19.12.2019

TikTok - fast schon Werbung - Leserbrief

Die WZ hat eine Kinderseite, die immer mal ganz schöne Beiträge in "leichter" Sprache bringt, um den jüngeren Lesern einen Zugang zu politischen und technischen Themen zu bieten. Die Artikel sind meistens gut geschrieben; letzte Woche allerdings war ein Artikel über die TikTok-App, der sehr verharmlost hat. Zitiert wurde eine Expertin von klicksafe.de, die auf ihrer Website wiederum einige eher warnende Artikel über TikTok und den chinesischen Besitzer gebracht haben. Das einzige Zitat der Expertin war ein Hinweis, dass man die Sichtbarkeit von Beiträgen auf TikTok einschränken könne. Es gibt aber einiges mehr, was man an TikTok kritisieren kann - was klicksafe.de in den o.g. Artikeln auch tut - und nichts davon wurde im Artikel erwähnt. Außerdem hat Mike Kuketz, der für die c't schon einige Artikel über Datenschutz und Privatsphäre geschrieben hat, einige sehr verstörende Details über die Neugierde der App herausgefunden, und auch darüber findet sich nichts im WZ-Artikel.

Update: auf Nachfrage hat Fr. Woldemichel erklärt, dass sie der dpa ein Interview gegeben hat und dpa daraus zwei Veröffentlichungen erstellt hat, eine für Erwachsene, eine für Kinder. Offensichtlich hat die WZ sich aus dem Artikel für Kinder bedient.

Woldemichel: "DPA wollte Statements/Empfehlungen zu dem Dienst TikTok für die Zielgruppen Eltern und für Kinder. Daraus sollten 2 Artikel gebastelt werden (1 für Eltern, 1 für Kinder). Wahrscheinlich hat sich die regionale Zeitung an dem DPA-Artikel für Kinder bedient. Das Interview hat über eine halbe Stunde gedauert und ich habe natürlich sehr viel mehr v.a. zu den Risiken gesagt! Viele meiner Aussagen und Empfehlungen zu TikTok finden sich in unseren Tipps im Webbereich TikTok wieder und leider spiegelt dieses Zitat nicht meine Haltung zu TikTok wider."

[veröffentlicht am 18.12.2019]

Leserbrief zur "Meine Seite" 06.12.19
In der WZ vom Freitag verblüfft mich, wie enthusiastisch auf der Kinderseite über "TikTok" berichtet wird, eine Mitmach- und Mitsing-App für Smartphones, die besonders bei Kindern und Jugendlichen sehr beliebt ist. Die App bietet eine Art Karaoke mit Videoaufnahmen, die im Internet übertragen werden. Insbesondere ist der Artikel im Tenor deutlich im Widerspruch zu anderen Artikeln der WZ über TikTok, die durchaus kritisch berichten, welche Mängel die App beim Datenschutz und den Nutzungsbedingungen hat. Die zitierte Expertin Deborah Woldemichael ist bei klicksafe.de engagiert, einer sehr empfehlenswerten Website für Schüler und Eltern, und dort gibt es ebenfalls mehrere kritische Berichte über TikTok.
TikTok ist der Nachfolger von "musical.ly" und wurde von einer chinesischen Firma aufgekauft. Schon "musical.ly" ist vor Jahren oft unangenehm als Tummelplatz für Pädophile aufgefallen, die sich an die jungen Teilnehmer im integrierten Chat der App angewanzt haben. Woldemichael meint dazu ganz lapidar, dass man Kontakte blockieren könnte, die man unangenehm findet und dass das Einverständnis anderer Personen vorliegen muss, die in einem Video auftauchen, bevor es im Internet veröffentlicht wird. Leider wird nicht mehr von Woldemichael zitiert, was wesentlich bedenkenswerter ist als die schlichte Blockademöglichkeit.
Was in diesem Artikel vollkommen untergeht und nicht einmal angerissen wird: Kinder und Jugendliche dürfen sich unter einem Alter von 16 Jahren gar nicht selbständig bei einem sozialen Netzwerk anmelden. Die DSGVO verlangt, dass die Eltern ihre Zustimmung erteilen. Auch klicksafe.de weist darauf hin, dass die DSGVO Altersgrenzen vorsieht.
Außerdem können Jugendliche gar nicht rechtsverbindlich ihr Einverständnis erklären, in einem Video eines anderen Jugendlichen aufzutauchen - das letzte Wort haben auch hier natürlich die Eltern.
Überhaupt nicht erwähnt wird weiterhin, wie neugierig die TikTok-App ist und an welche Trackingdienste bei der Anmeldung und Nutzung der App persönliche Daten weitergegeben werden. Der Experte Mike Kuketz, der in der Fachzeitschrift c't schon viele Artikel über Datenschutz veröffentlicht hat, hat bei einer Prüfung von TikTok Erschreckendes festgestellt.
Als App einer chinesischen Firma hat TikTok nebenbei gänzlich andere Vorstellungen von Meinungsfreiheit als wir sie in Europa gewohnt sind: die Videos werden von Moderatoren nach dubiosen Kriterien eingeschränkt, wenn darin unliebsame Inhalte wie z.B. Politik, Konkurrenzfirmen, hässliche Menschen (wer entscheidet das?), LGBT (schwul/lesbisch/...) uvm. auftauchen. Eine detaillierte Liste von Zensurkriterien hat das "Social Media Watch Blog" gesammelt.
Mit all diesen Aspekten finde ich es außerordentlich fragwürdig, wie positiv TikTok beschrieben wird und wie lapidar die Mankos weggelächelt bzw. bekannte problematische Fakten gar nicht erwähnt werden.

13.12.2019

Impfgegner mal wieder - Leserbrief

Erneut schreibt Herr J. einen Leserbrief, in dem er gegen das Impfen wettert. Diesmal geht er sogar noch einen Schritt weiter als in seinem letzten Leserbrief, in der er sich als Impfgeschädigter bezeichnet. Im aktuellen Leserbrief vom 06.12. bezeichnet er es als Lüge, dass die Masernimpfung gegen die Masern hilft. Das kann ich so nicht stehenlassen, ich halte Impfen für enorm wichtig, gerade bei einer hochansteckenden, tödlichen Krankheit.
[abgedruckt 13.12.2019]

Leserbrief zum Leserbrief über Impfen und Impfpflicht
Herr J. schreibt erneut vehement gegen das Impfen und die Impfpflicht an und nennt die Wirksamkeit der Masernimpfung eine "Lüge". Wie entsetzlich verbohrt muss man sein, um gegen jede medizinische Evidenz zu behaupten, dass das Impfen nichts nutzt? Wie tief kann man sinken, um die vermeidbaren Dauerschäden und die möglichen Maserntoten gegen eine andere Zahl von Todesopfern durch andere Ursachen aufzurechnen? 
Hr. J. mag persönliches Leid erfahren haben, wie er in einem früheren Leserbrief schrieb. Trotzdem ist das ein bedauerlicher Einzelfall und darf nicht verallgemeinert werden.
Beim Impfen kann es eigentlich gar keine Diskussion mehr geben. Das Thema ist medizinisch hervorragend erforscht. 
Statistisch gesehen gibt es überhaupt keinen einzigen Grund, gegen das Impfen zu sein: Auf 45 Millionen Impfdosen kommen in Deutschland lediglich 34 anerkannte Impfschäden (Nationaler Impfplan, 2012). 
Durch Schutzimpfungen sind viele Krankheiten nahezu ausgerottet. 
Es kann nicht sein, dass ein dogmatischer Impfgegner sich oder seine Kinder nicht impfen lässt und sie damit zu Trägern der Erreger macht. Dabei verletzt er nämlich offensichtlich das Recht auf körperliche Unversehrtheit aller Personen in seinem Umfeld. Wenn es hier Neugeborene oder Menschen mit Immunschwäche gibt, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können, provoziert er damit vorsätzlich deren Ansteckung und Gefährdung. 
Es heißt nicht "Kinderkrankheit", weil es so ungefährlich ist, sondern weil hauptsächlich ungeschützte Kinder daran erkranken und womöglich sterben. 
Die Impfschäden, die in Deutschland in den letzten Jahren gemeldet wurden, waren hauptsächlich Bagatellen wie Fieber oder Hautausschlag, die nach wenigen Tagen abklingen. Statistisch ist ohne Impfung in derselben Zeit allein mit 800 Maserntoten zu rechnen, die sonstigen Folge- und Dauerschäden wie Hirnhautentzündung noch gar nicht eingerechnet. Natürlich ist jeder Impfschaden eine schlimme Sache für die Betroffenen, aber die Chance auf ein sorgenfreies, langes Leben ist mit Impfung wesentlich höher. Die Sterblichkeit bei Masern liegt bei ca 3 Promille (3 von Tausend), das Risiko von Impfschäden dagegen um den Faktor Tausend geringer. 
Seit der Impfpflicht und Durchimpfung beginnend in den 60ern ist Amerika masernfrei. Pocken sind weltweit ausgerottet. Bei Polio gibt es nur einige fundamentalmuslimische Länder in Afrika, die generell alle Impfungen verteufeln. Durch Einschleppen gab es leider seit letztem Jahr in Amerika auch wieder Ausbrüche von Masern. 
Eine Langzeitstudie an der Charité in Berlin hat übrigens festgestellt, dass der plötzliche Kindstod (SIDS) statistisch wesentlich seltener bei Säuglingen auftritt, die gegen Keuchhusten, Diphtherie und Polio geimpft sind. 
Es steht jedem frei, das Risiko von Impfungen für sich abzuwägen. Aber niemand darf für sein ganzes Umfeld entscheiden. Deshalb ist die Impfpflicht für den Besuch von öffentlichen Einrichtungen eine sinnvolle Sache, insbesondere bei der zunehmenden Energie, mit der Impfgegner in der Öffentlichkeit auftreten und ihre hanebüchenen Theorien verbreiten.

10.10.2019

Klimawandel zum n+2. Mal - Leserbrief

Ich kann es einfach nicht glauben, wie oft die WZ den Leugnern und Skeptikern des Klimawandels Raum in der Leserbriefspalte gibt. Dort dürfen sie wiederholt behaupten, dass doch alles nicht so schlimm ist und in der Atmosphäre nur 0,038 % CO2 enthalten ist und von diesem wiederum 96 % den natürlichen Kreislauf darstellen. Als ob diese Verharmlosung auch nur ein Quäntchen mit der Realität zu tun hat. Man kann Zahlen künstlich klein darstellen, aber das Ausmaß bleibt dasselbe: in den nächsten zehn Jahren entscheidet sich, ob wir die Unumkehrbarkeit der Erwärmung aufhalten können.
[veröffentlich am 10.10.19]

Und erneut versuchen sich gleich mehrere Leugner des Klimawandels mit detaillierten Zahlen daran, die Leser des Meinungstreffs mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zahlen über den Tisch zu ziehen. Und es scheint einem Verfasser Spaß zu machen, eine 16-Jährige als "Göre" zu bezeichnen. Wenn man mit Fakten nicht punkten kann, greift man halt den Menschen an. Finde nur ich das erbärmlich und verkommen? Thunberg fordert, den Erkenntnissen der Wissenschaft zu folgen, bevor der Schaden unumkehrbar wird. Was ist daran verkehrt?
Dieselben - mittlerweile veralteten - Zahlen wie die 0,038 % CO2 geistern schon länger auch durch soziale Netzwerke, von wo vermutlich die Leserbriefverfasser abgeschrieben haben. Diese falsche Zahl 38 stammt vom Pseudo-Institut "EIKE", das sich zum Sprachrohr der Klimawandelleugner gemacht hat und solche falschen Zusammenhänge veröffentlicht.
Für das Science-Blog der "Spektrum der Wissenschaft" hat Professor Stefan Rahmstorf einmal mehr die Fakten zusammengestellt. Er ist Klimatologe, Professor für Physik der Ozeane und Abteilungsleiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.
Einige Fakten aus Rahmstorfs Artikel:
1. Die CO2-Konzentration ist seit Beginn der Industrialisierung von 280 ppm (jahrtausendelang fast konstant) auf inzwischen 420 ppm angestiegen.
2. Dieser Anstieg um 50 Prozent (plus 140 ppm) ist komplett vom Menschen verursacht.
3. Die CO2-Konzentration ist damit jetzt bereits höher als seit mehreren Millionen Jahren.
4. Diese 140 ppm CO2 haben eine Heizwirkung von 2 Watt pro Quadratmeter Erdoberfläche durch den Treibhauseffekt - genug, um bis heute die globale Temperatur um rund 1 °C anzuheben.
Ein beliebter Trick der Leugner ist die absichtliche Vermischung von Umsatz und Gewinn. Die Ökosysteme haben einen hohen Umsatz an Kohlenstoff, fügen aber netto der Atmosphäre kein CO2 hinzu (das wären die 96%, die die Verharmloser gern in die Diskussion werfen). Die Quelle für das zusätzliche CO2 ist, dass wir fossilen Kohlenstoff in Form von Öl, Gas und Kohle ausgraben und verbrennen. Vor dem Menschen war das System fast genau im Gleichgewicht, daher war die CO2-Konzentration in der Luft Jahrtausende lang annähernd konstant.
Das Mehr an CO2 kommt nebenbei auch nicht aus Vulkanen, wie gern behauptet wird. Die gesamten vulkanischen Emissionen liegen bei ca. 200 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr, verglichen mit den menschlich verursachten Emissionen von 41 Milliarden Tonnen 2016, das ist ein Faktor 200 Unterschied. Außerdem können wir Vulkane nicht abschalten, von daher ist auch das ein Feigenblattargument.
Nur drei- und mehratomige Gase absorbieren Wärmestrahlung und nur diese verursachen daher den Treibhauseffekt, und unter diesen ist CO2 nach dem Wasserdampf das zweitwichtigste. All dies ist bekannt seit John Tyndalls Messungen der Treibhauswirkung verschiedener Gase im Jahr 1859.
Rekorddürren, Rekordfluten, Rekordhitze, Flüchtlingsströme - all das lässt sich auf den Klimawandel zurückführen.
Warum wird immer wieder behauptet, es gebe keine Hinweise auf die menschgemachte Ursache des CO2-Anstiegs? Die Fakten sind seit Jahrzehnten bekannt. Die Ölfirmen wussten schon seit den Sechziger Jahren über den Zusammenhang zwischen CO2 und Erderwärmung, wie "The Guardian" berichtet. Die Fakten lagen damals schon vor und sie wurden bewusst verzerrt, um die Auswirkungen schön zu reden und den Profit nicht zu gefährden. Warum gibt es heute immer noch Menschen ohne echte Fachkenntnisse, die sich solche Mühe geben, in Leserbriefen und Artikeln Unsinn zu behaupten?

24.09.2019

"Die Expertin" schreibt in der WZ über lästige Updates - Leserbrief

Die WZ hat am Samstag einen Stellenmarkt, und auf der Frontseite gibt es Glossen mit Tipps über alle möglichen Themen. Letzten Samstag erschien dort eine Glosse, in der ein Karriere-Coach sich darüber auslässt, wie lästig und unnötig Softwareupdates seien. Ich sah rot ...
[veröffentlicht am 24.09.19]

Leserbrief zur Glosse "Die Expertin"
In der Samstagsausgabe gibt es in der Rubrik "Stellenmarkt" eine Glosse mit dem Titel "Die Expertin".
Dort verfasste Tjalda Hessling am 07.09. einen Beitrag über lästige Updates auf ihrem Smartphone.
Der gesamte Inhalt dieses Beitrags zeigt nur eins: Frau Hessling mag eine Expertin auf vielen Gebieten sein, aber sie ist sicherlich nicht kompetent, über Sicherheit von Smartphones oder Computern zu schreiben.
Durch den ganzen Artikel zieht sich der Widerwillen gegen Updates, gepaart mit der schrägen Behauptung, dass bei Updates jedes Mal Geburtsdatum, Emailadresse oder andere persönliche Daten abgefragt werden. Das Gegenteil ist der Fall. Die Updates für das Betriebssystem kommen vom Hersteller des Smartphones, die Updates für Programme aus dem Appstore oder Playstore. Dort wird ganz sicher nicht (mehr) nach persönlichen Daten gefragt - die Nutzung geschieht mit dem angemeldeten Konto des Besitzers ohne weitere Nachfragen. Solche neugierigen Fragen könnten durchaus von einem Trojaner stammen, der durch ein nicht upgedatetes Handy ein bequemes Einfallstor ins Telefon gefunden hat.
Im Gegensatz zu Frau Hessling arbeite ich seit vielen Jahren in der Branche und bin überzeugt davon, dass regelmäßige Updates das wichtigste Bollwerk gegen Schadsoftware sind, und zwar noch weit vor der Nutzung eines Antivirusprogramms.
Die Nichtanwendung von Updates führt dazu, dass das Smartphone zur tickenden Zeitbombe wird, die mit zunehmendem Alter immer anfälliger gegen Viren und Trojaner sind.
Kürzlich tickerte eine Meldung durch die einschlägigen Nachrichtenportale, dass es Sicherheitslücken beim iPhone gibt, die beim schlichten Besuch einer Webseite das Gerät infizieren können.
Es ist wichtig, nicht nur beim Smartphone, sondern auch beim heimischen PC, dass die Programme und das Betriebssystem, sei es Windows, Linux, Android oder Apple iOS, immer so aktuell wie möglich gehalten werden. Es ist deswegen auch ratsam, beim Kauf eines Gerätes in die Entscheidung mit einzubeziehen, ob und wie oft Updates geliefert werden. Apple ist hier erfreulich zuverlässig, langfristig (3 bis 5 Jahre) Updates auch für ältere Geräte zu liefern. Bei Android sieht es leider schlimm aus: hier stechen nur wenige Hersteller positiv heraus, und auch das nur für ausgewählte Geräte. Leider kalkulieren die Handyhersteller gerade im preiswerten Segment ohne Updatekosten. Hier kauft man ein Gerät, das im Laufe seines Lebens nie wieder ein Update erhalten wird. Man sollte lieber ein klein wenig mehr Geld ausgeben für die Gewissheit, dass kein Bankingtrojaner heimlich Daten abgreift oder Überweisungen manipuliert. Halbwegs regelmäßig liefern nach eigenen Erfahrungen Google (für die hauseigenen Pixelmodelle), Samsung, Motorola und Nokia Updates aus. Fragen Sie vor dem Kauf eines bestimmten Modells!
Für Frau Hessling habe ich zum Schluss die Empfehlung, dass sie sich bei ihren Glossen auf die Themen beschränken sollte, für die sie tatsächlich kompetent ist. Mit solchen merkwürdigen Seitensprüngen gefährdet sie alle Smartphone-Besitzer, die ihre Ausführungen für bare Münze nehmen und nun auf Updates verzichten wollen.

16.09.2019

Das war kompliziert ... LineageOS 16.0 auf dem LG G3

Das war ein hartes Stück Arbeit diesmal! Bei ebay Kleinanzeigen habe ich ein LG G3 gesehen, das nicht mehr booten wollte. Der Verkäufer wollte nur ein Taschengeld dafür haben, deswegen konnte ich nicht nein sagen ...

"Nicht richtig starten" klingt nach einem größeren Hardwareproblem, d.h. die Hauptplatine des Geräts wird getauscht werden müssen. Bei solchen winzigen Bauteilen (noch dazu Spezialbauteilen ...) ist es nahezu aussichtslos, mit dem Lötkolben irgend etwas reparieren zu können.

Vor dem Kauf hatte ich bei ebay nachgeschaut, ob es Mainboards zu erschwinglichen Preisen gibt, und konnte ein Ersatzteil für ebenfalls wenig Geld in der "großen" 32 GB-Version bestellen. Es gibt Händler, die defekte Smartphones zerlegen und Einzelteile verkaufen. Auch Displays, Kameras, sogar einzelne Folienkabel kann man kaufen, wenn man ein entsprechendes Bedürfnis hat ;-)

Als das Telefon ankam, probierte ich zuerst, es einzuschalten. Das ging von etwa 20 Versuchen etwa einmal, und auch da nur bis zum "LG Life's good" Startbildschirm, danach war tote Hose. Also war tatsächlich Mainboard tauschen angesagt.


Die Geräte von LG (G3 und G4) sind sehr wartungsfreundlich. Man kann die Rückwand abnehmen, den Akku wechseln, und es ist nichts geklebt, sondern nur geschraubt. Nach dem Entfernen von gut 10 Schrauben rundherum konnte ich zwei Plastikführungen entfernen, die Folienkabel abklipsen und das Mainboard einfach herausheben und gegen das neue austauschen.

Insgesamt ist das LG G3 auch heute noch ein brauchbares Gerät. Beim Erscheinen war es die damalige Oberklasse, und auch heute kann man mit Snapdragon 800, 2.5 GHz, 4 Kernen, 3 GB RAM, 32 GB Speicher, 13MP-Kamera und einer Auflösung von 2500x1400 sehr gut leben. Außerdem kann man eine SD-Karte dazustecken, und meine testweise eingesteckte 64 GB-Karte hat es sofort benutzen können.

Das LG G4, das meine Frau bis vor einiger Zeit benutzte, ließ sich problemlos im fastboot-Menü entsperren, deswegen war ich zunächst ohne Bedenken, dass das G3 irgendwelche Probleme machen könnte.

Weit gefehlt!

So einen komplizierten Recherche- und Lernprozess hatte ich noch bei keinem der Handys, auf die ich LineageOS oder ein anderes Custom ROM installieren wollte.

Zum Ersten hat das Handy keinen fastboot-Modus. Das empfohlene Vorgehen ist, das Gerät zu "rooten", sich also mit Hilfe einer Sicherheitslücke in der Originalsoftware Administratorzugang (unter Unix eben "root") zu verschaffen, und danach direkt mit dem lowlevel-Befehl "dd" die Recoverypartition mit dem Custom Recovery TWRP zu überschreiben.

Schon das Rooten war nicht einfach: ich habe mehrere Tools ausprobieren müssen, bis eines erfolgreich war. Das Telefon bzw. das Ersatzmainboard kam mit Lollipop, also Android 5.0, und erst eine relativ neue Fassung von KingRoot hat es geschafft, mir Rootrechte zu geben. Die Installationsversuche mit Towelroot, Kingroot und ähnlichen Tools hat übrigens zuverlässig dazu geführt, dass Android mir erklären wollte, dass ich Schadsoftware auf dem Handy hätte, und bot gleich an, sie zu entfernen. Immerhin wurde ich trotzdem nicht daran gehindert, sie zu installieren und zu benutzen.

Das Flashen von TWRP war dann problemlos, aber beim Einschalten mit der Tastenkombination kam eben nicht das Customrecovery auf den Bildschirm, sondern ich bekam nur eine abwechselnd rot und blau leuchtende LED. Wie ich später herausfand, ist dies das Warnsignal, dass der "Secure boot" kein valides Recoveryprogramm gefunden hat. Aus diesem Fehlermodus kommt man nur durch Entfernen des Akkus wieder heraus.

Danach hatte ich noch mehrere erfolglose Versuche, mit anderen Versionen des TWRP-Images ein Custom Recovery auf das Gerät zu bringen. Jedes Mal wieder nur die lustig blinkende LED ...

Dann fragte ich auf Reddit im LG G3-Forum und bekam dort einen Hinweis, dass die "früheren" Bootloader noch nicht dieses Sicherheitsfeature hätten, und ich sollte mit dem Factoryimage (also die Originalfassung von LG) ein Android 4.4 installieren. Ich hätte nun beinah tatsächlich 1 GB heruntergeladen, aber zwischendrin stieß ich auf einen Artikel bei XDA, dass es reicht, nur den Bootloader zu ersetzen, ohne das gesamte Telefon mit einem noch älteren Android neu zu bespielen.

Freundlicherweise gibt es dafür ein Hilfswerkzeug, das ich im selben Artikel auch noch fand: es nennt sich AutoRecMM und überschreibt sowohl den Bootloader als auch das Recovery des Geräts mit passenden Versionen. Damit konnte ich tatsächlich in ein TWRP Custom Recovery booten, wenn auch in einer älteren Version 2.8.7.

Naja, das wär's dann eigentlich gewesen ... aber dann ist noch ein weiterer Fehler dazwischen gekommen: das LineageOS-zip ließ sich nicht flashen, weil das Gerät nicht mehr von sich selbst wusste, dass es ein G3, Modell d855 ist. Dieses Problem konnte ich beheben, indem ich mit TWRP selbst ein neueres TWRP installierte, diesmal 3.3.1. Wohlweislich hatte ich nämlich vor dem Flashen mit adb noch ein paar nützliche Dateien in den Speicher des Telefons überspielt, darunter auch die aktuelle twrp.img-Datei. Beim Flashen dieser Datei "lernt" das Handy wieder, dass es ein G3, d855 ist. Die Fehlermeldung dazu lautete sinngemäß "This installation requires a d855, your model is a .", d.h. die Kennung für den Typ des Smartphones war leer.

Wichtig: bei der ersten Installation unbedingt vor dem Booten auch gleich noch die Open GApps (stock, 32 bit) installieren. Nur wenn beide Dateien zusammen vor dem Booten geflasht wurden, passen alle Berechtigungen. Wenn LineageOS ohne die Open GApps gestartet wurde, lässt sich das nicht mehr nachholen und man muss einen Factory Reset machen und erneut beides (diesmal zusammen) flashen! Wenn man Krams wie Duo oder Hangouts nicht haben will, muss man mit einer handgeschnitzten gapps-config.txt nachhelfen, so dass die unnötigen Apps gleich entfernt werden. Es ist aber trotzdem sinnvoll, ein "großes" GApps-Paket zu installieren, damit die Apps, die man haben möchte, in der Systempartition und nicht im Benutzerspeicher installiert werden.

Und nun endlich konnte ich das aktuelle LineageOS 16.0 (mit Sicherheitsstand 09/2019) flashen! Und natürlich auch gleich Magisk zum Rooten :-)

Die Geschichte geht noch ein kleines Stücken weiter: die LineageOS-Version hat wunderbar funktioniert bis auf einen Haken: die Funktion "lange drücken" ging nicht. Beim Versuch, ein Widget auf dem Startbildschirm (ich mag die "analog clock") einzurichten, kam immer nur der Hinweis, dass ich lang drücken soll. Über das Update-Menü habe ich mir dann die 2 Tage neuere LineageOS-Version direkt auf das Gerät heruntergeladen und installieren lassen, und dann lief alles, so wie es soll ;-)

Zum Schluss noch eine Bemerkung, weil ich oben schon mal das LG G4 meiner Frau erwähnte:
es wurde dann abgelegt, weil es kein offizielles LineageOS mehr dafür gab, und durch ein Moto Z ersetzt, aber das ist eine andere Geschichte. Mittlerweile gibt es übrigens wieder "unofficial" Builds für das G4, und es läuft sehr gut damit. Aber auch das ist eine andere Geschichte ;-)

30.08.2019

Motorola Moto X (2014) auf Android 9 updaten

Nach längerer Zeit wollte ich mal wieder ein älteres Smartphone, das bei mir noch im Regal lag, mit einem aktuellen Custom ROM versehen. Das Moto X in der 2. Generation ist für mich immer noch ein tolles Gerät - es hat 32 GB Speicher, einen guten Bildschirm mit AMOLED und HD-Auflösung (1920x1080) und ist selbst für heutige Verhältnisse sehr schnell und somit für alle Alltagszwecke gut nutzbar. Die Kamera schießt gute Fotos mit 13 MP. Es wird angetrieben von einem Snapdragon 801 mit 2.5 GHz, hat einen Adreno 330 Grafikchip, 2 GB Arbeitsspeicher, den aktuellen WLAN-Standard 11ac, sowie alle LTE-Bänder für Deutschland (800, 1800, 2600 MHz).

Leider ist die Organisation hinter LineageOS recht rabiat geworden, was den offiziellen Status für bestimmte Smartphones angeht. So ist z.B. mein nach wie vor geliebtes Samsung Galaxy Nexus schon mit Android 6 entfernt worden, und auch beim Moto X sieht es nicht besser aus. Sobald ein Fehler beim Erstellen des Pakets oder bei der Benutzung gemeldet wird und der "Maintainer", d.h. der offizielle Betreuer dieses Modells, den Fehler nicht innerhalb kürzester Zeit behebt, wird das Gerät aus der Liste der offiziellen Modelle entfernt.

So auch geschehen beim LG G4, bei dem die Verschlüsselung nicht (mehr) richtig funktioniert, weil LG ein notwendiges Firmwareupdate für dieses alte Modell nicht mehr liefern will oder kann. Selbst wenn man willens wäre, das Gerät ohne Verschlüsselung zu benutzen (z.B. zuhause als Media Player), gibt es keine Chance, hier ein offizielles signiertes LineageOS-Paket zu bekommen. Oder beim Nexus 5, bei dem es ein Problem mit Telefonieren über Bluetooth gibt, das die Maintainer nicht in den Griff bekommen.

In diesem Fall muss man leider auf "unofficial builds" ausweichen und hoffen, dass das Vertrauen in den Ersteller des Pakets nicht missbraucht wird, und man sich vielleicht einen Trojaner einfängt.

Nun denn, ich war mutig, und eine kurze schnelle Google-Suche brachte zutage, dass es wirklich für das Moto X (Codename "victara") ein inoffizielles Paket des aktuellen Android 9 "Pie" gibt.

Update: Lineage hat einen offiziellen Betreuer gefunden und die aktuelle Version 9 "Pie", also LineageOS 16.0, ist für das Moto X2 "victara" wieder von der Website der Organisation verfügbar. Das verbessert die Situation natürlich beträchtlich.

Das Custom Recovery "TWRP" wird für dieses Modell ebenfalls noch gepflegt, man kann also nach dem Entsperren über die Motorola-Website problemlos mit Fastboot ein Custom Recovery aufspielen und danach ein Custom ROM. Wenn man sich mit Google ins Bett legen will, kann man natürlich auch die Open GApps noch mit installieren (die 9.0 ARM 32 Bit Variante "stock" herunterladen). Für das Rooten des Geräts bietet sich mittlerweile "Magisk" an, das sich auch vor kritischen Apps wie Pokemon GO oder Banking-Apps verbergen kann.

Wenn man die GApps haben will, muss man sie direkt nach dem Flashen des Custom ROMs installieren, bevor man zum ersten Mal neu mit LineageOS bootet. Tut man das nicht, fehlen den Google Apps einige Berechtigungen, was man daran erkennt, dass die "Play Services" sich permanent beenden und nicht richtig funktionieren. Falls das passiert ist, muss man im Recovery mit "Wipe" alle Nutzerdaten löschen, ROM und GApps hintereinander in einem Rutsch flashen und das Telefon nochmals neu aufsetzen.

Bei den GApps gibt es verschieden große Varianten mit mehr oder weniger Inhalt. Das Minimalpaket ist "pico" und enthält nur den Zugang zum Playstore. Jede "größere" Variante enthält mehr und mehr Google Apps, auch solche, die man vielleicht nicht haben will oder gar nicht benötigt. Es ist trotzdem sinnvoller, eines der "großen" Pakete wie "stock" zu verwenden und mit einer Konfigurationsdatei die Apps zu entfernen, die man nicht haben will. Wenn man die Apps über den Playstore einzeln installiert, belasten sie den Benutzerteil des Speichers; wenn man sie mit dem GApps-Paket installiert, landen sie in der Systempartition und man hat mehr Speicherplatz für Bilder und Musik frei.

Bevor man das ROM überspielt, sollte man aber tunlichst noch das letzte offizielle Paket der Motorola-Android-Version herunterladen, das sogenannte "factory image". Das Moto X ist bei Marshmallow, Android 6.0, stehen geblieben, und es gibt einige Seiten, auf denen man das "RETDE"-Paket ("retail german") herunterladen kann. Mit diesem Paket kann man das Smartphone wieder in den Originalzustand versetzen, falls man es doch noch weggeben will und der Käufer kein Custom ROM haben will. Das Moto X (2014), das ich verwende, ist das Modell XT1092 und das letzte aktuelle Paket trägt die Nummer "XT1092_VICTARA_RETDE_6.0_MPES24.49-18-7".

Das erste Starten des Custom ROMs dauert recht lang, weil viele Grundeinstellungen eingerichtet werden müssen. Man sieht also die Bootanimation von LineageOS ca. 5 min. lang, bevor der Einrichtungsassistent loslegt - keine Panik!

Bei mir war der Einrichtungsassistent recht zickig und hat sehr lang gebraucht, um zu erkennen, dass derzeit keine offiziellen Updates vorhanden sind (wie auch). Ich musste das Telefon mehrfach neu starten und es immer wieder probieren. Vielleicht war aber auch nur zu der Zeit mein Internet zu wackelig.

Danach gab es eine unangenehme Überraschung, nämlich, dass die SIM-Karte nicht mehr erkannt wurde. In den Android-Einstellungen war bei den Telefondaten die "IMEI" als "unbekannt" deklariert, d.h. das Telefon wusste nicht, welche Seriennummer es dem Mobilbetreiber nennen müsste, und konnte deshalb auch die SIM-Karte gar nicht benutzen.

Dieses Problem lässt sich aber bei Motorola-Smartphones leicht lösen: man benötigt aus dem Factory-Paket die Dateien für "modem" und "fsg" und mit einigen weiteren Fastboot-Befehlen kann man die IMEI wiederherstellen.
fastboot flash modem NON-HLOS.bin
fastboot erase modemst1
fastboot erase modemst2
fastboot flash fsg fsg.mbn
Diese Befehle sollte man nach dem Überspielen von Custom ROM, GApps und ggfs. Magisk (zum Rooten) im Bootloader (also Fastbootmodus) durchführen, bevor man neu ins Android startet, d.hj. man sollte im TWRP-Recovery nicht "reboot system" auswählen, sondern zuerst ins Hauptmenü wechseln und von dort "Reboot Bootloader" auswählen. Dann kann der Einrichtungsassistent auch die SIM-Karte erkennen und ggfs. über Mobilfunk die Einrichtung beginnen. Alternativ kann man die Befehle jederzeit auch später nachholen, es kann nichts kaputt gehen.

11.06.2019

Gastbeitrag: Journalistische Verantwortung

Die WZ lehnt gelegentlich Leserbriefe ab. Nach eigenen Angaben geschieht dies, wenn sich zwei Leserbriefschreiber nur noch gegenseitig die Bälle zuschieben. Es soll aber auch schon vorgekommen sein, dass Leserbriefe unerwünscht waren, weil sie an der Geschäftspolitik der WZ kratzen.

Mein geschätzter Kollege Volkmar Heitmann hat einen Leserbrief an die WZ geschrieben und darauf hingewiesen, dass doch bitte Leserbriefe nicht mehr gedruckt werden sollen, die z.B. den Klimawandel leugnen und dies mit vorgetäuschter Autorität eines Professorentitels unterstreichen.

Hier ist der abgelehnte Leserbrief in voller Länge:

Todbringende Lügen
Ja, wir haben Meinungsfreiheit. Und das finde ich richtig gut. Allerdings haben alle unsere Rechte da ihre Grenze, wo die Rechte Anderer beeinträchtigt werden. So hat auch die Meinungsfreiheit Ihre Grenzen, nämlich bei Beleidigung, Betrug und Volksverhetzung. Dazu hat man kein Recht, es ist dann eine Straftat. Lügen ist zwar grundsätzlich erlaubt, aber nur, solange keinem Anderen Schaden zugefügt wird. Das Leugnen der menschenverursachten Klimakatastrophe ist zuerst mal nur eine große Dummheit. Eine so große Dummheit, dass ein Straftatbestand schon mangels geistiger Reife nicht zum Tragen kommt. Das Leugnen des anthropogenen Klimawandels hat in etwa die gleich intellektuelle Qualität wie die Behauptung „Die Erde ist eine Scheibe“.
Im Meinungstreff der WZ aber treten Klimawandelleugner auf, die beispielsweise einen Professoren-Titel der Technischen Hochschule Mittelhessen tragen und als wissenschaftliche Experten für das Klima auftreten. Das wirft nicht nur ein ziemlich schlechtes Licht auf die Lehrqualität an der THM, es überschreitet aus meiner Sicht auch die Grenze zur Straftat: Hier wird gelogen, um die Leser der WZ davon abzuhalten, die Klimakatastrophe zu verhindern. Da die Klimakatastrophe mehrere Hundert Millionen Menschenleben bedroht, sehe ich solche Lügen nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt. Es ist schlichtweg eine todbringende Lüge, wenn der anthropogene Klimawandel mit vorgeblicher Wissenschaftlichkeit und der Autorität eines Professoren-Titels „widerlegt“ wird. Es ist schlichtweg eine todbringende Lüge, wenn beispielsweise einzelne Veröffentlichungen, die von den Autoren selbst oder von Fachkolleginnen und -kollegen längst revidiert wurden, als Gegenbeweis gegen den anthropogenen Klimawandel in Stellung gebracht werden. Liebe Leute, hier hört der Spaß auf!
Wissenschaft ist kein Wunschkonzert. Auch ist Wissenschaft nicht demokratisch in der Hinsicht, dass die Mehrheits-MEINUNG ausschlaggebend ist. Ausschlaggebend ist kein „Mainstream“, sondern die Mehrheit der wissenschaftlichen BELEGE. Und die wissenschaftlichen Belege zeigen mit überwältigender Mehrheit, dass die sich anbahnende Klimakatastrophe vom Menschen verursacht wurde. Damit aber kann sie auch vom Mensch aufgehalten werden. Wenn wir es denn wollen. Deutschland steht zwar „nur“ an 6. Stelle der aktuellen Hauptverursacher. Allerdings haben wir einen großen Teil der CO2-Produktion nach China und in andere Regionen der Welt ausgelagert, indem wir unsere Produkte dort herstellen lassen. Das dort erzeugte CO2 müssten wir also eigentlich unser eigenen Menge zuschlagen. Und wenn wir dann noch die gesamte CO2-Menge betrachten, die Deutschland seit Beginn der Industrialisierung in die Atmosphäre gepustet hat, haben die Länder in Asien und Afrika noch einiges gut. Deutschland und seine europäischen Nachbarn sind und bleiben im Spitzenfeld der Katastrophenverursacher. Und sind damit auch in erster Linie dafür verantwortlich, die Katastrophe so weit wie möglich abzuwenden.
Auch die WZ darf sich nicht hinter einer vermeintlichen Meinungsfreiheit verstecken. Die Redakteurinnen und Redakteure der WZ hatten genügend Zeit und Gelegenheit, sich die notwendigen Kompetenzen hinsichtlich des anthropogenen Klimawandels anzueignen. Die Pflicht dazu hatten sie allemal, allein schon wegen der Wichtigkeit und Dringlichkeit des Themas. Lügen, die Menschenleben gefährden, sollten ein Ausschlusskriterium für den Meinungstreff sein. Statt dessen aber veröffentlicht die WZ sogar immer wieder redaktionelle Beiträge, die eine umfassende Energiewende ausbremsen. Ein Beispiel ist die folgende Meldung vom 5. April: „Windkraftanlagen töten im Sommer Milliarden Insekten“. Eine reißerische Überschrift ohne Fragezeichen. Deren Blödsinn wird dann zwar im Laufe des Textes etwas relativiert. Seriosität aber sieht anders aus. Solche Meldungen gibt es von Russia Today kostenlos. Warum also noch Geld für die WZ ausgeben? Die Familie Rempel, die inzwischen die hessische Zeitungslandschaft dominiert, sollte sich langsam ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stellen.“

29.05.2019

Klimawandel - nochmal - Leserbrief

Es wird echt ermüdend. Gerade schon wieder ein Leserbrief, der dem "angeblichen" Klimawandel mit brutalen Zahlen zu Leibe rücken will und vorzurechnen versucht, dass wir uns alle bequem zurück lehnen können, weil Deutschland einen so geringen Anteil hat, dass man so weiter machen kann wie bisher.
Prof. Rahmstorf hat übrigens auch Rezos Video beurteilt.
[abgedruckt am 01.06.2019]

Und erneut versuchen sich gleich mehrere Leugner des Klimawandels mit detaillierten Zahlen daran, die Leser des Meinungstreffs mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zahlen über den Tisch zu ziehen.

Ein üblicher rhetorischer Trick ist, durch eine lange Kette von Nachkommastellen eine hohe wissenschaftliche Genauigkeit vorzutäuschen, wobei aber die Zahl an sich vollkommen bedeutungslos ist.

Weiter wird erklärt, dass Deutschland ja "nur" 2% zum CO2-Wachstum beiträgt. Das mag richtig sein, trotzdem blasen nur die USA, China und Indien mehr CO2 in die Atmosphäre. China wird voraussichtlich die Klimaziele 2020 erreichen. Abgesehen davon wird in China enorm viel von dem produziert, was der Rest der Welt konsumiert. Selbst hier hätten wir es in der Hand und müssen nicht mit dem Finger auf andere zeigen.

Dieses Argumentationsmuster "die anderen sind aber noch schlimmer" ist ebenfalls ein beliebter rhetorischer Trick, um von der eigenen Verantwortung abzulenken. Im Internet wird dazu gern mit "#whataboutism" gekontert, um dieses Stilmittel anzuprangern.

Warum zitiert Hr. L. immer noch eine Aussage von 2013 "wenn die Temperatur in den nächsten Jahren nicht mehr steigen würde"? Schon die Grundannahme ist sinnlos: wir wissen, dass die Temperatur steigt, und die letzten fünf Jahre waren die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Wie verzweifelt muss man sein, um eine bereits widerlegte veraltete Behauptung immer noch zu wiederholen?

Für das Science-Blog der "Spektrum der Wissenschaft" hat Professor Stefan Rahmstorf einmal mehr die Fakten zusammengestellt. Er ist Klimatologe, Professor für Physik der Ozeane und Abteilungsleiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (www.pik-potsdam.de). Ich finde ihn für sein Fachgebiet wesentlich glaubwürdiger als einen Professor im Ruhestand für industriellen Ofenbau.

Einige Fakten aus Rahmstorfs Artikel:

1. Die CO2-Konzentration ist seit Beginn der Industrialisierung von 280 ppm (jahrtausendelang fast konstant) auf inzwischen 405 ppm angestiegen.
2. Dieser Anstieg um 45 Prozent (125 ppm) ist komplett vom Menschen verursacht.
3. Die CO2-Konzentration ist damit jetzt bereits höher als seit mehreren Millionen Jahren.
4. Diese 125 ppm CO2 haben eine Heizwirkung von 2 Watt pro Quadratmeter Erdoberfläche durch den Treibhauseffekt - genug, um bis heute die globale Temperatur um rund 1 °C anzuheben.

Ein beliebter Trick der Leugner ist die Vermischung von Umsatz und Gewinn. Die Landökosysteme haben einen hohen Umsatz an Kohlenstoff, fügen aber netto der Atmosphäre kein CO2 hinzu. Die Quelle für das zusätzliche CO2 ist, dass wir fossilen Kohlenstoff ausgraben und verbrennen. Vor dem Menschen war das System fast genau im Gleichgewicht, daher war die CO2-Konzentration in der Luft Jahrtausende lang annähernd konstant.

Das Mehr an CO2 kommt nebenbei auch nicht aus Vulkanen, wie gern behauptet wird. Die gesamten vulkanischen Emissionen liegen bei ca. 200 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr, verglichen mit den menschlich verursachten Emissionen von 41 Milliarden Tonnen 2016, das ist ein Faktor 200 Unterschied.

Nur drei- und mehratomige Gase absorbieren Wärmestrahlung und nur diese Spurengase verursachen daher den Treibhauseffekt, und unter diesen ist CO2 nach dem Wasserdampf das zweitwichtigste. All dies ist bekannt seit John Tyndalls Messungen der Treibhauswirkung verschiedener Gase im Jahr 1859.

Rekorddürren, Rekordfluten, Rekordhitze, Flüchtlingsströme - all das lässt sich auf den Klimawandel zurückführen.

Warum wird immer wieder behauptet, es gebe keine Hinweise auf die menschgemachte Ursache des CO2-Anstiegs? Die Fakten sind seit Jahrzehnten bekannt. Die Ölfirmen wussten schon seit den Sechziger Jahren über den Zusammenhang zwischen CO2 und Erderwärmung, wie "The Guardian" berichtet. Die Fakten lagen damals schon vor und sie wurden bewusst verzerrt, um die Auswirkungen schön zu reden und den Profit nicht zu gefährden. Warum gibt es heute immer noch Menschen ohne echte Fachkenntnisse, die sich solche Mühe geben, in Leserbriefen und Artikeln Unsinn zu behaupten?

Vergleich von Diesel- und Elektroauto - Leserbrief

Vor einigen Tagen hatte ich mal wieder das Bedürfnis, auf einen Leserbrief in der WZ zu reagieren. Da hat einer der üblichen Verdächtigen, die sich regelmäßig in ihren Leserbriefen an der Dieselaffäre, Fahrverboten und der Energiewende abarbeiten, die fragwürdige Studie des Ökonomieprofessors Sinn als Anlass genommen, alles in Frage zu stellen, was derzeit Stand der Technik und Stand der Forschung ist.

Dass diese Studie ohne Peer Review veröffentlicht wurde und schon Stunden später vernichtend widerlegt wurde, stört natürlich niemanden - wenn es gedruckt wird, muss es stimmen.
[abgedruckt am 24.05.2019]

Ich hatte schon befürchtet, dass die unsägliche Studie von Sinn et.al. auch Einzug in die Leserbriefspalte der WZ findet, und nun ist es leider wirklich passiert.
Die Psychologie kennt den sogenannten "Bestätigungsfehler" (confirmation bias). Dieser Effekt bewirkt, dass man Behauptungen stärker gewichtet und ihnen mehr Glaubwürdigkeit beimisst, die der eigenen Überzeugung entsprechen, und sie werden unterbewusst verwendet, um die eigene Überzeugung noch weiter zu verstärken. Es fällt sehr schwer, von der einmal gefassten Position abzuweichen, selbst wenn sie wissenschaftlich zweifelhaft und kaum haltbar ist. Bei einigen Leserbriefautoren sieht man diesen Effekt sehr deutlich.
Die "Studie" von Sinn vergleicht einen (für Mercedes-Verhältnisse) kleinen Dieselmotor (220d, 194 PS) mit einem doppelt so stark elektrisch motorisierten Tesla (fast 400 PS) mit einem sehr großen Akku von 75 kWh.
Die Studie verwendet für das Dieselfahrzeug die bestmöglichen Annahmen, beim Elektrofahrzeug die schlechtestmöglichen. Nebenbei wissen wir aus zahlreichen Veröffentlichungen von Autotestzeitschriften, dass der realistische Verbrauch nicht dem Normverbrauch entspricht (beim Mercedes sind es in der Praxis etwa 50% mehr). Dieselnachteile wie Feinstaub und NOx-Emissionen werden überhaupt nicht beachtet.
Beim Tesla wird die gesamte Produktionskette (Fahrzeug, Vorlieferanten und Akku) mit in die Umweltbelastung einbezogen, um einen Wert für die CO2-Emission pro Kilometer zu errechnen. Dazu wird eine unrealistisch niedrige Lebensdauer von 150.000 km angenommen. Beim Dieselfahrzeug wird ein Großteil der Produktionskette gerade nicht berücksichtigt, genauso wird die Umweltbelastung durch die Förderung, Raffination und Transport von Erdöl außen vor gelassen. Des weiteren hat Sinn den veralteten NEFZ-Zyklus verwendet, der gesetzlich schon 2016 dem deutlich realitätsnäheren WLTP-Standard weichen musste.
Schon einen Tag später haben mehrere wissenschaftliche Institute und Fachleute diese "Studie" in der Luft zerrissen. Sie wurde nicht nach anerkannten Methoden erstellt und ohne Peer Review im "ifo Schnelldienst" veröffentlicht, d.h. es gab vor der Veröffentlichung keine unabhängigen Kontrollen der Methodik und Ergebnisse durch andere Experten (peer review). Das Fraunhofer-Institut, das von Sinn zitiert wird, wirft ihm vor, den Energiemix für die Akkuladung zu "dreckig" und die Leitungsverluste im Stromnetz um fast das Doppelte zu hoch anzusetzen.
Ironischerweise hat der VW-Konzern, bekanntermaßen einer der größten Dieselverfechter in der Autoindustrie, eine Woche später eine eigene Studie veröffentlich, die das genaue Gegenteil feststellt: E-Autos sind umweltfreundlicher als Diesel, und mittlerweile gibt es sogar Ottomotoren, die in dieser Hinsicht besser sind als Dieselmotoren.
Wenn urplötzlich so ein "Rufer in der Wüste" auftritt, sollte man erst einmal die Frage stellen, wem nutzt diese bequeme Gegenposition? Wer hat sie bezahlt oder in Auftrag gegeben? Warum kommen urplötzlich Studien in die Presse, die mit bequemen Behauptungen dafür sorgen wollen, dass sich nichts bewegt und wir alle so vom "weiter so!" träumen? Es geht nicht weiter so!

06.05.2019

Avengers Endgame

Das war er also, der letzte Film der aktuellen Marvel-Phase 3, der alle roten Fäden der vergangenen 20 Filme zusammenführt und die Auflösung liefert. Gut, formal gehört "Spiderman - Far from Home" noch mit dazu, der im Juli erwartet wird, aber inhaltlich ist alles erzählt.

Der Film ist genial gemacht - er fängt sehr langsam und schwermütig an und beleuchtet dabei, wie die Überlebenden damit zurecht kommen, dass Thanos seinen Plan umgesetzt hat, das halbe Leben im gesamten Universum auszulöschen. Black Widow hält einsam die Stellung im Avengers-Hauptquartier, Hawkeye ist zum brutalen Verbrecherjäger geworden, der über Leichen geht, Cap leitet eine Selbsthilfegruppe für Schnips-Hinterbliebene, Thor hat in den letzten fünf Jahren einen beträchtlichen Bierbauch angesetzt, und mit Sonnenbrille sieht er aus wie einem Video von ZZ Top entsprungen ;-). Tony Stark ist der Einzige, dessen Situation sich verbessert hat - er lebt mit Pepper und Tochter Morgan in einem Haus am See.

Die Prämisse ist natürlich vollkommen hanebüchen, dass sich das Universum besser entwickeln kann und lebenswerter ist, wenn die Bevölkerung nur noch halb so groß ist. Wenn die Umstände entsprechend sind, wird sich Leben immer wieder neu entwickeln, und die Wachstumsrate in der Biologie ist immer exponentiell. Thanos hätte also nach meinem Dafürhalten nur ein paar Jährchen Aufschub bewirkt, aber nichts wesentliches geändert. Diese Erkenntnis scheint aber in der Comic-Logik nicht zuzutreffen - Thanos denkt wirklich, er hat die Überlebenden von einer Bürde befreit. Stattdessen hat er jeden unglücklich gemacht, der Angehörige verloren hat, und durch das urplötzliche Verschwinden sind natürlich Unfälle passiert, wenn Fahrer, Piloten etc. während ihrer Tätigkeit weggeschnipst wurden. Nun ja, das ist halt Comic, muss man so hinnehmen.

Wie am Ende von Ant-Man 2 zu vermuten war, hat Scott Lang überlebt und schafft es durch einen der üblichen Hollywood-Zufälle zurück ins echte Leben. Für ihn sind nur fünf Stunden vergangen, während in der Makrowelt mittlerweile fünf Jahre verstrichen sind. Damit ergibt sich die Chance, mit Hilfe der Quantenebene ("Quantum Realm") Zeitreisen durchzuführen. Nebenbei gibt es einen Streifzug durch andere Zeitreisefilme und eine pseudowissenschaftliche Diskussion darüber, warum man die Vergangenheit nicht ändern kann (was sie natürlich dann trotzdem tun, teilweise unbeabsichtigt, teilweise geplant).

Die Zeitreisen sollen dazu verwendet werden, alle sechs Infinitysteine aus der Vergangenheit "auszuleihen" und in der aktuellen Gegenwart von 2023 die Auslöschung ("the snap") wieder rückgängig zu machen, denn Thanos hat wenige Wochen nach dem Schnips die Steine ein letztes Mal verwendet, um sie zu zerstören. Es gibt in der Gegenwart keine absehbare Möglichkeit zur Rettung, es bleibt nur die Zeitreise. Danach sollen alle geliehenen Steine wieder in ihre alte Zeit und an ihre alte Stelle zurückgebracht werden, damit die vergangene Geschichte wiederum so stattfindet, wie es sein muss.

Die Zeitpunkte sind großartig gewählt - in der Außensicht für die Zuschauer. Die Avengers kehren zurück zu Schauplätzen der vergangenen Marvelfilme und versuchen zu vermeiden, sich selbst zu begegnen. Dabei gibt es gefühlvolle Momente, wenn Cap bei S.H.I.E.L.D. seine junge Flamme Peggy Carter sieht, Thor seiner wenig später getöteten Mutter Frigga gegenübersteht, die natürlich mit ihren Hexenkräften sofort erkennt, dass er aus der Zukunft kommt, und Tony seinen Vater kurz vor der Niederkunft der Mutter trifft. Als Fan der "Agent Carter"-Serie fand ich wunderbar, dass Jarvis als Butler von Howard Stark in Person aufgetreten ist - es ist derselbe Schauspieler wie in der Serie und die Synchronstimme, die auch in den Iron Man-Rüstungen und im Avengers-Hauptquartier spricht. Hawkeye und Black Widow flachsen wie üblich und wieder erfährt man nicht, was in Budapest tatsächlich passiert ist. Etwas verwirrend fand ich zunächst, dass der späte Thor nicht nur den Stein, sondern auch seinen Hammer aus der Vergangenheit mitbringt. Der müsste ja dann dem früheren Thor fehlen. Dann wurde mir aber klar, dass nicht nur die Steine passend zurückgebracht werden können, sondern natürlich auch der Hammer.

Hier kommt ein weiterer Kritikpunkt an den typischen Filmhandlungen: fehlende Informationen untereinander. Banner begegnet der "Einen", der Vorgängerin von Dr. Strange, und erwähnt nur zufällig in einem Nebensatz, dass Strange den Zeitstein freiwillig an Thanos übergeben hat. Nur dadurch kommt es zum Ausleihen des Steins, weil die Eine feststellt, dass Strange einen guten Grund dafür gehabt haben muss. Warum haben sich die Avengers nicht vor der Zeitreise intensiv über ihre jeweiligen Erlebnisse ausgetauscht? Warum weiß Banner keine Details über den Kampf auf Titan? Schließlich hat Strange deutlich gesagt, dass es genau ein Szenario unter 14.000.605  gibt, in dem Thanos besiegt wird und er genau deshalb den Stein aufgibt und damit Tony Stark rettet. Wenn es um Zeitreise geht, braucht man sich nicht zu beeilen. Ob die Zeitreise ein paar Tage früher oder später begonnen wird, ist unerheblich. Aber gute Vorbereitung und ein einheitlicher Wissensstand sind essentiell.

Die Wahl der Zeitpunkte in der Innensicht halte ich in den meisten Fällen für fragwürdig. Es hätte für jeden der sechs Steine definitiv bessere Zeitpunkte mit weniger Gefahr des Auffallens und Scheiterns gegeben, aber wo wäre dann die Spannung geblieben? Hier bleibt ein Gefühl zurück, dass vieles um des Effekts willen absichtlich konstruiert war. Insbesondere beim violetten Machtstein, den Quill findet, wäre es deutlich besser gewesen, den Stein aus der Obhut des Nova Corps auszuleihen, also zeitlich direkt nach dem Ende des ersten Guardians of the Galaxy-Films. Den Tesserakt, also den Space stone, hätte man zu einem beliebigen Zeitpunkt ebenfalls auf Asgard ausleihen können. Statt Lokis Szepter auszuleihen, wäre ein Zeitpunkt am Anfang der Handlung von "Age of Ultron" ebenfalls besser gewesen, als Tony und Banner den Gedankenstein erforschen. Das ist aber natürlich Jammern auf hohem Niveau :-)

Captain Marvel als angeblich stärkste Figur wurde nur spärlich eingesetzt - laut den Comics hat sie auch Zeitreisefähigkeiten, und dann wäre die Geschichte mit dem Ausleihen der Infinitysteine natürlich vollkommen überflüssig. Sie darf am Anfang Tony Stark mit der havarierten "Benatar" retten (tatsächlich benannt nach Pat Benatar!), am Ende Thanos' Raumschiff angreifen und sich kurz mit Thanos prügeln.

Eine für mich vollkommen unerwartete Wendung war, dass Nebula durch ihre Cyborgimplantante mit ihrem vergangenen Körper interagiert und beidseitig Erinnerungen ausgetauscht werden. Dadurch erhält Thanos in der Vergangenheit Kenntnis von den Zeitreisen. Die "späte" Nebula wird gefangen und stattdessen reist die frühere, "böse" Nebula zurück in die Zukunft. Banner macht den Schnips rückgängig, weil er der stärkste Avenger ist (wie wir aus Thor 3 und der Szene im Quinjet wissen) und die böse Nebula holt das gesamte Raumschiff von Thanos in die Zukunft. Die übliche finale Schlacht entbrennt, und es gibt ein paar schöne Prügelszenen, Thanos nimmt den Handschuh in Besitz, den Tony Stark gebaut hat, aber durch einen Trick sind die Steine nicht mehr darin verankert. Besonders gut gefallen hat mir, wie selbstverständlich Captain America mit Thors Hammer umgehen kann und Thor begeistert ist ("ich wusste, dass er würdig ist"), was an die Szene aus "Age of Ultron" anschließt - dort wackelt der Hammer, als Cap ihn hochheben will und Thor fällt das Lachen aus dem Gesicht.

Die Schlussszene mit Captain America und Peggy Carter beim Tanz finde ich absolut angemessen, um den Figuren einen würdigen Abschluss zu setzen, ohne jemanden ins Gras beissen zu lassen. Cap hat während des gesamten Films immer wieder auf das Bild von Peggy in seiner Uhr geschaut. Die Weitergabe des Schilds des gealterten Captains an Falcon passt auch.

Insgesamt lässt der Film natürlich noch Fragen offen, wenn man tiefer über Zeitreisen nachdenkt. Thanos ist durch Nebulas Manipulation in die Zukunft gereist und stirbt dort zusammen mit seinen Handlangern und Untertanen. Das heißt natürlich, dass die Realität in der Vergangenheit ab diesem Zeitpunkt vollkommen anders verläuft. Er jagt also nicht mehr den Steinen nach, wie wir das aus den bisherigen Filmen kennen und schnipst dann, sondern versucht, auf einen Schlag die in die Zukunft "ausgeliehenen" Steine an sich zu bringen. Ich wollte das Wort "Zeitparadoxon" wenigstens mal erwähnt haben ;-)

In Interviews haben die Russo-Brüder mittlerweile einige Informationen und Gedanken über den Film nachgeschoben: man kann die Vergangenheit nicht ändern, sondern bei jeder divergierenden Entscheidung entsteht eine neue "Zeitlinie", d.h. ein alternatives Universum, in dem die Handlungen dementsprechend unterschiedliche Auswirkungen haben. Cap ist also in einem Paralleluniversum zusammen mit Peggy gealtert und erst am Ende ihres gemeinsamen Lebens, vermutlich nach ihrem Tod, zurückgekehrt, um einen Abschluss zu finden. Andere Kritiker haben eine andere Meinung zu diesem Ende, haben aber offensichtlich die Erklärung "hintendran" nicht wahrgenommen oder anders verstanden.

Die Verträge von Robert Downey Jr. (Iron Man), Chris Hemsworth (Thor) und Chris Evans (Captain America) sind mit diesem Film ausgelaufen. Da Thor mit den "Asgardians of the Galaxy" zusammen aufgebrochen ist, könnte es aber ein Wiedersehen in Teil 3 geben. Vermutlich suchen sie nach Gamora, die sich aus dem Staub gemacht hat, nachdem sie Quill verprügelt hat ("der erste hat nicht richtig getroffen"). Dies ist ja die "alte" Gamora, die durch den Zeitsprung keine Beziehung mit Quill entwickeln konnte. Schau'n mer mal.

05.04.2019

Leserbrief zum Interview mit Oswin Veith in der WZ

Und ein neuer Kracher von Oswin Veith, den er diese Woche in einem Interview mit der Wetterauer Zeitung heraus gehauen hat: der Untersuchungsausschuss zu den Beraterverträgen im Verteidigungsministerium habe nur das Ziel, die "Ministerin zu stürzen". Vielleicht sollte er öfter mal seinen Aluhut tragen, damit die Verschwörungstheorien nicht so wirken.
[veröffentlicht am 04.04.19]

Leserbrief zum Interview Oswin Veith, Untersuchungsausschuss
Herr Veith zeigt wieder einmal deutlich, dass ihm die Demokratie und ihre Werkzeuge vollkommen egal sind.
In letzter Zeit scheint die CDU für sich entdeckt zu haben, dass man nicht sachlich arbeiten muss, wenn es doch viel einfacher ist, die Personen und die Institutionen anzugreifen und schlecht über sie zu reden. Das hat man bei den Protesten gegen die Urheberrechtsreform gesehen, als die Demonstranten als „Bots“ (Roboter) oder „gekauft“ denunziert wurden, und setzt sich bei Hr. Veith ähnlich fort.
Die Opposition hat es trotz erheblicher parlamentarischer Hürden geschafft, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, der die Mittelverwendung im Verteidigungsministerium untersuchen soll, und alles, was Hr. Veith dazu einfällt, ist die Unterstellung einer Verschwörungstheorie, dass die Ministerin gestürzt werden soll.
Angeblich sei ja schon alles "aufgeklärt" und "abgestellt", was in der "Verwaltung" falsch gelaufen sei. Aber es ist ganz schön billig, nur die kleinen Fische zu fangen. Es muss geklärt werden, welche Leitungsebenen in die Vergabeentscheidungen eingebunden waren, zumal bei der Größenordnung, um die es hier geht.
Es ist ein legitimes Verfahren, einen Ausschuss zu bilden, um Informationen zu erhalten, und es ist eines der legitimen Werkzeuge der Opposition im Parlament, die Regierung zu kontrollieren, wie es ihr verfassungsrechtlicher Auftrag ist.
Außerdem halte ich den rhetorischen Trick von Herrn Veith für ganz schäbig, dass er mit Prozentzahlen die Summe klein reden will, um die es geht. Der Etat des Ministeriums sind knapp 40 Milliarden €, und die schöngefärbte Behauptung, es sei ein "niedriger einstelliger Prozentbetrag" geflossen, verschleiert sehr effektiv, dass wir hier für jedes dieser "einstelligen" Prozente immerhin von fast 400 Millionen € reden!
Aus meiner eigenen Berufstätigkeit weiß ich, dass ein Beratertag nicht unter 1000 € zu bekommen ist (und selbst das ist sicher noch sehr niedrig gegriffen bei großen Firmen wie PwC, Accenture usw.). Um das mal umzurechnen, wenn ich diesen Betrag verwende: hier sind also mehr als 100.000 Mannjahre Beratertätigkeit von unseren Steuergeldern bezahlt worden.
Ein besonderes Geschmäckle erhält diese hemdsärmelige Auftragsvergabe noch dadurch, dass zwei Kinder der Ministerin bei Beratungsfirmen arbeiten, die "bedacht" wurden.


21.03.2019

The Umbrella Academy - Staffel 1

Über das letzte Wochenende habe ich die neue Serie "The Umbrella Academy" bei Netflix gesehen. Die Serie wurde vor dem Start massiv beworben, u.a. auch durch Werbespots im traditionellen Fernsehen, und der Ansatz klang wie eine Mischung aus Avengers, X-Men, Justice League und ähnlichen Superheldenserien, nur "kaputter".

Mein Fazit: durchwachsen. Interessante Ideen, aber für eine zehnteilige Serie hatten die einzelnen Folgen enorme Längen, die mir den Spaß ein wenig vergällt haben.

Die Handlung in kurz: eine Gruppe von jungen Menschen mit besonderen Fähigkeiten versucht, die Apokalypse zu verhindern. Spoiler: sie scheitern und vielleicht doch nicht. Bei Zeitreise-Geschichten weiß man ja nie.

Die Handlung in lang: aus ungeklärten Umständen wurden am 1. Oktober 1989 43 Frauen spontan innerhalb eines Tages schwanger und entbinden ein Kind. Ein exzentrischer Milliardär nimmt sieben dieser Babys als Adoptivkinder auf und zieht sie mit Hilfe eines genmanipulierten Schimpansen und eines Androidenkindermädchens auf. Er trainiert ihre Fähigkeiten und bringt sie dazu, als Superheldenteam aufzutreten. Allerdings hat das Team nur sechs Mitglieder: "7" oder "Vanya" glaubt, dass sie keine besonderen Fähigkeiten hat, was sich aber im Verlauf als falsch erweist. Der Zuschauer ahnt das natürlich sofort, aber der erste Gedanke, dass die Fähigkeiten von 7 wichtig für das Team sind, entpuppt sich als falsch.

In der ersten Staffel wird die Entstehung des Teams geschildert und retrospektiv gezeigt, wie die Gruppe wieder auseinanderbricht und das Haus des Adoptivvaters Hargreeves verlässt. Er ist streng, unbarmherzig und absolut unempathisch. Er verletzt permanent die Gefühle und die gesunde Entwicklung der Kinder und ordnet alles seinem Ziel unter. Eins nach dem anderen verlassen ihn die Mitglieder des Teams, die er nur mit Nummern und nicht mit Namen anspricht.

In der Gegenwart der Erzählung treffen die Kinder zu Hargreeves Beerdigung zusammen, bis auf "6" bzw. Ben, der unter unerzählten Umständen bei einem Einsatz starb. Nach und nach wird in Rückblicken gezeigt, wie rücksichtslos Hargreeves ist und den Kindern dadurch seelische Verletzungen zufügt.

Nummer 5 ist ein Teleporter durch Raum und Zeit. Hargreeves verbietet ihm, durch die Zeit zu reisen. Er tut es trotzdem und erreicht eine postapokalyptische Erde, von der er nicht mehr zurückreisen kann - der Grund dafür bleibt unklar. Dort verbringt er Jahre, bis er von einer mysteriösen Frau für eine Organisation, die "Kommission", angeworben wird. Diese Organisation aus Zeitreisenden will dafür sorgen, dass die Geschichte immer einen bestimmten Verlauf nimmt, z.B. stellt sie sicher, dass der Zeppelin Hindenburg wirklich in Lakehurst in Flammen aufgeht. Die "Zeitagenten", auch "temporal assassins" genannt, bekommen Aufträge von Analysten, um bestimmte Ereignisse zu forcieren, und dabei gehen sie buchstäblich über Leichen.

Nach Jahren im Dienst der Kommission kann 5 zurückkehren und wird dabei wieder zu seinem 13-jährigen Ich verjüngt, ist aber geistig auf dem Stand seines 58-jährigen Selbst geblieben. Er will unbedingt die Apokalypse verhindern und weiß, dass sie in den nächsten acht Tagen stattfinden wird, aber nicht, durch wen oder warum. Sein einziger Hinweis ist ein Glasauge mit einer Seriennummer.

All das ist aber effektiv vollkommen unwichtig: alle Handlungen zur Aufklärung führen nur dazu, dass die Apokalypse tatsächlich herbeigeführt wird. Schlussendlich war Hargreeves sogar der Auslöser durch die folterähnlichen Methoden und die seelischen Schäden an seinen Adoptivkindern. Im Bemühen, den Weltuntergang zu verhindern, führen die sieben Kinder ihn gerade herbei. Im letzten Moment kann 5 sie alle durch eine Zeitreise retten und dadurch den Cliffhanger zur zweiten Staffel aufbauen.

Was mich immer wieder an Filmen und Serien wundert: viele Situationen, die man als Zuschauer erkennt, führen in  der Handlung zu vorhersehbaren schlimmen Folgen und hätten vermieden werden können, wenn die Figuren ihr Wissen teilen würden. Fünf z.B. weiß unglaublich viele Details, aber er teilt sie nicht mit seinen Adoptivgeschwistern. Vanya nimmt täglich Tabletten zur Unterdrückung ihrer Fähigkeiten. Außer dem Affen und der Nanny weiß das aber niemand, und Vanya hinterfragt nicht ein einziges Mal die Einnahme. Offensichtlich wissen auch die anderen Geschwister nichts von ihren Fähigkeiten. All diese Nichtkommunikation führt letztendlich zum Showdown während des Konzerts, in dem Vanya die erste Geige spielt. Ich verstehe nicht, warum Drehbuchautoren so eklatante logische Schwächen verzapfen, statt die Figuren sinnvoll handeln zu lassen.

Aber wie schon gesagt: bei Zeitreisegeschichten darf man die Logik ein wenig beiseite schieben. Insgesamt war es gute Unterhaltung.

05.03.2019

Klimawandel x+1

Der emeritierte Professor L. ist genervt vom "Ping-Pong" unserer Leserbriefe. Ich stimme ihm zu, dass es ermüdend ist, auf seine unwissenschaftlichen Leserbriefe zu antworten. Außerdem beklagt er, dass die WZ seinen Titel weglässt, der eine Autorität suggeriert, die er auf dem Forschungsgebiet gar nicht vorweisen kann, über die er spricht.
[Veröffentlicht am 22.02.2019, wie üblich an den falschen Stellen von der WZ redigiert]

Herr L., ich gebe Ihnen Recht.
Wir sollten dieses unwürdige Ping-Pong-Spiel beenden, da wir offensichtlich unterschiedliche Vorstellungen von wissenschaftlicher Methodik und Diskurs haben.
Bitte unterstellen Sie keine Verschwörungstheorien und schwammige Behauptungen, dass missliebige Forscher gemobbt und "mundtot" gemacht werden.
Sie begeben sich damit auf das schäbige Niveau von Tichy, der auch gerade publikumswirksam jammert, dass man ja doch nicht alles sagen dürfe.
Es gibt Meinungsfreiheit und Forschungsfreiheit, aber das garantiert nicht, dass man unwidersprochen bleiben kann.
Die Realität ist, dass jede Studie durch Peer-Reviews angezweifelt werden kann - das ist kein Mobbing, sondern einfach wissenschaftlicher Standard.
Forscher, die eine gegenläufige Theorie entwickeln, müssen sich dem genauso stellen wie jeder andere.
Alle die wenigen Studien, auf die Sie und andere Zweifler sich stützen, wurden kurze Zeit später widerlegt.
Ich kann nach wie vor nicht nachvollziehen, warum ein seit Jahrzehnten bestehender wissenschaftlicher Konsens von einzelnen fachfremden Zweiflern immer noch angefochten wird.
Schon die Meldungen der Tagespresse widerlegen, was Sie zum Klimawandel behaupten: die letzten 5 Jahre gehören mit zu den wärmsten seit Beginn der systematischen Wetteraufzeichnungen.
Obwohl v. Storch, den Sie zitieren, den Klimawandel grundsätzlich bestätigt, nutzt er gern statistische Tricks, wie z.B., nur die Daten seit 1998 zu betrachten, statt den gesamten Zeitraum.
Von daher ist sein Zitat von 2013 auch heute sinnlos, dass die Temperaturen nicht mehr gestiegen seien, genauso wie die damalige Spekulation "wenn die Temperatur fünf Jahre nicht mehr steigen würde ...".
"Nur in drei Jahren seit 1880 waren die Temperaturen auf der Erde noch höher, als 2018. Das haben die NASA und die US-Ozean- und Atmosphärenbehörde in unabhängigen Analysen ermittelt. NASA und NOAA warnen deswegen, die Erderwärmung halte unvermindert an. Lediglich die Jahre 2015, 2016 und 2017 seien noch wärmer gewesen, als das vergangene und die jüngsten fünf Jahre seien zusammen auch die wärmsten fünf seit Beginn der weltweiten Messungen. Seit 1880 sei die Durchschnittstemperatur auf der Erdoberfläche um 1 Grad Celsius angestiegen. Schuld sei der vom Menschen verursachte Ausstoß von Treibhausgasen." (Zitiert aus https://heise.de/-4301316)
Dieselbe traurige Geschichte passiert gerade bei der Diskussion um Schadstoffe - hier folgt die Politik willig einzelnen Schreihälsen wie Köhler, der nachweislich Zahlen um einen Faktor 1.000 und mehr falsch in die Welt gesetzt hat.
Seine einzige Entschuldigung für die gravierenden Fehler: er sei Rentner und habe nicht einmal eine Sekretärin.
Ist das wirklich eine Rechtfertigung, aufmerksamheischend mit so einen Paukenschlag an die Medien zu gehen und durch alle Talkshows zu tingeln?
Die Mitunterzeichner seines fragwürdigen Papiers sind nicht nur eine Minderheit unter den Lungenärzten, sondern auch Motorkonstrukteure und andere Akteure aus der Autoindustrie und Politik.
Abgesehen davon haben weder Köhler noch die unterzeichnenden Ärzte Expertise in der wissenschaftlichen epidemiologischen Forschung - von keinem der Namen auf der Liste sind wissenschaftliche Arbeiten zum Thema bekannt.
Die weiteren 3900 Ärzte in der DPG (Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V.) vertreten genau die gegensätzliche Position - Feinstaub und NOx sind definitiv gefährlich.
Wenn urplötzlich so ein "Rufer in der Wüste" auftritt, sollte man erst einmal die Frage stellen, wem nutzt diese bequeme Gegenposition?
Ganz offensichtlich handelt es sich um handfeste wirtschaftliche Interessen, sonst nichts.
Die Umwelt soll hier hintan treten, damit die Quartalszahlen bloß nicht leiden.
Und Minister Scheuer, der seinen tschechischen "kleinen" Doktortitel in Deutschland gar nicht führen dürfte, springt begeistert über das Stöckchen, weil es gerade opportun ist.
Ich wiederhole gern erneut meinen Lesetipp: 10 Fakten über den Klimawandel bei ZEIT Online.

22.01.2019

Datenklau und digitale Selbstverteidigung

Zum Datenklau vor einigen Wochen habe ich mir einige allgemeinere Gedanken gemacht und als Leserbrief aufgeschrieben. Leider ist mir bei den Links zu meinem Blog ein Fehler passiert: es wurde zweimal dieselbe URL abgedruckt. Hier im Blog ist es natürlich korrigiert.
[abgedruckt am 22.01.2019]

Der letzte Woche bekannt gewordene "Datenklau" verursacht bei den Betroffenen zu Recht große Empörung.
Hier werden private Informationen bekannt gemacht und die Opfer fühlen sich gefährdet.
Wer sofort nach den ersten Pressemeldungen schon Schuldzuweisungen zu treffen wagte, ob es nun staatliche Hacker aus China, Russland, Nordkorea oder anderen Ländern wären, schmückt sich zu Unrecht mit dem Titel "Experte". Im Internet ist es unglaublich einfach, falsche Fährten zu legen und in seinen Datenpaketen als Herkunft ein beliebiges Land vorzutäuschen. Am Ende war es dann ein Scriptkiddie aus Homberg. Oder vielleicht doch nicht?
Abgesehen davon finde ich die Reaktionen auf die Veröffentlichung der Daten sehr interessant.
Es hängt offensichtlich davon ab, wer betroffen ist. Der Staat und Firmen bedienen sich ganz ungeniert an persönlichen Daten und wollen immer mehr davon. Es wird gesammelt, was das Zeug hält, und wenn es nicht ausreicht, werden neue Gesetze und technische Möglichkeiten verlangt und geschaffen, wie z.B. die seit Jahren vom Bundesverfassungsgericht immer wieder abgelehnte Vorratsdatenspeicherung oder die Pkw-Maut. Aber andererseits müssen nur "ein paar Prominente" betroffen sein, und schon laufen die Sicherheitsbehörden Amok und das Harmloseste ist noch die Behauptung, dies wäre ein "Angriff auf die Demokratie".
Wer jetzt immer noch auf dem Standpunkt steht, er habe "nichts zu verbergen", sollte mal ganz genau hin schauen, wie die "Prominenten" jetzt eine Welle der Empörung vor sich her schieben. Natürlich hat jeder etwas zu verbergen. Es ist ganz normal, wenn man seine Privatsphäre für sich behalten will.
Nach bisherigem Stand wurde nicht bei Anbietern "eingebrochen" und abgeschöpft, sondern schlicht und einfach schlechte Passwörter geknackt oder erraten, um einzelne Daten von Benutzern abzugreifen.
Daraus sollten wir als Gesellschaft und Computernutzer mehrere Lehren ziehen:
  • nur Daten, die nicht im Internet sind, sind gute Daten ("think before you post").
  • wenn Daten denn unbedingt im Internet sein sollten, dann so wenig wie möglich davon (Datensparsamkeit).
  • Jede Datensammlung weckt Begehrlichkeiten und die Möglichkeit zum Diebstahl und Mißbrauch. Wehren wir uns als Gesellschaft weiterhin gegen die Vorratsdatenspeicherung! Auch der Staat darf nur die Daten besitzen, die unbedingt nötig sind (und nicht auf Vorrat).
  • Daten liegen im Internet auf fremden Computern ("Cloud"), denen wir nicht vertrauen dürfen.
  • Kommunikation sollte immer verschlüsselt sein.
  • Nicht auf Links in Emails oder im Chat klicken.
  • Passwörter möglichst lang und nicht erratbar wählen (keine Haustiere, Geburtstage, Kosenamen). Die Faustregeln über Sonderzeichen und das regelmäßige Wechseln sind Humbug. Länge ist Trumpf.
  • Alle Geräte müssen aktuelle Software verwenden. Wer jetzt noch Windows XP oder ein Smartphone mit Android 4 oder 5 verwendet, spielt mit dem Feuer.
Mehr Tipps zur Sicherheit in meinem Blog: hier und hier

Klimawandel zum x-ten Mal - Leserbrief

Und noch ein Leserbrief als Antwort auf einen notorischen Gegner der Forschung zum Klimawandel. Diesmal mit einem Hinweis, dass angeblich Hunderte von Einsteins Zeitgenossen seine Theorien ablehnten. Herr L. vergisst nur zu erwähnen, dass kein einziger dieser Kollegen wissenschaftlich in der Lage war, Einsteins Forschungen zu widerlegen. Ganz im Gegenteil - zahllose Experimente und Beobachtungen bestätigen seit mehr als 100 Jahren eindrucksvoll sowohl die Spezielle als auch die Allgemeine Relativitätstheorie.
[abgedruckt am 19.01.2019]

Herr L., Ihre Antwort auf meinen Leserbrief enthält wieder genau dieselben rhetorischen Tricks, mit denen Sie gern arbeiten. Sie picken sich eine einzelne Studie oder eine Zahl heraus und stützen darauf Ihre Argumentation. Und wenn das nicht klappt, weichen Sie zur Seite aus und bringen eine Anekdote, die keinerlei Erkenntnis bringt.
Es mag durchaus sein, dass Einstein zu seinen Lebzeiten auch kollegiale Zweifel erfahren hat. Zugegeben, es ist nicht ganz einfach, sich in die Konzepte der Speziellen und Allgemeinen Relativitätstheorie einzuarbeiten. Wer rechnet schon täglich mit Tensorfeldern?
Aber: es gibt keinerlei wissenschaftliche Forschung, die Einsteins Erkenntnisse widerlegen konnte. Hingegen gibt es unglaublich viele Experimente und Forschungen, die auf seinen Arbeiten basieren und diese immer wieder bestätigen. Zum Beispiel könnten wir ohne Einstein und die Relativitätstheorie keine GPS-Satelliten verwenden.
Das hat nichts mit "Demokratie" in der Wissenschaft zu tun, sondern es ist ein selbstverständlicher Vorgang, Ergebnisse anzuzweifeln. Allerdings muss man dann auch die Größe besitzen und zugeben, dass die Zweifel wissenschaftlich exakt ausgeräumt wurden oder der Gegenbeweis gescheitert ist. Genau darum geht es bei der Diskussion um den Klimawandel: je weniger Fakten, desto lauter und schriller, wie man ja leider an der Buchbesprechung von Thüne sieht.
Es gab und gibt wissenschaftliche Studien, die versucht haben, den Klimawandel zu widerlegen. Diese Studien beschränken sich auf winzige Aspekte des Themas oder wurden wenig später von der Fachwelt sämtlich zerlegt und widerlegt. Alle diese Versuche wiesen schwere methodische Mängel auf und dienen nur dazu, die Diskussion am Kochen zu halten, wie man auch an Ihnen leider immer wieder bemerkt.
Der Spiegel bemerkte dazu schon vor mehr als zehn Jahren: "'Wir haben ein Handlungsproblem, kein Erkenntnisproblem". Das Handlungsproblem rührt daher, dass zuviele Lobbyisten unterwegs sind und in die falsche Richtung Einfluss auf die Politik nehmen. Deutschland fällt leider in Brüssel seit Jahrzehnten immer wieder unangenehm auf, wenn es um die Verwässerung oder Verzögerung von Normen geht, die angeblich der Autoindustrie schaden.
Jeden Tag gibt es neue Schreckensmeldungen über die Auswirkungen des Klimawandels: die kalten Meereströmungen sind bald unumkehrbar erwärmt, die Antarktis verliert mehr Eis als je zuvor und die Wetterschwankungen werden immer extremer in beide Richtungen - wir erleben Dürre und Schneechaos.
Ich wiederhole gern meinen Lesetipp: 10 Fakten über den Klimawandel bei ZEIT Online.

21.01.2019

Grenzwerte bei Schadstoffbelastung - Leserbrief

Einmal mehr hat der emeritierte Professor L. zugeschlagen und einen Leserbrief geschrieben, in dem er sich über die unterschiedlich hohen Grenzwerte für NOx von 40 bzw. 950 µg/m³ Raumluft mokiert. Für einen Naturwissenschaftler ist es ein Armutszeugnis, nicht einmal eine Minute zu recherchieren, um zu verstehen, welche Bedeutung diese Unterschiede haben.

Herr L., ich verfolge seit einiger Zeit Ihren Kreuzzug gegen den Umweltschutz, sei es durch Verharmlosung des Klimawandels oder das Anzweifeln von Schadstoffgrenzwerten. 
Mag sein, dass Ihr Interesse an einem nachhaltigen Wirtschaften mit unserer Erde nicht besonders ausgeprägt ist - Sie sind emeritierter Professor, und eine Zukunft, die mehr als 20 oder 30 Jahre entfernt liegt, scheint Ihnen ziemlich egal zu sein. 
Ich hingegen bin ein paar Jährchen jünger, und ich halte es für wenig ratsam, wenn wir jetzt die vielleicht letzte Chance verpassen, für eine saubere(re) Umwelt zu sorgen. Der Temperaturanstieg seit Beginn der Industrialisierung ist messbar und wissenschaftlich längst nicht mehr umstritten. Es gibt nur noch ein paar wenige gallische Dörfchen (darunter eins mit Häuptling Föhnwelle), die versuchen, durch Ignorieren den Klimawandel weg zu wünschen. 
Genauso wie bei Ihren früheren Leserbriefen zum Thema Klimawandel versuchen Sie nun erneut mit halben Wahrheiten und unvollständigen Zitaten, das Problem der Stickoxide zu negieren und die Festlegung von Grenzwerten ins Lächerliche zu ziehen. Man kann definitiv über Messmethoden und Vorschriften diskutieren, aber das sollte objektiv geschehen und nicht durch zusammenhanglose Details. Ihre unbeholfene Argumentation zeigt, dass es nicht reicht, ein Fakt zu zitieren. Man muss den Kontext kennen, um die Höhe der Grenzwerte und die Begründung zu verstehen. Warum arbeiten Sie sich an zwei Zahlen ab, deren unterschiedliche Bedeutung sich so leicht recherchieren lässt, und Sie damit widerlegt werden? 
Der Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Raumluft gilt in Außenbereichen und soll alle Bevölkerungsschichten schützen, auch besonders empfindliche Menschen, wie Kranke oder Kinder. 
Der andere Grenzwert von 950 µg/m³, den Sie nennen, gilt, wie man z.B. beim Umweltbundesamt leicht nachlesen kann, nur für bestimmte Arbeitsplätze und für einen begrenzten Zeitraum der Arbeitszeit, als Beispiel wird hier vom UBA genannt: "Arbeitsplatzgrenzwerte gelten nur für Arbeitende an Industriearbeitsplätzen und im Handwerk, bei denen aufgrund der Verwendung oder Erzeugung bestimmter Arbeitsstoffe eine erhöhte Stickstoffdioxid-Belastung zu erwarten ist. Stickstoffdioxid entsteht beispielsweise – bzw. wird verwendet – bei Schweißvorgängen, bei der Dynamit- und Nitrozelluloseherstellung oder bei der Benutzung von Dieselmotoren. (...) Der Wert gilt für gesunde Arbeitende an acht Stunden täglich und für maximal 40 Stunden in der Woche. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die berufsbedingt Schadstoffen ausgesetzt sind, erhalten zusätzlich eine arbeitsmedizinische Betreuung und befinden sich somit unter einer strengeren Beobachtung als die Allgemeinbevölkerung."
Auch wenn es immer wieder Verharmloser gibt, die die globalen Veränderungen als Folge der naturgegebenen Klimawechsel darstellen wollen, sind sich 99 % aller Klimaexperten und Wissenschaftler aus benachbarten Fachgebieten einig, dass die fortgesetzte Verbrennung von toten Dinosauriern und versunkenen Wäldern keine gute Idee ist. Wir stehen tatsächlich am Abgrund der Erderwärmung, und in wenigen Jahren ist der Temperaturanstieg unumkehrbar geworden. Es gilt, jetzt zu handeln und nicht durch verquere Argumentation Zeit zu verschwenden. 
Einen Lesetipp habe ich noch am Schluss: das Buch "Ausgebrannt" von Andreas Eschbach behandelt als Thriller das fiktive, aber nicht mehr unwahrscheinliche Thema "Was wäre, wenn die Ölfelder im Nahen Osten versiegen". Es ist sehr gut recherchiert und spannend geschrieben (Buchbesprechung online in meinem Blog).

18.01.2019

Eine Webseite mag Linux nicht

Manche Firmen sind einfach unglaublich ... doof.

Ich muss beruflich Lotus Notes benutzen (ein bißchen Mitleid bitte) und für verschlüsselte bzw. signierte S/MIME-Mails verwendet meine Firma Zertifikate von Symantec (mehr Mitleid bitte). Die laufen natürlich irgendwann ab und dann kommt eine Mail mit dem Hinweis, dass ich mein Zertifikat erneuern muss.

Kein großes Problem - ich gehe auf eine Webseite meiner Firma, die mich weiterleitet zu Symantec. Dort muss ich mich natürlich identifizieren, und wenn das erfolgreich war, müsste ich mein Zertifikat herunterladen können.

Tja, außer ich verwende einen Browser mit Linux. Dann passiert einfach gar nix mehr.

Vorschlag von den netten Kollegen: eine Windows-VM verwenden und dort im Browser Symantec aufrufen (noch mehr Mitleid bitte).

Meine alternative Lösung: ein Addon für den Browser, um den User Agent zu fälschen und Firefox/Windows vorzutäuschen.

Und Schwupps, es funktioniert.

Symantec hat also wirklich eine Browserweiche eingebaut, die bei Linux anderes Verhalten zeigt als bei Windows.

Ist das doof oder ist das doof?

07.01.2019

Immer noch der Klimawandel - Leserbrief

Erneut lässt sich der emeritierte Professor L. in einem Leserbrief zum Klimawandel aus.

In seinem letzten Leserbrief zitiert er eine "Buchbesprechung", die den Namen nicht verdient. Ein ehemaliger Fernsehmoderator schreibt auf der nicht für Neutralität bekannten Website "Tichys Einblicke" (ich verlinke absichtlich nicht) einen Verriss eines Buches, und aus Hinweisen auf diese Buchbesprechung wird dann ein Leserbrief.

In seinem vorigen Leserbrief war er noch ganz überzeugt von Dieselmotoren, schreibt aber dann nur ganz verschämt, dass er einen "MB GLC" fahre. Eigentlich könnte er sich doch trauen zu schreiben, dass er damit einen Mercedes Disco-Panzer meint, oder nicht?

Hier nun meine Antwort darauf.
[veröffentlicht am 24.12.2018]
Herr L., Ihre Antwort auf meinen Leserbrief enthält wieder genau dieselben rhetorischen Tricks, mit denen Sie gern arbeiten. Sie picken sich eine einzelne Studie oder eine Zahl heraus und stützen darauf Ihre Argumentation.
Wie Sie selbst feststellen, sind sich 97% aller Klimaexperten einig - mehr als 8.000 Studien stellen fest, dass der Klimawandel menschgemacht ist. Das globale Klima ist ein empfindliches Ding, das u.a. von Jetstreams in der Atmosphäre und weltweiten Meeresströmungen abhängt. Wissenschaftler sprechen von "Kippelementen", das sind Situationen, die eintreten und den Klimawandel so beschleunigen, dass ihn Menschen nicht mehr korrigieren können. Wir haben es jetzt zum letzten Mal in der Hand, das Ruder herum zu reißen. Die Schätzungen des IPCC zum Klimawandel, die Sie gelegentlich auch zitieren, werden in der Fachwelt noch als sehr konservativ eingeschätzt - das mag politische Gründe haben. Mir ist bei Studien die wissenschaftliche Methodik wichtig: eine Studie kann man anzweifeln. Wenn aber viele weitere Studien zum selben Ergebnis kommen, ist das schon ein sehr starkes Indiz.
Erschreckend finde ich, wenn Sie die Website "Tichys Einblicke" als Referenz benutzen; dort wimmelt es von rechten und sonstigen substanzlosen Verschwörungstheorien. Der Fernseh-Wettermoderator Thüne schreibt auf dieser Website Artikel, die vollkommen faktenfrei sind und nennt es Buchbesprechung, wenn er mit Schaum vor dem Mund den Autor angreift. Ein Beispiel: "In geradezu hochnotpeinlicher Eitelkeit dient ein zentraler Teil des Buches der Selbstdarstellung, der Pflege des eigenen Ich".
Das Zitat stammt von Tichys Website, aus der Besprechung eines Buches von H. J. Schellnhuber, der zu den weltweit renommiertesten Klimaexperten gehört. Eine Buchrezension eines TV-Sprechers, der vor 40 Jahren seine beste Zeit hatte und nichts besseres zu tun hat, als den Buchautoren ad hominem anzugreifen, kann man nicht ernst nehmen. Wer auf diese Weise persönlich wird, hat keine Sachargumente mehr. Wem billigen Sie mehr Glaubwürdigkeit zu? Einem Klimaforscher, der aktuell forscht und publiziert, oder einem Wettermoderator, der von 1971 bis 1986 im Fernsehen aufgetreten ist?
Sie befinden sich nebenbei in guter Gesellschaft, wenn Sie den Unterschied zwischen Klima und Wetter ignorieren. Donald Trump kennt ihn auch nicht. Von daher ist es sinnlos, wenn Sie bemerken, Computer könnten keine langfristige Wettervorhersage über den Klimawandel berechnen.
Lesetipp: 10 Fakten über den Klimawandel bei ZEIT Online (dort werden übrigens auch die Behauptungen von Thüne gründlich widerlegt).