05.09.2024

Gedanken zu den ostdeutschen Landtagswahlen - Leserbrief

Zwei der drei Landtagswahlen in Ostdeutschland sind gelaufen, und sie sollten ein Weckruf für die demokratischen Parteien sein. Die CDU, CSU und FDP scheinen das aber nicht verstanden zu haben oder nicht verstehen zu wollen.

[veröffentlicht am 05.09.2024, der Kubicki-Tweet nicht im Leserbrief, Änderungen der Red. in rot]

Hr. Sattler hat es in der Glosse vom 02.09. noch immer nicht verstanden. Die mediale Zündelei, das Schlechtschreiben der Ampel, und das Beharren auf albernen Themen wie Gendern und Migration, die Normalisierung in zahlreichen TV-Talkshows, hat die Wähler in die Arme des rechtsextremen Originals getrieben. Die Statistiken zur Wählerwanderung sind in beiden Bundesländern katastrophal. Ich kann nach wie vor nicht verstehen, warum in den Bundesländern mit dem geringsten Migrantenanteil die meisten ausländerfeindlichen Wähler an die Urnen gegangen sind. Ich denke sogar, dass das kurzfristige Nachgeben der Ampel und die (eigentlich seit Monaten vorbereitete) Abschiebung von 28 Tätern nach Afghanistan sogar die ostdeutschen Wähler noch in ihren Positionen bestärkt hat.

Nach Umfragen (den “exit polls” nach Verlassen des Wahllokals) hat mehr als die Hälfte der CDU-Wähler sogar “nur” deswegen die CDU gewählt, um die AfD zu verhindern. Das ist wohl ein Ergebnis der entsprechenden CDU-Aufrufe. Besser wäre gewesen, zur Wahl der “schwachen” Parteien SPD oder Grüne aufzurufen, damit sie als Gegengewicht in den Parlamenten bleiben. SPD und Grüne waren auch bei den letzten Wahlen schwach, die Wählerwanderung hat sie aber relativ wenig getroffen. Viele Wähler haben also nicht aus vollem Herzen CDU gewählt, sondern weil sie sie als “kleineres Übel” angesehen haben.

Die CDU mit Linnemann setzt sogar in der Nachbetrachtung noch eins drauf und freut sich, dass die Grünen so schlecht abgeschnitten hätten. Die FDP ist erwartungsgemäß in beiden Landtagen nicht mehr vertreten. Das war die Quittung für die destruktive Oppositionsarbeit in der Bundespolitik. Tragisch ist natürlich trotzdem, dass damit eine weitere demokratische Partei nicht mehr vertreten ist - das lässt befürchten, dass die FDP ab jetzt auch in der Bundespolitik Amok läuft, was die gestrigen Äußerungen von Kubicki schon vermuten lassen. Voigt ist stolz darauf, dass Ramelow abgewählt wurde, vergisst aber, den Preis dafür zu nennen. Warum ein Vertreter einer bayrischen Minderheitspartei, CSU-Huber, in diese Talkrunden eingeladen wird, ist auch schwer verständlich. Auch die Positionen der CSU ähneln dem Trend: die Anderen schlecht reden, aber keine eigenen Ziele vorweisen können. Herzlichen Glückwunsch auch an Hr. Söder, der seit Monaten kategorisch die Grünen beschimpft und demonstrativ eine Koalition mit ihnen ablehnt. Der Wendehals (“Rücktritt, wenn kein Atomausstieg”) gehört ebenfalls zu den Totengräbern der Demokratie im Osten.

Es hilft also nicht, den Themen der Rechtsextremen nachzulaufen oder als Schwerpunkt nur die anderen demokratischen Parteien schlecht zu machen. Stattdessen hat die CDU es versäumt, eigene Standpunkte zu verdeutlichen. Besonders Kretschmer ist durch unsachlichen und populistischen Wahlkampf aufgefallen. Er hat es sogar Trump nachgemacht und in Interviews nachgewiesene eigene Äußerungen dementiert. Amerikanische Medien schreiben schon, dass in Thüringen erstmals seit der “Nazi EraÄra” wieder eine erwiesen rechtsextreme Partei durch Wahlen als Mehrheit ins Parlament einzieht. In den USA schrillen die Alarmglocken. Nur Putin freut sich: mit BSW ist er ebenfalls in den beiden Landtagen vertreten, und das sogar, ohne dass er eine Wahl fälschen musste. Bei dieser marxistisch-leninistischen Personenkult-Pseudo-”Partei” mit 650 handverlesenen Mitgliedern haben Nachforschungen schon mindestens 34 Ex-Stasi-Mitarbeiter gefunden.

Ostdeutschland hat ein massives Bildungs- und Demokratieproblem. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass das Märchen von den Protestwählern falsch ist. Die Wähler dort wussten und wissen genau, was sie tun. Nach dem Fall der Mauer ging es vielen DDR-Bürgern nur um wirtschaftliche Verbesserungen und nicht um das Hohelied der Demokratie, und das ist ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die unter hohen Risiken tatsächlich mit “Wir sind das Volk” auf die Straße gegangen sind und als “Bündnis 90” seitdem versuchten, Ostdeutschland zu gestalten. Das Ausplündern und der Ausverkauf der DDR durch westdeutsche Geschäftemacher direkt nach der Wiedervereinigung sind auch heute noch vielen Ostdeutschen bitter im Gedächtnis geblieben.

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