07.04.2020

Gesundheitssysteme in USA und Deutschland - Leserbrief

Am 24.03. veröffentlichte die WZ eine Glosse über das amerikanische Gesundheitssystem. Ich dachte mir, dass wir in Deutschland auch nicht mehr weit von diesen Verhältnissen entfernt sind, und schrieb einen Leserbrief.
[veröffentlicht am 07.04.2020]

Leserbrief zur Glosse von Hr. Spang, 24.03.2020
Hr. Spang schreibt zwar sehr unterhaltsam und ausführlich über das katastrophale Gesundheitssystem in den USA und beklagt die Fokussierung auf Wirtschaftlichkeit. Ironischerweise sind all die amerikanischen Politiker, die das System dort immer weiter schwächen und als "sozialistisch" beschimpfen, auf Steuerzahlerkosten gut versichert. Das sind dieselben Politiker, die jetzt öffentlich darüber diskutieren, welches Leben einen "Wert" für die Volkswirtschaft hat und spekulieren, dass die Senioren "gern" zugunsten ihrer Enkel sterben würden (das hat der Vizegouverneur von Texas tatsächlich gesagt!). Wann hatten wir zuletzt nochmal eine Diskussion in Deutschland, welches Leben welchen "Wert" hat? Achja: bei Big Brother 2020 werden gelbe Sterne verteilt. Halt, Moment mal, war da nicht früher schon mal so etwas Ähnliches? ...
Natürlich kann man trefflich über den amerikanischen Sozialdarwinismus herziehen, aber in Deutschland sind wir auf demselben Weg! Wer erinnert sich nicht an die ungefragt erstellte Studie der Bertelsmannstiftung, dass 800 von 1400 Kliniken in Deutschland wegen "Unwirtschaftlichkeit" geschlossen werden können? Rein zufällig ist die Mohn-Familie, die dieser Stiftung vorsteht, auch großer Anteilhaber an den privat geführten Rhön-Kliniken. Und rein zufällig erscheint am 25.03. eine Meldung in der WZ, dass die Rhön-Kliniken ganz wunderbar Gewinn erwirtschaftet haben. Ebenfalls rein zufällig herausgepickt: die vier größten privaten Krankenhausbetreiber Helios, Asklepios, Sana und Rhön machen zusammen über 1 Mrd. € Reingewinn pro Jahr (UnionWatch 09.10.2018). Jens Spahn meinte 2018 noch: „Wenn es zuwenig Pflegekräfte für zuviele Patienten gibt, müssen Betten abgebaut werden“. Ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich jetzt aufopfern. Aber immerhin bekommen sie Applaus im Bundestag, von dem sie dann einkaufen gehen können.
Und mittlerweile mehren sich bei uns die Stimmen (vorwiegend aus dem neoliberalen Lager der „Der Markt regelt alles“-Apologeten), die lauthals denken, dass die Beschränkungen gelockert werden müssen, damit die Wirtschaft keinen Schaden nimmt. Auch hier schimmert wieder durch, dass es Leben gibt, das nicht wert ist, geschützt zu werden – Hauptsache, die Kasse klingelt!
Das mag jetzt kommunistisch klingen, aber ich finde, es gibt Dinge, die müssen nicht in privater Hand gehalten werden, und es gibt Institutionen, die nicht wirtschaftlich sein müssen. Die Gesundheitsversorgung gehört dazu.

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