07.12.2023

Das Märchen von der Technologieoffenheit - Leserbrief

[veröffentlicht am 07.12.2023]

Das war mal wieder ein Leserbrief von Hr. F., der ein heftiges Kopfschütteln auslöst ob der Faktenfreiheit bei allem, was er an “Argumenten” anführt, um über die amtierende Regierung zu jammern.

Es war nicht Habeck und auch sonst war es nicht die Ampel, sondern die vorherigen CDU/FDP- bzw. CDU/SPD-Regierungen, die die meisten Kernkraftwerke abgeschaltet haben. Die letzten drei Kraftwerke sind während der Regierungszeit der Ampel abgeschaltet worden, aber das dazu erlassene Gesetz stammt noch von der Vorgängerregierung und wurde jetzt nur (fast) fristgerecht umgesetzt.

Hr. F. erwähnt “Dual Fluid Reaktoren” - auch dazu gibt es ein paar magere Forschungsergebnisse, aber nichts, was sich großmaßstäblich einsetzen ließe, um unsere derzeitigen akuten Probleme durch die Klimakatastrophe zu lösen. In den USA wurden die Bauarbeiten an einem Mini-Fusionsreaktor aus Kostengründen wieder eingestellt - Kernfusion kommt wie üblich erst in 40 Jahren.

Genauso weiß Hr. F., dass Fracking ungefährlich ist wegen der “Verdünnung”. Das Umweltministerium denkt seit 2017 anders darüber: “Erdgasgewinnung in Schiefer-, Ton-, Mergel- und Kohleflözgestein (...) aufgrund der fehlenden Erfahrungen und Kenntnisse in Deutschland grundsätzlich verboten ist. Lediglich zu wissenschaftlichen Zwecken können die Bundesländer bundesweit maximal vier Erprobungsmaßnahmen im Schiefer-, Ton-, Mergel- oder Kohleflözgestein zulassen.”.

Warum weinen Laien immer noch den Kernkraftwerken nach? Die Abschaltung war aus vielerlei Gründen vollkommen richtig. Seit dieser Entscheidung ist die Kohleverbrennung für die Stromerzeugung um fast die Hälfte zurückgegangen. Deutlich weniger Wind und Solar musste abgeregelt werden, mal ganz abgesehen davon, dass es immer noch keine vernünftige Endlagerlösung für Atommüll gibt. Atomstrom ist der teuerste Strom überhaupt. In Frankreich wurde der Energieversorger EDF verstaatlicht und häuft weiterhin massiv Schulden an, weil die Kernkraftwerke dort soviele Probleme machen.

Das derzeitige Problem in Deutschland ist der Stromtransport aus dem Norden, der jedes Jahr mehrere Hundert Windkraftanlagen baut, in den ideologisch verblendeten Süden (obwohl ich ansonsten den Begriff “ideologisch” ablehne). Söder hat sogar vor zehn Jahren mit Rücktritt gedroht, wenn die Kernkraftwerke nicht abgeschaltet werden. Allerdings haben er und sein Vize Aiwanger von der FW es ebenfalls zehn Jahre versäumt, Alternativen zu bauen: in Bayern wurden dieses Jahr gerade mal 6 Windkraftanlagen genehmigt und zwei gebaut. Im Vergleich dazu: In ganz Deutschland wurden allein im ersten Halbjahr 2023 on-shore 331 neue Windenergieanlagen gebaut.

In den letzten zwei Jahren hat die Verbrennung von Gas und Öl massiv zugenommen. Wir sind derzeit auf dem Weg zu mehr als 2,5 Grad globaler Erwärmung. Der Pazifik heizt sich unglaublich auf, und Forscher befürchten, dass die ersten Kipppunkte schon erreicht sind, nämlich die Arktis und der Amazonas. Auch wenn es gefühlt nicht so war: in Deutschland ist 2023 die durchschnittliche Temperatur 2 Grad über dem langjährigen Jahresmittel gewesen. Wir haben die gesetzlich festgelegte Grenze von 1,5 Grad (Paris 2015), der die deutsche Regierung verpflichtet ist (Grundgesetz Art. 20a), bei weitem gerissen.

“Technologieoffenheit” ist ein Schlagwort, das gern verwendet wird, um die ökologische Energiewende mit Solar, Wind, Wasser und Biogas zu behindern. Besonders die FDP liebt diesen Begriff. Das ist dieselbe FDP, die immer gern von “Der Markt regelt” spricht, bis eine Lobbygruppe anklopft und nach Subventionen fragt, weil der “Markt” zwar durchaus regelt, aber dies schlicht nicht den Wünschen der Lobbys entspricht. Das war aktuell bei E-Fuels so, als postwendend eine Porsche-Managerin nach staatlichen Hilfen rief, weil die Herstellung von E-Fuels teuer und ineffizient ist.

“Technologieoffenheit” ist ein Begriff zur Verzögerung und ein Zeichen von Entscheidungsunwillen. Während der Forschungsphase sollte man natürlich in alle Richtungen offen sein, aber wenn sich ein Lösungsweg anbietet, der besser ist als alle anderen, wird es Zeit, die vorhandenen begrenzten Mittel auf den besten Weg zu konzentrieren statt sich weiterhin zu verzetteln.

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