04.09.2023

Warum hat die AfD Zulauf? - Leserbrief

[veröffentlicht am 02.09.2023]

Weshalb wundert sich Hr. Sattler in seiner Glosse vom 22.08. darüber, dass die AfD stärker wird?

Ich kann es ihm genau erklären: weil allerorten die Narrative, über die sich die AfD freut, lang und breit durch die Presse und die Medien getragen werden und AfD-Politikern viel Raum gegeben wird. Auch Hr. Sattler ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte.

Auf der einen Seite nämlich beklagt er die Gefahr, dass die AfD Stimmen gewinnt, auf der anderen Seite laboriert er genau deren Stichpunkte, von denen leider keiner so richtig stimmt.

Er stellt fest, dass “höchstens” die Hälfte der Geflüchteten seit 2015 eine Ausbildung gemacht hat und in Lohn und Brot steht. Ich finde hingegen, das ist eine großartige Leistung unseres Schul- und Ausbildungssystems, dass so schnell so viele Menschen aus anderen Kulturkreisen sich hier in einer ihnen fremden Sprache zurecht finden konnten. Die andere Hälfte sind vermutlich großteils Kinder, Jugendliche, Senioren oder pflegende Familienangehörige. Es ist also höchst unehrlich, sich zu beklagen, dass “nur” die Hälfte Ausbildung und Beruf gefunden hat und nicht zu (er)klären, wie diese Zahl zustande kommt.

Deutschland geht es wirtschaftlich nach wie vor gut, und jetzt unser Land als “kranken Mann” oder als vom Abstieg gefährdet zu bezeichnen, spielt auch nur dem politischen rechten Rand in die Karten. Die Ampel ist seit zwei Jahren an der Regierung und räumt die Hinterlassenschaften und Nachlässigkeiten der letzten Dekaden von Regierungen mit CDU-Beteiligung auf. Solch eine aggressive Oppositionsagitation, und das sogar mit offenen Unwahrheiten, habe ich in den letzten 40 Jahren nicht erlebt.

Wenn man Deutschland schlecht macht und den Geflüchteten und Zuwanderern die Schuld gibt, passiert genau das: niemand will mehr freiwillig zu uns kommen und hier arbeiten. Wir brauchen dringend eine geregelte Zuwanderung. Es ist bezeichnend, dass Lindner diesen März bei einer Auslandsreise nach Ghana auf die Frage, wer zum Arbeiten nach Deutschland kommen wolle, sich keiner der jungen Leute in einem Hörsaal einer Universität gemeldet hat.

Vielleicht würde es helfen, mal ganz objektiv und konkret zu berichten, was das Programm der AfD ausmacht, wer profitiert und wer leidet? Schauen wir in die neueste DIW-Kurzstudie (Zusammenfassung von volksverpetzer.de).

In Bezug auf die Klimapolitik gibt es laut der Studie keine Partei, die Klimaschutzmaßnahmen konsequenter ablehnt als die AfD. Zudem möchte die AfD die Rechte von Minderheiten einschränken und plant, die Europäische Union zu schwächen oder gar abzuschaffen. Studienautor Fratzscher:

  • „In der Sozialpolitik wünscht sich keine Partei stärkere Einschnitte.“
  • „In der Gesellschaftspolitik unterscheidet sich die AfD am stärksten, will Rechte vor allem für Minderheiten beschneiden.“
  • Bei „Demokratie und Innenpolitik will die AfD Rechte und Freiheiten deutlich restriktiver handhaben als alle anderen Parteien im Bundestag“.

Die AfD ist gegen eine Mindestlohnerhöhung und gegen eine Stärkung der Rechte von Mietern, und für Steuersenkungen, von denen vor allem Besserverdienende und Vermögende profitieren. Laut Kurzstudie würden solche AfD-Positionen „die ohnehin schon häufig am Rande der Gesellschaft stehenden AfD-Wähler noch stärker marginalisieren und ihre gesellschaftliche und politische Teilhabe beschneiden.“

Die AfD ist gegen die Besteuerung großer Vermögen und die Erbschaftssteuer. Den Solidaritätszuschlag für die Spitzenverdiener will sie komplett abschaffen. Das Gleiche gilt für die Wirtschaftspolitik, bei der die AfD generell die Rolle des Staates beschneiden und die Macht des Marktes vergrößern will.

Die Studie hebt hervor, dass viele AfD-Anhänger nicht erkennen, dass sie direkt von den negativen Auswirkungen ihrer Partei betroffen wären, z.B. in Form von Jobverlusten oder Schwächung der EU. Viele AfD-Unterstützer glauben fälschlicherweise, dass ein stärkerer Nationalismus und eine marktfreundliche Politik ihnen persönlich nutzen würden. Die Studie stellt fest, dass genau das Gegenteil der Fall wäre.

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