20.06.2023

Wissenschaft ist fast wie Religion - Leserbrief

[veröffentlicht am 20.06.2023, Streichung in rot]

Erneut gibt ein Leserbriefschreiber zu erkennen, dass Vorurteile schwerer wiegen als die Akzeptanz der eigenen Unwissenheit.

Es ist wirklich traurig zu lesen, dass Wissenschaft gleichgesetzt wird mit einer Religion, an die man “glauben” oder es auch lassen kann.

Die Physik und die Natur lassen nicht mit sich spassen, sie finden statt, auch wenn Hr. P. nicht daran “glauben” will, was passiert.

Wissenschaft ist kein Wunschkonzert, sondern ein Ringen um die bestmögliche Erklärung für Phänomene, die wir beobachten. Dieses Ringen um Erkenntnis hat dazu geführt, dass sich alle Klimaforscher weltweit einig sind, dass die Klimakatastrophe menschgemacht ist und wir nur noch knapp 6 Jahre haben, um den CO2-Ausstoss so weit zu verringern, dass die Erde weiterhin überlebensfähig für uns bleibt.

Gibt es denn nicht aktuell schon genug Warnzeichen, dass sich Dinge ändern müssen? Jedes Jahr gibt es neue Hitzerekorde, gefolgt von Unwettern. Jedes Grad Erwärmung der Atmosphäre führt dazu, dass die Luft 7 % mehr Wasserdampf speichern kann, was wiederum zu stärkeren Gewittern führt. Da gleichzeitig der Boden immer mehr austrocknet, kann der Niederschlag nicht aufgenommen werden - und es kommt zu Sturzfluten wie im Ahrtal.

Die Arktis und die Antarktis schmelzen ab. 60% von Spanien sind von einer Jahrhundertdürre heimgesucht, die die Bodenerträge (Gemüse und Obst) stark verringert. Hitzerekorde von 45 und 50 Grad im Frühjahr (!) werden aus Asien gemeldet. Die Pegel von Gardasee und Rhein sind so früh im Jahr niedrig wie noch kaum jemals. Und Hr. P. wiederholt immer noch das Märchen, dass 425 ppm CO2 “nicht schlimm” seien und führt mit einer Milchmädchenrechnung schlicht vor, dass er die Zusammenhänge nicht versteht.

Es ist nicht per se der absolute Wert von 425 ppm CO2, der schlimm ist, sondern der rapide Anstieg. 1850 war der Wert etwa 280 ppm und es gab ein “Gleichgewicht der Kräfte” von Verbrauch und Ausstoß. Das Problem ist die schnelle Veränderung dieses Werts, die unzweifelhaft der Mensch zu verantworten hat. Die Natur wäre auch mit 425 ppm CO2 im Gleichgewicht, wenn sich dieser Wert über einen langen Zeitraum eingependelt hätte - dann wäre das gesamte Ökosystem nach wie vor in Balance.

Was aber jetzt passiert, ist ein zu schneller Umbruch, durch den sich ein Sturzbach von klimatischen Veränderungen über uns ergießt, darunter Luftströmungen, Meeresströmungen, der Amazonas-Regenwald usw. Insgesamt gibt es 9 globale und 7 regionale kritische sog. “Kipp-Punkte”, die Gefahr laufen, unumkehrbar zerstört zu werden. Die Menschheit als Ganzes wird sich nicht an eine um im Schnitt 4 Grad erwärmte Erde gewöhnen können. Es wird vielleicht ein paar Superreiche geben, die sich irgendwo einigeln können, aber ein Großteil der Menschheit kann das nicht.

Aber Hauptsache, die FDP träumt uns vor, dass wir mit “Zukunftstechnologien” jetzt im Moment nichts unternehmen müssen, weil in zehn Jahren die Wundertechnik kommt, die alle Probleme löst. Unser einziges Problem ist aber derzeit, dass wir diese Zeit nicht haben und jetzt anfangen müssen, den CO2-Ausstoss massiv zu verringern.

Wir können nicht auf e-Fuels warten. Um “grünen” Wasserstoff zu erzeugen, fehlen uns Wasser und EE-Strom. Kernfusion ist ebenso ein Zukunftstraum, der vielleicht in 40 Jahren kommen könnte (Scherz unter Physikern: die Kernfusion ist immer 40 Jahre entfernt). Die Kernfusion, die wir jetzt nutzen können, findet in der Sonne statt. EE in Deutschland ist schon sehr erfolgreich: es gibt Tage, an denen mehr als 100% Strom erzeugt wird, so dass wir für kostenlosen exportierbaren Strom Geld bekommen. Selbst nachts sind noch 60% des Strombedarfs aus Windkraft möglich. Es gibt derzeit schon deutsche Stromspeicher für mehr als 8 GW, und bis Ende des Jahres soll die 10 GW-Marke geknackt werden. Da der tägliche Bedarf in Deutschland 60-80 GW beträgt, sind das doch halbwegs gute Nachrichten.

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