02.11.2016

Gesundheitsfürsorge und der Freihandel - Leserbrief

Ist schon etwas länger her, dass die WZ einen Artikel über Zuckerkonsum, Subventionen und die mexikanische Steuer auf Produkte mit hohem Zuckeranteil veröffentlicht hat. Da im Moment aber die WZ so viele Lobhudeleien auf den Abschluss von Freihandelsabkommen singt, dachte ich mir, ich schau mir die Geschichte mit der Zuckersteuer in Mexiko nochmal genauer an, und ich wurde im negativen Sinn nicht enttäuscht - so absurd sich diese Formulierung anhört. Die Zuckersteuer nahm nämlich ein US-amerikanischer Produzent bestimmter Zuckersorten zum Anlass, eine Klage vor einem NAFTA-Schiedsgericht anzustrengen, und die Firma hat tatsächlich gewonnen.
Ja, richtig gelesen: Mexiko muss eine Strafe dafür zahlen, dass sie den Zuckerkonsum regulieren wollen - obwohl Mexiko eine sehr hohe Rate an Diabeteserkrankungen hat.

Die WZ überschlägt sich ja geradezu in ihren Lobeshymnen auf TTIP und CETA. Das verwundert mich ein wenig, und ich zweifle etwas an der journalistischen Objektivität, wenn so einseitig für eine Sache getrommelt wird. Die unzweifelhaft vorhandenen Nachteile werden kaum thematisiert, dafür darf ein Wissenschaftler der Uni Gießen sich eine volle Seite lang über "100 Einheiten" Brot und Wein auslassen. Ich kam mir stellenweise fast vor, als läse ich in der Bibel über die wundersame Vermehrung von Lebensmitteln, und in einem früheren Leserbrief wurde die wissenschaftliche Basis für diesen Artikel ja schon gründlich zerlegt.

Ich möchte mal einen weiteren Aspekt beleuchten: die Verträge wie CETA, TTIP, und auch TISA für die Liberalisierung von Dienstleistungen, enthalten Klauseln, die einen Ausstieg aus der Privatisierung bzw. Liberalisierung verbieten. Das stellt Staaten vor Probleme, wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die für die Daseins- und Gesundheitsfürsorge Regulierungen erfordern.

Kürzlich hat die WZ darüber berichtet, dass Mexiko zur Verringerung des Zuckerkonsums bestimmte Produkte mit (Straf-)Steuern belegt hat.

Es wäre vielleicht der Vollständigkeit halber erwähnenswert, dass Mexiko wegen dieser Zuckersteuer von den USA auf 325 Mio $ Strafe vor einem NAFTA-Schiedsgericht verklagt wurde und zahlen muss.
Ich gehe stark davon aus, dass als Folge auch diese Steuer wieder zurückgenommen werden muss. Es kann ja nicht sein, dass eine Steuer in Mexiko als Handelshemmnis von einem amerikanischen Konzern hingenommen werden muss.

Seit NAFTA als Freihandelsabkommen zwischen Kanada, USA und Mexiko in Kraft getreten ist, haben übrigens ausschließlich amerikanische Kläger vor Schiedsgerichten gewonnen. Am Abschluss von NAFTA 1994 war auch Hillary Clinton maßgeblich beteiligt. Seit Inkrafttreten sind in Mexiko Millionen Maisbauern arbeitslos geworden; hochsubventionierte amerikanische Produkte wurden 20% unter Herstellungskosten in Mexiko in den Markt gepresst (Wikipedia).

Außerdem macht auch gerade eine Meldung die Runde, dass der amerikanische Verband der Zuckerindustrie Studien beeinflusst hat, die den Zusammenhang zwischen Zuckerkonsum und Gesundheitsproblemen herunterspielen sollten (Süddeutsche Zeitung)

Bemerkenswert an diesen Zusammenhängen finde ich, dass der Profit über der Gesundheit steht und sich Konzerne nicht zu schade sind, vor (Pseudo-)Gerichte zu ziehen, um unliebsame staatliche Regelungen wegzuklagen, die zum Schutz der Bevölkerung geplant waren. Mexiko ist eines der Länder mit dem weltweit höchsten Stand an Diabeteskranken (International Diabetes Federation), insbesondere auch bei Kindern (von 78 Mio. Einwohnern sind 11,5 Mio. diagnostiziert krank, vermutete Dunkelziffer 3,5 Mio. Einwohner).

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