29.05.2019

Vergleich von Diesel- und Elektroauto - Leserbrief

Vor einigen Tagen hatte ich mal wieder das Bedürfnis, auf einen Leserbrief in der WZ zu reagieren. Da hat einer der üblichen Verdächtigen, die sich regelmäßig in ihren Leserbriefen an der Dieselaffäre, Fahrverboten und der Energiewende abarbeiten, die fragwürdige Studie des Ökonomieprofessors Sinn als Anlass genommen, alles in Frage zu stellen, was derzeit Stand der Technik und Stand der Forschung ist.

Dass diese Studie ohne Peer Review veröffentlicht wurde und schon Stunden später vernichtend widerlegt wurde, stört natürlich niemanden - wenn es gedruckt wird, muss es stimmen.
[abgedruckt am 24.05.2019]

Ich hatte schon befürchtet, dass die unsägliche Studie von Sinn et.al. auch Einzug in die Leserbriefspalte der WZ findet, und nun ist es leider wirklich passiert.
Die Psychologie kennt den sogenannten "Bestätigungsfehler" (confirmation bias). Dieser Effekt bewirkt, dass man Behauptungen stärker gewichtet und ihnen mehr Glaubwürdigkeit beimisst, die der eigenen Überzeugung entsprechen, und sie werden unterbewusst verwendet, um die eigene Überzeugung noch weiter zu verstärken. Es fällt sehr schwer, von der einmal gefassten Position abzuweichen, selbst wenn sie wissenschaftlich zweifelhaft und kaum haltbar ist. Bei einigen Leserbriefautoren sieht man diesen Effekt sehr deutlich.
Die "Studie" von Sinn vergleicht einen (für Mercedes-Verhältnisse) kleinen Dieselmotor (220d, 194 PS) mit einem doppelt so stark elektrisch motorisierten Tesla (fast 400 PS) mit einem sehr großen Akku von 75 kWh.
Die Studie verwendet für das Dieselfahrzeug die bestmöglichen Annahmen, beim Elektrofahrzeug die schlechtestmöglichen. Nebenbei wissen wir aus zahlreichen Veröffentlichungen von Autotestzeitschriften, dass der realistische Verbrauch nicht dem Normverbrauch entspricht (beim Mercedes sind es in der Praxis etwa 50% mehr). Dieselnachteile wie Feinstaub und NOx-Emissionen werden überhaupt nicht beachtet.
Beim Tesla wird die gesamte Produktionskette (Fahrzeug, Vorlieferanten und Akku) mit in die Umweltbelastung einbezogen, um einen Wert für die CO2-Emission pro Kilometer zu errechnen. Dazu wird eine unrealistisch niedrige Lebensdauer von 150.000 km angenommen. Beim Dieselfahrzeug wird ein Großteil der Produktionskette gerade nicht berücksichtigt, genauso wird die Umweltbelastung durch die Förderung, Raffination und Transport von Erdöl außen vor gelassen. Des weiteren hat Sinn den veralteten NEFZ-Zyklus verwendet, der gesetzlich schon 2016 dem deutlich realitätsnäheren WLTP-Standard weichen musste.
Schon einen Tag später haben mehrere wissenschaftliche Institute und Fachleute diese "Studie" in der Luft zerrissen. Sie wurde nicht nach anerkannten Methoden erstellt und ohne Peer Review im "ifo Schnelldienst" veröffentlicht, d.h. es gab vor der Veröffentlichung keine unabhängigen Kontrollen der Methodik und Ergebnisse durch andere Experten (peer review). Das Fraunhofer-Institut, das von Sinn zitiert wird, wirft ihm vor, den Energiemix für die Akkuladung zu "dreckig" und die Leitungsverluste im Stromnetz um fast das Doppelte zu hoch anzusetzen.
Ironischerweise hat der VW-Konzern, bekanntermaßen einer der größten Dieselverfechter in der Autoindustrie, eine Woche später eine eigene Studie veröffentlich, die das genaue Gegenteil feststellt: E-Autos sind umweltfreundlicher als Diesel, und mittlerweile gibt es sogar Ottomotoren, die in dieser Hinsicht besser sind als Dieselmotoren.
Wenn urplötzlich so ein "Rufer in der Wüste" auftritt, sollte man erst einmal die Frage stellen, wem nutzt diese bequeme Gegenposition? Wer hat sie bezahlt oder in Auftrag gegeben? Warum kommen urplötzlich Studien in die Presse, die mit bequemen Behauptungen dafür sorgen wollen, dass sich nichts bewegt und wir alle so vom "weiter so!" träumen? Es geht nicht weiter so!

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