13.000 renommierte Klimawissenschaftler einig sind, dass die Klimakatastrophe real ist, muss man in der Lage sein, enorm schlagkräftige Fakten auf den Tisch zu legen, um der aktuellen, gut belegten Forschung zu widersprechen. Dazu gehört Erfahrung - die wird üblicherweise durch Veröffentlichungen in der Fachpresse und die Anzahl von Zitaten durch Fachkollegen nachgewiesen. Es reicht nicht, einen Leserbrief zu schreiben und mit hastig zusammengesuchten Formeln aus der Formelsammlung der neunten Klasse zu behaupten, dass CO2 harmlos sei. Wie ein anderer Leserbrief gezeigt hat, war Hr. K. nicht einmal in der Lage, die Randbedingungen der von ihm verwendeten physikalischen Formel zu kennen, und damit, dass diese Formel gar nicht zur Bewertung der Klimakatastrophe anwendbar ist.

Mathematiker und Physiker werden immer wieder mit “Beweisen” von Laien konfrontiert, dass es ein Perpetuum Mobile geben kann, dass die Quadratur des Kreises oder die Drittelung von Winkeln mit reiner Geometrie möglich sei, oder eben, dass der Klimawandel ja gar nicht “bewiesen”, sondern nur eine “Theorie” sei - all das ist längst endgültig widerlegt, aber wird immer wieder neu aufgekocht.

Schlichte Erkenntnis: Verwechseln Sie nicht Meinung und Fakten und überschätzen Sie nicht Ihre eigene Kompetenz.

30.03.2023

Klimakatastrophenleugner aus dem Chemiebuch - Leserbrief

Erneut gibt sich ein Leserbriefschreiber als wissenschaftsferner Inhaber einer Dunning-Kruger-Lizenz zu erkennen: die Gasgleichung von Boyle-Mariotte muss dafür herhalten, dass es keine Klimakatastrophe gibt.

[veröffentlicht am 30.03.2023, leider alle Kurz-URLs entfernt]

Hr. K. hat nun also auch eine eigene Meinung zur Klimakatastrophe. Nur leider passt seine Meinung nicht zum aktuellen Stand der Klimaforschung.

Alle Wissenschaftler weltweit sind sich einig, auch der aktuelle Bericht des IPCC ist eine deutliche Warnung, dass es massiver weltweiter Änderungen bedarf, um überhaupt noch eine geringe Chance zu haben, unter dem Pariser Klimaziel von 1,5 Grad Celsius zu bleiben. Wir erinnern uns: das Pariser Abkommen ist an sich schon ein trauriger Kompromiss, der lobbygesteuert weit hinter den notwendigen Aktionen zurückbleibt. Und nicht einmal dieser Kompromiss, der in Deutschland Gesetzeskraft hat, wird umgesetzt. Insbesondere Hr. Wissing glänzt durch Blockade und der Forderung nach “Technologieoffenheit”.

Die wärmsten 10 Jahre in der Geschichte der Wetteraufzeichnung waren die letzten 10. Deutschland erlebt seit Jahren Dürren im Sommer und zu wenig Niederschlag im Winter. Der Rhein droht im Sommer erneut nahezu unbenutzbar für die Schifffahrt zu werden. Der Po war so ausgetrocknet, dass Meerwasser kilometerweit zurück strömt und dadurch Ackerflächen versalzen.

Die Rückversicherer haben für 2022 weltweit über 275 Milliarden Euro für Schäden durch Naturkatastrophen ausgeben müssen.

Wie blind muss man sein, um diese Warnzeichen zu ignorieren?

Für das Science-Blog der "Spektrum der Wissenschaft" hat Professor Stefan Rahmstorf einmal mehr die Fakten zusammengestellt. Er ist Klimatologe, Professor für Physik der Ozeane und Abteilungsleiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

Die Ölfirmen wussten schon seit den Sechziger Jahren über den Zusammenhang zwischen CO2 und Erderwärmung, wie "The Guardian" berichtet.

Der Spiegel bemerkte dazu schon vor mehr als zehn Jahren: "'Wir haben ein Handlungsproblem, kein Erkenntnisproblem". Das Handlungsproblem rührt daher, dass zuviele Lobbyisten unterwegs sind und in die falsche Richtung Einfluss auf die Politik nehmen. Deutschland fällt leider in Brüssel seit Jahrzehnten immer wieder unangenehm auf, wenn es um die Verwässerung oder Verzögerung von Normen geht, die angeblich der Autoindustrie schaden.

All dies, von 13.000 Wissenschaftlern weltweit belegt, kann Hr. K. aus der Wetterau, der noch nie durch wissenschaftliche Veröffentlichungen zum Thema Meteorologie oder Klimaforschung aufgefallen ist, mit der Gasgleichung von Boyle-Mariotte aus einem Chemiebuch der neunten Klasse widerlegen?

Kürzlich wurde eine interessante Zahl bekannt: die Summe an Geld, die von bekannten Lobbyorganisationen allein in der Zeit von 2003 bis 2011 bezahlt wurde, um Studien zu finanzieren, die den Klimawandel leugnen. Diese Summe beträgt unglaubliche 900 Millionen Dollar, also mehr als 600 Millionen Euro. Diese Gelder wurden ausgegeben, damit Firmen ihr umweltschädliches Geschäftsmodell weiter betreiben können.

Die Verharmlosung mit den “kleinen” Zahlen, die Augenwischerei mit Prozentangaben ist ein üblicher Trick derjenigen, die das “weiter so” propagieren, weil es unbequem wäre, der Realität ins Auge zu blicken, oder ihr Geschäftsmodell bedroht.

"Nur in drei Jahren seit 1880 waren die Temperaturen auf der Erde noch höher, als 2018. Das haben die NASA und die US-Ozean- und Atmosphärenbehörde in unabhängigen Analysen ermittelt. NASA und NOAA warnen deswegen, die Erderwärmung halte unvermindert an. (...) Die jüngsten fünf Jahre seien zusammen auch die wärmsten fünf seit Beginn der weltweiten Messungen. Seit 1880 sei die Durchschnittstemperatur auf der Erdoberfläche um 1 Grad Celsius angestiegen. Schuld sei der vom Menschen verursachte Ausstoß von Treibhausgasen." (Zitiert aus https://heise.de/-4301316)

Erneut mein Lesetipp: 10 Fakten über den Klimawandel bei ZEIT Online.

Es gab und gibt wissenschaftliche Studien, die versucht haben, den Klimawandel zu widerlegen. Diese Studien beschränken sich auf winzige Aspekte des Themas oder wurden wenig später von der Fachwelt sämtlich zerlegt und widerlegt. Alle diese Versuche wiesen schwere methodische Mängel auf und dienen nur dazu, die Diskussion am Kochen zu halten.