29.05.2019

Klimawandel - nochmal - Leserbrief

Es wird echt ermüdend. Gerade schon wieder ein Leserbrief, der dem "angeblichen" Klimawandel mit brutalen Zahlen zu Leibe rücken will und vorzurechnen versucht, dass wir uns alle bequem zurück lehnen können, weil Deutschland einen so geringen Anteil hat, dass man so weiter machen kann wie bisher.
Prof. Rahmstorf hat übrigens auch Rezos Video beurteilt.
[abgedruckt am 01.06.2019]

Und erneut versuchen sich gleich mehrere Leugner des Klimawandels mit detaillierten Zahlen daran, die Leser des Meinungstreffs mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zahlen über den Tisch zu ziehen.

Ein üblicher rhetorischer Trick ist, durch eine lange Kette von Nachkommastellen eine hohe wissenschaftliche Genauigkeit vorzutäuschen, wobei aber die Zahl an sich vollkommen bedeutungslos ist.

Weiter wird erklärt, dass Deutschland ja "nur" 2% zum CO2-Wachstum beiträgt. Das mag richtig sein, trotzdem blasen nur die USA, China und Indien mehr CO2 in die Atmosphäre. China wird voraussichtlich die Klimaziele 2020 erreichen. Abgesehen davon wird in China enorm viel von dem produziert, was der Rest der Welt konsumiert. Selbst hier hätten wir es in der Hand und müssen nicht mit dem Finger auf andere zeigen.

Dieses Argumentationsmuster "die anderen sind aber noch schlimmer" ist ebenfalls ein beliebter rhetorischer Trick, um von der eigenen Verantwortung abzulenken. Im Internet wird dazu gern mit "#whataboutism" gekontert, um dieses Stilmittel anzuprangern.

Warum zitiert Hr. L. immer noch eine Aussage von 2013 "wenn die Temperatur in den nächsten Jahren nicht mehr steigen würde"? Schon die Grundannahme ist sinnlos: wir wissen, dass die Temperatur steigt, und die letzten fünf Jahre waren die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Wie verzweifelt muss man sein, um eine bereits widerlegte veraltete Behauptung immer noch zu wiederholen?

Für das Science-Blog der "Spektrum der Wissenschaft" hat Professor Stefan Rahmstorf einmal mehr die Fakten zusammengestellt. Er ist Klimatologe, Professor für Physik der Ozeane und Abteilungsleiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (www.pik-potsdam.de). Ich finde ihn für sein Fachgebiet wesentlich glaubwürdiger als einen Professor im Ruhestand für industriellen Ofenbau.

Einige Fakten aus Rahmstorfs Artikel:

1. Die CO2-Konzentration ist seit Beginn der Industrialisierung von 280 ppm (jahrtausendelang fast konstant) auf inzwischen 405 ppm angestiegen.
2. Dieser Anstieg um 45 Prozent (125 ppm) ist komplett vom Menschen verursacht.
3. Die CO2-Konzentration ist damit jetzt bereits höher als seit mehreren Millionen Jahren.
4. Diese 125 ppm CO2 haben eine Heizwirkung von 2 Watt pro Quadratmeter Erdoberfläche durch den Treibhauseffekt - genug, um bis heute die globale Temperatur um rund 1 °C anzuheben.

Ein beliebter Trick der Leugner ist die Vermischung von Umsatz und Gewinn. Die Landökosysteme haben einen hohen Umsatz an Kohlenstoff, fügen aber netto der Atmosphäre kein CO2 hinzu. Die Quelle für das zusätzliche CO2 ist, dass wir fossilen Kohlenstoff ausgraben und verbrennen. Vor dem Menschen war das System fast genau im Gleichgewicht, daher war die CO2-Konzentration in der Luft Jahrtausende lang annähernd konstant.

Das Mehr an CO2 kommt nebenbei auch nicht aus Vulkanen, wie gern behauptet wird. Die gesamten vulkanischen Emissionen liegen bei ca. 200 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr, verglichen mit den menschlich verursachten Emissionen von 41 Milliarden Tonnen 2016, das ist ein Faktor 200 Unterschied.

Nur drei- und mehratomige Gase absorbieren Wärmestrahlung und nur diese Spurengase verursachen daher den Treibhauseffekt, und unter diesen ist CO2 nach dem Wasserdampf das zweitwichtigste. All dies ist bekannt seit John Tyndalls Messungen der Treibhauswirkung verschiedener Gase im Jahr 1859.

Rekorddürren, Rekordfluten, Rekordhitze, Flüchtlingsströme - all das lässt sich auf den Klimawandel zurückführen.

Warum wird immer wieder behauptet, es gebe keine Hinweise auf die menschgemachte Ursache des CO2-Anstiegs? Die Fakten sind seit Jahrzehnten bekannt. Die Ölfirmen wussten schon seit den Sechziger Jahren über den Zusammenhang zwischen CO2 und Erderwärmung, wie "The Guardian" berichtet. Die Fakten lagen damals schon vor und sie wurden bewusst verzerrt, um die Auswirkungen schön zu reden und den Profit nicht zu gefährden. Warum gibt es heute immer noch Menschen ohne echte Fachkenntnisse, die sich solche Mühe geben, in Leserbriefen und Artikeln Unsinn zu behaupten?

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