[veröffentlicht am xx.03.2025]
Im Allgemeinen sind die Beiträge von Hr. Seligmann so lesbar, dass man nicht sofort zähneknirschend in die Tasten greift. Aber die Glosse vom Samstag war doch schmerzhaft genug dafür. Politik und Seligmann sind zwei Dinge, die nicht zueinander passen. Das hat man schon bemerken können, als er zu Beginn Trumps erster Amtszeit versucht hat, ihn sich schön zu reden, und auch zur aktuellen deutschen Politikrealität hat Seligmann eine eher flexible Sichtweise.
Es ist traurig zu lesen, dass nach dem Ende der Ampel immer noch auf einzelne Politiker nachgetreten wird, insbesondere auf die der Grünen. Habeck war entgegen Seligmanns Behauptung ein erfolgreicher Wirtschaftsminister, der sich im Sinne des Koalitionsfriedens so gut wie nie zu den FDP- und insbesondere Lindner-Eskapaden und Querschüssen geäußert hat - obwohl er sehr darunter hat leiden müssen (z.B. das plötzliche Aus für die E-Auto-Zuschüsse). Habeck hat die an Gazprom verkauften (!) deutschen Gasspeicher bei Amtsantritt fast leer übernehmen müssen und hat in einem gewaltigen Kraftakt nichtrussische Alternativen aufgetan, bevor Putin die Deutschen mit einem Lieferstopp erpressen konnte. Nur Tage vorher wurde die deutsche Gazprom verstaatlicht. Habeck hat die vorhandene Merkel-Bürokratie entfilzt und Genehmigungsvorgänge auf Monate statt Jahre reduziert, z.B. bei Windkraftanlagen und Stromtrassen. Baerbock hat sich bei allen europäischen und internationalen Amtskollegen großen Respekt erarbeitet. Den Spott von Merz über mangelnde Regierungserfahrung hat sie erfolgreich widerlegt. Merz hingegen hat genau Null Führungserfahrung in der Politik und wird sich noch beweisen müssen.
Wenn Seligmann zur Abwechslung mal Wirtschaftsnachrichten lesen würde, wäre ihm aufgefallen, dass die Energiekonzerne hochzufrieden mit Habeck waren und der Vorstand von Tennet ausdrücklich gesagt hat “wir brauchen nicht alle 4 Jahre einen Richtungswechsel”. Auch die deutsche Stahlindustrie ist fest auf Kurs für “grünen Stahl”, um auf dem Weltmarkt überhaupt bestehen zu können.
Ich kann mich nicht daran erinnern, dass beim Regierungswechsel 2021 die Medien so aggressiv auf der Vorgängerregierung herum gehackt haben wie es jetzt gerade zu beobachten ist. Dabei wäre es durchaus angemessen gewesen, die katastrophalen Fehlleistungen von Blindgängern wie Spahn, Scheuer, Dobrindt, Altmaier, Seehofer, Klöckner aufzuarbeiten. Nach mehreren Gerichtsurteilen ist Spahn dafür verantwortlich, dass der Staat aus Maskengeschäften fast 3 Mrd. Euro an Schadenersatzzahlungen leisten muss oder für nie gelieferte Beatmungsgeräte viele Millionen Euro gezahlt hat - dagegen ist die fehlgeschlagene PKW-Maut von Scheuer mit “nur” 243 Mio. Euro Schadenersatz schon fast ein Schnäppchen. Die Lobbyarbeit von Klöckner für Nestle wäre auch ein interessantes Thema gewesen, oder die flexiblen Meinungen von Söder - jeden Tag eine andere Richtung.
Allein die Tatsache, dass Merz schon wieder die abgeschalteten Kernkraftwerke ins Gespräch bringt, zeigt deutlich, dass Wirtschaftsnähe nicht einher gehen muss mit erfolgreicher Wahrnehmung der Realität. Genau wie Söder träumt Merz weiterhin von deutscher Atomkraft, obwohl alle Betreiber ausdrücklich mehrfach öffentlich gesagt haben, dass diese Zeit in Deutschland definitiv vorbei ist.
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