[veröffentlicht am 28.10.2022]
Die WZ veröffentlichte am 29.09. ein Interview mit dem Chef des Krankenhauskonzerns Agaplesion, das für mich alle schlechten Seiten des Kapitalismus aufzeigt.
Genau wie vor einiger Zeit die Bertelsmann-Stiftung fordert er, dass unrentable Krankenhäuser geschlossen werden sollen. Die Belegschaft wird als Verschiebemasse gesehen, die dann einem anderen Krankenhaus des Konzerns zugeteilt werden kann.
Begründet wird dies mit der Überlegung, dass wenige große Zentren effizienter arbeiten und denselben Umfang an Versorgung mit weniger Personal erreichen könnten, weil die Krankenhäuser mit großer Personalnot kämpfen.
Dabei wird völlig ausgeblendet, dass der derzeitige Pflegenotstand durch die schlechten Arbeitsbedingungen, die schlechte Bezahlung und die geringe Wertschätzung für die anstrengende Arbeit bedingt ist. Der sechswöchige Streik des Personals in Köln hat leider sehr wenig öffentliche Beachtung gefunden, insbesondere in den Medien. Stattdessen gibt es ein weiteres neoliberales Salbadern darüber, wie toll es ist, mehr Aufgaben mit noch weniger Personal - und damit Kosten - zu erledigen.
Wie groß war denn der Aufschrei in der "Bild"-Zeitung, als Flugpersonal streiken wollte? Der heilige Urlaub mit dem Billigflieger war in Gefahr! Aber der Streik von Fachpersonal im Gesundheitswesen war der Boulevardpresse kaum eine Randnotiz wert.
Die "Bezahlung" beim Kauf von weiteren Krankenhäusern besteht also aus Aktien des eigenen Unternehmens? Das bedeutet, dass hier Lotterie mit dem künftigen, aber natürlich volatilen Ertrag des Käufers gespielt wird. Der eigentliche Gegenwert des Kaufs bestimmt sich dann erst beim Verkauf der übereigneten Aktien. Die derzeitige politische und wirtschaftliche Lage spricht nicht für dieses Konzept. Der DAX sinkt - wer jetzt Aktien als Gegenleistung akzeptiert, riskiert einen wirtschaftlichen Totalschaden.
Statt über Kürzungen beim Personal nachzudenken, sollte der Konzern höhere Gehälter zahlen und nicht nur auf die Steigerung der Dividende schielen.
Nach dem Verkauf der Uni-Kliniken in Marburg und Gießen (UKGM) an die Rhön-Kliniken gab es mehrfach finanzielle Nöte, so dass das Land Hessen Hunderte von Millionen Euro nachschießen musste. Kürzungen betrafen trotzdem Forschung, Personal und technische Ausstattung. Im Gegensatz dazu wurden die Aktionäre aber immer schön ausbezahlt: "Zwischen 2015 bis 2019 haben sich die Aktionäre des UKGM insgesamt 278,2 Millionen Euro an Gewinnen ausgezahlt. An die Mitglieder des Aufsichtsrats gingen 10 Millionen, 20 Millionen Euro an aktive und ehemalige Vorstände, 6 Millionen an die Wirtschaftsprüfer PWC". Hier sieht man, wie schön der Sinnspruch "Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren" immer dann zutrifft, wenn die öffentliche Hand sich zurückzuziehen versucht und private Investoren eintreten.
Als für Investitionen erneut Geld vom Land angefordert wurde, wehrte sich der Klinikbesitzer juristisch mit Händen und Füßen erbittert gegen einen Vertragspassus, dass die Wertsteigerung nach den Investitionen bei einem eventuellen Weiterverkauf teilweise an das Land zurückgezahlt werden sollte.
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