30.10.2022

Soll es weniger Krankenhäuser geben? - Leserbrief

[veröffentlicht am 28.10.2022]

Die WZ veröffentlichte am 29.09. ein Interview mit dem Chef des Krankenhauskonzerns Agaplesion, das für mich alle schlechten Seiten des Kapitalismus aufzeigt.

Genau wie vor einiger Zeit die Bertelsmann-Stiftung fordert er, dass unrentable Krankenhäuser geschlossen werden sollen. Die Belegschaft wird als Verschiebemasse gesehen, die dann einem anderen Krankenhaus des Konzerns zugeteilt werden kann.

Begründet wird dies mit der Überlegung, dass wenige große Zentren effizienter arbeiten und denselben Umfang an Versorgung mit weniger Personal erreichen könnten, weil die Krankenhäuser mit großer Personalnot kämpfen.

Dabei wird völlig ausgeblendet, dass der derzeitige Pflegenotstand durch die schlechten Arbeitsbedingungen, die schlechte Bezahlung und die geringe Wertschätzung für die anstrengende Arbeit bedingt ist. Der sechswöchige Streik des Personals in Köln hat leider sehr wenig öffentliche Beachtung gefunden, insbesondere in den Medien. Stattdessen gibt es ein weiteres neoliberales Salbadern darüber, wie toll es ist, mehr Aufgaben mit noch weniger Personal - und damit Kosten - zu erledigen.

Wie groß war denn der Aufschrei in der "Bild"-Zeitung, als Flugpersonal streiken wollte? Der heilige Urlaub mit dem Billigflieger war in Gefahr! Aber der Streik von Fachpersonal im Gesundheitswesen war der Boulevardpresse kaum eine Randnotiz wert.

Die "Bezahlung" beim Kauf von weiteren Krankenhäusern besteht also aus Aktien des eigenen Unternehmens? Das bedeutet, dass hier Lotterie mit dem künftigen, aber natürlich volatilen Ertrag des Käufers gespielt wird. Der eigentliche Gegenwert des Kaufs bestimmt sich dann erst beim Verkauf der übereigneten Aktien. Die derzeitige politische und wirtschaftliche Lage spricht nicht für dieses Konzept. Der DAX sinkt - wer jetzt Aktien als Gegenleistung akzeptiert, riskiert einen wirtschaftlichen Totalschaden.

Statt über Kürzungen beim Personal nachzudenken, sollte der Konzern höhere Gehälter zahlen und nicht nur auf die Steigerung der Dividende schielen.

Nach dem Verkauf der Uni-Kliniken in Marburg und Gießen (UKGM) an die Rhön-Kliniken gab es mehrfach finanzielle Nöte, so dass das Land Hessen Hunderte von Millionen Euro nachschießen musste. Kürzungen betrafen trotzdem Forschung, Personal und technische Ausstattung. Im Gegensatz dazu wurden die Aktionäre aber immer schön ausbezahlt: "Zwischen 2015 bis 2019 haben sich die Aktionäre des UKGM insgesamt 278,2 Millionen Euro an Gewinnen ausgezahlt. An die Mitglieder des Aufsichtsrats gingen 10 Millionen, 20 Millionen Euro an aktive und ehemalige Vorstände, 6 Millionen an die Wirtschaftsprüfer PWC". Hier sieht man, wie schön der Sinnspruch "Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren" immer dann zutrifft, wenn die öffentliche Hand sich zurückzuziehen versucht und private Investoren eintreten.

Als für Investitionen erneut Geld vom Land angefordert wurde, wehrte sich der Klinikbesitzer juristisch mit Händen und Füßen erbittert gegen einen Vertragspassus, dass die Wertsteigerung nach den Investitionen bei einem eventuellen Weiterverkauf teilweise an das Land zurückgezahlt werden sollte.

Bestimmte Institutionen sollten nicht von privaten Besitzern betrieben werden. Dazu gehören die Gesundheitsvorsorge ebenso wie öffentlicher Nahverkehr und die Infrastrukturbetreiber für Gas, Wasser, Strom und Kommunikation. Gerade an diesem Interview sieht man sehr deutlich, dass die Qualität leiden wird, wenn private Gewinnerzielung über den volkswirtschaftlichen Nutzen dominiert.

13.10.2022

E-Fuels sind immer noch unrealistisch - Leserbrief

[veröffentlicht am 13.10.2022]

ADAC:
  • bei der Verwendung in Autos haben e-Fuels einen Wirkungsgrad von ca. 10 %.
"Auto Motor Sport":
  • "e-Fuels verursachen 4-fache CO2-Emissionen"
  • "e-Fuels sind zu ineffizient und zu teuer".
Opel:
  • E-Fuels möglich, aber erfordern starke Veränderungen am Motor (Baujahr 2021).
VW-Aufsichtsrat:
  • synthetische Kraftstoffe sind keine Alternative für die Massen
Hr. F.:
  • Hold my beer, die FAZ als Quelle ist viel besser.
Hr. F.schreibt, dass alle Autos ab 2015 fähig sind, mit E-Fuels zu fahren. Umgekehrt schreibt Opel, dass ein aktuelles Modell (Grandland 1.2L) erst nach massiven Umbauten mit E-Fuels fahren konnte. Alle gängigen Autoportale schreiben derzeit, dass nur spezielle Automodelle für z.B. E85 geeignet sind, man könne aber FFV-Sensoren nachrüsten. Es gibt deutschlandweit um die 350 Tankstellen für E85. Wie im letzten Leserbrief geschrieben: wie realistisch ist das Nachrüsten von 40 Millionen Fahrzeugen? Ich lasse diese Diskrepanz jetzt unkommentiert. Auf die weiteren Argumente wie Herstellungskosten und den Energiebedarf der Vorstufen von E-Fuels oder die Unterschiede zwischen Benzin und Diesel wollte Hr. F. ebenfalls nicht weiter eingehen.

Stattdessen packt er ein weiteres Thema aus, das gern zur Ablenkung in Diskussionen verwendet wird, wenn man beim eigentlichen Thema nichts mehr zu sagen hat außer “Ideologie”: die “Seltenen Erden”, die hauptsächlich in Afrika und Südamerika unter teils haarsträubenden, blutigen Bedingungen abgebaut werden, z.B. Kobalt, Lithium und weitere.

Überall wird Kobalt verwendet, nicht nur in E-Autos. Für die Benzinherstellung ist Kobalt nötig, um das Benzin zu entschwefeln. In täglichen Dingen vom Ceranfeld bis zur Küchenmaschine ist überall Kobalt enthalten.

Maschinen fast jeder Art brauchen Kobalt, weil sie gehärteten Stahl enthalten. Industrielle Prozesse brauchen ebenfalls Lithium, nicht nur E-Autos. Ohne Lithium wäre die Fensterherstellung oder generell das Herstellen von Aluminium nicht möglich. Es sind also nicht nur Akkus, in denen Lithium verbaut wird.

Es ist einseitig und rhetorisch sehr durchsichtig, jetzt die Elektrifizierung im Verkehrssektor als Argument gegen die Verwendung von Seltenen Erden einzusetzen. Industriell werden sie seit langem verwendet, und so gut wie niemand beschwerte sich bislang (leider) über die blutigen Hintergründe. Aber jetzt plötzlich, weil es gerade ins Konzept passt, wird dagegen gewettert?

Inzwischen setzen Akkuhersteller auf immer weniger Kobalt und insbesondere auf Recycling: der Akku eines E-Autos bekommt ein zweites Leben als Hausspeicher für Photovoltaik.

Die weltgrößte Kobaltmine im Kongo schließt, aufgrund mangelnder Nachfrage nach Kobalt.

In Bolivien wird gerade nach einer in Deutschland erfundenen, wesentlich ökologischeren Methode Lithium abgebaut. Durch Handelsverträge profitieren deutsche Firmen davon.

Bolivien soll zwar die größten Vorkommen an Lithium weltweit haben, aber Bolivien gehört noch lange nicht zu den großen Lieferländern und steht erst am Anfang. Spannend ist, dass die sozialistische Morales-Regierung das Land befähigen will, Akkus selbst herzustellen.

Fazit: E-Fuels für private Fahrzeuge sind eine unrealistische und teure Annahme. Wir werden E-Fuels benötigen, aber das wird sich ökonomisch nur dort durchsetzen, wo es keine Alternativen gibt (oder im Auto-Rennsport, wo Geld keine Rolle spielt). Klimaneutrale E-Fuels lassen sich nur herstellen, wenn es einen Stromüberschuss gibt. Diesen Überschuss sollte man direkt in Akkus speichern und nicht für mehrstufige Umwandlungen in E-Fuels vergeuden. Durch die aufwändige Herstellung haben E-Fuels in Autos einen effektiven Wirkungsgrad von nicht mehr als 10 %, E-Autos hingegen über 80 %.

07.10.2022

James Bond - No time to die - Filmkritik

Ich bin seit meiner Schulzeit ein großer James Bond-Fan. Als das Roxy-Kino in Friedberg die gesamte James Bond-Serie brachte (jeden Dienstag für 5 DM), war ich in jedem Film, um sie in der richtigen Reihenfolge zu sehen. Ich kann bei nahezu jedem Film die Dialoge mitsprechen. Ich finde die Mischung aus Spannung, leicht übertriebenen Technikgadgets (ok, unsichtbare Autos waren auch für mich etwas zuviel), Charme und Wortwitz sehr schön.

Zumindest war das der Fall, bis Daniel Craig die Rolle übernahm. Verstehen Sie mich nicht falsch - Daniel Craig ist ein guter Schauspieler. Ich mochte ihn in Tomb Raider, und "Knives Out" ist ein Film, in dem er glänzt, und ich bin auch auf die Fortsetzung im Dezember gespannt. Aber er ist nicht James Bond! Die Rolle passt einfach nicht zu ihm.

Schon Casino Royale war ein krawalliger Actionfilm, aber kein James Bond. Auch wenn die Filme mit Craig als Reboot gedacht waren (Casino Royale ist auch die erste Bondgeschichte von Ian Fleming) und Craig die Entwicklung von Bond darstellen soll, zeigt sich seit dem ersten Film, dass Craig nicht mal im Ansatz den Charakter von Bond spielen kann.

Wegen Corona konnte ich mich nicht überwinden, "No time to die" im Kino zu sehen und habe mir vor kurzem den Film im Heimkino gegönnt. Allein der Zeitabstand zum Kinorelease macht mir im Nachhinein klar, dass ich den Film nur aus Sammelleidenschaft schauen wollte. Doch, wirklich, ich wollte ihn schauen, eben weil ich mich immer noch für einen großen James Bond-Fan halte. Ich hatte keinerlei Erwartungen, und selbst darin hat sich der Film untertroffen.

Die Charaktere bleiben flach und langweilig. Der Film bemüht sich, alte Themen und Personen aufzugreifen, frühere Ereignisse zu erwähnen ("eine Kugel in Ihr Knie. Das gesunde"). Am Ende bleibt es ein Rundumschlag gegen alles, was James Bond und Star Trek ausmachte: am Filmende soll der Status Quo erreicht werden. Keine Hauptperson stirbt, der Bösewicht ist besiegt, vielleicht gibt es eine Andeutung für eine Nachfolge des Oberbösewichts, manchmal stirbt eine nahe Bezugsperson (wie Felix Leiters Frau). In diesem Sinn ist der letzte James Bond mit Daniel Craig Tabula Rasa und zerstört eigentlich alles, was für mich die Seele der Bond-Filme darstellt. In Summe verkrampft sich der Film dabei, möglichst viele Zitate aus früheren Filmen aufzuzählen.

Genau wie bei Doctor Who war es für mich vollkommen schmerzfrei, dass der Darsteller von Bond mehrfach gewechselt hat. Beim Doctor gab es dazu eine Erklärung innerhalb der Serie, bei Bond wurde der Gesichtswechsel gar nicht thematisiert. Auch der Ruhestand von Bond im Alternativ-Bond-Film "Sag niemals nie" ist mit einem Augenzwinkern zu sehen.

Anfang und Ende des Films nehmen starke Anleihen an "Im Geheimdienst ihrer Majestät", in dem Bond heiratet und Blofeld seine Ehefrau auf der Fahrt in die Flitterwochen aus dem fahrenden Auto erschießt. "We have all the time in the world" ist ein großartiges Lied von Louis Armstrong und der Rhythmus passt wunderbar zu dieser deprimierenden Szene. Diese Remineszenz für eine "normale" Autofahrt zu missbrauchen, erscheint merkwürdig. Dasselbe Lied wird am Schluss des Films verwendet, als Madeleine mit dem "anderen" klassischen Bond-Auto Aston Martin V8 Vantage (der DB5 ist eher zerstört) in den Sonnenuntergang fährt.

Der Film ist lang genug veröffentlicht, also nehme ich keine Rücksicht auf Spoiler. Felix Leiter stirbt, Blofeld stirbt, James Bond stirbt. Es gibt einen Maulwurf in den eigenen Reihen, einen verräterischen Wissenschaftler, Verfolgungsjagden mit Auto und Motorrad, aber all das wirkt nur wie Mittel zum Zweck, weil es halt in einem Bond-Film erwartet wird. Mallory droht Bond, weil der angeblich für die "Konkurrenz" CIA aus dem Ruhestand zurückgekehrt ist.

Warum Madeleines Vater ein Auftragskiller ist oder war, warum die Mutter drogensüchtig ist, bleibt im Dunkeln. Die junge Madeleine wird vom Auftragsmörder gerettet, als sie in den vereisten See einbricht, aber was danach mit ihr passiert und weshalb sie "eine Tochter von Spectre" sei, wird nicht erklärt. Wie Blofeld im Gefängnis an ein Hightech-"Bionisches Auge" gelangen konnte, das über Internet Kommunikation ermöglicht, ist enorm unrealistisch. Man sollte doch meinen, dass in einem Hochsicherheitsgefängnis auch Mobilfunkblocker eingesetzt werden, um genau das zu verhindern. Dieser Faux-Pas ist genauso peinlich wie Qs Fehler in "Skyfall", den Laptop Silvas mit einem Netzwerkkabel direkt ans MI6-Netzwerk anzuschließen, was diesem dann die Flucht ermöglicht.

Blofelds Tod durch Bonds Berührung ist fragwürdig. die "verseuchte" Madeleine hat Bond nicht berührt - also werden die Nanobots auch über die Luft übertragen. Der Film stellt es aber so dar, als ob erst die Berührung am Schluss des Verhörs die Nanobots übertragen werden. Die Analogie zu Corona und Aerosolen drängt sich auf.

Die neue weibliche 007 wirkt beim ersten Auftreten arrogant und holt sich Selbstbestätigung aus der Tatsache, dass sie die Nummer 007 bekommen hat. Gegen Ende wirkt sie wie eines der üblichen Bond-Fangirls und gibt sogar die Nummer 007 an ihn zurück.

Am Schluss bleibt: M hat ein geheimes Biowaffenexperiment durchgeführt, um DNA-programmierbare Nanobots zu erschaffen. Auf die Idee, dass die Waffe gestohlen werden könnte, kam er offensichtlich nicht, und das kostet Blofeld, Bond und einer Reihe hochrangiger Spectre-Mitglieder das Leben. Der Wissenschaftler Obruchev kann sich nicht entscheiden, ob er Doppel- oder Dreifachagent ist. Madeleine lügt Bond an, dass Mathilde nicht seine Tochter sei; am Ende ist sie es doch.

Insgesamt ist der Film mit zweieinhalb Stunden viel zu lang geraten und vollgestopft mit Dingen, die gerade nicht Bond ausmachen, aber Daniel Craig als Darsteller konsequent fortsetzen. Insofern ist der Film konsistent mit der Weise, wie Craig Bond in allen seinen bisherigen Filmen darzustellen versucht.

Aufstieg und Fall des "Arrowverse" - Serienkritik

Ich bin seit längerer Zeit großer Fan der miteinander verwobenen Serien des "Arrowverse", benannt nach dem ersten Serienhelden "Green Arrow", wobei die Serie zunächst den Nicht-so-ganz-Helden Oliver Queen nur "Arrow" nennt und "Green Arrow" wesentlich später in die Handlung eingeführt wird. Der Name der TV-Serie bleibt aber über die gesamte Laufzeit derselbe.

Zu diesem Comic-Universum wurden nach und nach mehr Serien und Helden zugefügt, die man auch gut aus den Papier-Comics und teilweise früheren Verfilmungen kennt - Flash, Supergirl, Batwoman, und auch einige B- und C-Promis der Comicwelt, wie "Legends of Tomorrow", "Constantine", "Black Lightning", "Star Girl", und viele weitere haben Gastauftritte, wie z.B. Lucifer. Aus Gastauftritten von Superman in der Supergirl-Serie wurde dann später sogar seine eigene Serie - "Superman und Lois", in der das Super-Leben mit zwei Söhnen beleuchtet wird, ähnlich wie in der 90er-Jahre-Serie "Lois und Clark", die sich auch im Wesentlichen auf das Beziehungsleben von Clark Kent und Lois Lane fokussiert hat. Das Superman-Problem der Woche war dort eher nebensächlich oder wurde nur als Anlass für eine Beziehungsdiskussion konstruiert.

Das für mich besonders Faszinierende an diesen Serien sind die Anspielungen auf Personen, Ereignisse oder Orte, die in den anderen Serien bedeutsam sind. Barry Allen z.B. hat mehrere Auftritte in "Arrow" als Forensiker, noch bevor er zu Flash wird. Die "Ferris Airline" wird mehrfach erwähnt und damit für die Fans angedeutet, dass in diesem Comic-Universum auch Hal Jordan oder andere "Green Lantern" existieren könnten (Spoiler: es gibt Spekulationen, dass John Diggle in der Abschlussfolge von Arrow beim Absturz eines UFOs einen Ring bekommen hat). Dieses übergreifende Prinzip einer "großen" Geschichte funktioniert für mich auch bei der Verfilmung der Marvel-Comics unglaublich gut. Ich finde die Idee mit den Infinitysteinen bei den Avengers einfach großartig, aber ich wollte hier ja über DC und das Arrowverse schreiben ;).

In der weiteren Entwicklung der Serien gab und gibt es sog. "Crossover", das sind fortlaufende Geschichten, in denen Charaktere aus mehreren Serien auftreten und in einer kleinen Fortsetzungsgeschichte ein übergreifendes Problem lösen, das alle betrifft. Zunächst waren dies kleinere Crossover, z.B. zwischen Flash und Arrow, Flash und Supergirl, später dann ein Crossover zwischen Flash und Arrow als Vorbereitung für den Start der neuen "Legends of Tomorrow"-Serie, und die nachfolgenden Crossover umfassten sogar sämtliche der aktuellen Serien.

In diesen Folgen nehmen sich die Charaktere auch gern mal auf die Schippe oder sprengen die "vierte Wand" (den Bildschirm) mit Sprüchen wie "letztes Jahr war ich die Neue" oder "beim letzten Crossover waren die Legends nicht dabei", wie man das bisher nur von "Deadpool" kannte, der einzigen Comicfigur, die sich der Tatsache bewusst ist, dass sie in einem Comic existiert.

Der Spaß an diesen Crossover-Folgen geht dann verloren, wenn durch die deutsche Ausstrahlung der zeitliche Zusammenhang zerrissen wird oder eine bestimmte Serie gar nicht in Deutschland legal zu sehen ist - die letzte Arrow-Staffel ist erst seit August 2021 bei Netflix zu sehen, die den vierten Teil des fünfteiligen Crossovers enthält. Den Anfang und den Schluss konnte man schon letztes Jahr bei Pro7 sehen, die überraschend mit nur wenigen Monaten Abstand die damals aktuellen Staffeln von "Supergirl" und "Legends of Tomorrow" synchronisiert ausstrahlten, und halbwegs zeitlich dazu passend erschien die erste Staffel Batwoman bei Amazon Prime. Mittlerweile kann man alle Serien bei Amazon oder Netflix sehen - leider nicht alle bei einem Anbieter.

Es mag Geschmackssache sein, aber man sollte besser auf Englisch schauen - viele Wortspiele funktionieren im Deutschen nicht besonders gut. Bei Amazon gibt es manche Staffeln nur in einer deutschen Sprachvariante in Prime, andere Sprachen dann nur gegen Bezahlung.

Leider gibt es viele Andeutungen und vorbereitende Szenen, die später aus verschiedenen Gründen nicht weiter verfolgt wurden. In Arrow Staffel 2 gibt es z.B. mehrere Auftritte von Charakteren, die Mitglieder der "Suicide Squad" werden. Prominent wird dabei sogar Harley Quinn angedeutet ("ich habe einen Doktor in Psychologie"), aber leider nicht realisiert, weil kurze Zeit später ein Kinofilm mit ihr gedreht wurde und die Rechteinhaber hier sehr streng zwischen Kino und Serie unterscheiden und trennen. Diese externen Gründe der Rechteinhaber waren auch dafür verantwortlich, dass bei "Smallville" Batman niemals auftauchte und Green Arrow zum inoffiziellen Sidekick des jungen Superman wurde. Detail am Rand aus dem "Crisis"-Crossover: der Superman aus dieser Parallelerde hat seine Superkräfte aufgegeben und lebt als normaler Mensch in Smallville auf der Farm der Eltern.

Umso überraschender, dass im letzten Crossover "Crisis on Infinite Earths", lose angelehnt an das gleichnamige Thema in den Papiercomics, der Schauspieler Ezra Miller des Kino-DC-Universums auftauchen durfte. Gerüchteweise wird umgekehrt der Serien-Flash Grant Gustin im Flash-Kinofilm einen kurzen Auftritt haben - immerhin hat der Kino-Flash die Idee zum Namen "Flash" während des "Crisis"-Crossovers bekommen.

Nun, ich wollte vom "Aufstieg und Fall" schreiben. Die Serie "Arrow" gefällt mir immer noch ausnehmend gut, aber nicht alle Staffeln gleich. Die "Supergegner" mit besonderen Fähigkeiten (Staffeln 2 bis 4) faszinieren mich mehr als die schlicht kriminellen Widersacher der späteren Staffeln (5 und 6). Besonders gut gefallen mir Andeutungen auf kommende Ereignisse, z.B. erwähnt R'as al Ghul schon in der 3. Staffel seinen Schüler Damien Darkh, der dann der Bösewicht in der vierten Staffel und als Teil der "Legion of Doom" in "Legends of Tomorrow" auftritt, und R'as al Ghul selbst wird schon in der ersten und zweiten Staffel angedeutet.

Serien werden auch dadurch strategisch verändert, wenn es Probleme mit Darstellern gibt, wie z.B. dem abrupten Ausstieg von Ruby Rose aus "Batwoman". Dies führte zu Veränderungen in Staffel 2, um das Verschwinden ihrer Figur "Kate Kane" zu erklären und einen Ersatz zu etablieren. Die neue Darstellerin, die die Rolle der Batwoman übernimmt, schlägt sich aber nach einem zähen Beginn eigentlich ganz gut. Die zweite Staffel ist insgesamt recht gut gelungen, mal schauen [Spoiler], wie die chirurgisch wiederhergestellte, gehirngewaschene Kate Kane (andere Schauspielerin) sich als Figur etablieren kann.

Problematisch für mich sind Figuren, die unlogisch oder sinnlos handeln und dadurch offensichtliche Chancen verschenken. Besonders extrem ist dies in der gesamten Flash-Staffel 5 aufgefallen, in der Cicada als Gegner nahezu in jeder Folge mit einem Hilfsmittel hätte besiegt werden können, aber eine oder mehrere Figuren während eines Kampfes tatenlos zusehen, bis er sich wieder aufrappelt und weiterkämpft oder flüchtet. Hier wurde mehr als deutlich, wie schwach die Dramaturgie dieses Gegners geplant war. Natürlich muss die Handlung so ablaufen, dass die üblichen 22 Folgen einer Staffel sinnvoll gefüllt werden, aber es muss für die Zuschauer glaubwürdig sein, wie dies geschieht. Insbesondere haben die S.T.A.R.-Labs einen "Metadämpfer" in Handschellen oder als Halskrause, den Flash in Supergeschwindigkeit anlegen kann. Auch mit "Arrow" habe ich einige Probleme, weil der Charakter von Oliver Queen zu stark den "Einzelkämpfer" mit teilweise sehr fragwürdigen Entscheidungen und Befehlen heraushängen lässt, obwohl es sowohl objektiv als auch durch frühere Erfahrungen klar sein sollte, dass Teamarbeit und effektive Kommunikation essenziell für erfolgreiche Aktionen sind.

Arrow und die anderen Serien wurden ab 2010 bislang hauptsächlich für das altmodische lineare Fernsehen produziert, und die Zuschauerzahlen einer Staffel entscheiden über die Verlängerung des nächsten Jahres. Nach und nach wurden nun mehrere Serien wieder eingestellt, die letzten Opfer von Absagen sind nun auch Flash, Batwoman und Legends of Tomorrow geworden. Die einzige "Neugründung" ist die Serie "Superman und Lois" als Ableger der Supergirl-Serie, die aber vermutlich auch keine vierte Staffel erleben wird. "Titans", "Doom Patrol" und "Stargirl" existieren trotz der "Crisis" nach wie vor in Paralleluniversen, wie man am Abspann des fünften Teils des Crossover sehen konnte. Nun gut, "Lucifer" hat auch noch eine sechste Staffel bekommen, aber es wird wohl keinerlei Crossover oder ähnliches mehr geben (abgesehen davon, dass Lucifer mehrfach seine Begeisterung für die TV-Serie "Bones" erwähnt und seine Tochter Chloe von "More Bones" mit Androiden in der Zukunft schwärmt). Die neue Serie "Naomie", die ganz lose ebenfalls im DC-Universum spielte, wurde nach nur einer Staffel schon wieder eingestellt, und derzeit gibt es keine legale Möglichkeit, diese Serie in Deutschland zu sehen.

Bei Streaminganbietern wie Netflix oder Amazon gibt es diese kurzfristige Sichtweise von Staffel zu Staffel nicht. Bei Netflix ist bekannt, dass die ersten Staffeln einer Serie relativ günstig lizensiert werden. Erst ab der dritten oder vierten Staffel wird Netflix mit höheren Lizenzkosten konfrontiert (z.B. von Marvel oder DC) und dies führt häufig zur Einstellung der Serie, wenn Netflix diesen Kostensprung nicht tragen will. Dies dürfte der Grund für das schnelle Ende von Serien wie "Jessica Jones", "Luke Cage", "Daredevil", "Punisher", "Iron Fist" oder "The Defenders" gewesen sein. Wie weiter oben schon erwähnt, führten Lizenzfragen auch zur Einstellung der "Daredevil"-Serie, weil die Gründung von Disney+ bevorstand und Disney die Figuren von Kingpin und Daredevil für eigene Filme und Serien verwenden wollte.

Umgekehrt kann es aber auch sein, dass Netflix hohes Interesse sieht und Serien dann länger produziert als ursprünglich geplant, wie es z.B. bei "Lucifer" aufgrund von massiven Protesten der Konsumenten geschehen ist, oder auch bei "Manifest", wo Netflix noch eine vierte Staffel produzieren lässt. Zunächst war Lucifer für Einstellung nach der dritten Staffel vorgesehen, wurde dann von Netflix übernommen und sogar nach und nach bis zur sechsten Staffel verlängert (nur in Deutschland läuft Lucifer bei Amazon in Lizenz).

Ein Fazit fällt mir schwer. Es gibt starke und schwache Handlungsbögen (Staffeln) bei allen Serien, je nachdem, wie gut und nachvollziehbar der jeweilige Bösewicht handelt. Ein Teil der Einstellungen ist sicherlich aufgrund finanzieller Erwägungen geschehen als Folge von schwachen Drehbüchern. Andererseits wurden Serien wie Arrow und Flash auch durch Lizenzentscheidungen beschädigt, als die Lizenzgeber in Kinofilmen oder einer eigenen Streamingplattform lukrativere Chancen sahen (Suicide Squad bzw. Disney+).

Insgesamt lebt(e) das Arrowverse davon, dass es Verbindungen zwischen den Serien gab und z.B. neu aufgelegte Serien schon frühzeitig angedeutet wurden (die Explosion bei Star Labs war eine Nachrichtenmeldung in Arrow, Flash befreit Arrow aus R'as al Ghuls Festung, Star Labs liefert Technik an Black Lightning, Argus liefert Technik an General Lane uvm.). Durch die Einstellung der Serien und die Entfernung von Figuren aus Lizenzgründen hat für mich die Glaubwürdigkeit des Gesamtkunstwerks deutlich gelitten. Flash und Supergirl leiden darunter, dass in vielen Folgen das Beziehungsdrama viel stärker gewichtet wird als die eigentliche Superheldenhandlung - besonders krass bei Flash. Iris West-Allen ist m.E. die meistgehasste Figur bei den Fans.

Für mich nach wie vor das Highlight aller Serien ist "Arrow". Die Rückblicke - immer 5 Jahre - passen dramaturgisch zur jeweils aktuellen Handlung und geben gleichzeitig Auskunft über die Entwicklung vom Playboy zum Vigilanten. Der Schluss der Rückblicke der fünften Staffel geht nahtlos und perfekt in den realen Anfang der ersten Staffel über - man kann also nach der fünften Staffel sofort wieder bei der ersten Staffel anfangen zu schauen.

Dicht gefolgt in meiner persönlichen Hitliste wird Arrow von "Legends of Tomorrow", die mit jeder Staffel mehr skurrilen Humor und Referenzen auf die Popkultur in das Serienuniversum bringen, z.B. die Erwähnung von "Supernatural" und der Besuch des Drehorts in einem Paralleluniversum. Dort mag ich besonders gern "John Constantine", und es gibt mir durchaus Befriedigung, dass es nach dem abrupten Ende seiner eigenen Serie nach nur einer Staffel wenigstens bei den "Legends" ein Happy End für Astra Logue gibt, die nicht mehr in der Hölle gefangen ist.

Das Fazit fällt aber immer mehr negativ aus. Die neue Superman-Serie spielt in einem Alternativ-Universum und nicht (mehr) in "Earth Prime", so dass hier bequem auf Konsistenz zu anderen Serien verzichtet werden kann. John Diggle hat zwar einen zweiten Gastauftritt und [Spoiler] verzichtet darauf, die geheimnisvolle Kiste zu öffnen, die er am Ende der letzten Arrow-Folge bekommen hat. Er wählt seine Familie statt eines ungewissen Abenteuers. Damit ist vermutlich die Chance auf eine John-Diggle-Green Lantern dahin und alle bisherigen noch offenen Anspielungen werden wir auch nicht mehr erleben. Die privaten Beziehungen der Charaktere haben bei allen Serien einen zu hohen Stellenwert. Dadurch werden zwar auch oft mehr oder weniger subtil, manchmal auch mit dem Vorschlaghammer, aktuelle politische und gesellschaftliche Themen problematisiert, wie z.B. Gleichberechtigung, sexuelle Orientierung, Rassismus, LGBTIQ, aber es wirkt nicht organisch integriert, sondern eher gekünstelt in die Serie aufgenommen, weil es gerade Mode ist. Die beste Integration von LGBTIQ war in Umbrella Academy das "Coming Out" von Viktor in Staffel 3 als trans (FtM). Es gibt eine kurze Feststellung, die anderen Geschwister nehmen es zur Kenntnis und fertig. Halbwegs geschmeidig funktioniert das LGBTIQ bei den "Legends", als Sarah Lance zunächst mit Oliver Queen liiert war und dann nach einem kurzen Techtelmechtel mit Supergirls Stiefschwester Alex (im Earth X-Crossover) dann den Klon Ava heiratet.