16.09.2020

Manche Leserbriefschreiber sind einfach unbelehrbar - Leserbrief

Auch auf meinen 2. Leserbrief zum Thema Corona liess es sich der emeritierte Herr L., der immer gern mit seinem Professorentitel aus dem Ingenieur-Bereich kokettiert, nicht nehmen zu antworten. Da bei Schweden keine Diskussion mehr möglich war, wich er auf die Situation in Japan aus, und das war so schlimm, dass die Redaktion der WZ in mehreren (!) Einschüben in seinem Leserbrief die Fakten klarstellen musste. Warum diese Art Leserbriefe immer noch abgedruckt werden, ist mir von Mal zu Mal weniger klar.

[veröffentlicht am 16.09.2020]

Keine Antwort auf den Leserbrief von Hr. L.

Hr. L. beharrt in einem weiteren sehr langen Leserbrief auf seinen schrägen Ansichten.
Diese Ansichten sind sogar so schräg, dass die Redaktion der WZ eingreift und seine Behauptungen mit Texteinschüben kommentiert und korrigiert. Sogar die THM gibt öffentlich bekannt, dass sie nicht mit seinen Äußerungen konform geht.

Damit kann ich mich auf einen anderen Aspekt der Leserbriefe von Hr. L. konzentrieren: auf die zahlreichen rhetorischen Tricks, die Klimakrisenleugner und Corona-Verharmloser gern anwenden.

Es fängt damit an, dass die Floskel "politisch inkorrekt" verwendet wird. Dies ist ein Codewort, mit dem unterstellt wird, dass es Sprech- und Denkverbote gibt, gegen die nur die besonders Tapferen und Aufrechten noch ankommen. Hier stellt sich der Schreiber als Opfer dar, wenn man ihm widerspricht, nur weil er "unbequem" spricht. Natürlich ist es umgekehrt: man darf ruhig alles sagen, aber man muss auch den Gegenwind aushalten können. Es gibt Meinungsfreiheit, aber die gilt auch für den Widerspruch gegen Unfug.

Des weiteren werden die etablierten Medien angegriffen - die "Süddeutsche" habe ja nicht immer recht, und im Gegenteil sei bei "Tichys Einblick" "nicht alles falsch". Diese nebligen Behauptungen werden nicht mit Argumenten untermauert, so dass nur ein diffuser Zweifel bleiben soll. Aber: ein Blick auf Artikel bei Tichy zeigt, wes Geistes Kind er und Konsorten sind: dort werden z.B. Sarrazin, Maaßen und der Werteunion breiter Raum gegeben. Auch später erwähnt Hr. L. spöttisch "Qualitätsmedien", setzt den Begriff in Anführungszeichen, um deutlich zu machen, dass der Begriff nicht ernst genommen werden dürfe.

Gern wird auch ein klassisches Zitat oder Name herangezogen, um die eigene Belesenheit zu zeigen. Nun ja, in diesen Zeiten findet man mit Suchmaschinen sehr schnell Passendes für jeden Zweck, ob gut oder schlecht, und gern aus dem Zusammenhang gerissen. Es wundert nicht, dass Hr. L. den konservativen Tocqueville zitiert, der den Sozialismus verachtete. Er unterschlägt den Kontext des Begriffs "Tyrannei der Mehrheit" vollständig und vereinnahmt ihn damit für seine Zwecke.

Weiter geht es mit persönlichen Angriffen, man habe Dinge nicht "verstanden" oder "nicht mitbekommen", wenn ohne Quellenangabe behauptet wird, die Sterbezahlen des Robert-Koch-Instituts seien nur ein Zehntel so groß wie behauptet, womit auch eine weitere staatliche Institution nebenbei der Lüge bezichtigt wird. Die Begründung liefere die "Heinsberg"-Studie. Allerdings sagen die Autoren dieser Studie, dass die Zahlen nicht auf das ganze Bundesland, geschweige denn auf die deutschlandweite Situation angewendet werden darf, eben weil Heinsberg ganz besonders sei.

Der Einwand, dass es bislang keine Erkenntnisse zur Herdenimmunität gibt, wird zum zweiten Mal ignoriert.

Auch dies ist ein hübscher Trick: Einschränkungen, die nicht zur eigenen Argumentationslinie passen, werden gern unter den Tisch gekehrt bzw. nicht beantwortet.

Hr. L. geht intensiv und lückenhaft auf Japan ein, was die Redaktion zu weiteren Einschüben bringt.

Außerdem gehört zum üblichen Repertoire, Personen anzugreifen statt sachlich zu argumentieren. Es gibt für Hr. L. einen "Hof-Virologen", womit er unterstellt, dass es eine staatlich kontrollierte "Meinung" gebe - genau das Gegenteil ist der Fall: Prof. Drosten und Prof. Lauterbach sind hervorragende Wissenschaftler mit hoher Reputation auf ihrem Fachgebiet, was man leicht daran sieht, wie oft ihre Arbeiten von Anderen zitiert werden. Es lohnt sich, sowohl Drosten als auch Lauterbach bei Twitter zu folgen - hier gibt es hochinteressante und fachlich versierte Aussagen.

Nun - wenn man keine Argumente hat, greift man halt Personen ad hominem an.

Beendet wird der Leserbrief mit dem akademischen Titel. Dies suggeriert eine wissenschaftliche Autorität, obwohl der Titel nicht auf einem medizinischen Gebiet verliehen worden ist.