25.11.2020

Gastbeitrag: Pressemitteilung des Kreiselternbeirats zum Nutzen von Luftfiltergeräten in Klassenräumen

Wir lassen den Kreiselternbeirat des Wetteraukreises in einem Gastbeitrag zu Wort kommen ;)


Update: es gab keinen "Auftrag" der Landesregierung, die THM bevorzugt den Ausdruck "Anfrage zu einer Zweitmeinung zu einer früheren Studie".

 Update 2: Kultusminister Lorz spricht aber doch von "Auftrag" in einem Interview.

Update 3: Übermedien beleuchtet den Vorgang unter dem Aspekt der Medienkritik.


Zur Meldung in der WZ über den Nutzen von Luftfiltergeräten in Klassenräumen haben wir eine diametrale Meinung:

Pressemitteilung des Kreiselternbeirats der Wetterau

In der Wetterauer Zeitung erschien heute, am 25.11.2020, ein Artikel über eine Studie der THM: „Stoßlüftung um ein Vielfaches wirksamer als Luftfiltergeräte“. Die Studie suggeriert, dass Luftfiltergeräte weder notwendig noch sinnvoll seien und eine Stoßlüftung ausreichend. Die „thermische Behaglichkeit“ in den Klassenräumen sei durch die Stoßlüftung kaum beeinträchtigt.

Ein Anruf des Kreiselternbeirats (KrEB) bei der Pressestelle der THM ergab: Die Studie ist im Auftrag der hessischen Landesregierung erstellt worden. Die stellvertretende KrEB-Vorsitzende Carolina Schmelz dazu: „Der Zweck der Studie ist somit klar: Das Land Hessen will die Methode „Augen zu und durch“ zementieren und den Eltern Sand in die Augen streuen.“

„Die Landesregierung baut rhetorisch einen Gegensatz auf, der überhaupt nicht existiert“, gibt KrEB-Mitglied Sandra Liebe-Brune zu bedenken. „Es geht nicht um Lüften oder Filtern! Laut der Empfehlungen der Virolog:innen und Epidemiolog:innen sind Luftfiltergeräte eine sinnvolle Ergänzung des Lüftens.“

Konkret: Das Lüften verändert die Aerosol- und damit die Viruskonzentration im Klassenraum entsprechend einer Sägezahnkurve: Die Konzentration steigt im Unterricht laufend an und geht dann beim Lüften nahezu schlagartig nach unten. Dann steigt sie wieder. Und erreicht direkt vor dem Lüften einen sehr hohen Wert, der ein hohes Ansteckungsrisiko mit sich bringt.

Anders die Luftfiltergeräte: Diese sorgen dafür, dass die Aerosolkonzentration dauerhaft niedriger bleibt, als ohne die Geräte: Sie wälzen die Luft kontinuierlich um. Die Konzentrationskurve bleibt flach. Das Lüften befördert schließlich die restlichen Aerosole nach draußen und Sauerstoff hinein ins Klassenzimmer.

„Dabei kommt es gar nicht so sehr darauf an, ob die Geräte die Aerosole mit einer Effektivität von 99% oder 99,995% aus der Luft holen“, erläutert KrEB-Mitglied und Dipl. Phys. Volkmar Heitmann: „Ist eine infizierte Person im Raum, liefert diese ja ständig Viren nach. Man kann also sowieso nur eine Reduzierung der Virenlast erreichen. Wichtiger ist die Luftmenge, die das jeweilige Gerät filtern kann. Die Faustregel lautet: Das 6-fache des Raumvolumens pro Stunde sollte umgewälzt werden können.“

Der Aspekt der Lautstärke der Geräte ist wichtig, sollte aber auch nicht überbetont werden, berichten die Eltern, für deren Schulen bereits Luftfilter in Eigenregie angeschafft wurden: „In einem Klassenraum ist es üblicherweise nur ganz selten wirklich leise.“

Laut der THM-Studie dauert es nach einer Lüftungszeit von 3-5 Minuten noch weitere 4-7 Minuten, bis die Raumtemperatur wieder 1 Grad unter dem „Normalniveau“ erreicht hat. Gemessen wurde bei Außentemperaturen von 7-11 Grad. Eine „thermische Behaglichkeit“ ist also insgesamt für mindestens 10 Minuten nicht gegeben. Und das alle 20 Minuten wieder. Und auch nur bei herbstlichen Außentemperaturen. Wird es draußen richtig kalt, wird die Unterbrechung deutlich länger.

Nicht zu vergessen: Die relativ kurze Aufwärmzeit des Klassenraums, den die THM gemessen hat, gilt ausschließlich für diesen speziellen Raum. Das Messergebnis kann und darf also nicht verallgemeinert werden. Wie Schulelternbeiräte aus dem Wetteraukreis dem KrEB berichten, gibt es Schulen, „in denen es allein 20 Minuten dauert, bis es überhaupt wieder anfängt, warm zu werden“.

„Die Studie berücksichtig ebenfalls nicht die Verhältnisse, wenn erst einmal das gesamte Schulgebäude ausgekühlt ist“, ergänzt Volkmar Heitmann. „Der derzeitige Präsenzunterricht kann daher bei Weitem nicht die „normale“ Qualität erreichen, die er vor „Corona“ hatte.“

KrEB-Vorsitzender Thomas Seeling fasst zusammen: „Es spricht also weiterhin alles dafür, dass sich auch die hessische Regierung und die hessischen Behörden einschließlich des Schulträgers an die dringenden Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts halten sollten: Teilung der Klassen und gute Luft in den Klassenräumen! Hierzu trägt auch eine lufttechnische Ergänzung des Lüftens bei.

Eine bessere Alternative zu den Luftfiltergeräten wären Zu- und Abluftanlagen mit Wärmetauschern. Mittelfristig sollten die Schulen entsprechend umgerüstet werden. Da es jetzt aber um kurzfristig verfügbare Lösungen geht, sollte der Schulträger die Anschaffung von Luftfiltergeräten fördern, anstatt sie zu diskreditieren.“

16.09.2020

Manche Leserbriefschreiber sind einfach unbelehrbar - Leserbrief

Auch auf meinen 2. Leserbrief zum Thema Corona liess es sich der emeritierte Herr L., der immer gern mit seinem Professorentitel aus dem Ingenieur-Bereich kokettiert, nicht nehmen zu antworten. Da bei Schweden keine Diskussion mehr möglich war, wich er auf die Situation in Japan aus, und das war so schlimm, dass die Redaktion der WZ in mehreren (!) Einschüben in seinem Leserbrief die Fakten klarstellen musste. Warum diese Art Leserbriefe immer noch abgedruckt werden, ist mir von Mal zu Mal weniger klar.

[veröffentlicht am 16.09.2020]

Keine Antwort auf den Leserbrief von Hr. L.

Hr. L. beharrt in einem weiteren sehr langen Leserbrief auf seinen schrägen Ansichten.
Diese Ansichten sind sogar so schräg, dass die Redaktion der WZ eingreift und seine Behauptungen mit Texteinschüben kommentiert und korrigiert. Sogar die THM gibt öffentlich bekannt, dass sie nicht mit seinen Äußerungen konform geht.

Damit kann ich mich auf einen anderen Aspekt der Leserbriefe von Hr. L. konzentrieren: auf die zahlreichen rhetorischen Tricks, die Klimakrisenleugner und Corona-Verharmloser gern anwenden.

Es fängt damit an, dass die Floskel "politisch inkorrekt" verwendet wird. Dies ist ein Codewort, mit dem unterstellt wird, dass es Sprech- und Denkverbote gibt, gegen die nur die besonders Tapferen und Aufrechten noch ankommen. Hier stellt sich der Schreiber als Opfer dar, wenn man ihm widerspricht, nur weil er "unbequem" spricht. Natürlich ist es umgekehrt: man darf ruhig alles sagen, aber man muss auch den Gegenwind aushalten können. Es gibt Meinungsfreiheit, aber die gilt auch für den Widerspruch gegen Unfug.

Des weiteren werden die etablierten Medien angegriffen - die "Süddeutsche" habe ja nicht immer recht, und im Gegenteil sei bei "Tichys Einblick" "nicht alles falsch". Diese nebligen Behauptungen werden nicht mit Argumenten untermauert, so dass nur ein diffuser Zweifel bleiben soll. Aber: ein Blick auf Artikel bei Tichy zeigt, wes Geistes Kind er und Konsorten sind: dort werden z.B. Sarrazin, Maaßen und der Werteunion breiter Raum gegeben. Auch später erwähnt Hr. L. spöttisch "Qualitätsmedien", setzt den Begriff in Anführungszeichen, um deutlich zu machen, dass der Begriff nicht ernst genommen werden dürfe.

Gern wird auch ein klassisches Zitat oder Name herangezogen, um die eigene Belesenheit zu zeigen. Nun ja, in diesen Zeiten findet man mit Suchmaschinen sehr schnell Passendes für jeden Zweck, ob gut oder schlecht, und gern aus dem Zusammenhang gerissen. Es wundert nicht, dass Hr. L. den konservativen Tocqueville zitiert, der den Sozialismus verachtete. Er unterschlägt den Kontext des Begriffs "Tyrannei der Mehrheit" vollständig und vereinnahmt ihn damit für seine Zwecke.

Weiter geht es mit persönlichen Angriffen, man habe Dinge nicht "verstanden" oder "nicht mitbekommen", wenn ohne Quellenangabe behauptet wird, die Sterbezahlen des Robert-Koch-Instituts seien nur ein Zehntel so groß wie behauptet, womit auch eine weitere staatliche Institution nebenbei der Lüge bezichtigt wird. Die Begründung liefere die "Heinsberg"-Studie. Allerdings sagen die Autoren dieser Studie, dass die Zahlen nicht auf das ganze Bundesland, geschweige denn auf die deutschlandweite Situation angewendet werden darf, eben weil Heinsberg ganz besonders sei.

Der Einwand, dass es bislang keine Erkenntnisse zur Herdenimmunität gibt, wird zum zweiten Mal ignoriert.

Auch dies ist ein hübscher Trick: Einschränkungen, die nicht zur eigenen Argumentationslinie passen, werden gern unter den Tisch gekehrt bzw. nicht beantwortet.

Hr. L. geht intensiv und lückenhaft auf Japan ein, was die Redaktion zu weiteren Einschüben bringt.

Außerdem gehört zum üblichen Repertoire, Personen anzugreifen statt sachlich zu argumentieren. Es gibt für Hr. L. einen "Hof-Virologen", womit er unterstellt, dass es eine staatlich kontrollierte "Meinung" gebe - genau das Gegenteil ist der Fall: Prof. Drosten und Prof. Lauterbach sind hervorragende Wissenschaftler mit hoher Reputation auf ihrem Fachgebiet, was man leicht daran sieht, wie oft ihre Arbeiten von Anderen zitiert werden. Es lohnt sich, sowohl Drosten als auch Lauterbach bei Twitter zu folgen - hier gibt es hochinteressante und fachlich versierte Aussagen.

Nun - wenn man keine Argumente hat, greift man halt Personen ad hominem an.

Beendet wird der Leserbrief mit dem akademischen Titel. Dies suggeriert eine wissenschaftliche Autorität, obwohl der Titel nicht auf einem medizinischen Gebiet verliehen worden ist.

23.08.2020

Die Wissenschaft forscht noch, aber in Leserbriefen ist schon heile Welt - Leserbrief

 Herr L. antwortet mir auf meinen letzten Leserbrief und wirft mir vor, dass ich "nichts verstanden" hätte. Die "Süddeutsche" habe ja nicht immer recht, aber "Tichys Einblick" könne durchaus recht haben. Nun denn ...


Leserbrief zum Leserbrief von Hr. L.

Ich finde es sehr unterhaltsam zu lesen, wie Hr. L. eine Kehrtwende vollführt, ohne dass es der Leser merken soll, und dabei versucht, möglichst ausschweifend und verschwurbelt darzulegen, dass er doch die ganze Zeit Recht hatte.
Nebenbei finde ich es bezeichnend, wenn jemand, der gern die rechtsextreme Website "Tichys Einblick" oder das von amerikanischen Klimakrisenleugnern finanzierte EIKE e.V.-"Institut" zitiert, sich über den Faktencheck der "Süddeutschen" lustig macht (https://bit.ly/2XdKtl4).

Zur Klarstellung nochmals: zuerst hat Hr. L. behauptet, dass die Schweden die Corona-Krise wesentlich besser im Griff hatten als Deutschland. Das habe ich widerlegt und mit Zahlen untermauert, dass in Schweden mehr als viermal soviele Tote zu beklagen sind.

Daraufhin schwenkt Hr. L. um und erklärt lang und breit, warum und wo diese Todesfälle zu beklagen sind - als ob er's schon immer gewusst hätte, was in Schweden schlechter lief. In Deutschland gab es Besuchsverbote in Einrichtungen mit besonders gefährdeten Risikogruppen, z.B. Krankenhäuser, Pflege- und Seniorenheime. Das haben die Schweden vergeigt, obwohl recht früh bekannt war, wer zu einer Risikogruppe gehört - z.B. Senioren, Bluthochdruckpatienten, Diabetespatienten und Lungenvorgeschädigte.

Dann kehrt Hr. L. , um die Leser weiter zu verwirren, zu seinem üblichen Lebensprinzip zurück: dem Prinzip Hoffnung - die Herdenimmunität sei bald erreicht. Ich wiederhole nochmals: es ist derzeit wissenschaftlich vollkommen ungeklärt, ob es eine Herdenimmunität gegen CoVid-19 geben wird. Die Anzeichen machen uns im Moment nicht wirklich Hoffnung darauf. Es gibt Meldungen, dass sich - wie bei anderen Infektionskrankheiten auch - Gesundete erneut angesteckt hätten (wir haben doch alle jedes Jahr erneut Schnupfen).

Insgesamt ist die Sterblichkeit bei einer Corona-Erkrankung 5-10 mal höher als bei der Grippe - allein diese Größenordnung sollte uns zeigen, dass weiter Vorsicht das Gebot der Stunde ist und nicht Lockerung "auf Teufel komm 'raus". Abgesehen davon ist der in Europa vorherrschende Virustyp "G" eine noch stärker infektiöse Mutation des ursprünglichen Virus, unter dem China zu leiden hat.

Außerdem ist überhaupt unklar, ob es eine dauerhafte Immunität geben wird, oder nur eine saisonale Immunität, wie sie z.B. bei der Grippeimpfung angestrebt wird. Die Grippeimpfung hat übrigens nur eine Erfolgsquote von 50-70%, d.h. ein hoher Prozentsatz geimpfter Personen könnte bei Infektion trotzdem erkranken. Es sieht danach aus, als ob wir noch lange mit dem Virus werden leben müssen.

Es wäre also besser, hier nicht vorschnell Behauptungen in die Welt zu setzen und darauf zu setzen, dass die Realität sich nach diesem Wunschkonzert richtet. Die derzeit wieder stärker ansteigenden Fallzahlen sind eine äußerst beunruhigende Entwicklung, die durch solche unbedachten Behauptungen in Leserbriefen eine falsche Sicherheit hervorrufen könnten.

16.06.2020

Corona und alternative Fakten - Leserbrief

Und wieder hat der Professor L. zugeschlagen und weit außerhalb seines Fachgebiets alternative Fakten zu Corona zusammengetragen, mit vielen Zahlen garniert und daraus einen "ist doch alles nicht so schlimm"-Leserbrief gemacht. Insbesondere schreibt er BS über die Situation in Schweden.
[veröffentlicht am 16.06.2020, Änderungen der WZ in rot]


Leserbrief zum Leserbrief von Hr. L.
Nun haben also die alternativen Fakten auch den Meinungstreff erreicht.
Hr. L. hat die üblichen schrägen Argumente der Corona-Verharmloser zusammen getragen und daraus eine mit vielen Zahlen gespickte Sammlung von Halbwahrheiten gebaut. Alle seine Behauptungen lassen sich mit einem kurzen Blick z.B. in den Faktencheck der "Süddeutschen" entlarven (Link dazu entfernt). Es ist ein beliebter rhetorischer Trick, viele Zahlen, gerne mit Kommastellen, in einen Text zu werfen, um besonders seriös und glaubwürdig zu wirken.
Schweden geht es nicht "besser", sondern im Verhältnis zur Bevölkerungszahl wesentlich schlechter als Deutschland. Hochgerechnet hat Schweden viermal mehr Tote zu beklagen als wir. Die Wissenschaftler, die die Regierung beraten, sprechen inzwischen offen davon, dass die lockere Handhabung ein Fehler war. Dass es für die Schweden trotzdem nicht noch sehr viel schlimmer gekommen ist, liegt vermutlich an der dünnen Besiedlung in dem Land, an der hohen Zahl Alleinlebender in den wenigen großen Städten und möglicherweise auch an der Selbstdisziplin der Bevölkerung.
Insbesondere kann man beileibe nicht von einer "Herdenimmunität" sprechen. Ob es überhaupt eine dauerhafte Immunität gibt, ist wissenschaftlich überhaupt noch nicht geklärt. Aus China gibt es Berichte, dass Genesene sich erneut infiziert hätten. Ob es eine dauerhafte Impfung geben wird wie bei Masern oder eine saisonale wie bei Influenza, ist derzeit noch unerforschtes Gebiet. Vor diesem diffusen Hintergrund ist es höchst gefährlich, jetzt mit schlechten Argumenten die Dinge zu verharmlosen, noch bevor klar ist, wie sich die derzeitigen Lockerungen auf die Lage auswirken werden.
Auch die Behauptung, dass die Grippesaison 2017/18 viel mehr Todesopfer gefordert habe, ist bestenfalls eine Viertelwahrheit. Die Zahl kommt nämlich durch eine Hochrechnung des Robert-Koch-Instituts und nicht durch medizinische Untersuchungen zustande. "(...) in der ungewöhnlich schweren Grippesaison 2017/18 tatsächlich „nur“ 1674 Todesfälle an Grippe im Labor bestätigt. Da in Jahren, in denen die Grippe stark wütet, mehr Menschen sterben als sonst („Übersterblichkeit“) und Influenza oft nicht als Todesursache angegeben wird, (...) Hochrechnungen an, wie hoch die tatsächliche Zahl der Opfer sein könnte. So kommen die 25 000 Todesfälle für 2017/18 zustande".

15.06.2020

Seenotrettung bewirkt keinen Pulleffekt - Leserbrief

Leserbrief zur Sitzung des Kreistags in der Stadthalle
[veröffentlicht am 05.06.2020]

Letzte Woche beschrieb die WZ eine Sitzung des Kreistags, die die AfD zu einer ihrer üblichen unfundierten Hetztiraden nutzen wollte. Der Abgeordnete Kuger wiederholt eine der Legenden, mit denen die AfD gern gegen Flüchtlinge agitiert: er behauptet, dass die Rettung von Flüchtlingen dazu führt, dass noch mehr Flüchtlinge "angelockt" werden.

Diese menschenverachtende These wird seit Jahren immer wieder aus der Mottenkiste geholt, aber dadurch wird sie nicht richtiger: es gibt mehrere Untersuchungen, in denen das Gegenteil festgestellt wird. Wissenschaftler des "Italian Institute for International Political Studies" haben von Januar bis Juni 2019 keinen Zusammenhang zwischen Rettungsaktionen und zunehmenden Flüchtlingszahlen beobachten können. Sozialwissenschaftler der Universität Oxford und der Scuola Normale Superiore in Florenz verglichen drei verschiedene Jahre. Ihre Auswertung zeigt: In Jahren, in denen die EU sich stark in der Seenotrettung engagierte, kamen nicht mehr Menschen in Europa an, als in einem Jahr, in dem kaum Seenotrettung stattfand. "Trotz weniger Seenotrettung erreichten nicht weniger Menschen die EU" (Elias Steinhilper, Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung).

Durch die harte Politik der Anrainerländer wie Italien, Malta und Griechenland, die Druck ausüben, gibt es immer weniger Rettungsschiffe, und die Wahrscheinlichkeit, auf der Flucht zu sterben, ist inzwischen stark gestiegen. 2015 kamen 4 von 1000 Migranten, die die Odyssee über das Mittelmeer wagten, ums Leben. Inzwischen sind es 25 von 1000. Dabei gibt es internationale Seerechtsabkommen, die Schiffe verpflichten, in Not geratene Menschen aufzunehmen, und die auf diese Weise mit Füßen getreten werden.

Insgesamt gesehen ist die Flüchtlingsfrage aber zu komplex, als dass es "den einen" Schalter gibt, den man umlegen kann, um das Problem zu lösen. Hauptsächlicher Grund für Flucht ist immer noch die Situation in den Heimatländern. Die Menschen flüchten vor Bürgerkrieg, religiöser oder sexueller Verfolgung und Gewalt, und dazu tragen auch gern die Waffenhändler aus der ersten Welt bei. Deutschland ist immerhin viertgrößter Waffenexporteur weltweit, und die Menschenrechtslage scheint dem Aufsichtsgremium nur zweitrangig zu sein, wie man an Lieferungen an Länder wie Türkei, Ägypten etc. deutlich sieht.

03.06.2020

Energieverbrauch beim Streaming - Leserbrief

Leserbrief zur Kolumne von Hr. Arnold, 26.05.2020
[veröffentlicht am 03.06.2020]

Hr. Arnold schreibt einige interessante Gedanken zum Stromverbrauch während der Corona-Krise.

Viel mehr Menschen bleiben zuhause und unterhalten sich dort mit Hilfe von Geräten, die natürlich Strom verbrauchen.
Insbesondere kritisiert Hr. Arnold das "Streaming", also das Anschauen von Filmen über Internet.

Die großen Anbieter hier sind Netflix, Amazon, Google (Youtube und Playstore Filme), Apple und zunehmend Disney+.
Der Energieverbrauch sowohl bei den Anbietern als auch bei den Konsumenten ist beträchtlich, wie Hr. Arnold zutreffend bemerkt. Aber es gibt deutliche Unterschiede zwischen ihnen, und diesen Punkt hätte ich mir stärker herausgearbeitet gewünscht.

Viele Anbieter verwenden intern Dienstleister zur Verbreitung ihrer Daten, sogenannte "Content Distribution Networks" (CDN), das sind lokale Zwischenspeicher, um die internationalen Datenleitungen zu entlasten. Hier gibt es große Unterschiede, wie effizient diese CDNs arbeiten.

Abgesehen davon sind viele große Anbieter inzwischen nahezu oder sogar schon vollständig klimaneutral, indem sie Ökostrom beziehen oder sogar selbst erzeugen (Google ist nach eigenen Angaben seit mehreren Jahren klimaneutral durch die Verwendung von eigenem Solarstrom).

Etwa ein Drittel des Stromverbrauchs von Rechenzentren wird für die Kühlung der Geräte aufgewendet. Viele moderne Rechenzentren lassen diese Abwärme nicht verpuffen, sondern leiten sie wie ein Blockheizkraftwerk nutzbringend weiter.
Der Energieverbrauch beim Streaming ist mittlerweile ca. 1% des weltweiten Gesamtverbrauchs, und das ist schon auffällig viel, aber nicht beunruhigend, z.B. durch diese Zweitnutzung.

Insgesamt kann man sagen, dass Google und Amazon sehr klimafreundlich sind und Netflix noch nicht besonders. Hier können wir als Verbraucher Druck ausüben.

Ein paar Zahlen zur Verdeutlichung: der Energiebedarf durch das Streaming wird auf weltweit 200 TWh pro Jahr geschätzt (Terawattstunden), das ist in etwa soviel wie Spanien. Deutschland hatte 2018 einen gesamten Energiebedarf von ca. 530 TWh, weltweit waren es 20.000 TWh. Zum Vergleich dagegen: der Rechenaufwand für Bitcoins erforderte immerhin 60 TWh, und der Nutzen von Bitcoins und Blockchains ist nach wie vor in der Fachwelt höchst umstritten.

Zum Schluss noch eine Anmerkung als Elternbeirat: durch die Corona-Krise wird deutlich, wie stark wir alle mittlerweile von der Digitalisierung profitieren und wo noch Mängel zu beheben sind. Auf Youtube z.B. gibt es großartige Filme und Filmchen, mit denen bestimmte Sachverhalte erklärt werden, und viele Lehrer nutzen in dieser Krise die Möglichkeiten gut, die Schüler zuhause zu erreichen und weiterhin zu bilden und zu beschulen. Vielen Dank dafür an alle Lehrer!

07.04.2020

Gesundheitssysteme in USA und Deutschland - Leserbrief

Am 24.03. veröffentlichte die WZ eine Glosse über das amerikanische Gesundheitssystem. Ich dachte mir, dass wir in Deutschland auch nicht mehr weit von diesen Verhältnissen entfernt sind, und schrieb einen Leserbrief.
[veröffentlicht am 07.04.2020]

Leserbrief zur Glosse von Hr. Spang, 24.03.2020
Hr. Spang schreibt zwar sehr unterhaltsam und ausführlich über das katastrophale Gesundheitssystem in den USA und beklagt die Fokussierung auf Wirtschaftlichkeit. Ironischerweise sind all die amerikanischen Politiker, die das System dort immer weiter schwächen und als "sozialistisch" beschimpfen, auf Steuerzahlerkosten gut versichert. Das sind dieselben Politiker, die jetzt öffentlich darüber diskutieren, welches Leben einen "Wert" für die Volkswirtschaft hat und spekulieren, dass die Senioren "gern" zugunsten ihrer Enkel sterben würden (das hat der Vizegouverneur von Texas tatsächlich gesagt!). Wann hatten wir zuletzt nochmal eine Diskussion in Deutschland, welches Leben welchen "Wert" hat? Achja: bei Big Brother 2020 werden gelbe Sterne verteilt. Halt, Moment mal, war da nicht früher schon mal so etwas Ähnliches? ...
Natürlich kann man trefflich über den amerikanischen Sozialdarwinismus herziehen, aber in Deutschland sind wir auf demselben Weg! Wer erinnert sich nicht an die ungefragt erstellte Studie der Bertelsmannstiftung, dass 800 von 1400 Kliniken in Deutschland wegen "Unwirtschaftlichkeit" geschlossen werden können? Rein zufällig ist die Mohn-Familie, die dieser Stiftung vorsteht, auch großer Anteilhaber an den privat geführten Rhön-Kliniken. Und rein zufällig erscheint am 25.03. eine Meldung in der WZ, dass die Rhön-Kliniken ganz wunderbar Gewinn erwirtschaftet haben. Ebenfalls rein zufällig herausgepickt: die vier größten privaten Krankenhausbetreiber Helios, Asklepios, Sana und Rhön machen zusammen über 1 Mrd. € Reingewinn pro Jahr (UnionWatch 09.10.2018). Jens Spahn meinte 2018 noch: „Wenn es zuwenig Pflegekräfte für zuviele Patienten gibt, müssen Betten abgebaut werden“. Ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich jetzt aufopfern. Aber immerhin bekommen sie Applaus im Bundestag, von dem sie dann einkaufen gehen können.
Und mittlerweile mehren sich bei uns die Stimmen (vorwiegend aus dem neoliberalen Lager der „Der Markt regelt alles“-Apologeten), die lauthals denken, dass die Beschränkungen gelockert werden müssen, damit die Wirtschaft keinen Schaden nimmt. Auch hier schimmert wieder durch, dass es Leben gibt, das nicht wert ist, geschützt zu werden – Hauptsache, die Kasse klingelt!
Das mag jetzt kommunistisch klingen, aber ich finde, es gibt Dinge, die müssen nicht in privater Hand gehalten werden, und es gibt Institutionen, die nicht wirtschaftlich sein müssen. Die Gesundheitsversorgung gehört dazu.

25.03.2020

Fridays for Future als Erntehelfer in der Coronakrise?

Ich werde das Bild hier jetzt absichtlich nicht teilen, aber hier wird gerade massiv ein Vorschlag in sozialen Netzwerken verteilt, dass die Fridays-4-Future-Schüler doch bitteschön bei den Landwirten und der Ernte helfen könnten, wenn sie doch sowieso "schulfrei" hätten. Der Tonfall in diesem verteilten Meme ist aggressiv gehalten, und setzt ein bestimmtes "Framing", um Stimmung gegen F4F zu machen.

Dazu ein paar Fakten und Gedanken von mir als Elternbeirat.
Update: auch der Volksverpetzer findet die Idee absurd.

Bis zu den Osterferien ist zwar keine Anwesenheitspflicht in der Schule, aber trotzdem ist nicht unterrichtsfrei. Die Schulen versuchen gerade, im Rahmen ihrer Möglichkeiten "Homeoffice" für die Schüler zu ermöglichen. Das klappt - je nach Ausstattung der Schulen und Lehrer - unterschiedlich gut, aber: es wird gemacht. Ob das nun Arbeitsblätter, Videokonferenzen, gemeinsame Dokumente in Kollaborationssoftware oder andere Werkzeuge wie Slack, Discord, Webex, Zoom, Skype usw. sind, ist dabei nebensächlich. Hauptsache, es passiert!

Die F4F demonstrieren freitags knapp 2 Stunden, meistens nicht mal jeden Freitag, und die Landwirte brauchen Erntehelfer, die regulär Vollzeit arbeiten - also 40 Stunden pro Woche oder sogar mehr.

Wenn jetzt ausländische Arbeitskräfte fehlen, heißt das für mich, dass die Landwirte im Inland wegen der schlechten Bezahlung keine Arbeitskräfte finden. Das ist hier ein Marktproblem, aber das lässt sich nicht dadurch lösen, dass jetzt Schüler "dienstverpflichtet" werden (das verbietet Art. 12(2) GG) oder ihnen Schuld eingeredet wird. Es liegt an der Marktmacht der großen Einkäufer, die die Preise drücken. Ich hätte sogar die Befürchtung, dass durch den großflächigen Einsatz von billigen Ferienjobbern die Teufelsspirale von Preisdruck und Lohndumping weiter verstärkt wird.

Dieses Meme unterstellt künstlich, dass die F4F lieber demonstrieren als arbeiten gehen - obwohl die meisten von ihnen gar nicht in der Lage wären, körperlich oder organisatorisch Vollzeit Spargel zu stechen o.ä.

Da die Schüler nun tatsächlich nicht Erntehelfer werden (können), stehen sie automatisch schlecht da, wenn man das Meme gelesen hat.

Bevor ich diesen Blogbeitrag schrieb, hatte ich schon ein paar private Gespräche dazu. Ein beachtenswerter Gedanke, der hier eine positive Absicht unterstellt, ist die Idee, dass die Schüler sich freiwillig für einen Ferienjob bewerben, um die Landwirte zu unterstützen, denen Arbeitskräfte wegbrechen. Die Arbeitskräfte fallen nach den Ferien dann wieder weg - also ist das auch keine langfristige Lösung. Das mag durchaus bedenkenswert sein, ist aber eher eine vereinzelte, individuelle Möglichkeit. Prinzipiell ist ein Ferienjob eine gute Idee - ich habe auch ab dem Alter von 15 Jahren nahezu in allen Schul- und Semesterferien gearbeitet. Die derzeitigen Ausgangsbeschränkungen dürften aber die meisten Ferienjobs in nächster Zeit unmöglich machen.

Randgedanke hierzu: die Schüler müssten ja nicht mal von den Eltern gefahren werden, denn sie haben ja das Hessenticket. Dieses Argument greift aber zu kurz, denn nur Schüler ab einer bestimmten Entfernung bekommen das Ticket bezahlt (Grundschulen 2 km, weiterführende Schulen 3 km lt. Hessischem Schulgesetz §161).

Im Fazit finde ich diesen Text abgrundtief schäbig. Er soll nur dazu dienen, die F4F-Bewegung zu diskreditieren. Nebenbei wird dadurch auch im Vorbeigehen das Grundgesetz beschädigt, wenn die Erntearbeit als wichtiger dargestellt wird als das Grundrecht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit.

20.03.2020

Siemens und die Kohlemine in Australien 2 - Leserbrief

Es war klar, dass mein Leserbrief keine Begeisterungsstürme hervorrufen würde, weil ich schrieb, dass Siemens einen schon geschlossenen Vertrag brechen und lieber eine Vertragsstrafe bezahlen solle, als Zulieferer für die Infrastruktur zum Kohleabbau in Australien zu werden. Der Kohleabbau durch den indischen Konzern Adani würde nebenbei den CO2-Ausstoß von Australien verdoppeln und durch den Transport der Kohle per Schiff auch das Great Barrier Reef bedrohen. Es gäbe also wirklich gute Gründe, diese Kohlemine zu stoppen.
[veröffentlicht: 20.03.2020]

Leserbrief zum Leserbrief von Hr. J., 05.02.2020
Tja, Herr J., die Realität hat Siemens und Adani eingeholt. Kürzlich hat Adani vor einem australischen Gericht zugegeben, dass beim Genehmigungsprozess gegen Strafrecht und Umweltrecht verstoßen wurde, und sogar in Indien selbst wurde eine Bürgerbefragung annuliert, die zu Gunsten von Adani gefälscht wurde. Ich würde es mir für Siemens wünschen, dass diese neuen Tatsachen eine Möglichkeit bieten, wirklich aus diesem Vertrag auszusteigen und damit Gesicht zu wahren.
Abgesehen davon: Sie haben natürlich recht, dass es ein ehernes Prinzip im geschäftlichen Umgang ist, Verträge einzuhalten. Andererseits gibt es seltene Ausnahmefälle, in denen es besser sein kann, tatsächlich von einem Vertrag zurückzutreten und ggfs. eine Vertragsstrafe in Kauf zu nehmen. Sagen wir mal so: wenn eine Heuschreckenfirma wie Blackrock den Firmen, deren Aktien sie als Investmentfirma hält, mehr Umweltschutz empfiehlt, ist das ein starkes Signal. Ich halte den Imageschaden für größer, das Geschäft abzuschließen, als vom Vertrag zurückzutreten und damit immer noch im Geist Werner von Siemens zu handeln.
Ihre Verwendung des "Unworts des Jahres 2019" zeigt mir aber deutlich, dass Sie wenig Interesse an einer sachlichen Auseinandersetzung haben. Die "Klimahysterie" wird eigentlich nur noch von den Leugnern der Klimakatastrophe verwendet. Mittlerweile sind sich *alle* Wissenschaftler einig, dass wir auf eine globale Katastrophe zusteuern und die Änderungen z.B. bei der Temperatur von Meeresströmungen, Jetstreams und anderen Kipppunkten nicht mehr rückgängig zu machen sind. Das Klimapaket, das die Bundesregierung letztes Jahr beschlossen hat, ist nicht mal ein Tropfen auf den heißen Stein und verletzt das Paris-Abkommen massiv.
Ein weiteres Detail als Ergänzung zu meinem vorigen Leserbrief: mehr als 60 andere Firmen, die in Verhandlungen mit Adani waren, haben ihre Zusammenarbeit wegen ökologischer Bedenken verweigert. Siemens ist die einzige von drei Firmen, die eine bestimmte Technik für die Transportzüge noch liefern könnte, denn die zwei anderen (Hitachi und Alsthom) verweigern sich ebenfalls aus Umweltschutzgründen. Falls Adani die Kohlemine wirklich in Betrieb nimmt, würde dies den gegenwärtigen CO2-Ausstoß von Australien verdoppeln, in Zahlen: es handelt sich hier um 700 Mio. Tonnen CO2 zusätzlich.

29.01.2020

Siemens liefert Technik nach Australien - Leserbrief

Auf Seite 4 veröffentlicht die WZ täglich Glossen zu verschiedenen Themen, die in den Tagen vorher ein wichtiges Thema waren. In der letzten Woche hat der Kolumnist Dieter Sattler einen Kommentar verfasst, der Siemens den Rücken stärkt, den schon abgeschlossenen Vertrag mit Adani einzuhalten, bei dem es um die Lieferung von Signaltechnik für Transportzüge für Kohle geht. Dies würde bedeuten, dass Adani in Australien Kohle fördern will, die 700 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr in die Atmosphäre entlassen würde (und damit den Ausstoß Australiens verdoppeln würde), und der Transport würde jährlich 500 Schiffe durch das Great Barrier Reef schicken.
[veröffentlicht am 29.01.2020]

Leserbrief zur Glosse von Hr. Sattler, 14.01.2020
Wieder einmal zeigt sich der Glossist Sattler neoliberal uneinsichtig, indem er genau wie Siemens-Chef Kaeser auf der Einhaltung von fragwürdigen Verträgen pocht und die zugrundeliegende Situation vollkommen unzulänglich beschreibt.
Fakt ist: es gibt drei Firmen weltweit, die die benötigte Signaltechnik für die Transportzüge der Kohlemine liefern könnten. Alsthom und Hitachi haben das Geschäft aus Umweltschutzgründen bereits abgelehnt. Der Vertrag zwischen Siemens und Adani wurde von Kaesers designiertem Nachfolger im Dezember erst eingefädelt, während die katastrophale Situation in Australien sich seit mehreren Monaten immer mehr zuspitzt.
Das Geschäft zwischen Siemens und Adani hat einen Umfang von 18 Mio. Euro, ist also in der Bilanz von Siemens kaum sichtbar. Die Vertragsstrafe ist vermutlich an diesen Betrag angepasst und Siemens könnte das aus der Portokasse zahlen. Der Imageschaden hingegen, den Siemens nun durch das uneinsichtige Beharren auf diesem Geschäft und dem durchsichtigen Versuch, Neubauer in den Aufsichtsrat zu holen und dadurch mundtot zu machen, wird langfristige Auswirkungen haben.
Interessanterweise gibt es andere Verträge von Siemens mit Partnern, in denen ausdrücklich Rückzugsklauseln festgelegt sind, falls sich äußere schwerwiegende Umstände oder Gesetzesänderungen ergeben, die die Vertragserfüllung behindern sollten. Gibt es solche Ausstiegsklauseln im Vertrag mit Adani wirklich nicht? Ich kann mir kaum vorstellen, dass ausgerechnet in diesem Fall die Hausjuristen so geschwächelt haben sollen.
Noch ein pikantes Detail: Siemens hat sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben und einen eigenen Ausschuss gebildet, der alle Projekte auf Umweltschutz abklopft. Dieser Ausschuss hätte sich mal Werner von Siemens zum Vorbild genommen, der sich als ehrbarer Kaufmann den Grundsatz gab "Für augenblicklichen Gewinn verkaufe ich die Zukunft nicht". Davon ist Siemens nach der Adani-Entscheidung weit entfernt.