Und wieder mal ein Leserbrief, der jammert, dass Deutschland die Kernkraftnutzung beendet. Ich musste antworten.
[veröffentlicht am 03.03.2023]
Hr. M. weint den 25 ehemaligen deutschen Kernkraftwerken mit starken Worten und vielen Zahlen heftige Tränen nach.
Er behauptet einen riesigen volkswirtschaftlichen Schaden durch die Abschaltung der Kernkraftwerke. Ich halte dem einen vergleichbaren volkswirtschaftlichen Schaden entgegen: durch die von Altmaier und Gabriel verursachte Änderung im Erneuerbare-Energien-Gesetz sind seit 2012 ungefähr 125.000 Arbeitsplätze in der Windkraft- und Solarindustrie verloren gegangen. Jetzt stehen wir vor einem Zeitverlust von zehn Jahren Ausbau und der akuten Gefahr eines Wirtschaftskriegs mit China, dem derzeitigen Hauptproduzenten von Solarpaneelen.
Auch bei Hr. M.’ einseitigem Lamento werden die Argumente gegen die Kernkraft unter den Teppich gekehrt. Fangen wir mit den rein finanziellen Aspekten an.
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat eine Ausarbeitung über Subventionen der Kernkraft in Deutschland veröffentlicht (WD 5 - 3000 - 090/21).
"In den Jahren 2007 bis 2019 betrugen die gesamtgesellschaftlichen Kosten der Stromerzeugung aus Atomenergie durchschnittlich zwischen 25 Ct/kWh und 39 Ct/kWh. Davon sind 21 bis 34 Ct/kWh bisher noch nicht im Strompreis enthalten und daher ‚versteckte Kosten‘ der Atomenergie. Insgesamt summieren sich die gesamtgesellschaftlichen Kosten allein in diesem kurzen Zeitraum auf 348 bis 533 Mrd. € (real). Davon entfallen rund 25 Mrd. € auf staatliche Förderungen, die direkt den Staatshaushalt belasten."
"Im Jahre 2015 hat eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Namen der deutschen Regierung die Kosten für die Stilllegung und das Management der radioaktiven Abfälle für die 23 kommerziellen Atomkraftwerke auf diskontierte € 47,5 Milliarden geschätzt.”
"In Deutschland werden die diskontierten Kosten für eine Endlagerung für die 27.000 m3 von überwiegend abgebrannten Kernbrennstoffen auf ungefähr € 8,3 Milliarden geschätzt; die nicht-diskontierten Kosten belaufen sich auf € 51 Milliarden."
Neben finanziellen Bedenken ignoriert Hr. M. geflissentlich, dass wir seit 50 Jahren kein Endlager haben und noch nicht einmal einen Standort. Niemand will ein Endlager in seiner Nähe.
Die drei noch laufenden Kernkraftwerke hatten seit Jahren keine Sicherheitsüberprüfung mehr. Bis diese Kraftwerke wieder funktionsfähig wären, würden Monate bis Jahre an Revision und Reparatur anstehen. Die restlichen Kraftwerke sind 40 Jahre alt und größtenteils im Abbruch befindlich.
Der EnBW-Vorstand Stamatelopoulos sagte: „Ein Atomkraftwerk ist keine Märklin-Eisenbahn, die man an- und abschaltet”.
Die Brennstäbe sind alle verbraucht, Hauptproduzent ist Russland. Wollen wir Putin noch mehr Geld für Kriege geben?
In Frankreich wurden viele Atomkraftwerke abgeschaltet, teils langfristig wegen schwerer Baumängel, teils wegen Wassermangel für die Kühlung - auch diese Trockenheit ist eine Folge der Klimakatastrophe. Kernkraft ist nicht mehr versicherbar. Wer trägt das Risiko?
Deutschland hat keine Experten mehr für Konstruktion, Bau und Betrieb von Kernkraftwerken. Nachdem die CDU/FDP-Koalition den Ausstieg 2011 beschlossen hat, wurden diese Arbeitsplätze abgebaut. Wir haben keine Zeit mehr, um die Kernkraft neu aufzubauen. Das vorhandene Budget muss in erneuerbare Energiequellen fließen.
Über das gesamte Jahr 2022 war Deutschland ein Netto-Exporteur von Strom ins Ausland, der Anteil an erneuerbaren Energien lag im Schnitt über 50%, teils sogar über 100%, so dass dieser Strom gut ins Ausland verkauft werden konnte, mit einem Ertrag von fast 4 Mrd. €. Insbesondere Frankreich ist im europäischen Stromverbund ein Risikokandidat mit dem geringsten Anteil an erneuerbaren Energien (unter 25%), was bei der derzeitigen Konstruktion der Strombörse zu enorm hohen Preisen führt (“Merit Order”).
Der Ausbau von Erneuerbaren in Deutschland geht einigermaßen gut voran (es könnte besser sein, insbesondere in Bayern und Thüringen, wo die CSU bzw. AfD nach Kräften blockiert hat), und die Bauzeit von Solarparks und Windkraftanlagen ist kürzer als die Neuplanung von Kernkraftwerken oder das Festhalten an utopischen Träumen wie Kernfusion. Wir haben schon den besten und sichersten Kernfusionsreaktor in greifbarer Nähe: unsere Sonne.
Fazit: die Kernkraftnutzung in Deutschland ist zu Recht beendet.
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