Herr J. schreibt in einem Leserbrief, dass die Welt untergeht, mindestens aber die freiheitliche demokratische Grundordnung in Deutschland.
Weshalb soll das passieren? Es geht um die Impfpflicht gegen Corona, die diskutiert, aber im Wesentlichen doch schon abgelehnt ist. Eigentlich ist diese Diskussion also müssig. Ich halte eine Impfpflicht für sinnvoll, aber da es keine gibt, respektiere ich jede persönliche Entscheidung, ob dafür oder dagegen.
Hr. J. vergisst aber, dass es jetzt und in der Vergangenheit faktisch schon mehrfach eine Impfpflicht bei uns gab, ohne dass die Welt explodiert ist.
Hr. W. stimmt Hr. J. zu und verwendet dabei die üblichen Begriffe der Corona-Leugner und behauptet auch wieder, wer eine andere Meinung vertrete, werde „mundtot“ gemacht und “sanktioniert“. Außerdem macht er sich das Schimpfwort „Heulboje“ für Prof. Lauterbach zu eigen und versucht augenzwinkernd die Beschimpfung als Zitat auf Lafontaine abzuwälzen. Aber natürlich sei er kein „Covidiot“. Für eine reale Variante von „mundtot“ sollte er lieber nach Polen, Ungarn, Hongkong oder in die Türkei schauen!
Wie menschenverachtend muss man denken, um nach über 90.000 bestätigten Corona-Toten immer noch anzunehmen, dass unser Leben weitergehen kann wie bisher?
Von 1955 bis 1975 gab es in Deutschland eine Impfpflicht gegen die Pocken, die höchstgerichtlich als verfassungskonform bestätigt wurde.
Derzeit gibt es eine faktische Impfpflicht gegen Masern für Kinder und Jugendliche, die eine Kita oder Schule besuchen. Die erfolgte Impfung muss nachgewiesen werden.
Für bestimmte Berufsgruppen gibt es verpflichtende Tetanus-, Diphterie- und Hepatitis-Impfungen.
Für Reisende in bestimmte Länder gibt es verpflichtende Impfungen.
Gegen Polio gab es in den Siebzigern Reihenimpfungen (Schluckimpfungen) in den Schulen. Die Impfpflicht wurde erst 1983 aufgehoben. Die Stiko hat lang gezögert, die Impfung zu empfehlen. Deshalb gab es noch 1961 eine große Polio-Epidemie in Deutschland, bei der mehr als 4500 Menschen erkrankten und 306 starben, obwohl es schon seit Mitte der 50er Jahre einen gut wirksamen Impfstoff (Salk) gab.
In seinem vehementen Leserbrief widerspricht Hr. J. sich aber selbst: er nennt nämlich Gruppen von Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, z.B. nach einer Chemotherapie o.ä. Allein deshalb halte ich es für ethisch geboten, Verantwortung für seine Mitmenschen zu übernehmen. Je mehr Geimpfte es gibt, desto besser schützen wir als Gesellschaft nicht-impfbare Menschen.
Es mag sein, dass die Stiko derzeit Impfungen für unter 18-jährige nur bei ernsthaften Gründen empfiehlt. Trotzdem steht es jedem frei, sich selbst beraten und ggfs. impfen zu lassen. Es gibt Impfstoffe, die ab 12 bzw. ab 16 zugelassen sind. Nutzen wir diese Chance!
Abgesehen davon sind derzeit schon Studien für die Impfung von 2- bis 12-jährigen unterwegs, die einen noch größere Wirksamkeit bescheinigen, bis nahe an 100%.
Daneben erwähnt Hr. J. erneut die „bedingte Zulassung“ durch die Behörde. Immerhin faselt er nicht wie andere Impfgegner von der angeblichen „Notfallzulassung“ von ungeprüften Impfstoffen. Die derzeitige „bedingte Zulassung“ in Europa durfte erst nach strengen Prüfungen erfolgen, und nach einer Milliarde geimpfter Personen weltweit kann man kaum noch von „ungetesteten“ Impfstoffen sprechen. Wem mRNA suspekt ist, dem steht es selbstverständlich frei, einen der anderen Impfstoffe zu wählen.
Impfstoffe sind eine der großartigsten Entwicklungen der Medizin und eines der am besten und strengsten regulierten und überwachten Gebiete, und wir sollten als Gesellschaft auf die Wissenschaft hören und nicht auf einige wenige vereinzelte Schreihälse, die mit gefährlichem Halbwissen um ein goldenes Kalb herumtanzen und alle anderen verunsichern. Dieses Kalb ist hohl und besteht aus Katzengold!
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