Zur Abwechslung will ich mir mal ein paar Gedanken (aus Berstadt ...) über ein Thema machen, das seit ein paar Jahren immer mal wieder diskutiert wird, das man aber trotzdem nicht so richtig greifen kann: die sogenannte geplante Obsoleszenz, d.h. vom Hersteller absichtlich mit dem Ziel des Ausfalls nach einer absehbaren Zeit konstruierte Geräte.
Behauptet wird diese Verschwörungstheorie immer mal wieder, insbesondere bei elektronischen Geräten. Die c't und andere Quellen berichtet auch immer mal wieder von defekten Mainboards in PCs oder von Netzteilen, in denen eine bestimmte Art von Bauteil kaputt geht: nämlich die "Elektrolytkondensatoren". Diese Bauteile altern und platzen dann gern mal auf, verlieren dabei ihren chemischen Inhalt (das Elektrolyt) und stellen deshalb ihre Funktion ein.
Ich war bislang immer skeptisch - natürlich wird diese Art von Versagen in Kauf genommen. Bauteile altern und gehen immer mal kaputt. Manche Hersteller sind vielleicht etwas - sagen wir - großzügiger bei der Auswahl der Bauteile und nehmen zugunsten des Preises eine kürzere Haltbarkeit in Kauf. Es muss ja nur halten, bis die Garantiezeit bzw. die gesetzliche Gewährleistung abläuft. Was darüber hinaus geht, ist Bonus zugunsten des Kunden und trägt "nur noch" zum guten Image bei. Aber ebenso halt insbesondere nicht zur Umsatzverbesserung. Ich kann aber nicht wirklich glauben, dass ein Einkäufer den Hintergedanken der Lebensdauer verfolgt. Das wird ein Nebenaspekt sein, der "in Kauf" genommen wird, aber mehr auch nicht.
Bislang nahm ich an, dass die Autoindustrie langlebige Ware herstellt und auch dafür sorgt, dass ihre Produkte reparierbar sind, indem für einen bestimmten Zeitraum Ersatzteile vorrätig gehalten werden.
Diese Annahme hat in den letzten Wochen einen schweren Dämpfer erlitten, und das gleich zweimal: beide unserer Autos, sowohl die Familienkutsche von Fiat als auch das kleine Spaßauto von Opel hatten Defekte, für die es vom Hersteller keine vernünftige Ersatzteillieferung mehr gibt.
Aber der Reihe nach. Die Geschichte hinter unserem defekten Fiat Ulysse (Bj. 2003) ist eine mit einem mehr als sechswöchigen Werkstattaufenthalt mit Höhen und Tiefen, die man in ihrer Gesamtheit kaum glauben kann.
Irgendwann neulich passierte das hier: meine Frau (natürlich die beste Ehefrau von allen ...) hat das Auto in den Hof rangiert, und das Zuschließen mit der Fernbedienung im Schlüssel klappte plötzlich nicht - Fenster schlossen nicht und Türschloss verriegelte auch nicht. Na gut, könnte auch die Batterie in der Fernbedienung sein. Also Schlüssel ins Schloss stecken - aber es passierte trotzdem nichts. Auch der Motor sprang nicht mehr an; der Anlasser orgelte, aber der Motor weigerte sich. Die örtliche Werkstatt kam mit der ambulanten Ausstattung, fand eine defekte Sicherung für die Innenbeleuchtung, aber nicht die grundsätzliche Ursache, also wurde der Wagen in die Werkstatt geschleppt.
Da unser Fiat schon mal elektrische Probleme hatte (Kabelbruch), wurden zunächst alle Kabel getestet. Dies wurde erschwert durch die Tatsache, dass es nicht einen einzelnen Schaltplan gibt, sondern mehrere, die eine Werkstatt einzeln kaufen muss. Diese ganzen Untersuchungen dauerten schon mal mehr als zwei Wochen, und das ist ganz schön bitter, wenn das große, praktische Auto so lange nicht zur Verfügung steht.
Langer Rede, kurzer Sinn: das Ergebnis war, dass das zentrale Steuergerät defekt war, das im Sicherungskasten untergebracht ist. Dieses Steuergerät ist neu nicht mehr bei Fiat lieferbar - es hätte um die 800 € gekostet, falls doch.
Aber ich hatte Glück im Unglück: bei Ebay fand ich einen Autoverwerter kurz hinter Frankfurt, der aus einem fast baugleichen Lancia mit Benzin-V6-Motor einen solchen Sicherungskasten anbot - und das für sagenhafte 30 €! Rein zufällig war meine Frau sogar an dem Tag gerade in Frankfurt unterwegs und sie konnte das Ersatzteil eine Stunde nach dem Kauf schon abholen und bei der Werkstatt in Berstadt abgeben.
Nach dem Ein- und sonstigen Zusammenbau und der Umprogrammierung auf den Motortyp Diesel in unserem Fiat kam dann die Ernüchterung: alles funktionierte wieder (Scheiben, Schlösser, Licht etc.) - außer dem Motor. Er wollte nicht anspringen, und das führte dann schließlich zu der Erkenntnis, dass in diesem Steuergerät die Wegfahrsperre drinstecken muss.
Das war erschreckend, aber nachdem nun die ganze Geschichte ausgestanden
ist (es geht gleich weiter), schließt sich an dieser Stelle zunächst
der Bogen zu meiner einleitenden Bemerkung über die geplante
Obsoleszenz: in diesem Steuergerät ist die Wegfahrsperre verbaut, und nur der Hersteller
ist in der Lage, mit dem Nachweis des Fahrzeugbriefs und der
Fahrgestellnummer das Steuergerät so zu programmieren, dass es zum zu
reparierenden Auto passt. Da sich Fiat durch Nichtlieferung des
Steuergeräts also offensichtlich weigert, dieses Modell Fiat Ulysse
weiter fahren zu lassen, ist dies meiner Meinung nach tatsächlich ein
Fall von gewolltem und geplantem Ausfall.
Wenn man es vom kryptografischen Standpunkt betrachtet, ist die Wegfahrsperre ungefähr vergleichbar mit Verschlüsselung von WLAN: es gibt eine Instanz, die den Zugang kontrolliert (hier WLAN, dort Motor), und nur wenn man den Besitz oder das Wissen um ein Geheimnis nachweisen kann (hier WLAN-Passwort, dort Schlüssel mit Chip), bekommt man den Zugang gewährt.
Dies ist ein Herstellermonopol: allein Fiat weiß, wie die Technik funktioniert, um die Wegfahrsperre zu programmieren. Besonders schmerzhaft also, wenn die Produktion des Ersatzteils eingestellt wird und es auch keine sonstige Möglichkeit von Fremdherstellern gibt, die in die Bresche springen könnten. Auf der einen Seite ist dies natürlich gewollt: wenn jemand außer Fiat es könnte, wäre es kein Problem, einen Fiat zu stehlen und ein neues Steuergerät zu programmieren. Auf der anderen Seite steht der gelackmeierte Kunde, wenn der Hersteller sich weigert, ein Ersatzteil für eine Reparatur zu liefern.
Zu unserem riesigen Glück gibt es Firmen, die auf die Reparatur von elektronischen Autokomponenten spezialisiert sind, und eine solche konnte tatsächlich nach gutem Zureden aus dem alten und dem neuen Sicherungskasten kombiniert ein funktionsfähiges Gerät zusammenbauen. Kompliziert war nur, dass die Wegfahrsperre auch mit dem eigentlichen Motorsteuergerät in Verbindung steht, also musste dieses Steuergerät auch noch ausgebaut werden, und die Spezialwerkstatt benötigte auch noch einen unserer Autoschlüssel.
Nach etwa einer Woche wurde das reparierte Teil zurückgeschickt, und nach dem Zusammenbau fiel uns allen ein Stein vom Herzen: die Familienkutsche fährt wieder.
Einziger kleiner Schmerz: statt der tatsächlich gefahrenen 145.000 km hat der Tacho nun 300.000 km in der Anzeige. Der Kilometerstand wird also irgendwo in einem der Chips gespeichert, die aus dem Spender-Lancia in unseren Fiat gewandert sind. Da wir aber die vollständige Werkstattdokumentation haben, ist dies vernachlässigbar. Hauptsache, es fährt wieder!
Und morgen, liebe Kinder, erzähle ich den Rest der Geschichte mit dem Rückwärtsgang im Zweitwagen Opel Astra.
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