07.04.2014

Boys day und Girls day

Letztens war mal wieder der jährliche Girls day.
Seit kurzem, genauer: seit 2011, gibt es als Ausgleich sogar einen Boys day.

Meine Tochter war bei IBM in Frankfurt. Dort haben sie in drei verschiedenen Projekten gearbeitet:
  1. Bau und Programmierung eines Lego-Mindstorm-Roboters
  2. Erstellen eines Werbevideos
  3. Präsentation
Mein Sohn war in einer befreundeten Tierarztpraxis. Er hat dort gelernt, was ein (Tier-)Arzt und ein/e Helfer/in so alles macht:
  • Biologie, Physiologie, Anatomie
  • Chemie (Blutuntersuchung)
  • Physik (Röntgen, Ultraschall)
  • Psychologie (Besitzer)
  • BWL (der Tierarzt als Unternehmer)
Die Idee bei beiden Aktionen ist: man bringt Mädchen bzw. Jungs dazu, in einen Beruf hineinzuschnuppen, der gerade nicht zu ihrem typischen Rollenklischee zählt. Mädchen also in Männerberufe, gern auch richtig schmutzig, wie Autowerkstatt - oder eben mathematisch/technisch/IT, und Jungs in Frauenberufe, typischerweise also sozial/erzieherisch/pflegerisch.

Was genau bringt nun so ein Tag?

Beim Mittagessen haben Kollegen und ich darüber diskutiert. Ein gleichalter Kollege hat ebenfalls "gemischte" Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Genau wie bei uns - obwohl sich die Eltern bemühen, beiden Kindern dieselben Angebote zum Spielen und zur Beschäftigung zu geben, sind "typisch männliche" und "typisch weibliche" Tendenzen erkennbar.

Söhne basteln Raumschiffe aus Lego. Mädchen spielen Familie. Ältere Jungs lesen oder schauen Science Fiction, Mädchen beschäftigen sich mit sozialen Beziehungen, verfolgen auf Twitter die angehimmelte Boyband ("wer mit wem") oder versuchen, der Freundin mit Liebeskummer zu helfen [die Aufzählung ist natürlich nicht vollständig, sondern im Gegenteil mit Absicht sehr plakativ].

Es fängt doch schon im Kindergarten an: fast nur weibliche Beschäftigte. Wo sind die männlichen Rollenvorbilder? Schon hier sehen Kinder, dass es anscheinend typisch weiblich ist, sich um Kinder zu sorgen und sich mit ihnen zu beschäftigen.

In der Grundschule setzt sich das fort: fast nur Lehrerinnen, und eine bestimmte Art von Methodik im Unterricht. Den gelegentlichen männlichen Lehrer muss man mit der Lupe suchen (die örtliche Grundschule hat einen männlichen Konrektor). Bedingt durch die Option auf Schwangerschaft haben die Kinder in der Grundschule so gut wie nie eine Klassenlehrerin über die gesamte (bei uns) vierjährige Grundschulzeit.

An den weiterführenden Schulen dann eine halbwegs "normale" Geschlechterverteilung in der Lehrerschaft.

Bei der Elternmitbestimmung ist erstaunlicherweise dasselbe zu beobachten (empirisch, aus meiner eigenen Beobachtung). Im Kindergarten und in der Grundschule fast ausschließlich weibliche Elternteile, die sich im Elternbeirat engagieren. Auch bei den Elternabenden sieht man fast nur die Mütter - wenn überhaupt. Viele Eltern interessieren sich so gut wie nicht für die Mitbestimmung. Erst in der weiterführenden Schule tauchen mehr Väter bei den Elternabenden auf, und manchmal lassen sie sich sogar als Elternbeirat wählen. In den weiteren Gremien - wie Schulkonferenz, Kreiselternbeirat, Landeselternbeirat - finden sich dann wiederum fast nur noch Mütter. Die Ausnahmen lassen sich nur mit der Lupe finden.

Ich will damit nicht sagen, dass es prinzipiell schlecht ist, aber es ist einseitig, und es vermittelt den Kindern einen falschen Blick auf die Welt.

Wie ich neulich im Artikel über die Frauenquote schon schrieb: ich halte Frauen und Männer prinzipiell für der gleichen Leistung fähig. Aber die gesellschaftlichen Strukturen favorisieren eine bestimmte ungleiche Rollenverteilung. Das fängt bei der schlechten Bezahlung von sozialen und Pflegeberufen an und hört beim Kopfkino bei Bewerbungsgesprächen noch lang nicht auf, bei denen der Personaler immer eine mögliche Schwangerschaft einer Bewerberin einkalkuliert. Er darf es natürlich nicht sagen (Stichwort AGG), genausowenig wie nach einer bestehenden Schwangerschaft gefragt werden darf, aber ich bin mir sicher, es wird gedacht.

Um noch mal den Bogen zum Anfang und dem Gespräch mit meinen Kollegen zu schlagen: suchen Frauen sich prinzipiell bestimmte Berufe aus (->Ursache), oder wird die Auswahl des Berufs durch bestimmte gesellschaftliche Rahmenbedingungen in eine bestimmte Richtung gedrängt (->Wirkung)? Ich kann es nicht beurteilen.

Zum Schluss noch etwas Positives: Google hat im Blog eine sehr schöne Hommage an Frauen in der IT zusammengestellt, sollte man gesehen haben.

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