12.07.2023

Wie kann sich der Staat Bildung leisten - Leserbrief

Eine Glossistin der WZ denkt über die Finanzierung von Bildung nach.
[veröffentlicht am 12.07.2023]

Ein paar Gedanken zur geplanten Kürzung des Elterngelds.

Hier gibt es zwei Seiten zu betrachten: die Kürzung betrifft Menschen mit über 150.000 € zu versteuerndem Einkommen - Bruttoeinkommen minus alle absetzbaren Abzüge. Wir sprechen also über Familien mit etwa 200.000 € Jahresverdienst. Dies sind die oberen 4 % Verdiener, also ca. 60.000 Familien.

Auf der anderen Seite wird hier leider ein Signal gegeben, dass der besserverdienende Partner (ebenso leider: vermutlich der Mann) keine Elternzeit nehmen muss, sondern weiter arbeiten gehen “darf”. Dies zementiert erneut die traditionelle Rolle, dass die Mutter nach der Geburt eines Kindes zuhause am Herd bleiben soll - ein fatales Signal.

Die Kürzung an sich ist realistisch betrachtet nicht verkehrt, aber ohne eine Gegenmaßnahme zur obigen Überlegung ist es eine deutliche Verschlechterung auf dem Weg zur Gleichstellung der Partner in einer Familie.

Die Regelung zur Elternzeit sollte parallel zur Kürzung verbessert werden, so dass auch Väter länger zu Hause bleiben können (und sollen).

Leider gerät durch die unnötig schrille Debatte in den Hintergrund, dass die Kindergrundsicherung und das Bafög ebenfalls massiv gekürzt wurden. Aus der Debatte über Hilfe für Kinder wurde also eine Debatte über die - vielleicht - gefährdete Gleichstellung von Partnern gemacht. Studieren ohne Bafög können nur noch Kinder wohlhabender Eltern.

Zur Finanzierung von Elterngeld und Kindergrundsicherung gibt es einige sehr einfache Möglichkeiten:

Noch immer ist der Flugverkehr komplett von der Mineralölsteuer befreit. Wir subventionieren also unmittelbar klimaschädliche Flüge durch billiges Kerosin. Es ist immer noch günstiger, zu fliegen als mit der Bahn zu fahren. VW z.B. besitzt eine Fluggesellschaft, die extrem steuerbegünstigt fast 2.500 “dienstliche” Flüge pro Jahr durchführt, etwa zwischen Wolfsburg und Stuttgart.

Genauso umweltschädlich ist die Subventionierung von Firmenwagen. Da der Arbeitgeber üblicherweise alle Kosten zahlt, gibt es hier keine Anreize, energiesparend zu fahren oder auf private Fahrten zu verzichten. Stattdessen wird ein Dienstwagen als Statussymbol betrachtet - je größer, desto toller. Deutschland ist das einzige Land, in dem es beim Preis keine Obergrenze für steuerliche Absetzbarkeit gibt.

Die Steuergeschenke für Dienstwagen summieren sich je nach Berechnung auf über 10 Milliarden Euro pro Jahr. Sogar die linksgrüne “auto motor sport” schlug kürzlich vor, das Dienstwagenprivileg für Wagen mit Verbrennungsmotor abzuschaffen und schätzt die zusätzlichen Steuereinnahmen bis 2030 auf 42 Milliarden Euro. Als Nebeneffekt schätzt das Magazin eine Million mehr E-Autos als Dienstwagen und somit eine Entlastung um mehrere Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Der Finanzminister träumt im Gegensatz dazu von Milliardensubventionen für e-Fuels, weil deren Herstellung sonst zu teuer wäre.

Die Mineralölunternehmen jubeln: Shell (37 Mrd. €), Chevron (33 Mrd. €), BP (26 Mrd. €), Exxon (52 Mrd. €), Total (33 Mrd. €) und Aramco (161 Mrd. $) melden Rekordgewinne von 50 bis 150 % gegenüber dem Vorjahr. Ein Teil dieser Gewinne war sicherlich dem letztjährigen “Tankrabatt” zuzurechnen. Andere Länder holen sich davon einen Anteil als Übergewinnsteuer zurück, Deutschland nicht.

Der Verkehrsminister könnte 30 Mrd. Euro und nebenbei viel CO2 sparen, wenn er auf den Neu- oder Ausbau von 1300 km neuen Straßen und Autobahnen verzichtet. Mehr Straßen führen unweigerlich zu mehr Verkehr und mehr CO2, sagen Studien.

Auch Steuervermeidung und Steuerhinterziehung (geschätzt 150 Mrd. € pro Jahr) sollten stärker bekämpft werden. Stattdessen werden Steuerfahnder gemobbt und in den Ruhestand versetzt (die Steuerfahnder-Affäre in Hessen) oder die Schäden der Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte von fast 50 Mrd. € ignoriert.

Es wäre sinnvoll, wenn wir Steuern da erheben, wo es sich für den Staat lohnt, wie z.B. bei Erbschaften, Kapitalertrags- und Vermögenssteuer, beim Abbau von Subventionen oder einer zeitweiligen Übergewinnsteuer.

Deutschland ist das Land, in dem Lohnarbeit unverhältnismäßig stark besteuert wird, aber Firmen sich künstlich arm rechnen können.

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