14.12.2016

Flash-Update auf Version 24

Mir fehlen langsam die Worte, wie die Versionsnummern inflationär in Höhen klettern. Google hat es mit Chrome vorgemacht, aus irgendwelchen Gründen macht es Mozilla mit Firefox und Thunderbird nach, und jetzt beschleunigt Adobe die Nummerierung des Flashplayers genauso.

Und weil mir die neuen Worte fehlen, nehme ich immer den alten Blogartikel, nur die Versionsnummern und die Links ändern sich ;)

Einen Hinweis muss ich aber nun doch noch einbauen: ab Ende Januar 2016 gibt  es keine freien Downloads der Installationsdateien mehr. Genaue Modalitäten sind noch nicht bekannt, Adobe hat nur bekannt gegeben, dass die Downloadlinks über die "distribution3.html"-Seite nicht mehr zur Verfügung stehen werden und man eine Adobe-ID und eine Business-Lizenz benötige.

Wir sind jetzt schon bei Flash-Version 24 (mittlerweile zählt wohl auch ein Major release nicht mehr zu den besonders erwähnenswerten Ereignissen bei Adobe?). Wer sich selbst auf dem Laufenden halten will, kann das Blog des Security-Teams bei Adobe lesen oder als RSS abonnieren.

Wie üblich in ihrem freundlichen Service-Blog die passende Automation zum Herunterladen und Installieren. Falls ein Proxy verwendet wird, das "rem" bzw. "#" entfernen und eigene Proxy-Adresse eintragen.

Das Tool wget wird bei Windows noch benötigt wie hier beschrieben. Bei Linux sollte es schon vorhanden sein, da es von vielen anderen Programmen intern verwendet wird.

Für Windows wie üblich beide Varianten, ActiveX und Netscape Plugin (Achtung übrigens, Firefox wird demnächst das NPAPI komplett abschaffen - mal sehen, was Adobe und Flash dann machen).

Die Download-URL hat sich übrigens im Vergleich zu Version 23 leicht geändert, sowohl bei Windows als auch bei Linux.

    @echo off

    rem set http_proxy=http://192.168.100.100:3128/
    set VNP=24.0.0.221

    set VAX=24.0.0.221

    set V=24
    set H=fpdownload.adobe.com
    set P=/get/flashplayer/pdc
    set AX=install_flash_player_ax.exe
    set NP=install_flash_player.exe

    wget https://%H%%P%/%VAX%/%AX% -O flash-%VAX%_ax.exe
    .\flash-%VAX%_ax -install
    wget https://%H%%P%/%VNP%/%NP% -O flash-%VNP%_np.exe
    .\flash-%VNP%_np -install


Für Linux 64 bit rpm (als root ausführen oder "sudo rpm" schreiben) gibt es jetzt auch wieder offiziell dieselbe Version 24 wie für Windows. Eine Zeitlang war Flash für Linux bei Version 11.2 "eingefroren", Adobe hat es sich nun anders überlegt und liefert wieder, obwohl die Zeichen generell auf Untergang stehen - in Google Chrome ist Flash gar nicht mehr enthalten, und die anderen Browser-Hersteller wechseln auf Multimedia in HTML5 statt Flash. Es gäbe auch die Version "PPAPI" zum Herunterladen, das ist die Pluginvariante "Pepper" für das Google-API, ich gebe hier "NPAPI" für das Firefox-API im Skript an.
#!/bin/sh

# http_proxy=http://192.168.100.100:3128/

VL=24.0.0.221
H=fpdownload.adobe.com

PL=/get/flashplayer/pdc/${VL}

DL() { wget -N "$1/$2" -O "$3"; }

echo Linux 64 bit rpm ...
DL https://${H}${PL} \
   flash-player-npapi-${VL}-release.x86_64.rpm \
   flash-${VL}.x86_64.rpm
rpm -F --force flash-${VL}.x86_64.rpm
Der Filename für die 32bit-Variante ist "flash-player-npapi-${VL}-release.i386.rpm".

[20161213: Security-Bulletin von Adobe]
[20170110: Security-Bulletin von Adobe]
[20170214: Security-Bulletin von Adobe]

06.12.2016

Vectoring in der Wetterau - Leserbrief

Die Telekom schießt quer. Zuerst sagten sie, dass in der Wetterau kein Interesse am Ausbau besteht. Das war die Voraussetzung dafür, dass die Bigo gegründet werden konnte.
Nun will die Telekom doch die Wetterau flächendeckend ausbauen. Zumindest sagen sie das.
Aber den Vogelsberg nicht.
Und damit hat die Bigo ein Problem - weil sie nämlich Wetterau und Vogelsberg bedienen wollte, aber derzeit unklar ist, ob sie in der Wetterau noch tätig werden kann oder nicht.
Auf jeden Fall kann die Telekom damit Zeit schinden und die Bigo ärgern.
Diese Situation ärgert mich massiv - ich will nämlich möglichst schnell Glasfaser in der Wetterau haben und nicht die Kupferkrücke Vectoring.
[Veröffentlicht am 06.12.16]
Die Telekom fällt der Bigo in den Rücken - anders kann ich die 180-Grad-Wende nicht interpretieren. 2014 hat die Telekom noch arrogant darauf verzichtet, in der Wetterau flächendeckend zu investieren und hat stattdessen nur die Rosinen aus dem Kuchen picken wollen, so z.B. in Bad Nauheimer Baugebieten.

Nun will die Bigo ihre Pläne für Wetterau und Vogelsberg in die Tat umsetzen, und schwupps! kommt die Telekom mit vollmundigen Ankündigungen um die Ecke. Wieviel von diesen Ankündigungen dann auch wirklich umgesetzt wird, weiß noch niemand. Aber meiner Meinung nach dient dieser Schachzug sowieso erst mal nur dazu, die Bigo auszubremsen. Die Leidtragenden sind die Vogelsberger, denen die Telekom damit den Stinkefinger zeigt.

"Vollmundig" in diesem Zusammenhang heißt, dass die Telekom weiterhin auf Kupferkabel setzt und nur an ganz wenigen Stellen tatsächlich Glasfaser verbaut. Geschwindigkeitssteigerungen bei Kupferkabel sind nach derzeitigem technischen Stand nur möglich, wenn man hochkomplizierte Bündelungsverfahren nutzt, um die auftretenden Signalstörungen zu eliminieren.

Das DSL-Vectoring ist ein unsäglicher Versuch, um das altgediente und längst abgeschriebene Kupferkabel noch möglichst lang in Dienst zu halten.

Zur Erinnerung: DSL ist technisch eine Krankheit, die Ende der 90er Jahre aus dem Flächenland Amerika kam. Dort wurde es entwickelt, um über die alten, ungeschirmten Telefonleitungen Breitband-Internet zu transportieren.
Die Telekom hatte nach der Wiedervereinigung in den neuen Bundesländern mit dem Glasfaserausbau begonnen, das aber wieder abgebrochen, weil plötzlich die Wiederverwendung von Kupferkabeln billiger und bequemer erschien.

DSL-Vectoring bedeutet, dass mehrere einzelne Kupferleitungen gebündelt werden, um die Geschwindigkeit zu erhöhen. Nebenbei hat das den angenehmen Nebeneffekt für den Besitzer des Kabels, dass er Mitbewerbern nicht mehr einzelne dieser Kabel vermieten muss - er benötigt sie exklusiv für seine Bündelung. Seltsamerweise hat die Regulierungsbehörde diesen Rückfall in monopolartige Strukturen vor einiger Zeit genehmigt, und die Konkurrenz schaut in die Röhre, weil die nun nämlich keinen direkten Zugang mehr zum Endkunden hat. Regulatorisch ist dieses Vorgehen äußerst befremdlich, denn die Telekom gehört zu knapp einem Drittel immer noch dem Bund.

Die Telekom gibt an, dass dadurch mehrere hunderttausend Anschlüsse von Konkurrenten an sie zurückfallen (müssen).
Derzeit werden die realen Leitungen (die sog. Teilnehmeranschlussleitungen - TAL) je nach Geschwindigkeit für 10 bis 15 Euro/Monat an die Anbieter vermietet. Nach der Einführung von Vectoring werden die Vermietungspreise für "virtuelle" Anschlüsse bei mindestens 20 Euro/Monat liegen (die Telekom hat entsprechende Anträge bei der EU und der Bundesnetzagentur mit diesen Zahlen gestellt).

DSL und Kupferkabel sind tote Pferde, die man eigentlich nicht mehr reiten sollte. Es ist mittelfristig sinnvoller, auf Glasfaser zu den Ortsverteilern zu setzen (FttC) und langfristig sogar auf Glasfaser in jedes Haus (FttH).

Die Förderpraxis von Bund und Ländern führt leider dazu, dass nicht die technisch und langfristig sinnvollste Lösung umgesetzt wird, sondern ca. 85 % der Gelder nur in die sog. "Wirtschaftlichkeitslücken" fließen und vorrangig Vectoring ausgebaut wird. Die Subvention dient also dazu, eine kleine Lücke zu finanzieren, die bislang die Firmen von der Investition an einer bestimmten Stelle abgehalten haben. Dafür sind staatliche Subventionen für Breitband aber gerade nicht gedacht!

Ich hoffe ernsthaft, dass die Bigo für den Wetteraukreis und den Vogelsbergkreis hier für alle beteiligten Gemeinden eine technisch sinnvolle Lösung auf die Beine stellen kann, auch wenn die Telekom jetzt Störfeuer schießt.

Glasfaser ist eine sinnvolle und dauerhafte Investition in die Zukunft!

22.11.2016

Dr. Strange - Kino

Die Magie kehrt ein in das Marvel Cinematic Universe!

In der Kinofilmreihe beehrt uns Dr. Strange, und in der TV-Serie "Marvel's Agents of S.H.I.E.L.D." fährt der Ghostrider auf einem flammenumkränzten Motorrad umher wie weiland Nicolas Cage in den 2 Filmen "Ghostrider" und "Ghost Rider: Spirit of Vengeance", damals allerdings noch ohne Verbindung zum Seriencharakter der jetzigen Marvelfilme.

Der Film erzählt den Werdegang der Figur Dr. Strange, der sich vom arroganten Neurochirurgen zum kämpferischen Magier wandelt. Diese Charakterbildung war mäßig umgesetzt, es gab keine sichtbare Entwicklung, und auch kein einschneidendes Erlebnis, anhand dessen ich festmachen konnte, dass er seine Egomanie ablegt und von der Ältesten für würdig erachtet wird, ausgebildet zu werden.

Ansonsten ist der Film großes Krachbumm-Kino mit ein bißchen Zeitreise-Effekten. Die vielen verschiedenen Dimensionen, die er - sehr kurz - durchwandert, erinnern massiv an die subatomaren Erlebnisse von Ant-Man und waren sehr psychedelisch angehaucht. Insgesamt war die Handlung sehr vorhersehbar - es war schon früh klar, wer den Löffel abgibt. Natürlich musste irgendwie auch ein Unfall passieren, damit der Chirurg seine Hände nicht mehr gebrauchen kann, aber ein Autounfall, bedingt durch Handynutzung auf einer kurvigen Straße an einem Berghang? So doof kann Dr. Strange doch nicht wirklich sein. Hmpf.

Die Kampfszenen während der Flucht der Bösewichte nach dem Diebstahl der Buchseiten waren genauso wie bei "Inception" inszeniert, aber mit wesentlich mehr Aufwand und Details. Durch die Verschiebung der Orientierung sind sogar mehrere Gefolgsleute in interessante Richtungen abgestürzt, bis der Oberbösewicht mit den restlichen Verschwörern durch ein Portal fliehen konnte. Der Aufpreis für 3D lohnt sich bei diesem Film sehr, nicht nur wegen dieser Szenen.

Jetzt ist also das Zeitalter der bombastischen Figuren angebrochen - Dormammu als Bösewicht bei Dr. Strange, nächstes Jahr wird Kurt Russel "Ego" spielen, und Thanos mit seinem Handschuh ist auch nicht ganz ohne. Ob Dormammu noch eine Rolle spielt, ist unklar. Zumindest gab es einen Handel, dass er die Erde in Ruhe lässt. Inwieweit sich ein solches Wesen an dieselbe Ethik hält wie sein menschliches Gegenüber, bleibt abzuwarten.

Insgesamt ein Film, den man gesehen haben muss - die Effekte und die durchaus vorhandene Handlung sind es wert, und natürlich die Einbettung in das MCU. Andere Kritiker waren nicht so besonders überzeugt, und die Argumente haben auch 'was für sich. Trotzdem finde ich, es lohnt sich.

Am Ende des Films offenbart der Bibliothekar Wong, dass es sich beim Auge von Agamotto um einen der Infinity-Steine handelt, nämlich den, der die Zeit kontrollieren kann.
Damit sind nun 5 der 6 Steine gefunden:
Space - blau - Tesserakt - Captain America 1
Mind - gelb - Lokis Szepter - Avengers 2
Reality - rot - Aether - Thor 2
Power - purpur - Orb - Guardians of the Galaxy 1
Time - grün - Auge von Agamotto - Dr. Strange 1
Soul - orange - ??? - ???

Nächstes Jahr also noch "Thor 3" und "Guardians of the Galaxy 2", und spätestens dann sollten alle 6 Steine im Umlauf sein. Mir macht ein bißchen Sorge, was dann mit Vision passiert - ich mag diesen Charakter.

Fantastic Beasts - Kino

Ein kurzer Rückblick auf die neue Kinofilmreihe aus dem Harry-Potter-Universum.
Zuerst sollten es nur 3 Filme werden, nun sogar 5.

Die Grundidee: Newt Scamander, gespielt von Eddie Redmayne (u.a. Stephen Hawking) schreibt gerade (1926) sein berühmtes Buch "Fantastic Beasts and where to find them", das Harry Potter in Hogwarts als Lehrbuch benutzt, und die Kinogänger dürfen Mr. Scamander bei seinen Begegnungen mit den Tieren und dem Rest der magischen und nichtmagischen Welt über die Schulter blicken.

Wir haben den Film in Gießen im Kinopolis in 3D in der englischen Originalfassung gesehen, und es war ein Riesenspaß. Entgegen meinen vorurteilsbehafteten Erwartungen waren die "amerikanischen" Sprecher sehr gut verständlich, und der "britische" Scamander hat häufig genuschelt, was ich recht schade fand. Ich bin zwar von vielen internationalen Telefonkonferenzen schlechte Aussprache gewöhnt, aber Frau und Kind 2 hatten ganz schön zu kämpfen.

Übrigens eine tolle Sache, dass man mittlerweile in großen Kinos auch Filme in Originalsprache sehen kann. Wer halbwegs fit in Englisch ist, sollte diese Gelegenheit unbedingt nutzen. Kind 2 ist in der 7. Klasse und konnte dem Film problemlos folgen (bis auf manche aussprachebedingten Dialoge, siehe oben). Das Kino war für einen Sonntagabend sehr gut besucht - natürlich war es ein eher kleiner Kinosaal, aber trotzdem. Die 3D-Effekte waren sehr schön. Dies ist einer der Filme, bei denen sich der Aufpreis für 3D wirklich lohnt.

Am Anfang war ich schon davon überzeugt, eine banale Komödie um die Verwechslung eines Koffers zu bekommen, aber innerhalb von wenigen Minuten war ich begeistert mitten im Geschehen dabei. Der Film ist eine tolle Mischung aus eben erwähnter Verwechslungskomödie, Fantasy im Harry-Potter-Stil und 20er Jahre Suspense-Krimi ("who dunnit"). Wie bei den Harry-Potter-Filmen gibt es kurze Einblendungen der magischen, animierten Zeitungen, nicht nur vom "Daily Prophet", sondern auch von französischen und deutschen Zeitungen, in denen davon berichtet wird, dass Gellert Grindelwald (Johnny Depp) sein Unwesen treibt (Details dazu in HP Band 6 und 7). Ganz kurz findet sich auch das Zeichen der Heiligtümer des Todes ...

Die Tiere, um die sich Scamander in ihren Habitaten in seinem magischen Koffer rührend kümmert, sind wunderbar animiert und in Szene gesetzt. Die Bowtruckles, die ebenfalls in HP erwähnt werden, bekommen mehrere, auch wesentliche Szenen, und der löwige Adler lässt am Ende ganz New York die schlimmen Ereignisse vergessen, so dass die "No Maj"s weiterhin nichts von der magischen Welt wissen. Hier gibt es Andeutungen, dass sich die Bewohner der magischen Welt auseinander leben: die Amerikaner nennen die normalen Menschen "No-Maj"s, die Briten hingegen "Muggel".
Besonders gut gefallen haben mir die Szenen um die diebischen "Elstern", die alles klauen, was glitzert.Kowalski bekommt am Ende des Films seinen sehnlichsten Wunsch erfüllt, und vielleicht verliebt er sich sogar ... (Spoiler!).

Der Film ist definitiv nicht für jüngere Kinder geeignet, er ist wesentlich düsterer als die HP-Verfilmungen, und die Toten, von denen es mehrere gibt, lassen die amerikanische "ab 13"-Einstufung mehr als plausibel erscheinen.

02.11.2016

Gesundheitsfürsorge und der Freihandel - Leserbrief

Ist schon etwas länger her, dass die WZ einen Artikel über Zuckerkonsum, Subventionen und die mexikanische Steuer auf Produkte mit hohem Zuckeranteil veröffentlicht hat. Da im Moment aber die WZ so viele Lobhudeleien auf den Abschluss von Freihandelsabkommen singt, dachte ich mir, ich schau mir die Geschichte mit der Zuckersteuer in Mexiko nochmal genauer an, und ich wurde im negativen Sinn nicht enttäuscht - so absurd sich diese Formulierung anhört. Die Zuckersteuer nahm nämlich ein US-amerikanischer Produzent bestimmter Zuckersorten zum Anlass, eine Klage vor einem NAFTA-Schiedsgericht anzustrengen, und die Firma hat tatsächlich gewonnen.
Ja, richtig gelesen: Mexiko muss eine Strafe dafür zahlen, dass sie den Zuckerkonsum regulieren wollen - obwohl Mexiko eine sehr hohe Rate an Diabeteserkrankungen hat.

Die WZ überschlägt sich ja geradezu in ihren Lobeshymnen auf TTIP und CETA. Das verwundert mich ein wenig, und ich zweifle etwas an der journalistischen Objektivität, wenn so einseitig für eine Sache getrommelt wird. Die unzweifelhaft vorhandenen Nachteile werden kaum thematisiert, dafür darf ein Wissenschaftler der Uni Gießen sich eine volle Seite lang über "100 Einheiten" Brot und Wein auslassen. Ich kam mir stellenweise fast vor, als läse ich in der Bibel über die wundersame Vermehrung von Lebensmitteln, und in einem früheren Leserbrief wurde die wissenschaftliche Basis für diesen Artikel ja schon gründlich zerlegt.

Ich möchte mal einen weiteren Aspekt beleuchten: die Verträge wie CETA, TTIP, und auch TISA für die Liberalisierung von Dienstleistungen, enthalten Klauseln, die einen Ausstieg aus der Privatisierung bzw. Liberalisierung verbieten. Das stellt Staaten vor Probleme, wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die für die Daseins- und Gesundheitsfürsorge Regulierungen erfordern.

Kürzlich hat die WZ darüber berichtet, dass Mexiko zur Verringerung des Zuckerkonsums bestimmte Produkte mit (Straf-)Steuern belegt hat.

Es wäre vielleicht der Vollständigkeit halber erwähnenswert, dass Mexiko wegen dieser Zuckersteuer von den USA auf 325 Mio $ Strafe vor einem NAFTA-Schiedsgericht verklagt wurde und zahlen muss.
Ich gehe stark davon aus, dass als Folge auch diese Steuer wieder zurückgenommen werden muss. Es kann ja nicht sein, dass eine Steuer in Mexiko als Handelshemmnis von einem amerikanischen Konzern hingenommen werden muss.

Seit NAFTA als Freihandelsabkommen zwischen Kanada, USA und Mexiko in Kraft getreten ist, haben übrigens ausschließlich amerikanische Kläger vor Schiedsgerichten gewonnen. Am Abschluss von NAFTA 1994 war auch Hillary Clinton maßgeblich beteiligt. Seit Inkrafttreten sind in Mexiko Millionen Maisbauern arbeitslos geworden; hochsubventionierte amerikanische Produkte wurden 20% unter Herstellungskosten in Mexiko in den Markt gepresst (Wikipedia).

Außerdem macht auch gerade eine Meldung die Runde, dass der amerikanische Verband der Zuckerindustrie Studien beeinflusst hat, die den Zusammenhang zwischen Zuckerkonsum und Gesundheitsproblemen herunterspielen sollten (Süddeutsche Zeitung)

Bemerkenswert an diesen Zusammenhängen finde ich, dass der Profit über der Gesundheit steht und sich Konzerne nicht zu schade sind, vor (Pseudo-)Gerichte zu ziehen, um unliebsame staatliche Regelungen wegzuklagen, die zum Schutz der Bevölkerung geplant waren. Mexiko ist eines der Länder mit dem weltweit höchsten Stand an Diabeteskranken (International Diabetes Federation), insbesondere auch bei Kindern (von 78 Mio. Einwohnern sind 11,5 Mio. diagnostiziert krank, vermutete Dunkelziffer 3,5 Mio. Einwohner).

21.10.2016

CETA in einem WZ-Kommentar - Leserbrief

Wieder jubelt ein Kommentator in der Wetterauer Zeitung, dass das kürzliche Urteil des Bundesverfassungsgerichts den Weg für die Zustimmung zu CETA geebnet habe.
Mitnichten, finde ich - die Auflagen sind enorm hoch und viele Dinge dürfen derzeit nicht abgestimmt werden, und schrieb einen Leserbrief.
[Veröffentlicht am 21.10.2016]

Leserbrief zum Kommentar über CETA von Hr. Gillies

Ach Herr Gillies, schon wieder ein Jubelkommentar über eines der zahlreichen lobbygesteuerten Freihandelsabkommen, aber wenigstens haben Sie diesmal nicht die große Keule mit dem "Anti-Amerikanismus" ausgepackt.

Sie freuen sich darüber, dass freier Handel eine gute Sache ist. Aber das ist ja nur ein kleiner Teil dessen, was verhandelt wird.

CETA enthält im Prinzip denselben Vertragsumfang wie TTIP. CETA wird zwischen der EU und Kanada abgeschlossen, TTIP zwischen der EU und USA. Viele Gegner befürchten, dass CETA deshalb ein "TTIP durch die Hintertür" ist und eine amerikanische Firma mit Hilfe ihrer kanadischen Tochterfirma bequem klagen kann, selbst wenn TTIP (noch) nicht in Kraft getreten ist.

Außerdem ist CETA viel mehr als ein Freihandelsabkommen: es enthält Vereinbarungen über Schiedsgerichte, Investitionsschutz, Portfolioinvestitionen, zum internationalen Seeverkehr und zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen und zum Arbeitsschutz (Quelle: Spiegel Online).

Den größten Teil davon hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Abstimmung zugelassen. Das bedeutet, dass die EU über die Teile von CETA, über die Deutschland eine souveräne Entscheidung treffen kann und muss, nicht "vorläufig" beschließen kann und insbesondere Deutschland dann nicht daran gebunden wäre.

Auch die Auflage, dass Deutschland bis zur endgültigen Zustimmung jederzeit ein Kündigungs- und damit faktisch Vetorecht hat, ist in meinen Augen ein deutlicher Gewinn der Kläger gegen CETA.

Bemerkenswert finde ich außerdem, dass die Zustimmung für dubiose Handelsabkommen in der gesamten EU am Wanken ist: das wallonische Parlament lehnt CETA ab, und in Spanien gab es kürzlich ein EU-weites Treffen bedeutender Kommunalpolitiker, um die Auswirkungen von TTIP, CETA und TISA auf die regionale Politik zu beleuchten.

So eindeutig kann man also gar nicht sagen, dass eine Seite vor dem höchsten deutschen Gericht "verloren" hat. Die Zustimmung zu CETA ist mit ziemlich schwerwiegenden Auflagen und Hürden versehen, und das ist gut so. Auf diese Weise wird nicht überhastet entschieden, sondern die einzelnen Klauseln werden hoffentlich noch intensiv überprüft.

10.10.2016

Die Telekom-Hotline in 3 1/2 Akten bei einer Störung

Am Donnerstag war unsere Tierarztpraxis plötzlich nicht mehr telefonisch erreichbar, und es konnte auch niemand mehr nach draußen telefonieren.

Die üblichen Schritte - alles ausschalten bzw. ausstöpseln und wieder einschalten - halfen nichts. Anrufe von außen mit dem Handy führten zu "Dieser Anschluss ist vorübergehend nicht erreichbar".

Also über das Handy eine Störungsmeldung abgesetzt und mit dem Sprachcomputer verhandelt. Das ging soweit erfreulich schnell. Beim darauffolgenden Gespräch mit einem Mitarbeiter dann die Ernüchterung: obwohl wir Firmenkunde sind, bedeutet "Reaktionszeit" nur, dass man innerhalb dieser Frist eine Zusage für einen Termin bekommt; es heißt noch lange nicht, dass innerhalb dieser Reaktionszeit auch das Problem behoben sein muss. Schöne neue Servicewelt!

Immerhin gehört zum Service dazu, dass man die Rufnummer auf ein Handy umleiten kann, so dass wenigstens die Erreichbarkeit wieder gegeben war.

Am Samstag vormittag kam dann tatsächlich ein Techniker und untersuchte die Installation in der Praxis. Dabei stellte sich heraus, dass einer der zwei NTBAs unserer ISDN-Anschlüsse defekt war und getauscht werden musste. Soweit, so gut.

Danach folgte dann eine kleine Odyssee mit derselben Hotline-Nummer, an die ich schon die Störung gemeldet hatte.

Beim ersten Anruf nahm ich die Ansage nicht allzu ernst "Bitte halten Sie Ihre Kundennummer bereit". Der Mitarbeiter fragte mich dann tatsächlich danach, und als ich antwortete, dass ich sie nicht griffbereit habe, wurde mir mitten im Satz aufgelegt. So eine Frechheit!

Der zweite Anruf brachte das Ergebnis, dass die Rufumleitung automatisch annuliert werde, wenn der Techniker das Ticket schlösse. Die Hotline selber habe keinen Zugriff auf die Technik der Rufumleitungen. Immerhin konnte ich bei diesem Anruf am Ende meinen Unmut über das unhöfliche Auflegen beim ersten Anruf loswerden. Es wird zwar nix nutzen, aber ich wollte es trotzdem mal gesagt haben.

Der dritte Anruf war kurz und schmerzlos: "Der Anschluss, von dem ich anrufe, funktioniert wieder, nachdem der Techniker etwas repariert hat. Bitte entfernen Sie die Anrufumleitung." - "Kein Problem, ist beauftragt und in 10 min. erledigt." - "Danke, Auf Wiederhören".

Drei Anrufe, drei verschiedene Service-Qualitäten. Und zwei davon aus Kundensicht gescheitert. Schade um die Lebenszeit.

Nachtrag Montag morgen:
um 9.30 noch kein einziger Anruf in der Praxis, das war verdächtig. Mit dem Handy war es auch nicht möglich, in der Praxis anzurufen. Praktischerweise schlug ein paar Minuten später die SMS auf, dass das Ticket als "erfolgreich" gekennzeichnet und geschlossen würde, verbunden mit dem Hinweis auf eine andere Hotline-Nummer.

Also habe ich dort angerufen und erneut gebeten, dass die Anrufumleitung entfernt wird. Ich wurde weiterverbunden zu einem Techniker in Recklinghausen, und ein paar Minuten später hat es dann tatsächlich funktioniert.

Danach kam dann nochmals eine SMS mit einem Hinweis, dass ich bei noch einer anderen Hotline-Nummer anrufen dürfe, wenn es immer noch Probleme gäbe. Ich müsste dann ganz konspirativ das Stichwort "Nadelbaum" nennen. Man merkt, dass Weihnachten naht. Nur noch 75 Tage, und schon werden die geheimen Codeworte auf festlich umgestellt.

06.10.2016

Politwochs die Daten löschen - Leserbrief

Immer wieder mittwochs kommt ein Kommentar, der irgend ein Geschehnis der letzten paar Tage aufgreift und versucht, einen neuen Aspekt zu finden. Traditionell endet diese Kolumne dann mit "aber nicht politwochs" - manchmal soll das resigniert klingen, manchmal ironisch, und manchmal versteht man nicht, was der Autor damit ausdrücken will.

Genauso ist mir das letzten Mittwoch gegangen, als der Chefred. über das Datensammeln schrieb und am Ende hoffte, dass "irgendwie" die Möglichkeit besteht, dass man seine ihn betreffenden Daten löschen könnte. Wirklich verstanden habe ich nicht, was er eigentlich aussagen wollte, und das hab ich dann als Leserbrief geschrieben.

Lieber Herr Bräuning,
Ihre "politwochs"-Kolumne lässt mich etwas ratlos zurück.
Abgesehen vom Schreibfehler bei der Vorsilbe "Tera" (und nicht "Terra") verstehe ich nicht ganz, wofür oder wogegen genau Sie nun sind.

Außerdem haben Sie die größten Datenstaubsauger gar nicht erwähnt: die Geheimdienste, insbesondere die aus dem englischsprachigen Ausland, die sich einbilden, dass sie das gesamte Internet in Echtzeit überwachen müssen, um dann mit Drohnen ganze Hochzeitsgesellschaften zu töten.

Die "Profile", von denen Sie sprechen, werden mit höchster Aufmerksamkeit auch von Lebensversicherungsunternehmen erhofft und nicht nur von den Krankenversicherungen. Natürlich würde das niemand so deutlich sagen, ist ja klar. Aber gewünscht wird es, um vorherzusagen, mit welcher Wahrscheinlichkeit jemand krank wird oder bei einer gefährlichen Sportart einen Unfall erleidet. Es ist ja jetzt schon so weit gekommen, dass es Rabatte gibt, wenn man ein Fitness-Armband trägt und die Daten der Versicherung zur Verfügung stellt, oder die Kfz-Versicherung billiger wird, wenn man dem Einbau einer Blackbox zur Überwachung zustimmt.

Die amerikanische Versicherung Aetna bezuschusst die Apple-Watch im Austausch gegen die Daten. Auch die Autohersteller mit internetfähigen Autos und Bordcomputern tragen zu diffusem Unbehagen bei, wenn sie Daten sammeln und nicht offenlegen, wie diese Daten verwendet werden.

Warum z.B. Mercedes im 2-Minuten-Takt die GPS-Position, den Kilometerstand, den Verbrauch und Reifendruck an den Hersteller meldet und im Wagen die Zahl der Gurtstraffungen speichert, als Indiz für starkes Bremsen, ist fragwürdig, aber der Zweck ist ganz offensichtlich.

Ehrlich gesagt traue ich den von Ihnen ebenfalls erwähnten Firmen wie Google und Amazon noch eher als den eben erwähnten Versicherungen und Autoherstellern. Bei Google arbeiten Ingenieure, die etwas von "Security by Design" verstehen. Das kann man z.B. von der Autoindustrie nicht behaupten, wie z.B. die Berichte über Chrysler und BMW im letzten und in diesem Jahr erschreckend eindrucksvoll belegen.

Tendenziell kann ich Ihnen aber zustimmen, sofern ich die Bemerkung über das Löschen Ihrer Daten richtig verstanden habe. Es ist im Sinne der freien Entfaltung der Persönlichkeit und der Meinungsfreiheit nicht wünschenswert, dass Firmen und Staaten unkontrolliert Daten aus verschiedenen Quellen sammeln und daraus Schlussfolgerungen ziehen. Ich habe aber ehrlich gesagt wenig Hoffnung und vermute, dass dies schon lang geschieht und nur niemand darüber reden will. Wir sind definitiv auf dem Weg zu einer Gesellschaft, die die schlechtesten Dystopien aus "1984" und "Brave new world" vermengt.

29.09.2016

Häufigkeiten von Würfelsummen - kleines Rätsel

Ich bin ein typischer Informatiker - wenn irgendwo ein Rätsel, Denksportaufgabe o.ä. abgedruckt ist, muss ich es probieren. Zuerst denke ich kurz darüber nach, ob es eine offensichtliche Lösung gibt, und da ich sehr ungeduldig bin, geht das nicht lange gut ;)

Danach denke ich darüber nach, wie ich die Aufgabe mit dem Rechner lösen kann - auch das Nachdenken über eine algorithmische Lösung ist schließlich Denksport ;)

Kürzlich fragte die "Spektrum der Wissenschaft" nach der Häufigkeitsverteilung beim Würfeln mit drei Würfeln. Das ist ein nettes Beispiel für eine Anfängeraufgabe, und natürlich versuchte ich mich damit, das "Problem" in perl zu lösen. Ich liebe perl, perl ist cool, genauso wie Fliegen cool sind ;)

Also zurück zur Aufgabe: welche Würfelsumme ist beim Würfeln mit drei Würfeln am häufigsten?

Der offensichtliche Ansatz ist eine dreifach geschachtelte Schleife, d.h. dreimal von 1 bis 6 zählen, Summe bilden und diese Summe (die zwischen 3 und 18 liegen kann) als Index verwenden, um in einem Array einen Zähler für diese Summe zu erhöhen.

Bei dieser Aufgabe kann man einige coole Features von perl gut zum Einsatz bringen, nämlich Arrays und einige sehr bequeme Funktionen und Operatoren, um mit Arrays umzugehen.

Natürlich will ich das kleine perl-Programm nicht einfach so hier in's Blog werfen, sondern ein paar der Besonderheiten von perl  ausführlicher kommentieren.

Zunächst verwende ich für das Zählen der Häufigkeiten ein assoziatives Array %sum, bei dem die Indizes beliebige Strings sein können, und kein Array mit numerischen Indizes. Das mag zunächst unnötig umständlich wirken, aber es erspart mir später einige Fallunterscheidungen, weil ich mir vorgenommen habe, Funktionen zu verwenden, die wenig bekannt sind. Aber natürlich gilt wie immer der perl-Leitsatz "there's more than one way to do it", und man kann die Aufgabe auch lösen, wenn man ein Array @sum verwendet.

Das Progrämmchen besteht aus drei Teilen: Variablendeklaration, Berechnung und Ausgabe. Die Kommentare unten markieren diese drei Teile. Ganz unten ist der vollständige Code zu finden, und hier im Text jeder Teil einzeln.

# Variablendeklaration
my %sum;


Wie schon beschrieben, wird bei der Berechnung einfach die Summe der drei ineinander geschachtelten Laufvariablen (i1, i2, i3) berechnet und als Index in das Array verwendet. Der auch aus C bekannte "++"-Operator addiert eins zum adressierten Array-Element. Die Schreibweise für die Schleifen finde ich besonders elegant: der perl-Operator ".." erzeugt eine Liste (oder auch Array genannt) von .. bis. Das funktioniert übrigens nur sauber in der Aufwärts-Richtung, es gibt grenzwertige Situationen, in denen man überrascht wird, wenn das bis kleiner ist als das von, also obacht hier!

# Berechnung
foreach my $i1 (1..6) {
    foreach my $i2 (1..6) {
        foreach my $i3 (1..6) {
            ++$sum{$i1+$i2+$i3};
        }
    }
}


Bei der Lösung solcher Aufgaben sollte man sich vorher überlegen, ob man den "brute force"-Ansatz wählt und einfach alle Varianten durchprobiert oder ob es Optimierungsmöglichkeiten gibt, mit denen man die Komplexität reduzieren kann. Bei drei Schleifen von 1 bis 6, mithin also 216 Schleifendurchläufen, ist das Programm selbst auf einem C-64 noch zu meinen Lebzeiten beendet ;)

# Ausgabe
print join("\n",
           map { sprintf("% 3d",$_) . " => $sum{$_}" }

               sort { $sum{$b} <=> $sum{$a} }
                    keys(%sum)
      ),"\n";


Bei der Ausgabe der Ergebnisse habe ich tief in die Trickkiste gegriffen und alles in einen einzigen "print"-Befehl gepackt. Dieser Befehl bekommt als Parameter das Ergebnis des "join"-Kommandos und hintendran wird noch ein einzelnes "\n", also ein Zeilenumbruch gehängt. Die Einrückungen habe ich so gewählt, dass man genau sieht, was zusammengehört.

print join("\n",
           map { sprintf("% 3d",$_) . " => $sum{$_}" }
               sort { $sum{$b} <=> $sum{$a} }
                    keys(%sum)
      ),"\n";


Der "join"-Befehl selbst nimmt zwei Parameter: das Verbindungszeichen "\n" und ein Array von Strings (man kann in perl alles als String verwenden, selbst Zahlen - es gibt keine strikte Unterscheidung, wie man ein "skalares Element" verwenden darf).

map { sprintf("% 3d",$_) . " => $sum{$_}" }
   
sort { $sum{$b} <=> $sum{$a} }
         keys(%sum)


Das "Array von Strings", das "join" bekommt, wird von einem "map"-Befehl dynamisch erzeugt. "map" ist eigentlich ein versteckter Schleifenoperator und erzeugt aus einer Funktion und einem Array als Parameter wiederum ein Array. Dies ist eines der faszinierenden Features von perl, die ich oben erwähnt hatte: "map" nimmt als Parameter eine namenlose Funktion, die man in {} schreibt.

In dieser Funktion, genau wie im folgenden Befehl "sort" gibt es Pseudo-Variablen, die nur innerhalb dieser Funktion benutzbar sind. Bei "map" ist es die Variable "$_", die das aktuell bearbeitete Array-Element beinhaltet. Dieses Element ist der Index des Arrays und bedeutet hier eine spezielle Würfelsumme. Mit "sprintf" formatiere ich diese Zahl rechtsbündig, dahinter hänge ich mit dem Stringoperator "." noch ein bißchen Schmuck als Trennzeichen an und danach noch die tatsächliche Anzahl an Möglichkeiten, diese Würfelsumme zu werfen.

sort { $sum{$b} <=> $sum{$a} } keys(%sum)

Jetzt kommt noch ein weiteres cooles Feature von perl: es gibt einen eingebauten Befehl zum Sortieren von Arrays, und diesem Befehl kann ich wiederum in einer namenlosen Funktion mitgeben, wie ich die Sortierung wünsche. Da ich beim Sortieren immer zwei Elemente vergleichen muss, liefert mir perl bequemerweise zwei Pseudovariablen, die mit "$a" und "$b" bezeichnet werden. Diese Variablen sind nur innerhalb dieses "sort"-Befehls bekannt und beeinflussen eventuell "außerhalb" deklarierte Variablen "$a" und "$b" nicht!

Sortiert wird absteigend nach der Häufigkeit, mit der dieser Würfelwurf vorkommen kann, also nach dem Inhalt des Arrays an dieser Stelle, und der "<=>"-Operator erzählt mir, welcher der beiden Werte kleiner bzw. größer ist. Dies ist ein sogenannter "ternärer" Operator, der mir je nach Vergleichsergebnis -1, 0 oder 1 liefert (also drei mögliche Ergebnisse, deshalb "ternär").

Solche verketteten Ausdrücke in perl muss man also von hinten nach vorne lesen, damit man den Sinn versteht.

Nochmal aus dieser Sichtweise betrachtet: ich sortiere das Array nach der Häufigkeit und übergebe das sortierte Array an "map", um dort die einzelnen Array-Elemente hübsch lesbar zu machen. Mit "join" verknote ich alle diese aufgehübschten Array-Elemente, so dass "print" einen einzelnen String ausgeben kann.

Und dies ist das gesamte Skript ohne Erklärungen dazwischen:

#!/usr/bin/perl -w


# Variablendeklaration

my %sum;

# Berechnung

foreach my $i1 (1..6) {
    foreach my $i2 (1..6) {
        foreach my $i3 (1..6) {
            ++$sum{$i1+$i2+$i3};
        }
    }
}
 

# Ausgabe
print join("\n",
           map { sprintf("% 3d",$_) . " => $sum{$_}" }
               sort { $sum{$b} <=> $sum{$a} }
                    keys(%sum)
      ),"\n";



[Update 20160930: Schleife von for auf foreach geändert, Einrückungen bei print zur Verdeutlichung]

16.09.2016

Linux kernel patch update skript

Ich bin ein großer Freund von "Selber machen" - zumindest am Computer. In der echten Welt hab ich eher so zwei linke Hände ;)

Das resultiert darin, dass mein Server zuhause mit einem selbst gelöteten Linux arbeitet, nämlich mit "Linux from Scratch", bei dem man alle Pakete selbst als Quelltext herunterlädt und installiert.

Zuerst hatte ich mal SuSE verwendet, aber die Paketverwaltung und die Abhängigkeiten waren mir dann zu viel geworden. Also dann: alles selbst kompilieren und genau sehen, welche Abhängigkeiten unbedingt nötig sind und welche nicht. Bei vorgefertigten Linux-Distributionen wird eigentlich immer das maximale Kunstwerk installiert, und genau das wollte ich nicht.

Diese DIY-Methode hat auch den Vorteil, dass man immer genau die gewünschte Version von Software hat, z.B. beim Kernel auch immer die neueste, die dann z.B. aktuelle Hardware unterstützt.

Ich will hier ein kleines Skript vorstellen, das ich mir vor längerer Zeit als Hilfsmittel gebastelt habe, um den Linux-Kernel immer auf dem aktuellen Stand zu halten.

Das Skript lädt eine neue Version in Form der Differenzdatei herunter, wendet dann diesen einen oder auch mehrere Patches an und speichert das Ergebnis wieder als neuestes Kernelpaket. Das kann man dann auch gleich kompilieren und dem Bootload unterjubeln (dazu hab ich ein separates Skript).

In blau hab ich ein paar Bemerkungen dazugeschrieben; das Skript ist aber eigentlich selbsterklärend - finde ich ;)

#!/bin/sh -e

msg() { echo "$*" 1>&2; }
err() { msg "$*"; exit 1; }


# dies ist die Basisversion des Kernels
base="${1:-4.7}"
# "von" Version
old="${2:-0}"

# "nach" Version
new="${3:-4}"
v="${base}.${old}"
latest="linux-${base}.${new}"

# die Files heißen 4.7 und nicht 4.7.0
test "${old}" = "0" && v="${base}"
test "${new}" = "0" && latest="linux-${base}"



url="https://cdn.kernel.org/pub/linux/kernel/v4.x"
wget="wget -q --no-check-certificate"

kl="linux-${base}.${new}"
ext="xz"
source="/sources"

# nix mehr zu tun, schon da
test -f "${kl}" && err "# Kernel ${kl} exists"

msg "unpack linux-${v}"
work=$(mktemp -d -p "${source}")
cd "${work}"
tar xf "${source}/linux-${v}.tar.${ext}"
mv "linux-${v}" "${latest}"

# wenn der alte Kernel 0 ist, reicht der neueste Patch allein
if [ "${old}" = "0" ]
then
    patch="patch-${base}.${new}.${ext}"
    test -f "${patch}" || ${wget} "${url}/${patch}"
    test -f "${patch}" || err "! download ${patch} failed"
    msg "apply ${patch}"
    xz -cd "${patch}" | patch -d "${latest}" -Nstp1
else

# ansonsten jeden patch von x nach x+1 holen
    while [ "${old}" -lt "${new}" ]
    do
        next=$(expr "${old}" + 1)
        ipatch="patch-${base}.${old}-${next}.${ext}"
        test -f "${ipatch}" || ${wget} "${url}/incr/${ipatch}"
        test -f "${ipatch}" || err "! download ${ipatch} failed"
        msg "apply ${ipatch}"
        xz -cd "${ipatch}" | patch -d "${latest}" -Nstp1
        rm -f "${ipatch}"
        old="${next}"
    done
fi
rc="${?}"

if [ ${rc} -eq 0 ]
then
    msg "pack ${latest}"
    egrep "^(VERSION|PATCHLEVEL|SUBLEVEL) = " "${latest}"/Makefile 2>/dev/null
    tar cf - "${latest}" | xz -9 > ../"${latest}.tar.${ext}"
    msg "cleanup tmp"
    cd ..
    rm -fr "${work}"
else
    err "! patch failed, rc=${rc}"
fi

14.09.2016

Flash-Update auf Version 23

Mir fehlen langsam die Worte, wie die Versionsnummern inflationär in Höhen klettern. Google hat es mit Chrome vorgemacht, aus irgendwelchen Gründen macht es Mozilla mit Firefox und Thunderbird nach, und jetzt beschleunigt Adobe die Nummerierung des Flashplayers genauso.

Und weil mir die neuen Worte fehlen, nehme ich immer den alten Blogartikel, nur die Versionsnummern und die Links ändern sich ;)

Oha, am Security Bulletin merke ich, dass ich 22.0.0.211 verpasst habe, ich kannte nur .209. Naja. Sorry ;-)

Einen Hinweis muss ich aber nun doch noch einbauen: ab Ende Januar 2016 gibt  es keine freien Downloads der Installationsdateien mehr. Genaue Modalitäten sind noch nicht bekannt, Adobe hat nur bekannt gegeben, dass die Downloadlinks über die "distribution3.html"-Seite nicht mehr zur Verfügung stehen werden und man eine Adobe-ID und eine Business-Lizenz benötige.

Grade erst Version 16 (siehe meinen älteren Blogartikel von November 2015) und 17 (hier) und 18 (hier im Blog) und 19 (hier im Blog) und 20 (hier im Blog) und 21 (hier im Blog) und 22 (hier im Blog), jetzt schon 23 (mittlerweile zählt wohl auch ein Major release nicht mehr zu den besonders erwähnenswerten Ereignissen bei Adobe?). Wer sich selbst auf dem Laufenden halten will, kann das Blog des Security-Teams bei Adobe lesen oder als RSS abonnieren.

Wie üblich in ihrem freundlichen Service-Blog die passende Automation zum Herunterladen und Installieren. Falls ein Proxy verwendet wird, das "rem" bzw. "#" entfernen und eigene Proxy-Adresse eintragen.

Das Tool wget wird bei Windows noch benötigt wie hier beschrieben. Bei Linux sollte es schon vorhanden sein, da es von vielen anderen Programmen intern verwendet wird.

Für Windows wie üblich beide Varianten, ActiveX und Netscape Plugin (Achtung übrigens, Firefox wird demnächst das NPAPI komplett abschaffen - mal sehen, was Adobe und Flash dann machen).
@echo off

rem set http_proxy=http://192.168.100.100:3128/
set VNP=
23.0.0.207
set VAX=
23.0.0.207
set V=23
set H=fpdownload.macromedia.com
set P=/get/flashplayer/current/licensing/win
set AX=install_flash_player_%V%_active_x.exe
set NP=install_flash_player_%V%_plugin.exe

wget http://%H%%P%/%AX% -O flash-%VAX%_ax.exe
.\flash-%VAX%_ax -install
wget http://%H%%P%/%NP% -O flash-%VNP%_np.exe
.\flash-%VNP%_np -install

Für Linux 64 bit rpm (als root ausführen oder "sudo rpm" schreiben) gibt es nach wie vor "nur" Version 11, aber zur Abwechslung haben sich der Downloadlink und der Dateiname für .rpm geändert. Für .tar.gz-Format ist immer noch der erste Downloadlink gültig, deshalb belasse ich beide im Skript.
#!/bin/sh

# http_proxy=http://192.168.100.100:3128/

VL=11.2.202.644
H=fpdownload.macromedia.com

PL1=/get/flashplayer/current/licensing/linux
PL2=/get/flashplayer/pdc/${VL}


DL() { wget -N "$1/$2"; mv "$2" "$3"; }

echo Linux 64 bit rpm ...
DL http://${H}${PL2} \
   flash-plugin-${VL}-release.x86_64.rpm \
  
flash-${VL}.x86_64.rpm
rpm -F --force
flash-${VL}.x86_64.rpm
[20160914: Security-Bulletin von Adobe]
[20161012: Security-Bulletin von Adobe]
[20161026: Security-Update von Adobe]
[20161109: Security-Update von Adobe

13.09.2016

Ersatzteile für ältere Autos

Wie versprochen folgt heute nun der zweite Teil meines Berichts über das derzeitige Auto-Desaster. Wie schon erzählt, war die Ersatzteilbeschaffung für die Familienkutsche Fiat Ulysse nicht ganz einfach.

Für das kleine Spaßauto, ein Opel Astra Cabrio, ist die Situation nicht ganz so schrecklich, aber trotzdem gibt es berichtenswerte Details zur Reparatur.

Eigentlich sollte nur kontrolliert werden, warum der Rückwärtsgang sich so schlecht einlegen lässt und manchmal wieder herausspringt. Ich hatte schon die Befürchtung, dass es nicht ganz billig sein könnte - mir war klar, dass dazu das Getriebe ausgebaut werden muss.

Aber ich hatte nicht damit gerechnet, wie umfangreich die Vorarbeiten sein müssen, damit das Getriebe sich vom Auto trennen lässt: der Motor musste hochgestellt werden, dann die Kupplung und die Vorderachsen ausgebaut, und dann konnte das Getriebe vom Motor getrennt werden. Das arme Auto!

Bei der Begutachtung des Getriebes stellte sich heraus, dass der Synchronring für den Rückwärtsgang gebrochen war, vermutlich aufgrund übermäßiger Beanspruchung durch einen abgenutzten Puffer (ein billiges Plastikteil) am Ausrückhebel. Das wären die zwei halbkreisförmigen Teile unten links im Bild am Rand. Eigentlich sollte das ein ganzer Ring sein. Der Hebel hat eine Art Greifzange und ist im Bild oben Mitte (das längliche Teil).

Für andere Getriebe von Opel gibt es Reparatursätze, mit denen man alle Verschleißteile auf einmal wechseln kann (weiter oben hab ich ja erwähnt, wie aufwändig der Ausbau des Getriebes ist). Wenn man das Getriebe nämlich schon mal offen hat, soll sich der Aufwand ja lohnen, und dann macht man alles, was nötig und sinnvoll ist.

Leider ist für diese Kombination von Motor und Getriebe (für Kenner: Motor Z20LET und Getriebe F23) die Ersatzteilbeschaffung nicht kompliziert, aber umfangreich: man muss für jeden Gang die Verschleißteile einzeln ordern, und jedes Ersatzteil kostet einige Hundert Euro. So schmerzlich es ist: eine komplette Überholung mit allen Verschleißteilen hätte mich über 2000 € gekostet, und das wollte ich dann doch nicht auf einen Schlag in das Auto stecken. Also wurde nur der Rückwärtsgang repariert.

Und wo wir gerade beim "das Zerlegen muss sich doch lohnen" sind: die Verschleißteile in der Kupplung wurden auch gewechselt. Rein zufällig war sie ja auch ausgebaut. Seufz.

Bei der ersten Probefahrt mit dem neuen Getriebe hat der Werkstattinhaber dann merkwürdige Geräusche festgestellt. Das ist üblicherweise immer ein schlechtes Zeichen ... zuerst war die Vermutung, dass irgendwo ein kleines Loch in der Abgasanlage ist. Prinzipiell war die Überlegung auch richtig - leider war es der Anfang der Abgasanlage direkt am Motor. Profis nennen das defekte Teil "Krümmer", also die Verbindung zwischen Motor und Abgasleitung.

Schmerzlicherweise ist das nicht nur ein Blechteil, das die Abgase der vier Zylinder bündelt und in Richtung Katalysator schickt wie in meinem vorherigen Astra G Dreitürer - nein, in den Krümmer ist auch der Turbolader integriert. Das klingt dann schon wieder richtig teuer - ist es leider auch.

Im Krümmer war also ein kleiner Riss. Das Gefährliche daran: dort verläuft auch das Lager für die Achse des Turboladers, und wenn diese Achse plötzlich ohne Öl läuft, könnte es gefährlich werden. Ich hatte mich in den letzten Monaten schon gewundert, dass das Auto anfing, mehr Öl zu verbrauchen, aber ich schob es bequemerweise auf den ältlichen Motor mit 150.000 km. Jetzt denke ich, dass sich auf diese Weise der Riss im Krümmer langsam andeutete und entwickelte.

Nun denn, das ist aber noch lange nicht das Ende der Geschichte. Während sich also im Lauf der Woche das Drama um den Krümmer entwickelte, fiel der Fiat schon wieder aus: Schwiegermutter kam nach Hause und stellte das Auto ab. Als ich die Kinder abholen wollte, ließ sich der Fahrersitz nicht mehr verstellen. Der Beifahrersitz hat ebenfalls elektrische Sitzverstellung und funktionierte noch, ebenso die Spiegel und deren Memory-Funktion. Fazit: irgendein Bauteil oder die Verkabelung im Fahrersitz.

Also mussten wir mal wieder fliegend die Autos tauschen: der Astra wurde abgeholt und der Fiat musste gleich wieder dableiben. In der Zwischenzeit habe ich die Diagnose: der Stecker, der die Kabel vom Sitz bündelt und ins Steuergerät für die Sitzelektrik leitet, ist defekt und muss ausgetauscht werden. Kleine Ursache, große Wirkung: der defekte Sitz ist leider in der Einstellung für die Körpergröße meiner Schwiegermutter stehen geblieben. Das heißt, dass ich mit Mühe sitzen kann, aber mehr als 10 Minuten fahren kann ich damit nicht, und meine Frau ist ebenfalls kaum in der Lage, einzusteigen und zu fahren.

Bei der nächsten Fahrt mit dem Astra der Schock: es ruckelt ungemein. Ich hatte natürlich die Befürchtung, dass der neue Turbolader gleich wieder ein Problem hat, aber zum Glück ließ sich das Ruckeln durch Tauschen der Zündkerzen beheben.

Ich fürchte, langsam berechnet mir meine Werkstatt Garagenmiete ;-)

06.09.2016

Wegfahrsperre und Wegwerfgesellschaft - und das Happy-End

Zur Abwechslung will ich mir mal ein paar Gedanken (aus Berstadt ...) über ein Thema machen, das seit ein paar Jahren immer mal wieder diskutiert wird, das man aber trotzdem nicht so richtig greifen kann: die sogenannte geplante Obsoleszenz, d.h. vom Hersteller absichtlich mit dem Ziel des Ausfalls nach einer absehbaren Zeit konstruierte Geräte.

Behauptet wird diese Verschwörungstheorie immer mal wieder, insbesondere bei elektronischen Geräten. Die c't und andere Quellen berichtet auch immer mal wieder von defekten Mainboards in PCs oder von Netzteilen, in denen eine bestimmte Art von Bauteil kaputt geht: nämlich die "Elektrolytkondensatoren". Diese Bauteile altern und platzen dann gern mal auf, verlieren dabei ihren chemischen Inhalt (das Elektrolyt) und stellen deshalb ihre Funktion ein.

Ich war bislang immer skeptisch - natürlich wird diese Art von Versagen in Kauf genommen. Bauteile altern und gehen immer mal kaputt. Manche Hersteller sind vielleicht etwas - sagen wir - großzügiger bei der Auswahl der Bauteile und nehmen zugunsten des Preises eine kürzere Haltbarkeit in Kauf. Es muss ja nur halten, bis die Garantiezeit bzw. die gesetzliche Gewährleistung abläuft. Was darüber hinaus geht, ist Bonus zugunsten des Kunden und trägt "nur noch" zum guten Image bei. Aber ebenso halt insbesondere nicht zur Umsatzverbesserung. Ich kann aber nicht wirklich glauben, dass ein Einkäufer den Hintergedanken der Lebensdauer verfolgt. Das wird ein Nebenaspekt sein, der "in Kauf" genommen wird, aber mehr auch nicht.

Bislang nahm ich an, dass die Autoindustrie langlebige Ware herstellt und auch dafür sorgt, dass ihre Produkte reparierbar sind, indem für einen bestimmten Zeitraum Ersatzteile vorrätig gehalten werden.

Diese Annahme hat in den letzten Wochen einen schweren Dämpfer erlitten, und das gleich zweimal: beide unserer Autos, sowohl die Familienkutsche von Fiat als auch das kleine Spaßauto von Opel hatten Defekte, für die es vom Hersteller keine vernünftige Ersatzteillieferung mehr gibt.

Aber der Reihe nach. Die Geschichte hinter unserem defekten Fiat Ulysse (Bj. 2003) ist eine mit einem mehr als sechswöchigen Werkstattaufenthalt mit Höhen und Tiefen, die man in ihrer Gesamtheit kaum glauben kann.

Irgendwann neulich passierte das hier: meine Frau (natürlich die beste Ehefrau von allen ...) hat das Auto in den Hof rangiert, und das Zuschließen mit der Fernbedienung im Schlüssel klappte plötzlich nicht - Fenster schlossen nicht und Türschloss verriegelte auch nicht. Na gut, könnte auch die Batterie in der Fernbedienung sein. Also Schlüssel ins Schloss stecken - aber es passierte trotzdem nichts. Auch der Motor sprang nicht mehr an; der Anlasser orgelte, aber der Motor weigerte sich. Die örtliche Werkstatt kam mit der ambulanten Ausstattung, fand eine defekte Sicherung für die Innenbeleuchtung, aber nicht die grundsätzliche Ursache, also wurde der Wagen in die Werkstatt geschleppt.

Da unser Fiat schon mal elektrische Probleme hatte (Kabelbruch), wurden zunächst alle Kabel getestet. Dies wurde erschwert durch die Tatsache, dass es nicht einen einzelnen Schaltplan gibt, sondern mehrere, die eine Werkstatt einzeln kaufen muss. Diese ganzen Untersuchungen dauerten schon mal mehr als zwei Wochen, und das ist ganz schön bitter, wenn das große, praktische Auto so lange nicht zur Verfügung steht.

Langer Rede, kurzer Sinn: das Ergebnis war, dass das zentrale Steuergerät defekt war, das im Sicherungskasten untergebracht ist. Dieses Steuergerät ist neu nicht mehr bei Fiat lieferbar - es hätte um die 800 € gekostet, falls doch.

Aber ich hatte Glück im Unglück: bei Ebay fand ich einen Autoverwerter kurz hinter Frankfurt, der aus einem fast baugleichen Lancia mit Benzin-V6-Motor einen solchen Sicherungskasten anbot - und das für sagenhafte 30 €! Rein zufällig war meine Frau sogar an dem Tag gerade in Frankfurt unterwegs und sie konnte das Ersatzteil eine Stunde nach dem Kauf schon abholen und bei der Werkstatt in Berstadt abgeben.

Nach dem Ein- und sonstigen Zusammenbau und der Umprogrammierung auf den Motortyp Diesel in unserem Fiat kam dann die Ernüchterung: alles funktionierte wieder (Scheiben, Schlösser, Licht etc.) - außer dem Motor. Er wollte nicht anspringen, und das führte dann schließlich zu der Erkenntnis, dass in diesem Steuergerät die Wegfahrsperre drinstecken muss.

Das war erschreckend, aber nachdem nun die ganze Geschichte ausgestanden ist (es geht gleich weiter), schließt sich an dieser Stelle zunächst der Bogen zu meiner einleitenden Bemerkung über die geplante Obsoleszenz: in diesem Steuergerät ist die Wegfahrsperre verbaut, und nur der Hersteller ist in der Lage, mit dem Nachweis des Fahrzeugbriefs und der Fahrgestellnummer das Steuergerät so zu programmieren, dass es zum zu reparierenden Auto passt. Da sich Fiat durch Nichtlieferung des Steuergeräts also offensichtlich weigert, dieses Modell Fiat Ulysse weiter fahren zu lassen, ist dies meiner Meinung nach tatsächlich ein Fall von gewolltem und geplantem Ausfall.

Wenn man es vom kryptografischen Standpunkt betrachtet, ist die Wegfahrsperre ungefähr vergleichbar mit Verschlüsselung von WLAN: es gibt eine Instanz, die den Zugang kontrolliert (hier WLAN, dort Motor), und nur wenn man den Besitz oder das Wissen um ein Geheimnis nachweisen kann (hier WLAN-Passwort, dort Schlüssel mit Chip), bekommt man den Zugang gewährt.

Dies ist ein Herstellermonopol: allein Fiat weiß, wie die Technik funktioniert, um die Wegfahrsperre zu programmieren. Besonders schmerzhaft also, wenn die Produktion des Ersatzteils eingestellt wird und es auch keine sonstige Möglichkeit von Fremdherstellern gibt, die in die Bresche springen könnten. Auf der einen Seite ist dies natürlich gewollt: wenn jemand außer Fiat es könnte, wäre es kein Problem, einen Fiat zu stehlen und ein neues Steuergerät zu programmieren. Auf der anderen Seite steht der gelackmeierte Kunde, wenn der Hersteller sich weigert, ein Ersatzteil für eine Reparatur zu liefern.

Zu unserem riesigen Glück gibt es Firmen, die auf die Reparatur von elektronischen Autokomponenten spezialisiert sind, und eine solche konnte tatsächlich nach gutem Zureden aus dem alten und dem neuen Sicherungskasten kombiniert ein funktionsfähiges Gerät zusammenbauen. Kompliziert war nur, dass die Wegfahrsperre auch mit dem eigentlichen Motorsteuergerät in Verbindung steht, also musste dieses Steuergerät auch noch ausgebaut werden, und die Spezialwerkstatt benötigte auch noch einen unserer Autoschlüssel.

Nach etwa einer Woche wurde das reparierte Teil zurückgeschickt, und nach dem Zusammenbau fiel uns allen ein Stein vom Herzen: die Familienkutsche fährt wieder.

Einziger kleiner Schmerz: statt der tatsächlich gefahrenen 145.000 km hat der Tacho nun 300.000 km in der Anzeige. Der Kilometerstand wird also irgendwo in einem der Chips gespeichert, die aus dem Spender-Lancia in unseren Fiat gewandert sind. Da wir aber die vollständige Werkstattdokumentation haben, ist dies vernachlässigbar. Hauptsache, es fährt wieder!

Und morgen, liebe Kinder, erzähle ich den Rest der Geschichte mit dem Rückwärtsgang im Zweitwagen Opel Astra.

03.09.2016

Hintertüren in Software - Leserbrief

Im Moment macht der Innenminister mal wieder heiße Luft im Blätterwald mit der Forderung, staatliche Hintertüren in Software einzubauen, z.B. in Smartphones. Die Idee finde ich so blöd, dass ich einen Leserbrief dazu schrieb.
Bezeichnend für die politische Grundhaltung der WZ ist die Kürzung (so markiert).
[Veröffentlicht am 03.09.2016]

Unser Innenminister de Maizière fordert also mal wieder, dass Softwarehersteller Hintertüren in ihre Produkte einbauen sollen.

Diese Hintertüren gibt es schon lang: man nannte sie bislang Sicherheitslücken, die durch schlechte Programmierer entstanden sind.
Für Sicherheitslücken gibt es seit Jahren einen Markt, auf dem sich private Bösewichte genauso tummeln wie Staaten.
Nur mal so als Stichwort eine der erschreckenden Tatsachen dieses Marktes: Lücken, die einem Schädling das dauerhafte Einnisten in ein Gerät ermöglichen, d.h. auch einen Neustart des Geräts überstehen, werden mit Summen ab 100.000 Dollar gehandelt.

Aus der aktuellen Debatte über die "Pegasus"-Sicherheitslücke in iPhones (technisch eine schlaue Kombination von vier Lücken), auf die Apple vorbildlich in nur 10 Tagen reagiert hat und nun iOS 9.3.5 verteilt, lernen wir Folgendes:
Sicherheitslücken sind eine ganz schlimme Sache, die so schnell wie möglich behoben werden müssen, weil (natürlich) nicht nur die "Guten" sie ausnutzen, sondern ganz schnell auch die Bösen. Hier bricht ironischerweise die Klassifizierung zusammen: die "Bösen" sind in diesem Fall vermutlich ein Staat, dem der angegriffene Aktivist ein Dorn im Auge war, und die halten sich selbst natürlich wiederum für die "Guten". Alles ist relativ.

Wenn nun sogar noch bekannte Sicherheitslücken in die Geräte eingepflanzt werden (eben die von de Maizière geforderten Hintertüren), dann werden schlagartig alle unsere elektronischen Geräte gefährlich. Man muss nämlich nicht mehr aktiv nach Sicherheitslücken forschen und herausfinden, wie man durch die Kombinationen mehrerer Lücken sein Ziel erreicht, sondern es reicht, den einen Mitarbeiter eines Geheimdienstes oder des Softwareherstellers zu bestechen oder zu bedrohen, damit er die Details der Hintertür weitergibt. Es gibt keine Hintertür, die nur für die "Guten" existiert.

Wer würde denn so eine Hintertür einbauen? Der Hersteller natürlich. Und so, wie ich große Firmen kenne, wird so eine Hintertür dann in etwa 300 Software-Entwicklern bekannt sein. Die sitzen in einem Land, das nicht der deutschen Rechtsprechung unterworfen ist. Man kann sich ausrechnen, wie "sicher" so ein Produkt sein kann.

Besonders schlimm: Geheimdienste wie der amerikanische NSA sitzen mitunter jahrelang auf dem Wissen über Sicherheitslücken (sogenannte "zero day exploits", also Lücken, die ausgenutzt werden, aber dem Hersteller nicht bekannt sind), weil sie sich einbilden, die einzigen mit dieser Kenntnis zu sein. Aber natürlich ist es nicht so: wenn ein Geheimdienst eine Lücke finden oder kaufen kann, ist dies jedem anderen Bösewicht ebenso möglich. Das Zurückhalten solcher Kenntnisse gefährdet also uns alle, bei fraglichem Nutzen über eine zukünftige Gelegenheit, die vielleicht sogar nie kommen wird.

Genau das ist das Perfide an dieser Pseudo-Diskussion: Politiker fordern etwas, von dem sie nichts verstehen, und wovon jeder Sicherheitsforscher abrät. Aber die Forderung selbst, untermauert von populistischen Begründungen wie Terrorbekämpfung, steht im Raum und wird wieder und wieder diskutiert, bis der Widerstand erlahmt. Aber der mögliche Nutzen steht in keinem Verhältnis zum definitiven Schaden für alle, wenn so ein Quatsch in ein Gesetz gegossen wird.

Die Sicherheit vor elektronischen Schädlingen wäre höher, wenn sich der Bundesinnenverteidiger de Maizière um ein Gesetz zur Update-Pflicht für Sicherheitslücken kümmern würde, statt hohle Phrasen über den "rechtsfreien Raum" zu dreschen.

Wie schnell kommt denn das Update für ein Gerät in Deutschland, das nicht gerade zur Spitzenklasse gehört? Eben. Die einzigen Smartphones mit einigermaßen zuverlässiger Update-Garantie sind von Microsoft (Windows Phone), Apple (iPhone) und Google selbst (Nexus). Alle anderen Hersteller liefern Updates nur für das Top-Gerät des Jahres aus, mit Glück noch für das vom Vorjahr. Und das war's dann auch schon. Das Billig-Smartphone bezahlen wir also mit fehlender Sicherheit, weil nach Auslieferung die Uhr tickt und man sicher sein kann, dass die Software Fehler und damit Lücken enthält.

30.08.2016

TTIP vom Anti-Anti-Amerikaner erklärt - Leserbrief

Die Einschläge kommen härter und schneller. Abwechselnd schreiben die Herren Wais und Gillies dagegen an, dass sich die öffentliche Diskussion weiter mit den Nachteilen von TTIP und CETA beschäftigt.
Peinlich, wenn Herr Gillies dann zu solchen billigen Tricks greift und alle TTIP-Kritiker pauschal als "Anti-Amerikaner" beschimpft.
Der Kommentar am 30.08. wiederholt im Wesentlichen genau seinen vorherigen und bringt keine neuen Erkenntnisse. Das nenne ich merkbefreit.

Nach nur einer kurzen Erholungszeit nun schon wieder persönliche Angriffe von Herrn Gillies gegen jeden, der es wagt, Argumente gegen die Abkommen TTIP und CETA vorzubringen.
Ich akzeptiere, dass ein Kommentar eine persönliche Meinung enthalten kann und sollte, aber ich finde es traurig, wenn die Kommentare sich wiederholen, und dabei der Stand der Merkbefreiung dokumentiert wird.

Langsam finde ich es wirklich auffällig, wie intensiv und häufig die Herren Wais und Gillies sich in Kommentaren abwechseln und diese Abkommen hochjubeln.
Zumal diese Kommentare frei von Kenntnis der Tatsachen sein müssen, denn die Abkommen werden unter größter Geheimhaltung verhandelt und so gut wie niemand, insbesondere nicht die politischen Gremien wie Bundestag oder EU-Parlament, dürfen den vollen Vertragstext sehen.

Unsere souveränen demokratischen Gremien sollen also über einen internationalen Vertrag ohne Kündigungsmöglichkeit abstimmen, ohne ihn zu kennen und zu verstehen? Einen Vertrag, der die eigene Gerichtsbarkeit aushebelt und ein einseitiges Klagerecht von Konzernen gegen Staaten etabliert, gegen das es keine Widerspruchs- und Berufungsmöglichkeit gibt? Na vielen Dank, ihr Lobby-Organisationen.

Üblicherweise vereinbart man Schiedsgerichte mit Staaten, deren Rechtssystem fragwürdig ist, um auf diese Weise trotzdem Rechtssicherheit bei Verträgen zu erlangen.
Das ist soweit nachvollziehbar. Welches Mißtrauen muss denn nun zwischen USA und EU herrschen, wenn solche Schiedsgerichte hier als notwendig erachtet werden?

Meiner Meinung nach sollen diese Handelsabkommen dazu dienen, auf dem (Privat-)Klageweg alle störenden Regulierungen weg zu klagen.
Ein paar Beispiele, welche absurden Auswüchse von solchen Schiedsgerichten beschlossen werden:

Die kanadische Provinz Québec hat ein Moratorium für das Fracking von Schiefergas und Öl erlassen. Deshalb klagt das US-Unternehmen Lone Pine, welches zuvor eine Probebohrungslizenz erworben hatte, vor einem internationalen Schiedsgericht gegen den Staat Kanada und fordert 250 Millionen Dollar für den zu erwartenden Gewinnausfall. Wohlgemerkt, es geht nicht um die Rückzahlung von Gebühren oder Entschädigung für schon getätigte Ausgaben, sondern um den entgangenen Gewinn!

Der Tabakkonzern Phillip Morris klagt auf Entschädigung in Milliardenhöhe gegen Australien aufgrund entgangener Gewinne durch strengere Gesetze zum Tabakkonsum und verpflichtende Schockbilder auf Zigarettenpackungen.

Trotz rechtswidrigen Handelns wurde dem US-Ölriesen Oxy in Ecuador von einem Schiedsgericht eine Entschädigung von mehr als zwei (2,3) Milliarden Dollar zuerkannt.

Mexiko wurde wegen Schiedsgericht-Vereinbarungen im NAFTA-Abkommen (Freihandelsabkommen zwischen USA, Kanada und Mexiko) zu 325 Millionen Dollar Schadenersatz an eine US-amerikanische Firma verurteilt wegen einer Steuer auf Getränke mit besonders hohem Zuckeranteil aus Maisanbau ("High Fructose Corn Sirup"). Rein zufällig ist die Herstellung dieses Zuckers in USA hochsubventioniert; es gibt wissenschaftliche Untersuchungen, dass Krankheiten wie Diabetes dadurch in Verbindung mit Übergewicht Vorschub geleistet wird (Mexiko hat eine der höchsten Zahlen an Diabetes-Erkrankungen weltweit, insbesondere bei Kindern).

Die US-amerikanische Regierung hat noch nie ein Schiedsverfahren im NAFTA-Geltungsbereich verloren, nur Mexiko und Kanada. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt.
Ich würde sagen, dass die US-Seite die besseren Anwälte beim Entwurf der Vertragsdokumente hatte und die Vertragspartner vor Unterzeichnung nicht alle Falltüren gefunden haben.
(Quelle für all diese Beispiele: Süddeutsche Zeitung)

Untersuchungen von bisherigen Abkommen wie z.B. NAFTA haben ergeben, dass der Beschäftigungsschub i.A. ausbleibt, den die Apologeten so gern behaupten.

29.08.2016

Harry Potter and the cursed child - Buch zum Theaterstück


Nach längerer Zeit hab ich mal wieder ein neues Buch gelesen. Kein normales Buch, eher sowas wie eine Rückkehr zu den Reclam-Heftchen aus meiner Schulzeit. Allerdings deutlich teurer - Harry Potter ist die Lizenz zum Gelddrucken, und das wird ausgenutzt.

Die Harry-Potter-Maschinerie wurde kürzlich wieder angeworfen. Nach den eher unbekannt gebliebenen Büchern über Quidditch, Fabelwesen ("Fantastic Beasts") und die Bardensagen rollen nun ein neuer Film und ein - ja ehrlich! - ein Theaterstück an. Und damit es sich lohnt, gleich ein Stück, das auf zwei Teile, d.h. zwei Aufführungen angelegt ist. Derzeit wird es aber wohl in London an einem Stück aufgeführt.

Gleich vorweg: dies ist ein Buch, das schon mit "Rehearsal Edition" beworben wird, also eigentlich ein Buch für die Schauspieler des Stücks. Es enthält sehr viele Regieanweisungen und das Verhalten der Figuren wird nicht introspektiv beschrieben, sondern als sehr trockene Hinweise, wie es für den Zuschauer aussehen und wirken soll.

Die Geschichte ist schnell erzählt: der Anfang schließt unmittelbar an die Epilog-Szene aus Teil 7 an, als Harry seinen Sohn Albus Severus zum ersten Mal an Bahnsteig 9 3/4 verabschiedet.

Allerdings ist nichts seitdem Friede, Freude, Eierkuchen: Harry Potter bekommt sein Leben, seine Familie und seinen Beruf nicht wirklich in den Griff. Er ist Leiter der "magical law enforcement", also quasi Chef der Zaubererpolizei, seine Chefin ist Hermione als Ministerin für Magie, und er schiebt seit Monaten den notwendigen Papierkram im Büro vor sich her. Das bringt ihm einen Rüffel von Hermione ein, die ihn auffordert, den Gerüchten nachzugehen, ob die gesteigerten Aktivitäten von Trollen, Riesen etc. irgend etwas Schlimmes zu bedeuten hätten.

Ich nehme meine Beurteilung hier vorweg - wer das Buch mit allen Überraschungen selbst lesen will, kann dann beim Hinweis "[Achtung, Spoiler]" aufhören zu lesen.

Einerseits ist es schön, dass die Harry-Potter-Geschichte "offiziell" von der Autorin weiter erzählt wird - wenn auch quasi nicht selbst, sondern mit zwei Theaterautoren als Ghostwriter. Diese Bezeichnung hat hier im Zusammenhang eine kleine Ironie, fällt mir auf ;)

Die Geschichte greift wie so gern den Vater-Sohn-Konflikt auf und beleuchtet sowohl Draco mit Sohn als auch Harry mit Sohn. In den vergangenen Jahren hat sich Draco sehr verändert - das hat man auch in den letzten zwei Büchern schon gemerkt, und auch in den Filmen hat Draco das gut darstellen können. Er distanziert sich sehr deutlich von seinem Vater Lucius und trägt maßgeblich zur Rettung bei. Diesen Teil finde ich gut.

Andererseits wirkt es sehr gekünstelt, dass eine Zeitmaschine verwendet wird. Dadurch kann man natürlich alles, aber auch alles, rückgängig machen und an allen Schrauben drehen, um zuerst Spannung zu erzeugen und sie dann aufzulösen.

Vollkommen erwartet gibt es also eine Zukunft, in der Harry nicht gewonnen hat, in der Ron nicht Hermione, sondern Padma Patil geheiratet hat, in der Cedric nicht stirbt, sondern zum Death Eater wird und Neville tötet, so dass dieser Nagini nicht beseitigen kann. Wie schon einmal, wenn auch nur kurz, ist Dolores Umbridge Direktorin von Hogwarts, Snape ist Lehrer.

Schlussendlich ist "Cursed Child" aber den Weg aller Star Trek-Folgen gegangen: am Ende ist der Status Quo wieder hergestellt und die Geschichte verläuft so, wie die ersten sieben Bücher sie beschreiben.

Zeitreisen sind natürlich immer schwer zu erklären, aber die Stelle mit der Zerstörung des Prototypen fand ich unlogisch. Man kann nur fünf Minuten in der Vergangenheit bleiben, aber wenn er zerstört wird, ist man dort gefangen? Ich hätte angenommen, dass man sofort zurück in die Gegenwart befördert wird. Aber das gehört wohl zu den dramaturgischen Freiheiten ...

Im Grunde hat mir das Buch nicht gefallen. Nur ausgesprochene Harry-Potter-Fans werden es natürlich in ihrer Sammlung haben wollen (wie ich). Literarisch ist es nichts besonderes - man erkennt wenig von Rowlings schriftstellerischen Fähigkeiten. Die "richtigen" Bücher sind, insbesondere im Englischen, sehr schön zu lesen und sehr empfehlenswert. Dieses hier eher nicht. Es führt die Geschichte offiziell weiter, und ergänzt das Potter-Universum um ein paar kleine Details.

Der Vater-Sohn-Konflikt wird nicht besonders aufgearbeitet - das wäre wohl eher im aufgeführten Stück zu genießen, wenn die Schauspieler gut sind. Beim nächsten London-Besuch werde ich auf jeden Fall versuchen, eine Aufführung zu besuchen ;)

Früher oder später wird es sicherlich auch einen Film geben. Mal schauen (ja, das war auch wieder ein Wortspiel!).

Die Schlussszene an Cedrics Grab und die Annäherung zwischen Vater und Sohn war ganz ok, aber auch nichts Besonderes. Die Schlussszene am Ende von Terry Pratchetts "Night Watch", als zuerst Carcer und Vimes und danach Vetinari und Vimes diskutieren, ist ein ganz anderes Kaliber von Friedhofsgespräch ;)

[Achtung, Spoiler]

Im Umgang mit dem jüngsten Sohn Albus Severus ("Al") hat Harry große Schwierigkeiten. Al denkt, dass er ihm mit den Namen eine zu große Bürde mitgegeben hat und er deshalb in Hogwarts Schwierigkeiten bekommt. Der Hut sortiert ihn auch tatsächlich in das Haus Slytherin ein, im Gegensatz zu seinen Geschwistern James und Lily. Al bleibt ein Außenseiter und freundet sich nur mit Scorpius Malfoy an, Dracos Sohn. In ihrem dritten Jahr stirbt Dracos Frau Astoria. Scorpius leidet unter dem Gerücht, dass nicht Draco, sondern Voldemort sein Vater sei.
Harry kann zu Beginn des Buchs eine Zeitmaschine, einen Time Turner, erkämpfen, der offensichtlich neu konstruiert ist und nicht nur eine Stunde, sondern Jahre zurück in die Vergangenheit reisen kann. Der Prototyp kann den Reisenden aber nur für fünf Minuten in die Vergangenheit bringen.

Albus und Scorpius stehlen den Time Turner aus Hermiones Büro und wollen damit Cedric Diggorys Tod ungeschehen machen, der am Ende des Triwizard-Wettbewerbs von Peter Pettigrew mit Voldemorts Zauberstab getötet wurde. Dabei richten sie großen Schaden an, reisen für eine Korrektur nochmals in die Vergangenheit und richten noch mehr Schaden an.

Harry hat in beiden Version der geänderten Vergangenheit den Kampf gegen Voldemort verloren und ist tot. Hermione und Ron sind noch auf der Flucht und opfern sich, um Al und Scorpius das Entkommen nach der Zeitkorrektur zu ermöglichen. Scorpius kehrt allein zurück, weil Al nie geboren wurde, und mit einem weiteren Time Turner aus dem Besitz von Lucius Malfoy, den Draco zu Harry mitbringt, können sie nach und nach die Zeitverwerfungen korrigieren.

Zum Ende taucht das tatsächliche Kind Voldemorts auf - eine Tochter namens Delphi von Beatrix Lestrange. Delphi wollte ebenfalls die Zeit verändern und ihren Vater am Mord an Harrys Eltern hindern, damit er nicht besiegt wird. Sie reist mit Al und Scorpius in die Zeit kurz vor dem Mord und zerstört dann den Time Turner. Al findet aber eine Möglichkeit, über die Kuscheldecke von Baby Harry eine Nachricht in die Zukunft zu senden, damit Harry weiß, wann Delphi zuschlagen will.

Draco gibt zu, dass Lucius einen weiteren Time Turner hat, der noch weiter entwickelt ist und mit dem man beliebig lang in der Vergangenheit bleiben kann, nicht nur fünf Minuten wie mit dem Prototyp, den Al und Scorpius verwendeten.

Sie reisen ebenfalls in diese Zeit. Mit Polyjuice gibt sich Harry als Voldemort aus und kann Delphi lang genug täuschen, damit sie kampfunfähig gemacht werden kann. Ihr steht ein Gefängnisaufenthalt in Azkaban bevor.

Ganz langsam scheint sich das Verhältnis von Harry und Al zu bessern. Genau wie Voldemorts Tochter wollten sie Liebe und Aufmerksamkeit von ihren Vätern haben. Die Werkzeuge dazu sind allerdings bei Zauberern etwas mächtiger und gefährlicher ...

01.08.2016

Schon wieder TTIP - Leserbrief

Langsam frage ich mich, was die Wetterauer Zeitung davon hat, dass sie regelmäßig Jubelarien auf das Handelsabkommen TTIP in den Kommentaren bringt. Es ist ja nicht so, dass die Herren Kommentatoren ausgewiesene Jura-Experten sind, oder Wirtschaftswissenschaftler, oder überhaupt von den TTIP-Dokumenten irgend etwas schon gelesen hätten.
Nichtsdestotrotz wird gejubelt, wie toll TTIP ist und wie unbedingt dieses Abkommen zwischen Deutschland und USA abgeschlossen werden muss. Weiteres tolles Argument: wenn wir es nicht tun, tun es die Engländer nach dem Ausstieg aus der EU ganz bestimmt.

Hier ist mein Leserbrief als Antwort auf den Kommentar von Hr. Wais vom 27.07.2016, neben Hr. Gillies einer der beiden TTIP-Claqueure der WZ.
Zur Abwechslung mal wieder ein Kommentar von Hr. Wais zum Thema TTIP. Immerhin beschimpft er die TTIP-Kritiker nicht als "Anti-Amerikaner" wie Hr. Gillies neulich.
Nichtsdestotrotz hat auch er keine Argumente für TTIP, die über Mutmaßungen hinausgehen.
Immerhin hat er erkannt, dass die Mär von den angeblichen Millionen neuen Arbeitsplätzen tatsächlich genau das ist: eine Mär.
Im Kommentar ist zu lesen, dass TTIP Arbeitsplätze "sichert", "wenn nicht sogar neue schafft". Das klingt doch schon ganz schön defensiv im Vergleich zu den vorherigen Jubelarien.

Der Hinweis auf die Abgasregelungen ist leider ungewollt ironisch, wie wir seit einiger Zeit nicht nur bei VW beobachten. Selbst wenn die Grenzwerte noch so streng sind, findet jemand ein Hintertürchen wie z.B. die Umgebungsbedingungen, bei denen die Grenzwerte nicht eingehalten werden müssen. Bei manchen Wagen wird die Abgasregelung unter 10 und über 30 Grad Celsius einfach abgeschaltet, und schon ist alles in Butter. Da auch hier wieder durch Lobbyarbeit (vermute ich) die Gesetzestexte hinreichend schwammig sind, hat jeder erreicht, was er wollte - strenge Normen zur Beruhigung der Öffentlichkeit, Hintertürchen für eine "preiswerte" Umsetzung bei Entwicklung und Fertigung.

Leider wird schon wieder das Chlorhühnchen erwähnt, das eigentlich noch das geringste Problem an TTIP ist. Ich befürchte aber, dass durch die pausenlose Wiederholung dieses einen Stichworts am Ende TTIP doch noch gewinnt, weil irgend jemand das "Chlorhühnchen" aus dem Vertragstext entfernen konnte und dies als riesigen Erfolg feiert.

Grundsätzlich hat TTIP aber ganz andere Probleme: der Bundestag soll über einen Vertrag abstimmen, ohne ihn ausführlich lesen und beraten zu können.
Das TTIP-Abkommen, genauso wie CETA und TISA, wird unter größter Geheimhaltung verhandelt. Der streng kontrollierte Leseraum für Abgeordnete ist lächerlich, und selbst die handschriftlichen (!) Notizen kann er nicht mit seinen fachkundigen Mitarbeitern diskutieren, so geheim ist das alles. Ein eigenes vollständiges Exemplar der Texte gibt es schon gar nicht für unsere gewählten Volksvertreter.

Der Bundestag und das EU-Parlament sollen am Ende über einen internationalen Vertrag ohne Kündigungsmöglichkeit abstimmen, ohne ihn zu kennen und zu verstehen? Einen Vertrag, der die eigene Gerichtsbarkeit aushebelt und über Schiedsgerichte ein einseitiges Klagerecht von Konzernen gegen Staaten etabliert, gegen das es keine Widerspruchs- und Berufungsmöglichkeit gibt? Na vielen Dank, ihr Lobby-Organisationen. Damit wird unsere Souveränität privatisiert.

Insbesondere ist vorgesehen, dass Firmen gegen unliebsame Gesetze klagen und Schadenersatz wegen entgangener Gewinne vor einem Schiedsgericht einklagen können.
Dort, wo es schon vergleichbare Abkommen gibt, ist das auch tatsächlich schon geschehen, in Australien, Kanada oder Ecuador z.B. klagen Firmen Milliarden ein, wenn ihnen Gesetze z.B. zum Verbraucherschutz (Nikotin) oder zum Fracking (Ölförderung) nicht passen.

Selbst wenn es also ein Politiker schafft, das "Chlorhühnchen" publikumswirksam aus dem Vertrag entfernen zu lassen, würde es durch eine Klage vor einem solchen Schiedsgericht schneller wieder nach Deutschland zurückkehren, als wir uns umgucken können. Schließlich ist es ja ein Handelshemmnis! Und wer weiß, was mit Abgasnormen passiert? Dagegen könnte man doch auch klagen, wenn in einem anderen Land schwächere Normen gelten!

"Wer mehr Wettbewerb will, muss gegen TTIP sein." Mit diesen Worten warnt der Co-Präsident des Club of Rome, Ernst Ulrich von Weizsäcker, vor dem transatlantischen Freihandelsabkommen mit den USA. Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.

14.07.2016

Abschiedsrede für die Schulabgänger 2016 der Singbergschule


Liebe Schulabgänger,
heute werden viele Reden gehalten, es gibt ein großes Programm, deshalb will sich der Elternbeirat kurz fassen im Sinne einer Empfehlung von Mark Twain: "Eine gute Rede hat immer einen guten Anfang und ein gutes Ende - und beide sollten möglichst dicht beieinander liegen."
Ihr habt Euch ein Lied von Revolverheld als Thema für die Feier ausgesucht, das gleichzeitig optimistische und melancholische Töne anschlägt. Dieses Lied spricht schon von einem Jahrgangstreffen – das liegt für Euch noch in der Zukunft, aber ich finde es toll, rechtzeitig daran zu denken.
Im Lied ist die Rede von
Alte Freunde wiedertreffen
Manche sind geblieben
Andere kommen heut von weit her
Doch uns're Freundschaft ist geblieben
Das kann uns keiner nehmen

Nach der Schule ist mitten im Leben.
Jeder von Euch wird seinen Weg gehen. Die Singbergschule hat Euch gut darauf vorbereitet. Einige werden wegziehen, andere werden hier irgendwo in der Nähe bleiben. Bleibt in Kontakt und bildet Netzwerke – das ist heutzutage leichter denn je. Es ist immer gut, wenn man überall Freunde hat.
Das Lernen wird nicht aufhören – entweder in der Ausbildung, in einer weiteren Schule, oder vielleicht sogar an einer Hochschule. Bleibt neu-gierig – gierig auf Neues!
Der spanische Philosoph Ortega y Gasset hat einmal gesagt: „Freiheit ist der Zwang, sich entscheiden zu müssen.“
Ich z.B. entscheide mich jetzt dazu, die Rede zu beenden.
In diesem Sinne:
Lasst uns die Gläser heben
Die Stadt wird hell und wir trinken auf's Leben