[Article in English here]
Die Dramateure haben wieder zugeschlagen und ein Theaterstück nach einem Buch von Sir Terry Pratchett aufgeführt!
Dieses Jahr hat sich die Hanauer Theatergruppe kein Stück ausgesucht, das auf der Scheibenwelt spielt, sondern auf der "Rundwelt", wie unsere eigene Welt von den Bewohnern der Scheibenwelt genannt wird.
Es ist eine Kooperation mit einem anderen Autor, den ich nicht so sehr schätze, aber bei "Ein Gutes Omen" ("Good Omens") ist es ein wunderbares Buch (und Theaterstück) geworden. Ich habe auch einige der Bücher von Gaiman allein gelesen, aber er konnte mich nicht besonders fesseln (Underworld, Anansi Boys).
STP hat ja tatsächlich einige Bücher verfasst, die nicht auf der Scheibenwelt spielen, darunter die Trilogien über Johnny sowie über die Bromeliade, aber bei "Good Omens" gibt es noch eine winzige Anspielung, nämlich den TOD. Hier ist er Teil der "Vier Reiter der Apokalypse", aber die Ähnlichkeit ist nicht zu verleugnen, nicht zuletzt wegen seiner AUSSPRACHE in Versalien ;-)
Wie üblich, haben die Dramateure eine sehr minimalistische Bühnendekoration, die sich zum Kulissenwechsel schnell auf- und abbauen lässt. Nichtsdestotrotz schaffen es die Schauspieler, die vorhandenen Kulissen optimal zu verwenden und den Zuschauer mit ins Geschehen zu ziehen.
Gleich vorneweg: es hat mir sehr gut gefallen und die Theatergruppe hat es wunderbar geschafft, das Tempo des Buchs auf die Bühne zu bringen. Ich habe mich keinen Moment gelangweilt.
Die Geschichte dürfte bekannt sein: Armageddon zieht herauf, und der Sohn Satans, der Anti-Christ, soll unter den Menschen aufwachsen und dort auf seine Rolle vorbereitet werden, die Endzeit auszulösen. Erziraphael (im Original "Aziraphale") und Crowley haben sich mittlerweile aber an das menschliche Leben gewöhnt und versuchen jeder auf seine Weise, den finalen Kampf zwischen Gut und Böse noch weiter hinaus zu zögern oder sogar ganz zu verhindern. Die Entscheidung fällt letztlich in einer Militärbasis, von der aus mit einem Computervirus die Atomraketen gestartet werden sollen.
Dabei verfolgen die Zuschauer die einzelnen Szenen, beginnend bei der Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies, über die "Lieferung" des höllischen Kindes an eine Klinik teufelsanbetender Nonnen und die mehrmalige Vertauschung des Babys, über die unbeschwerte Jugend Adams und seiner Clique im kleinen Örtchen Lower Tadfield, über den Ruf, der an die vier Reiter der Apokalypse ergeht, über die Hexensucher-"Armee", bestehend aus zwei Personen, und über die Begegnung mit Anathema Device, ihrer Urahnin Agnes Nutter, die alles vorhergesagt hat, bis hin zum finalen Zusammentreffen in einer Militärbasis und dem doch nicht stattfindenden letzten Weltkrieg.
Besonders gut hat mir die Szene gefallen, in der die verschiedenen Personen und Gruppen, die sich gebildet haben, um aus verschiedenen Richtungen zum endgültigen Zusammentreffen zu fahren, alle identisch auf der Bühne agieren: zum Bühnenbild gehört wie üblich, dass sehr vieles pantomimisch dargestellt wird, sei es Auto, Motorroller oder Fahrrad. Toll gespielt und arrangiert!
Das Buch handelt hauptsächlich von Kindern, die ungefähr in der 5. Klasse sind, also knapp 11 Jahre alt. Wenn man das Buch gelesen hat, ist es natürlich schwierig, die Bilder im Kopf in Einklang zu bringen mit einem Theaterstück, in dem die Kinder von jungen Erwachsenen gespielt werden, aber es klappt eigentlich ganz gut.
Die Schauspieler haben alle sehr entspannt gespielt. Der Postbote, der die Werkzeuge und Waffen der Vier Reiter ausliefert, wurde vom Regisseur Jonas Milke etwas überkandidelt gespielt, aber das war ein ganz netter Kontrapunkt.
Natürlich ist im Vergleich zum Buch eine ganze Menge gekürzt dargestellt, aber der Geist der Geschichte ist erhalten geblieben: das Wichtigste im Leben ist, sich selbst und seinen Überzeugungen treu zu bleiben und so zu handeln, auch wenn jemand oder die Umstände etwas anderes verlangen, was man nicht will.
Etwas vermisst habe ich den Höllenhund, der im Buch in einer Szene im Steinbruch "ausgeliefert" wird. Zunächst ist er ein riesiges, tödliches Monster, aber auf dem Weg zu seinem Herrn verwandelt er sich in einen kleinen, niedlichen Hund, so wie Adam ihn sich wünscht - rein zufällig spricht er nämlich gerade mit seinen Freunden darüber, wie sein eigener Hund aussehen müsste. In früheren Theaterstücken haben die Dramateure Tiere mitspielen lassen, die als Puppe von einem eigenen Schauspieler sozusagen "animiert" wurden (z.B. der Hund "Fetzen", von einem Igor zusammengestückelt). In diesem Stück wurde "Hund" nur erwähnt, aber da er keine Schlüsselrolle in der Handlung trug, war das zu verschmerzen.
Minimal aktualisiert wurde ein kleines Detail - im Buch, das 1990 erschien, verwandeln sich automatisch alle Kassetten, die in Autos aufbewahrt werden, in "Best of Queen"-Alben. Im Jahr 2016 gibt es Menschen, die Kassetten nicht mal mehr kennen, und auch CD-Spieler verschwinden langsam aus Autos und Stereoanlagen. Aber Crowley ist ja nostalgisch und spielt noch CDs im Auto - mit Queen-Musik drauf natürlich.
Hier nun einige Bilder aus den Schlüsselszenen:
(Bilder mit freundlicher Genehmigung der Dramateure und ihres Regisseurs Jonas Milke)
Die Vertreibung aus dem Paradies, ausgelöst von Crowley als Schlange, um Eva den Apfel unterzujubeln.
Erziraphael gibt den Vertriebenen sein Flammenschwert mit, weil es draußen doch so kalt ist.
Crowley übernimmt das Baby, das Armageddon auslösen soll. Man merkt ihm an, dass er die Erde eigentlich ganz nett findet und sich von den anderen Dämonen entfremdet hat.
Während der Anfahrt hört man, dass sich seine CDs im Auto in "Best of Queen" verwandelt haben, wie das immer so ist.
Im Krankenhaus soll das Baby der amerikanischen Botschafterfamilie ausgetauscht werden, damit der Höllensohn in einer Familie mit Macht und Einfluss aufwächst. Leider sind die Nonnen extrem dämlich und durch mehrfache Vertauschungen landet das Kind unabsichtlich in einer englischen Durchschnittsfamilie und wächst höchst durchschnittlich auf.
Erziraphael und Crowly stellen fest, dass sie beide keine Lust auf Armageddon haben.
Crowley hört immer noch Queen im Auto ;-)
Adam Young und seine Clique, Brian, Pepper und Wensleydale, genießen die Schulferien und fabulieren munter drauflos über Aliens, Roboter und tibetanische Mönche, die mittels Tunneln unter der Erdoberfläche an alle Plätze der Welt reisen können, um dort zu lauschen.
Noch ist Adam nicht klar, dass er die Macht hat, seine Fantasie Wirklichkeit werden zu lassen.
Anathema Device versucht, eine weitere der Voraussagen ihrer Ahnin Agnes Nutter zu überprüfen, die in sehr blumiger Sprache vor Hunderten von Jahren schon "Wagen ohne Pferde" hat sehen kommen.
In der Pause waren Roboter und tibetanische Mönche unterwegs und haben Warnungen an die Bewohner des Planeten ausgehändigt, die Umweltverschmutzung zu beenden.
Dieses Schmankerl steht in der Tradition der bisherigen Aufführen, den Besuchern etwas mitzugeben - bislang waren es Ausgaben der "Ankh-Morpork Times", hier nun eine Botschaft der Aliens, mit der Erde sorgsamer umzugehen.
Hexensucher-Gefreiter Newt und Ahnin-von-Beruf Anathema lesen weitere Voraussagen und stellen fest, dass Agnes sogar den Sex zwischen ihnen vorhergesagt hat - aber nur einmal, weil die Zeit knapp wird und sie aufbrechen müssen zur Militärbasis von Tadfield.
Auch die Vier Reiter der Apokalypse (Umweltverschmutzung, Tod, Krieg und Hunger) und der selbsternannte fünfte (im Buch vier weitere) Reiter für "alkoholfreies Bier" sind auf dem Weg zu ihrer Bestimmung. Der fünfte Reiter bekommt den Darwin-Award, als er bei einem dummen Unfall stirbt.
Crowley ist ebenfalls unterwegs in seinem Bentley.
Und der Hexensucher-Feldwebel Shadwell hinter seiner Vermieterin Madame Tracy auf ihrem Motorroller.
Anathema und Newt haben die Voraussagen von Agnes korrekt interpretiert und fahren zur Mililtärbasis von Tadfield.
Adam und seine Clique fahren auf ihren Fahrrädern ebenfalls dorthin. Adam ist klargeworden, dass er nicht zum Werkzeug seiner Bestimmung werden will, wenn dabei seine eigene, kleine, heile Welt zerstört wird. Tadfield soll so bleiben, wie es ist.
Adam und seine Freunde kämpfen gegen die echten Vier Reiter und gewinnen gegen Schwert, Waage und Krone. Gegen den Tod kann man nicht gewinnen, aber das ist normal.
Adam hält eine sehr bewegende Schlussrede über Bestimmung und Glück.
Der Schlussapplaus war lang und verdient. Respekt für die diesjährige Aufführung!
Ich freue mich auf nächstes Jahr und bin gespannt, welches Buch von STP für 2017 ausgewählt wird.
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