29.08.2016

Harry Potter and the cursed child - Buch zum Theaterstück


Nach längerer Zeit hab ich mal wieder ein neues Buch gelesen. Kein normales Buch, eher sowas wie eine Rückkehr zu den Reclam-Heftchen aus meiner Schulzeit. Allerdings deutlich teurer - Harry Potter ist die Lizenz zum Gelddrucken, und das wird ausgenutzt.

Die Harry-Potter-Maschinerie wurde kürzlich wieder angeworfen. Nach den eher unbekannt gebliebenen Büchern über Quidditch, Fabelwesen ("Fantastic Beasts") und die Bardensagen rollen nun ein neuer Film und ein - ja ehrlich! - ein Theaterstück an. Und damit es sich lohnt, gleich ein Stück, das auf zwei Teile, d.h. zwei Aufführungen angelegt ist. Derzeit wird es aber wohl in London an einem Stück aufgeführt.

Gleich vorweg: dies ist ein Buch, das schon mit "Rehearsal Edition" beworben wird, also eigentlich ein Buch für die Schauspieler des Stücks. Es enthält sehr viele Regieanweisungen und das Verhalten der Figuren wird nicht introspektiv beschrieben, sondern als sehr trockene Hinweise, wie es für den Zuschauer aussehen und wirken soll.

Die Geschichte ist schnell erzählt: der Anfang schließt unmittelbar an die Epilog-Szene aus Teil 7 an, als Harry seinen Sohn Albus Severus zum ersten Mal an Bahnsteig 9 3/4 verabschiedet.

Allerdings ist nichts seitdem Friede, Freude, Eierkuchen: Harry Potter bekommt sein Leben, seine Familie und seinen Beruf nicht wirklich in den Griff. Er ist Leiter der "magical law enforcement", also quasi Chef der Zaubererpolizei, seine Chefin ist Hermione als Ministerin für Magie, und er schiebt seit Monaten den notwendigen Papierkram im Büro vor sich her. Das bringt ihm einen Rüffel von Hermione ein, die ihn auffordert, den Gerüchten nachzugehen, ob die gesteigerten Aktivitäten von Trollen, Riesen etc. irgend etwas Schlimmes zu bedeuten hätten.

Ich nehme meine Beurteilung hier vorweg - wer das Buch mit allen Überraschungen selbst lesen will, kann dann beim Hinweis "[Achtung, Spoiler]" aufhören zu lesen.

Einerseits ist es schön, dass die Harry-Potter-Geschichte "offiziell" von der Autorin weiter erzählt wird - wenn auch quasi nicht selbst, sondern mit zwei Theaterautoren als Ghostwriter. Diese Bezeichnung hat hier im Zusammenhang eine kleine Ironie, fällt mir auf ;)

Die Geschichte greift wie so gern den Vater-Sohn-Konflikt auf und beleuchtet sowohl Draco mit Sohn als auch Harry mit Sohn. In den vergangenen Jahren hat sich Draco sehr verändert - das hat man auch in den letzten zwei Büchern schon gemerkt, und auch in den Filmen hat Draco das gut darstellen können. Er distanziert sich sehr deutlich von seinem Vater Lucius und trägt maßgeblich zur Rettung bei. Diesen Teil finde ich gut.

Andererseits wirkt es sehr gekünstelt, dass eine Zeitmaschine verwendet wird. Dadurch kann man natürlich alles, aber auch alles, rückgängig machen und an allen Schrauben drehen, um zuerst Spannung zu erzeugen und sie dann aufzulösen.

Vollkommen erwartet gibt es also eine Zukunft, in der Harry nicht gewonnen hat, in der Ron nicht Hermione, sondern Padma Patil geheiratet hat, in der Cedric nicht stirbt, sondern zum Death Eater wird und Neville tötet, so dass dieser Nagini nicht beseitigen kann. Wie schon einmal, wenn auch nur kurz, ist Dolores Umbridge Direktorin von Hogwarts, Snape ist Lehrer.

Schlussendlich ist "Cursed Child" aber den Weg aller Star Trek-Folgen gegangen: am Ende ist der Status Quo wieder hergestellt und die Geschichte verläuft so, wie die ersten sieben Bücher sie beschreiben.

Zeitreisen sind natürlich immer schwer zu erklären, aber die Stelle mit der Zerstörung des Prototypen fand ich unlogisch. Man kann nur fünf Minuten in der Vergangenheit bleiben, aber wenn er zerstört wird, ist man dort gefangen? Ich hätte angenommen, dass man sofort zurück in die Gegenwart befördert wird. Aber das gehört wohl zu den dramaturgischen Freiheiten ...

Im Grunde hat mir das Buch nicht gefallen. Nur ausgesprochene Harry-Potter-Fans werden es natürlich in ihrer Sammlung haben wollen (wie ich). Literarisch ist es nichts besonderes - man erkennt wenig von Rowlings schriftstellerischen Fähigkeiten. Die "richtigen" Bücher sind, insbesondere im Englischen, sehr schön zu lesen und sehr empfehlenswert. Dieses hier eher nicht. Es führt die Geschichte offiziell weiter, und ergänzt das Potter-Universum um ein paar kleine Details.

Der Vater-Sohn-Konflikt wird nicht besonders aufgearbeitet - das wäre wohl eher im aufgeführten Stück zu genießen, wenn die Schauspieler gut sind. Beim nächsten London-Besuch werde ich auf jeden Fall versuchen, eine Aufführung zu besuchen ;)

Früher oder später wird es sicherlich auch einen Film geben. Mal schauen (ja, das war auch wieder ein Wortspiel!).

Die Schlussszene an Cedrics Grab und die Annäherung zwischen Vater und Sohn war ganz ok, aber auch nichts Besonderes. Die Schlussszene am Ende von Terry Pratchetts "Night Watch", als zuerst Carcer und Vimes und danach Vetinari und Vimes diskutieren, ist ein ganz anderes Kaliber von Friedhofsgespräch ;)

[Achtung, Spoiler]

Im Umgang mit dem jüngsten Sohn Albus Severus ("Al") hat Harry große Schwierigkeiten. Al denkt, dass er ihm mit den Namen eine zu große Bürde mitgegeben hat und er deshalb in Hogwarts Schwierigkeiten bekommt. Der Hut sortiert ihn auch tatsächlich in das Haus Slytherin ein, im Gegensatz zu seinen Geschwistern James und Lily. Al bleibt ein Außenseiter und freundet sich nur mit Scorpius Malfoy an, Dracos Sohn. In ihrem dritten Jahr stirbt Dracos Frau Astoria. Scorpius leidet unter dem Gerücht, dass nicht Draco, sondern Voldemort sein Vater sei.
Harry kann zu Beginn des Buchs eine Zeitmaschine, einen Time Turner, erkämpfen, der offensichtlich neu konstruiert ist und nicht nur eine Stunde, sondern Jahre zurück in die Vergangenheit reisen kann. Der Prototyp kann den Reisenden aber nur für fünf Minuten in die Vergangenheit bringen.

Albus und Scorpius stehlen den Time Turner aus Hermiones Büro und wollen damit Cedric Diggorys Tod ungeschehen machen, der am Ende des Triwizard-Wettbewerbs von Peter Pettigrew mit Voldemorts Zauberstab getötet wurde. Dabei richten sie großen Schaden an, reisen für eine Korrektur nochmals in die Vergangenheit und richten noch mehr Schaden an.

Harry hat in beiden Version der geänderten Vergangenheit den Kampf gegen Voldemort verloren und ist tot. Hermione und Ron sind noch auf der Flucht und opfern sich, um Al und Scorpius das Entkommen nach der Zeitkorrektur zu ermöglichen. Scorpius kehrt allein zurück, weil Al nie geboren wurde, und mit einem weiteren Time Turner aus dem Besitz von Lucius Malfoy, den Draco zu Harry mitbringt, können sie nach und nach die Zeitverwerfungen korrigieren.

Zum Ende taucht das tatsächliche Kind Voldemorts auf - eine Tochter namens Delphi von Beatrix Lestrange. Delphi wollte ebenfalls die Zeit verändern und ihren Vater am Mord an Harrys Eltern hindern, damit er nicht besiegt wird. Sie reist mit Al und Scorpius in die Zeit kurz vor dem Mord und zerstört dann den Time Turner. Al findet aber eine Möglichkeit, über die Kuscheldecke von Baby Harry eine Nachricht in die Zukunft zu senden, damit Harry weiß, wann Delphi zuschlagen will.

Draco gibt zu, dass Lucius einen weiteren Time Turner hat, der noch weiter entwickelt ist und mit dem man beliebig lang in der Vergangenheit bleiben kann, nicht nur fünf Minuten wie mit dem Prototyp, den Al und Scorpius verwendeten.

Sie reisen ebenfalls in diese Zeit. Mit Polyjuice gibt sich Harry als Voldemort aus und kann Delphi lang genug täuschen, damit sie kampfunfähig gemacht werden kann. Ihr steht ein Gefängnisaufenthalt in Azkaban bevor.

Ganz langsam scheint sich das Verhältnis von Harry und Al zu bessern. Genau wie Voldemorts Tochter wollten sie Liebe und Aufmerksamkeit von ihren Vätern haben. Die Werkzeuge dazu sind allerdings bei Zauberern etwas mächtiger und gefährlicher ...

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