31.08.2012

Das neue Nexus 7-Tablet

Am Montag nachmittag bestellte ich im Google Play-Store das nun auch in Deutschland erhältliche Nexus-Tablet, das von Asus gebaut wird.
Diverse Testberichte hatten mich schon  ganz (neu-)gierig gemacht ;)

Am Mittwoch ist es recht fix eingetroffen und die Inbetriebnahme war sehr entspannt. Der Akku war schon halb geladen, die Einrichtung mit meinem Google-Konto ging schnell, und dann fing automatisch die Installation der ganzen Apps an, die auf irgendeiner meiner bisherigen Kisten drauf sind oder waren. Leider wohne ich am Ende der Welt und deshalb habe ich mittlerweile nur noch DSL 384, nachdem die Telekom an Pfingsten urplötzlich gemeint hat, sie muss RAM (rate adaptive mode) abschalten und mir die halbwegs annehmbare Geschwindigkeit von bislang ca. 1600-1800 KBit/s auf 406 KBit/s kürzen ;(

Etwas irritierend war, dass das Nexus auch die HRS Hotelsuche installieren wollte, obwohl ich das nie aktiv ausgewählt hatte. Dann fiel mir ein, dass das auf meinem Samsung Galaxy vorinstalliert ist und deswegen wohl unter "Meine Apps" aufgeführt ist. Ging irgendwie schief ... ist mir aber egal, noch nie verwendet. Die vorinstallierten Apps wären übrigens doch fast schon wieder ein Grund, ein Mod-ROM wie Cyanogen drauf zu flashen, aber so wirklich trau ich mich nicht ;)

Beim ersten Einschalten hatte das Tablet noch 4.1 Jelly Bean, aber während der App-Installation kam der Hinweis, dass ein Systemupdate verfügbar sei, und schwupps, schon hatte ich auf 4.1.1 upgedatet ;)

Beim ersten Durchlauf hatte ich bei der Konfiguration meinen WWW-Proxy angegeben. Den nachher wieder zu entfernen, war etwas trickreich, weil ich bislang nur Froyo 2.2 und Gingerbread 2.3.3 gewöhnt war, und dort gibt es gar keine Möglichkeit, einen Proxy festzulegen. (Wer's braucht: der Proxy wird pro WLAN-Definition eingestellt, und man muss auf einer WLAN-Verbindung lang drücken und dann "Netzwerk ändern" aufrufen. Dann kann man den Proxy wieder auf "Kein" stellen). Mit der MAC-Adresse bekam das Tablet dann auch eine feste IP in meinem DHCP-Server und freien Zugang via iptables auf dem Linux-Server.

Die technischen Daten sind sicherlich bekannt: 1280x800 HD-Auflösung, 1,3 GHz, Tegra 3-Grafik, 1 GB RAM, 7.5 GB ROM, ca. 6 GB freier Speicher bei der 8GB-Version. Kein SD-Slot, kein HDMI-Anschluss. Es gibt einen Micro-USB-Anschluss, der auch zum Aufladen dient. Das Tablet kann sich als MTP- oder PTP-Gerät am USB-Host anmelden (Multimedia- oder Photogerät, einstellbar im Menü); "Massenspeicher" wie beim Samsung Galaxy gibt es nicht. Auf der linken Seite unten gibt es in den Rand eingelassen vier Kontakte, die auch genauso in der Kurzanleitung beschrieben werden ("4 Kontakte"). Wofür das gut sein soll, wird sich erst noch zeigen. Vielleicht eine Dockingstation oder ähnliches, mehr findet sich bislang nirgends.

Unter Linux konnte ich zwar nach dem Einstecken des USB-Kabels mit "lsusb" sehen, dass ein Google-Gerät angeschlossen ist, aber der Automounter hat mir kein Filesystem gezeigt. Mit Helfern wie AndFTP und AndSMB zum Filetransfer habe ich dann Dateien, die ich auf dem Tablet haben wollte, mit WLAN überspielt. [Update: ein bißchen Suchen im Web bringt zutage, dass seit ICS nur noch MTP/PTP statt USB Mass storage unterstützt wird, damit die Geräte ext3 statt FAT verwenden können und der Speicher im Androiden nicht mehr exklusiv an den Host "verliehen" wird. Das hat den Nachteil, dass man mit udev-rules spielen muss und z.B. mtpfs oder jmtpfs installieren muss, um das Gerät unter Linux zu mounten.]

Der Bildschirm spiegelt stark und hat ein sehr gutes, brillantes und lichtstarkes Bild. Der Touchscreen reagiert auf sehr leichte Bewegungen; das Gorillaglas fühlt sich sehr gut an; allerdings irritierte mich schon mehrmals, dass trotz Klickgeräusch manchmal Buchstaben beim Tippen gefehlt haben. Kann aber auch mein Fehler gewesen sein.

Das Gewicht ist tragbar im Sinn des Wortes. Es hält sich wesentlich besser in der Hand als mein bisheriges Archos 10"-Gerät. Der Ersatz mit dem 7"-Formfaktor war der Hauptgrund für die Anschaffung, und natürlich die Kombination aus guter Hardware und gutem Preis ;). Außerdem wollte ich unbedingt ein "Google Nexus"-Gerät ohne Hersteller-Schnickschnack haben, das *schnell* Updates bekommt.

Es ist nämlich ein Trauerspiel, wie lang sich die Hersteller Zeit lassen, um Updates an ihre Modelle anzupassen. Insbesondere ärgert mich das, weil das Galaxy i9000 offiziell bei 2.3.3 stehengeblieben ist, obwohl die nachfolgenden Updates bis einschließlich 2.3.7 bekanntermaßen Sicherheitsupdates waren. Es gibt zwar geleakte Fassungen bis hin zu 2.3.7, aber ehrlich gesagt trau ich mich nicht. Ich schätze, mein nächstes Telefon (vielleicht schenk ich mir das selbst zum Geburtstag ...) wird ein Galaxy Nexus S werden, auch wenn es nicht mehr das aktuellste Modell ist. Das Galaxy S3 ist mir schon wieder zu klobig und zu groß, auch wenn es einige interessante Features hat.

Android 4.1 hat wirklich, wie in allen Berichten bislang geschrieben, einen hohen "Flutschfaktor". Die Animationen sehen einfach klasse und sehr geschmeidig aus. Ich denke, dass das mit zu einem hohen WAF beitragen wird (Woman's Acceptance Factor). Das ist nochmal einen Tick schöner als beim S2 meiner Tochter mit 4.0.3. Etwas gewöhnungsbedürftig am Anfang ist die Tatsache, dass das Tablet keine einzige Taste mehr hat, die gesamte Bedienung (zurück, home, menü) geschieht über virtuelle Touch-Tasten. Insbesondere die Menü-Taste vermisse ich. Hier ist Android 4.x inkonsistent: in manchen Apps erscheint ein Menü-Knopf rechts oben unter der Statusleiste, in anderen ist der Knopf rechts unten in der Leiste mit zurück/home/letzte Programme. Das gefällt mir weniger.

Meine eigene App für die Wetterauer Tierarzt-Notdienstgemeinschaft funktioniert einwandfrei unter 4.1; bislang hatte ich sie nur auf 2.2 und 2.3 im Emulator und in "echt" testen können. Wie beabsichtigt, erkennt die App das Tablett ohne Telefonfunktion und deaktiviert die Buttons für die Telefonnummern. Sehr schön!

Dann hab ich mir ein wenig Musik überspielt. Der Klang ist sehr angenehm, am unteren Ende auf der Rückseite gibt es eine Lautsprecheröffnung, die ein bißchen Baßreflexfunktion hat. Man kann damit gut leben. Auch die Musik über den Kopfhörerausgang klingt passabel. Der eingebaute Musikplayer ist ein Trauerspiel an Bedienbarkeit. Je nach Menüansicht kann man den Equalizer im Menü aufrufen oder nicht. Die Handhabung von Playlists ist auf maximale Umständlichkeit ausgelegt. Es gibt keinen eingebauten Filemanager wie beim Archos oder Galaxy; ich habe mir willkürlich zum Ausprobieren den "ES File Manager" installiert. Selbst damit ist es sehr schwierig, sich Playlists zusammenzustellen. Man kann nicht einfach ein Unterverzeichnis als Playlist übernehmen, um z.B. alles von einer Gruppe oder einem Sänger zu sammeln. Hat jemand Vorschläge für bessere Musikplayer?

Den beigelegten Film "Transformers 3" konnte ich bislang nicht ansehen, für HD-Streaming fehlt mir die Bandbreite, siehe oben ;(. Herunterladen ist anscheinend bei Play Movies nicht vorgesehen. Er wird mir im Store unter "Meine Leihfilme" angezeigt. Ob das eine Zeitbegrenzung hat, werde ich wohl herausfinden müssen.

Ich bin beeindruckt von der Akkuladung. Nach 3 Stunden Standby mit eingeschaltetem WLAN und Bluetooth hatte ich mittags immer noch 95% Akkuladung; am Abend stand die Anzeige ("Quick Battery") bei 86%, obwohl ich zwischendurch einiges an Surfen, Musik und Google Play ausprobiert habe. Über Nacht hatte ich WLAN und Bluetooth ausgeschaltet, und am Morgen war die Akkuladung bei 70%. Das finde ich ziemlich gut, hängt aber natürlich davon ab, wie intensiv das Gerät benutzt wird. Beim IPS-TFT-LCD, das hier zum Einsatz kommt, hängt der Stromverbrauch hauptsächlich davon ab, wie häufig und wie schnell sich das angezeigte Bild ändert. Erwartungsgemäß wird der Akku also beim Filmgucken oder Spielen deutlich schneller leer sein, als wenn man surft oder nebenher beim Fernsehschauen ein wenig in der Wikipedia oder bei IMDB recherchiert.

Am Nachmittag kam dann passend die Meldung, dass Amazon jetzt auch einen Android App Store anbietet. Als Werbeangebot gab es gestern "Angry Birds werbefrei" für umme, und das konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Das Spiel sieht gut aus und läuft einwandfrei, genau wie Temple Run. Die Spiele machen richtig Spaß, insbesondere die Spiele, die mit Bewegungssensor funktionieren, flutschen richtig gut im Gegensatz zum 10"-Tablet, und das *etwas* größere Bild im Vergleich zum 3.5"-Galaxy ist schon richtig klasse.

Fazit: ich bin begeistert. Ob man nun die 8- oder 16GB-Version kauft, hängt an der Überlegung, wieviel Musik und Filme man überspielen will und ob 8GB wirklich den Aufpreis von 199 zu 249 Euro rechtfertigen. Für mich persönlich reichen 8GB.

Update:
für 199 Euro gibt es mittlerweile die 16 GB-Variante, für 249 Euro 32 GB statt 16, und für 50 Euro Aufpreis kann man auch ein Tablet mit Mobilfunktechnik (UMTS, HSPA) kaufen. Die 8 GB-Version wird nicht mehr angeboten. Zu früh gekauft ;)
Das Tolle an den Nexus-Geräten ist, dass sie nahezu sofort die Android-Updates bekommen. Mittlerweile sind mein Galaxy Nexus und das Nexus 7 beide auf 4.2.2 angekommen. Das S2 meiner Tochter dümpelt bei 4.1.2 herum.

Update:
* Link zu meiner Android-App entfernt
* Link zum DSL-Trauerspiel (RAM) hinzugefügt

27.08.2012

[en] Carpe Jugulum Theater play in Hanau, Germany

In DWM#184 there was an announcement for a theater play of Carpe Jugulum after the book by Sir Terry Pratchett.

Finally a theater play in Germany! I've been scanning the announcements in DWM for years and longing for a performance somewhere locally. And local it was, Hanau is only 40 km away from where I live. I wouldn't have missed this under any circumstances!

I did a bit of searching beforehand to find out about the actors, and the web search brought up a theater group but I was astonished to find them "Die Dramateure" located in Zurich, Switzerland. Since their agenda did not include Hanau I assumed there's another group not yet appearing with their own web site, thusly not known by search engines. And yes, "Die Dramateure" is also the name for a group of students of the "Hohe Landesschule" in Hanau. (The contents of the page seem a little bit outdated but I include it anyway for your curiosity).

And now for something completely different: let's talk about the play!

The play took place in said school, and though it was not crowded it was very well attended. The weather was very hot and humid, kind of tropical, with still more than 30 deg. C (nearly 80 deg. F) in the evening. The play started 19.30, with a short break at around 20.30, and finished at 22.00. In the lobby you could buy some beverage and snacks which was absolutely fine concerning the weather ;)

Since it was a school play most of the audience were parents and other relatives of the actors, plus perhaps some teachers. I admit I didn't investigate if any other visitors dropped in after reading the DWM announcement.

In one short sentence: it was absolutely great, and I loved it as much as my children (9 and 12). My 12-year old daughter just started reading Pratchett (I suggested to start with "Nation", in german "Eine Insel"), and she already knew some Discworld details from me. My 9-year old son didn't know anything about Discworld, but knows everything about vampires ... or vampyres which is more modern ;). They enjoyed the play as much as I.
If you're a keen Pratchett reader like me you know that the story basically takes place at two locations: King Verence's castle in Lancre where the baptism of the royal baby is about to be celebrated, and the d'Elstyr's (Magpyr's) castle in Uberwald, where the final showdown happens between the witches and the vampi^Hyres. I was at a loss a little bit because I only read the english books since "Pyramids", and so I realized quite late that most names are translated in the german books. For example the Omnian priest (Quite Reverend Oats) is "Mächtig Himmelsang" in the play (which translates back to something like "mighty song of the heavens").

The stage had a very minimalistic setup, but the actors made it appear like the real castles in our imagination. Nanny Ogg was the most present actor on the stage, followed by the narrator who introduced the audience to the Discworld and also gave some explanations throughout the play (he also played Verence sometimes ...).

My son and I liked the Igor most who did a wonderful job of crouching and lurching, and saying things like "the old mathter wath a real gentleman" (of course he lisped in german). The next best was Igor's dog Thcrapth ("Fetzen").

Although Granny Weatherwax is per definition the most present witch ever she was a bit underrepresented in the play and her voice and appearance could have used a bit more power. Oats did a very good job of showing his doubt about knowledge and belief and the final fighting scene between him and the count was graciously "[censored]" by a huge poster carried by two stage helpers.

Agnes and her second self Perdita were played by two nice young girls dressed alike and Perdita was a wonderful inner voice to Agnes. There were some fine-grained local adaptations which were well accepted by the audience, notably the bridge guard spoke a sort of hessian-turkish lingo which was very funny, and the Magpyr castle dungeons were called "hola dungeons" (hola being the abbreviation for the Hohe Landesschule).

In general I recommend the theater group of this school and I hope that they will come up with another Pratchett play in the future. I have little hope though because some of the actors were in their finals or even had left the school but returned for the play. Kudos for that!
The audience gave long and well-earned applause and standing ovations.

The website is a bit old-fashioned and promises to get updated real soon. In the lobby were ads for other theater plays like Shakespeare's "Sturm" but I cannot tell how you could access the agenda unless you have personal connections to the school.

[de] Carpe Jugulum ("Ruhig Blut!") Theatervorstellung in Hanau

In der Ausgabe 184 von Discworld monthly gab es eine Ankündigung, dass - endlich! - ein Stück von Sir Terry Pratchett in Deutschland aufgeführt wird.
Dabei handelt es sich um das Stück "Ruhig Blut!" (orig. "Carpe Jugulum" - analog zu Carpe Diem - nutze die Halsschlagader).

Endlich, endlich eine Theateraufführung von der Scheibenwelt in Deutschland, und auch noch so bequem in der Nähe! Ich konnte es kaum glauben, dass tatsächlich in Hanau an der Hohen Landesschule eine Aufführung stattfindet. Das wollte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen!

Ich habe vorher mal meine übliche Suchmaschine angeworfen, um etwas über die Theatergruppe "Die Dramateure" herauszufinden, und bekam einen Treffer in Zürich geliefert. Ich wollte schon beeindruckt sein, dass sie ein Gastspiel in Hanau geben, aber der Terminplan der Website hat nichts über Termine in Deutschland verraten. War wohl nix ... "Die Dramateure" ist ebenfalls der Name der Theatergruppe an der Hohen Landesschule in Hanau, wo das Stück aufgeführt werden sollte.

Das Stück wurde an zwei Terminen aufgeführt, ich hatte mir den ersten Termin am Freitag vorgenommen. Die Bühne ist ein abgeteilter Bereich in der Lobby des Schulgebäudes, nicht über-, aber gut gefüllt. Da es abends um 20.00 Uhr noch über 30 Grad heiß und sehr schwül war, kamen die im Foyer verkauften Getränke bei den Besuchern sehr gut an ;)

Die meisten Besucher waren vermutlich Eltern und andere Verwandte der Schauspieler, die vorher noch wenig bis nichts von der Scheibenwelt gehört hatten. Es gab einen Erzähler, der vor dem eigentlichen Stück einige grundsätzliche Informationen gab, die sicher zum Verständnis ganz nützlich waren. Schwer zu sagen, wieviele hartgesottene Pratchett-Fans anwesend waren, abgesehen von mir ;)


And now for something completely different: jetzt kommt endlich was über das Stück und die Aufführung!

Das Stück sollte um 19.30 Uhr beginnen, hatte eine 20-minütige Pause um 20.30 Uhr, und war um 22.00 Uhr beendet. Es begann mit leichter Verspätung; das war aber nicht schlimm, weil ein Beamer vorab schon einige Infos über die Scheibenwelt und die Schauspieler gab.

In einem kurzen Satz zusammengefasst: es war klasse, und es hat mir und meinen Kindern (9 und 12) sehr gut gefallen. Meine 12-jährige Tochter hat just in den Ferien angefangen, Pratchett zu lesen (Ich habe ihr letztens "Nation", dt. "Eine Insel" geschenkt), und außerdem wusste sie schon einige Details (aus den Filmen, die ich auf DVD habe -- Hogfather, Going Postal, Wyrd Sisters, Soul Music). Mein 9-jähriger Sohn wusste vorher noch nichts über die Scheibenwelt, das war aber nicht schlimm, weil er sich ansonsten schon ziemlich gut mit Vampiren auskennt  ... oder Vampyren, was etwas moderner klingt ;).

Alte Pratchett-Leser wissen natürlich schon über den Inhalt Bescheid: die Geschichte hat hauptsächlich zwei Schauplätze, das Schloss in Lancre, wo die Taufe des königlichen Babys stattfinden soll, und das Schloss der d'Elstyrs (engl. Magpyr) in Überwald. Dort findet dann der große Showdown zwischen den Hexen und den Vampi^Hyren statt. Ich war am Anfang etwas verwirrt, weil ich seit langem nur die englischen Bücher lese, genauer: seit "Pyramids", und deshalb dauerte es ein bißchen, bis ich mich an die eingedeutschten Namen gewöhnt hatte. Der omnianische Priester, im Original der "Quite Reverend Oats" heißt "Mächtig Himmelsang". An und für sich sind die Übersetzungen gar nicht so schlecht, aber natürlich geht immer etwas von Pratchetts Wortwitz verloren. Eine Erklärung der englischen Wortspiele findet sich für alle Bücher in den "Annotated Pratchett Files", und insbesondere hier für Carpe Jugulum.

Die Bühne war sehr minimalistisch; der Thronsaal in Lancre hatte z.B. nur einen Tisch mit Tischtuch und Kerzenständern, und der Saal im Schloss der d'Elstyrs hatte auch nicht viel mehr Ausstattung. Das war aber alles kein Problem, weil alle Schauspieler so gespielt haben, dass die Zuschauer sich immer alles genau vorstellen konnten. Am meisten hat mich Nanny Ogg beeindruckt; sie hatte eine tolle Präsenz und hat gut und lebhaft gesprochen und intoniert. Auch der Sprecher wusste seine Zwischenbemerkungen sehr gut einzustreuen und zu betonen. Ab und zu hat er übrigens den König Verence II gespielt ;).

Mein Sohn und ich mochten den Igor am meisten. Er konnte wunderbar hinken, schlurfen, sich anschleichen und lispeln. Sein Lieblingsspruch war "Der alte Meithter war ein ethter Gentleman". Sein Hund Fetthen (Fetzen) war ein knuddeliges Stofftier mit einem fast unsichtbaren ;) "Puppenspieler". Der Hund "ist 28 Jahre alt ... zumindest Teile von ihm". Er konnte sogar Kunststücke wie "stell dich tot! [zack] - Er erinnert sich!" (ok, der Witz ist nur verständlich, wenn man weiß, dass die Igors wie in Mary Shelleys Buch Frankenstein Tote zum Leben erwecken können).

Obwohl Oma Wetterwachs per Definition die präsenteste Hexe ist, wird sie im Stück dieser Rolle nicht gerecht. Die Schauspielerin spricht und spielt nicht so, wie ich mir Granny aus den Büchern vorgestellt hatte. Sie ist zwar auch in dieser Geschichte nicht Supergirl, sondern hat ihre Zweifel, ob die Vampire besiegt werden können, aber trotz allem ist die Rolle zu schwach ausgefüllt. Der Priester hat seine Rolle sehr gut gespielt und man konnte seine Selbstzweifel, ob er dem Glauben oder dem Wissen zuneigt, gut nachvollziehen. Die finale Szene des Kampfs zwischen ihm und dem Obervampir wurde aufgrund Brutalität mit einer Hellebarde von zwei Statisten und einem Vorhang mit dem Schriftzug "(Zensiert)" gnädig verdeckt.

Agnes und ihr zweites Ich Perdita wurden von zwei identisch gekleideten Frauen gespielt, wobei Agnes einige zusätzliche "Polster" an manchen Stellen hatte, so wie sie auch in den Büchern beschrieben wird (z.B. auch in "Maskerade") -- "in jedem dicken Mädchen steckt ein dünnes Mädchen, das heraus will ... und jede Menge Schokolade". Perdita war eine wundervoll zickige innere Stimme. Es gab einige sehr dezente Anpassungen im Stück, die von den Zuschauern gut aufgenommen wurden, z.B. hat der Brückentroll eine Art schnoddriges Hessisch-Türkisch gesprochen, in etwa wie Erkan&Stefan, und das Verlies im Schloss der Vampire waren die "Hola-Verliese" (Hola als Abkürzung für die Hohe Landesschule).

Im Großen und Ganzen hat es mir sehr gut gefallen, bis auf anfängliche Irritationen über die Namen, aber das hat sich schnell gelegt. Die Schauspieler haben den Geist des Stücks, den Kampf gegen Aberglauben, sehr gut dargestellt. Wenn diese Theatergruppe nochmals ein Stück von Sir Terry Pratchett aufführen sollten, würde ich unbesehen jederzeit wiederkommen! Allerdings füchte ich, dass die Chancen nicht sehr gut stehen, weil eine Lehrerin aus dem Kollegium in ihrer Dankesrede davon gesprochen hat, dass einige der Schauspieler schon ehemalige Schüler sind und andere ebenfalls kurz vor dem Schulabschluss stehen. Trotzdem Respekt!


Das Publikum gab lang und ausdauernd verdienten Applaus und Standing Ovations.

Die Website der HoLa trägt zur Zeit ein Baustellenschild und die Termine sind von 2009. Falls man keine persönlichen Beziehungen dorthin hat, wird es also schwierig, etwas über künftige Aufführungen zu erfahren. Hoffentlich werden die Pratchett-Stücke wieder in DWM angekündigt.
In der Lobby wurde Werbung für Shakespeares "Sturm" gemacht, aber das gehört hier nicht zum Thema ;)

Ehegattensplitting auch für Lebenspartnerschaften

In der WZ vom Montag, 20.08.12, war eine kurze Pressemeldung, dass Hr. Kauder und auch Hr. Bouffier die Ausweitung des Ehegattensplittings auf eingetragene Partnerschaften ablehnen, weil die aktuelle Politik "Familien mit Kindern" unterstützen will.

Dazu habe ich (mal wieder) einen Leserbrief geschrieben ...

Leserbrief zu “Ehegattensplitting für Lebenspartnerschaften”, WZ 20.08.12

Ich finde es sehr löblich von Hr. Kauder, dass er "hauptsächlich Familien mit Kindern" unterstützen will. Aber wenn er das Ehegattensplitting für Lebenspartnerschaften ablehnt, zeigt er nur, dass es ihm in Wirklichkeit nicht um die Kinder geht.

Er sollte dann auch so ehrlich sein und zugeben, dass das Ehegattensplitting hauptsächlich *Ehepartnern* zugute kommt, bei denen einer wenig (... bis gar nichts) und der andere deutlich mehr verdient.
Das Ehegattensplitting stellt insbesondere keine Steuergerechtigkeit für Familien *mit Kindern* her! Es ist nur ein Nebeneffekt, dass diese Steuerformel auch Einverdienerfamilien mit Kindern zugute kommt.

Er unterstützt also im Einklang mit seiner konservativen Partei hauptsächlich den Lebensentwurf "Familie" (nur hetero ...) und nicht den Lebensentwurf "Paar mit Kindern". Das setzt den falschen Akzent! Familien müssen in die Lage versetzt werden, sich um ihre Kinder zu kümmern.

In Zukunft werden Patchworkfamilien ohne Trauschein und Lebenspartnerschaften immer mehr zunehmen. Dazu braucht es keine Kristallkugel.
Es wird Zeit, dass das Steuerrecht hier grundlegend reformiert wird! Es gibt viel zuwenig oder an den falschen Stellen Unterstützung für Familien, da hat Hr. Kauder wie gesagt recht. Aber er sollte den Mut haben, dagegen etwas zu tun und nicht ein Instrument aus den 50er Jahren weiter am Leben zu erhalten, das nur die Einverdienerfamilie und das damit verbundene Weltbild zelebriert und zementiert.

Das Kindergeld bzw. die entsprechende Steuerentlastung liegt bei lächerlichen (ca.) 3000 Euro pro Jahr pro Kind, fast unabhängig vom tatsächlichen Einkommen.
Das Ehegattensplitting ohne irgendeine Gegenleistung an den Staat (kinderlose Paare) führt bei einem Einkommen von 100.000 Euro zu 9.000 Euro Steuerentlastung, bei 1.000.000 Euro zu satten 17.000 Euro Steuerentlastung.
Schon ab einem Jahreseinkommen von ca. 22.000 Euro bekommt man mehr Steuervorteil durch den Einverdienerstatus als durch Kinder!
Der Steuervorteil des Ehegattensplittings wächst progressiv, der durch Kindergeld ist nahezu unabhängig vom Einkommen.
[Zahlen entnommen dem Bronski-Blog der Frankfurter Rundschau, 26.02.12, dort ging es um die damals diskutierte Abgabe für Kinderlose]

Ich würde gern von Hr. Kauder wissen, wo er hier die Gerechtigkeit und seine behauptete Unterstützung für *Familien* sieht. Das französische Modell des Steuersplittings scheint mir ein Ansatz zu sein: hier wird nicht das Gesamteinkommen durch zwei (Ehepartner) geteilt, sondern entsprechend der Anzahl der Kinder durch drei, vier usw., und daraus die Steuerlast ermittelt. Alternativ könnte man das Ehegattensplitting auf Paare beschränken, die Kinder aufziehen und die hier Einschränkung auf (Hetero-)Ehe fallen lassen.

Meiner Meinung nach müssen Lebenspartnerschaften im Gesetz nicht nur die Pflichten, sondern analog auch alle Rechte bekommen. Es kann nicht sein, dass der Staat z.B. die Fürsorgepflicht auf den Lebenspartner abwälzt, aber umgekehrt alle Vorteile weiterhin für sich reklamiert (Erbrecht, Unterhalt, Steuerrecht usw.). Allein im Interesse von Hr. Blüm ("Die Renten sind sicher") sollte sich die Regierungspolitik darum kümmern, dass Kinder optimal gefördert werden, damit sie später das Umlagesystem weiter finanzieren können.
Noch eine Fußnote dazu: das Ehegattensplitting kostet den Staat ca. 15 Mrd. Euro jährlich. Es wäre interessant, wie hoch der Anteil an kinderlosen Paaren ist, die vom Ehegattensplitting (m.E. unberechtigt) profitieren.

10.08.2012

Mathematiker, kommst Du nach Griechenland ...

vergiss nicht, im Souvenirshop ein "pi" zu kaufen!

Men in Black 3 und die Zeitreisen

Gestern abend fand die erste Veranstaltung des Wölfersheimer Kinosommers statt. Gezeigt wurde im Hochseilgarten am See in Geisenheim "Men in Black 3" (Trailer hier). Für Verpflegung sorgte der Förderverein der Wölfersheimer Schulen, für Getränke-Ausschank der FC Wohnbach. Beim Film am Freitag (Ice Age 4) bin ich übrigens für den Förderverein an der Theke ;)

Wow, was für ein atemloser Film! Eine Action-Szene nach der anderen.

Am Anfang war natürlich jedem klar, dass die Besucherin etwas im Schild führt ... nur den Wärtern nicht. Die erste Pointe war dann, dass das Gefängnis sich auf dem Mond befindet. Genial gemacht. Wer die Frau ist und wie sie mit Torte auf den Mond gelangt ist, wurde nicht erklärt. Dafür hat sie ganz schön scharfe Stiefel an, das macht alles wett ;)

Agent K war wesentlich kühler, als ich ihn aus den ersten beiden Teilen in Erinnerung hatte, aber das erklärt sich gegen Ende des Films; das gehört zum Plot ;)

"Amazing grace" auf dem Dudelsack gespielt hat mir anlässlich der Trauerrede für Zed auch sehr gut gefallen. Echte Teamarbeit ;)

Von einem Moment auf den anderen ändert sich die Zeitkontinuität, und genau während eines Telefonats zwischen J und K verschwindet K mitsamt seiner Wohnungseinrichtung; dort wohnt plötzlich eine junge Mutter.

Die neue Chefin O kommt fast sofort auf die Lösung: entweder wurde J von einer tödlichen Gehirnzecke befallen oder die Kopfschmerzen resultieren aus einer Zeitveränderung. Die angreifenden Raumschiffe erinnern an eine Mischung aus Tripods und Quallen. Sehr schöne CGI und sehr organische Bewegungen.

Hier kommen für SF-erfahrene Zuschauer schon die ersten Fragen auf: wenn K seit 40 Jahren tot ist (umgekommen beim Kampf gegen Boris kurz vor dem Start von Apollo 11), warum ist J dann trotzdem Agent bei den MIB? Im Prinzip hat sich fast nichts an der Jetzt-Zeit geändert, außer, dass J einen neuen Partner hat.

Sehr schöne Pointen auch im Jahr 1969 ... Andy Warhol ist Agent W mit weißer Perücke und denkt sich den ganzen Quatsch mit Konservendosen usw. nur aus Verzweiflung aus, weil ihm nix künstlerisches einfallen will - witzig gemacht. "The Factory" ist natürlich aus der Popkultur und Trivial Pursuit bekannt und z.B. auch aus der Android-App Quizoid. Mick Jagger ist ein Außerirdischer (genau wie Michael Jackson im ersten Teil) mit dem Auftrag, sich mit möglichst vielen Erdenfrauen zu paaren ... mission accomplished ;)

Die Voraussage von Griffin war gewollt mehrdeutig ... "wo der Tod war, muss der Tod sein". Könnte man so interpretieren, dass der junge Boris nicht verhaftet, sondern von Agent K getötet wird, dann wäre das auch 1:1 aufgegangen.

Den Trick mit dem zweifachen Angriff auf den 2012-Boris fand ich sehr cool: beim ersten Angriff merken, was passiert, mit der Zeitmaschine einige Sekunden zurückspringen und beim zweiten Angriff allen abgeschossenen Pfeilen ausweichen ;)

Zuerst hat's mich gewundert, warum J nicht einfach vom Gerüst der Mondrakete gesprungen ist, um in seine Zeit zurückzukehren. Er verlässt stattdessen mit einer Gondel wie K vor ihm die Saturn V und beobachtet den Showdown zwischen K und Boris. Dabei erfährt er, dass der Colonel, der ihnen geholfen hat, sein Vater ist, der getötet wird, und K ihn dann "blitzdingst".

Schöne Pointe am Schluss, wenn auch bitter. J hat also K gerettet um den Preis einer Kindheit mit seinem lebenden Vater. Damit muss man auch leben lernen ...

Die weiteren Konsequenzen von Zeitreisen werden nicht weiter thematisiert; nach der Rückkehr scheint alles soweit wie vorher, was an sich recht überraschend ist, weil Boris ja nicht ins Gefängnis kommt, nicht ausbricht, nicht während der Flucht zahlreiche Wärter tötet usw.usf.

Ein unmittelbarer Logikfehler ist allerdings schon drin: Boris ist ja eher der kompromißlose Bösewicht; warum tötet er ausgerechnet Jeffrey nicht, nachdem der ihm die Zeitmaschine gegeben hat? Und warum lässt er die zweite Zeitmaschine zurück?
Aber das hätte bei einem Film mit eher unterhaltsamem Anspruch auch zu weit geführt.
Sanfter wäre m.E. gewesen, den "jungen" Boris wie gehabt einzubuchten, damit die Zeit möglichst wenig verändert wird. Der "alte" Boris hätte durchaus auf seiner Zeitreise umkommen können, das hätte die Zukunft nicht merklich verändert. Aber der junge Boris hätte überleben müssen.

09.08.2012

Mein (abgelehnter) Leserbrief zum Leistungsschutzrecht in der WZ

Ich lese ja eigentlich die Wetterauer Zeitung recht gern, und auch den "Meinungstreff" mit den Leserbriefen. Ab und zu schreibe ich auch einen Leserbrief zu einem Thema, das mich besonders interessiert.
Neulich irgendwann hatte die WZ einen Artikel zum heiß diskutierten "Leistungsschutzrecht", der meiner Meinung nach einige Fehler enthielt und recht einseitig war.
Also schrieb ich einen weiteren Leserbrief ...

In der Samstags-WZ erschien ein Artikel über das geplante Leistungsschutzrecht, der wieder einmal sehr einseitig und teilweise sachlich falsch berichtet, was eine fleißige Lobby-Gruppe der Bundesregierung als Gesetzentwurf diktieren will. Sachlich falsch ist schon einmal, dass behauptet wird, die Verleger haben ein Urheberrecht, dass sie wahrnehmen und schützen müssen. Das Urheberrecht verbleibt natürlich beim Urheber, wie der Name sagt. Das deutsche Recht sieht keine Übertragung der Urheberschaft vor, sondern nur eine Übertragung der Nutzungs-(Verwertungs-)Rechte. Die großen Zeitungsverlage übernehmen hier sehr gern zu sehr niedrigen Preisen Artikel von meist freischaffenden Journalisten und kaufen ihnen dabei zu Spottpreisen sämtliche jetzigen und zukünftigen Verwertungsrechte ab. Laut Spiegel Online zählen die freien Journalisten zu den eher schlecht bezahlten Lohngruppen (im Schnitt etwa 17.000 Euro/Jahr, 40 % sogar unter 12.000 Euro/Jahr s. http://goo.gl/4wqSi, in Ostdeutschland zu Stundenlöhnen von ca. 5-6 Euro).
Und hier kommt das Absurde des geplanten Gesetzes zum Vorschein: die Verleger möchten von den Werbeeinnahmen von Google und anderen Werbevermarktern profitieren. Dabei vergessen sie aber, dass die allermeisten Besucher erst durch die Suchmaschinen auf ihre Webseiten gelotst werden. Außerdem gibt es seit 15 Jahren einen etablierten Standard, mit dem Webseitenbetreiber die Suchfunktion von Google etc. aussperren können (teilweise oder ganz, Stichwort robots.txt). Interessanterweise will kein Verleger diese technische Möglichkeit in Anspruch nehmen.
Das ist ungefähr vergleichbar mit der Idee, dass die Friedberger Gewerbebetriebe einen Anteil an den Einnahmen von Bussen, Bahnen und Tankstellen fordern, weil ja die Käufer mit öffentlichen oder privaten Verkehrsmitteln zum Einkaufen kommen und die Geschäfte somit den Verkehrsbetrieben und Tankstellen Kunden zuführen! Welche Verdrehung der Tatsachen!
In diesem Sinne ist also das Leistungsschutzrecht eher ein Monopolrecht für das Schmarotzen an fremden Leistungen. Bekannte, fachkundige Rechtsanwälte lehnen einhellig dieses Gesetzesvorhaben ab: z.B. Udo Vetter und Thomas Stadler, sowie die Organisation irights.info. Udo Vetter ist sogar der Meinung, wenn man im Internet, z.B. in seinem eigenen Blog, nicht mehr unter Bezug, d.h. Zitat oder Verlinkung, seine Meinung äußern darf, "bedroht das Leistungsschutzrecht die neue Meinungsfreiheit (Brechts Idee "jeder ist ein Sender"). Wer als Bürger nur noch Zeitung lesen, aber nichts mehr im Internet dazu sagen darf, kann sich getrost digital kastriert vorkommen". Der Medienjournalist Stefan Niggemeier meint dazu, dass hier schon kleinste Textschnipsel geschützt werden. Damit würden die Verlage durch die Hintertür ein Monopolrecht auf Sprache erhalten, weil schon eine Überschrift nach dem LSR schützenswert wäre, und sogar Zitate, die nur eine Überschrift und einen Link enthalten, wären lizenzpflichtig. Hurra, neue Einnahmequellen und ein weites Feld für Abmahnanwälte ...
Die Verlage selbst, die so laut für das neue Recht trommeln, sind übrigens die ersten, die sich gern mal nicht an das Urheberrecht halten, die BILD-Zeitung vorneweg: immer wieder werden ohne Erlaubnis und manchmal sogar gegen ausdrückliche Erklärung hin Bilder übernommen, ohne zu fragen oder ohne zu bezahlen (einige aktuelle Beispiele finden sich wie immer beim bildblog, etwa hier: bildblog.de/40163/).

Da zur Zeit auch die Zirkumzision im MT heiß diskutiert wird, habe ich gar nicht mehr drauf geachtet, ob der Leserbrief veröffentlicht wird oder nicht. Irgendwann erinnert sich auch gar keiner mehr an den Artikel, und dann ist ein Leserbrief eher sinnlos geworden. Ich hatte auch neulich einen durchaus lobenden Leserbrief zu Facebook angefangen, als in der Wochenendbeilage mal das Thema aufkam, durchaus differenziert, wie ich fand. Ich wollte auf das IBM-Thema "Manage your identity" hinweisen, für das ich gelegentlich Vorträge halte (für Schüler Sek I und II, auch Schulelternbeiräte etc., über Datenschutz und Privatsphäre im Allgemeinen und besonders in sozialen Netzwerken wie Facebook und Google Plus), und aus diversen Gründen bin ich nicht rechtzeitig fertig geworden. So kann's passieren. Upps, abgeschweift. Zurück zum Thema Leistungsschutzrecht.

Über die ausdrückliche Ablehnung des Abdrucks, verbunden mit den üblichen Argumenten für ein Leistungsschutzrecht, habe ich mich allerdings dann doch etwas ... gewundert - gelinde gesagt.

in Absprache mit unserer Chefredaktion haben wir beschlossen, Ihren Leserbrief nicht zu veröffentlichen. Denn bei Ihrem Angriff gegen die Verlage sind etliche wesentliche Aspekte nicht berücksichtigt. So ist beispielsweise die Veröffentlichung von Texten und Fotos für die Verlage mit enormen Kosten verbunden: Recherche, feste und freie Mitarbeiter (die nicht alle so schlecht bezahlt werden), allgemeine Verlagskosten, Druck, Vertrieb, Bereitstellung im Netz usw. Die Suchmaschinen (zum Beispiel) greifen die Texte ab, veröffentlichen sie kostenlos auf ihren Seiten, erzielen damit aber Gewinne, weil sie auf den entsprechenden Seiten Anzeigen platzieren. Deshalb halten wir es für legitim,  dass die Verlage von diesem Kuchen etwas abbekommen wollen. Dass niemand Musik, die ihm nicht gehört, im Internet verbreiten darf, hat sich längst durchgesetzt. Deshalb ist aus unserer Sicht das Leistungsschutzgesetz notwendig .
Auslöser für meinen Blogbeitrag war ein aktueller Blogbeitrag von Udo Vetter im lawblog.

Natürlich ist es gutes Recht der WZ, die Leserbriefe auszuwählen, aber es ist schon ein starkes Stück, einen eigenen Standpunkt pro LSR zu beziehen und konträre Beiträge abzulehnen, die durchaus zur Meinungsbildung der Leser beitragen könnten. Die Links zu meinen Quellen waren übrigens im Leserbrief als Klartext enthalten.

Außerdem stelle ich an einen Leserbrief nicht denselben Anspruch wie an eine wissenschaftliche Arbeit, was die Vollständigkeit angeht. Dass der Redakteur mir vorwirft, "wesentliche Aspekte" nicht zu erwähnen, ist reichlich subjektiv -- schließlich sind diese "wesentlichen Aspekte" genau die Schein-Argumente für das LSR, die ich gerade nicht zum Aufblähen meines Leserbriefs verwenden wollte. Es ist immerhin die autonome Entscheidung jedes Unternehmens, ob es eine Website erstellt und für Suchmaschinen erreichbar macht. Hinterher Geld dafür zu verlangen, halte ich für weltfremd. Ich gehe davon aus, dass unmittelbar nach der Verabschiedung des Gesetzes die deutschen Zeitungsverlage aus dem Index von Google verschwinden, wie es auch in Belgien kürzlich passiert ist.

Abgesehen davon greife ich nicht "die Verlage" an, sondern die Lobbys und den Gesetzgeber, der sich treiben lässt, so ein unausgegorenes Gesetz zu entwerfen.

08.08.2012

The Long Earth - Terry Pratchett+Stephen Baxter - Buchbesprechung

Nachdem ich im Urlaub neulich Snuff fertiggelesen hatte (ich konnte es kaum aus der Hand legen, so ein Tempo hatte die Geschichte), bin ich jetzt auch mit dem zweiten Pratchett-Buch fertig geworden, dass ich mir auf dem Kindle mit in den Urlaub genommen hatte. Zu Snuff mehr in einem eigenen Posting ...

Allein an der Tatsache, dass ich TLE im Urlaub nicht beendet habe, merke ich, dass es mir nicht besonders gut gefallen hat. Ich habe es angefangen, dann aber doch lieber zuerst zum Discworld-Buch gegriffen.

Nebenher hab ich immer mal wieder TLE weitergelesen. Das Buch ist in viele kurze Kapitel unterteilt, die das spontane Lesen und auch Weglegen fördern ;). Bei mir war's eher das Weglegen.

Eigentlich ist es keine Geschichte im klassischen Sinn, die einem Höhepunkt zuläuft, dann gibt es einen Knall (im positiven oder negativen Sinn), und dann noch etwas Ruhiges Dahinplätschern (wie sonst üblich bei Sir Terry). Es gibt zwar eine Art von Höhepunkt, aber der passiert so unauffällig, dass er vorbei ist, bevor man es bemerkt hat.

Das Buch handelt davon, dass es viele "Parallelwelten" gibt, und dass es Menschen (und später andere Lebewesen ...) gibt, die "springen" können. Weder die Wissenschaft in dieser Realität noch die Autoren erklären genauer, welchen Hintergrund diese Parallelwelten haben. Die anderen Erden scheinen und sind unbewohnt. Es gab zwar Evolution, aber keine höheren Arten. Manche Welten haben keinen Mond, oder der Meteor-Einschlag, der bei uns die Dinos ausgerottet hat, ist anders oder gar nicht passiert ... Viele Möglichkeiten, aber das meiste davon wird nur kurz erwähnt und dann ad acta gelegt.

In einer nicht definierten Zeit nahe der Jetzt-Zeit erfindet ein Wissenschaftler ein "step device", das jeder selbst nachbauen kann (und das auch selbst muss, sonst funktioniert es nicht). Mit diesem Gerät kann dann fast jeder Mensch "springen" mit einigen kleinen Ausnahmen, den "phobics". Damit nicht eine Regierung oder Organisation sich das unter den Nagel reisst, veröffentlicht er den Schaltplan und eine Anleitung zum Nachbauen im Internet. Diese Entdeckung hat massive ökonomische und politische Auswirkungen (brain drain, Steuern, Grundbesitz in anderen Erden, Schürfen nach Bodenschätzen, Entwertung von Gold, usw.), die alle nur kurz angerissen werden.

Hauptsächlich geht es in der Geschichte um eine Expedition in einem Luftschiff, um die Grenzen der "Long Earth" auszuloten, also der Gesamtheit aller Erden. Im Verlauf der Reise ändert sich das Ziel dahin, herauszufinden, warum die anderen Lebewesen ("Trolle" und "Elfen" genannt) von den hohen West-Erden weg flüchten in "Richtung" auf unsere Erde. Naja, der Grund dafür wird gefunden, wird aber auch nur flüchtig und oberflächlich beschrieben. Der Rückweg (minus das Bewußtsein der KI namens Lobsang) sind dann nur ein paar Schritte, weil - oh Wunder - eine Abkürzung beim Springen gefunden wird.

Was mich am meisten gestört hat, kann ich gar nicht so genau beschreiben. Im Grund ist es ein sehr oberflächliches Buch, das viele Themen extrem kurz anreißt und den Leser dann mit der Erwartung zurücklässt, da käme später noch mehr als Vertiefung.
Der "Held" ist ein leicht soziopathischer junger "natural stepper", dessen größte Fähigkeit die ist, dass er lange Zeit ohne andere Menschen auskommen kann und deshalb perfekt geeignet für die große Expedition ist.
Was seine Beweggründe sind, warum er sich zusammen mit einer KI im Computer eines Luftschiffs auf die Reise macht, ist mir nicht klar geworden. Auch, ob die "Black Company"  nun eine "gute" oder "böse" Firma ist, wurde überhaupt nicht klar.

Die Charaktere werden alle nur sehr wenig ausgearbeitet. Was mich am meisten verblüfft hat, war die Beschreibung, dass eine Familie mit mehreren Kindern auswandert auf Erde 101.753, aber einen 13-jährigen Sohn zurücklässt, der nicht "springen" kann. Das würde ich nicht annähernd in Betracht ziehen.
Kein Wunder (Spoiler!), dass dieser Junge später mit 18 zum Terroristen wird und sich der "humans first"-Bewegung anschließt, die eine kleine schmutzige Atombombe in der Originalwelt ("Datum Earth") zündet.

Der Schreibstil war nicht typisch Pratchett. Ich frage mich, wie die Aufteilung  der Autorenschaft war, ob Sir Terry und Baxter gleichviel Text geschrieben haben oder ob TP nur eine Art Exposé geliefert hat, das von Baxter dann gefüllt wurde (ähnlich wie die Romanserien "Perry Rhodan" oder "Prof. Zamorra").

In anderen Rezensionen habe ich gelesen, dass dies keine abgeschlossene Geschichte, sondern eine "Saga" sein soll. Ob Fortsetzungen folgen, ist unklar. Ich werde auf jeden Fall keine davon mehr kaufen oder lesen.

Update [10.04.13]:
Der zweite Band "The Long War" erscheint Mitte 2013, und es wurde bekannt gegeben, dass die Saga aus insgesamt drei Bänden bestehen soll.