24.07.2021

Impfpflicht oder nicht - Leserbrief

Herr J. schreibt in einem Leserbrief, dass die Welt untergeht, mindestens aber die freiheitliche demokratische Grundordnung in Deutschland.

Weshalb soll das passieren? Es geht um die Impfpflicht gegen Corona, die diskutiert, aber im Wesentlichen doch schon abgelehnt ist. Eigentlich ist diese Diskussion also müssig. Ich halte eine Impfpflicht für sinnvoll, aber da es keine gibt, respektiere ich jede persönliche Entscheidung, ob dafür oder dagegen.

Hr. J. vergisst aber, dass es jetzt und in der Vergangenheit faktisch schon mehrfach eine Impfpflicht bei uns gab, ohne dass die Welt explodiert ist.

Hr. W. stimmt Hr. J. zu und verwendet dabei die üblichen Begriffe der Corona-Leugner und behauptet auch wieder, wer eine andere Meinung vertrete, werde „mundtot“ gemacht und “sanktioniert“. Außerdem macht er sich das Schimpfwort „Heulboje“ für Prof. Lauterbach zu eigen und versucht augenzwinkernd die Beschimpfung als Zitat auf Lafontaine abzuwälzen. Aber natürlich sei er kein „Covidiot“. Für eine reale Variante von „mundtot“ sollte er lieber nach Polen, Ungarn, Hongkong oder in die Türkei schauen!

Wie menschenverachtend muss man denken, um nach über 90.000 bestätigten Corona-Toten immer noch anzunehmen, dass unser Leben weitergehen kann wie bisher?

Von 1955 bis 1975 gab es in Deutschland eine Impfpflicht gegen die Pocken, die höchstgerichtlich als verfassungskonform bestätigt wurde.

Derzeit gibt es eine faktische Impfpflicht gegen Masern für Kinder und Jugendliche, die eine Kita oder Schule besuchen. Die erfolgte Impfung muss nachgewiesen werden.

Für bestimmte Berufsgruppen gibt es verpflichtende Tetanus-, Diphterie- und Hepatitis-Impfungen.

Für Reisende in bestimmte Länder gibt es verpflichtende Impfungen.

Gegen Polio gab es in den Siebzigern Reihenimpfungen (Schluckimpfungen) in den Schulen. Die Impfpflicht wurde erst 1983 aufgehoben. Die Stiko hat lang gezögert, die Impfung zu empfehlen. Deshalb gab es noch 1961 eine große Polio-Epidemie in Deutschland, bei der mehr als 4500 Menschen erkrankten und 306 starben, obwohl es schon seit Mitte der 50er Jahre einen gut wirksamen Impfstoff (Salk) gab.

In seinem vehementen Leserbrief widerspricht Hr. J. sich aber selbst: er nennt nämlich Gruppen von Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, z.B. nach einer Chemotherapie o.ä. Allein deshalb halte ich es für ethisch geboten, Verantwortung für seine Mitmenschen zu übernehmen. Je mehr Geimpfte es gibt, desto besser schützen wir als Gesellschaft nicht-impfbare Menschen.

Es mag sein, dass die Stiko derzeit Impfungen für unter 18-jährige nur bei ernsthaften Gründen empfiehlt. Trotzdem steht es jedem frei, sich selbst beraten und ggfs. impfen zu lassen. Es gibt Impfstoffe, die ab 12 bzw. ab 16 zugelassen sind. Nutzen wir diese Chance!

Abgesehen davon sind derzeit schon Studien für die Impfung von 2- bis 12-jährigen unterwegs, die einen noch größere Wirksamkeit bescheinigen, bis nahe an 100%.

Daneben erwähnt Hr. J. erneut die „bedingte Zulassung“ durch die Behörde. Immerhin faselt er nicht wie andere Impfgegner von der angeblichen „Notfallzulassung“ von ungeprüften Impfstoffen. Die derzeitige „bedingte Zulassung“ in Europa durfte erst nach strengen Prüfungen erfolgen, und nach einer Milliarde geimpfter Personen weltweit kann man kaum noch von „ungetesteten“ Impfstoffen sprechen. Wem mRNA suspekt ist, dem steht es selbstverständlich frei, einen der anderen Impfstoffe zu wählen.

Impfstoffe sind eine der großartigsten Entwicklungen der Medizin und eines der am besten und strengsten regulierten und überwachten Gebiete, und wir sollten als Gesellschaft auf die Wissenschaft hören und nicht auf einige wenige vereinzelte Schreihälse, die mit gefährlichem Halbwissen um ein goldenes Kalb herumtanzen und alle anderen verunsichern. Dieses Kalb ist hohl und besteht aus Katzengold!

14.07.2021

Black Widow - Filmkritik

Hurra, ein bißchen Kino geht wieder! Das Lumos-Kino in Nidda hatte ab 8. Juli "Black Widow" nach mehreren Verschiebungen im Angebot. Als großer Fan von Comicverfilmungen konnte und musste ich das natürlich sofort ausnutzen - das Kino hat strikte Hygieneregeln, und im Kinosaal waren insgesamt nur 10 Personen, die mit großem Abstand saßen. Das tat aber meinem Vergnügen keinen Abbruch! Auch andere Kritiker sind sehr zufrieden mit dem Film.

Black Widow füllt eine Lücke aus und erzählt, was zwischen "Civil War" und "Infinity War" geschah. In Civil War weigerten sich einige der Avengers, das Sokovia-Abkommen zu unterzeichnen und sich damit der UNO zu unterstellen, darunter auch Captain America, Steve Rogers, und Black Widow, Natasha Romanoff. Sie wird vom ehemaligen General Ross, jetzigem Außenminister, gejagt. Wir kennen Ross seit dem ersten offiziellen Marvel-Film der Serie, "Hulk" von 2008, noch mit Edward Norton und nicht Mark Ruffalo.

Die Jagd von Ross nach Black Widow wird allerdings nur am Anfang und gegen Ende des Films thematisiert, den Hauptteil der Handlung machen die Jagd und der Kampf gegen den Schöpfer des "Widow"-Programms aus, Draykov.

Um ihn ausfindig zu machen, befreit Romanoff ihren Vater Alexi aus einem Gefängnis irgendwo in einer eisigen Einöde. Dazu holt sie sich Hilfe bei ihrer Schwester Yelena. Das Wiedersehen mit ihrer Schwester wird von einer Gestalt in Rüstung, dem "Taskmaster", gestört. Der Taskmaster ist auf der Jagd nach dem Gegenmittel, das Romanoff in ihrem Budapester Versteck aufbewahrt hatte, von dessen Zweck sie aber erst durch ihre Schwester erfährt: das Gegenmittel kann die chemische Konditionierung zum unbedingten Gehorsam aufheben, der die 2. Generation der Widows unterzogen wurde, während die 1. Generation, der Natasha angehört, nur psychologisch manipuliert wurde (naja, fast - Spoiler).

Dabei ergibt sich durch Rückblicke nebenbei, dass Alexi, Yelena, Natasha und die Mutter Melina eine künstliche Familie sind, um als russische Untergrundagenten in Amerika Industriespionage durchzuführen. Sie werden aufgedeckt und können im letzten Moment nach Kuba fliehen. Dabei stellt sich heraus, dass Alexi auch ein Supersoldat wie Captain America ist, der "Red Guardian".

Ich bin begeistert und trotzdem leicht ratlos aus dem Kino gegangen. Nachdem in "Agent Carter" alle Blutproben von Captain America vernichtet wurden, gibt es nun erneut eine Inflation von Supersoldaten - neben Cap noch den Ruheständler Isaiah Bradley, den Interims-Captain America, Walker, und die Terroristen aus "The Falcon and the Winter Soldier", und nun auch noch der russische Red Guardian, und vermutlich wird es zum "U.S. Agent" auch noch eine Serie bei Disney+ geben. Abgesehen davon hat mir der Film sehr gut gefallen, man muss ihn gesehen haben.

Der Film ist toll gemacht, die Action und die Special Effects sind hervorragend. Der Kampf auf Draykovs Station ist spannend inszeniert. Die Auflösung, wer der Taskmaster ist, fand ich hingegen reichlich unbefriedigend. Die Anspielung auf das gemeinsame Erlebnis in Budapast mit Clint Barton wird im Gespräch zwischen Natasha und Yelena erzählt. Warum der Anschlag auf Draykov gescheitert ist, wird nicht geklärt, vermutlich weiß es Natasha selbst nicht.

Als Profi sitzt man natürlich den ewig langen Abspann aus und genießt noch einen kleinen Nachfilm: Yelena besucht Natashas Grab (zumindest gibt es einen Gedenkstein, da sie vermutlich nicht von Vormir abgeholt wurde) und die "Contessa" Valentina, die wir jetzt doch schon aus der Falcon-Serie kennen, behauptet, dass Hawkeye Natashas Mörder sei. Leviathan wurde ja tatsächlich schon in "Agent Carter" angedeutet - mal sehen, ob hier zur Contessa eine Verbindung besteht. Andere Kritiker spekulieren nochmal ganz anders: die Contessa baut ihre eigene Avengerstruppe auf. Es wird erwartet, dass sie in der kommenden Hawkeye-Serie ebenfalls einen Auftritt haben wird. Es hat einen leicht schalen Beigeschmack, dass die Perlen im Abspann jetzt für Serienwerbung auf Disney+ genutzt werden, aber ich kann damit leben.

09.07.2021

The Tomorrow War - Filmkritik

 Ich habe am Wochenende den Film "The Tomorrow War" geschaut und bin ziemlich ratlos. Das ist einer der Filme, die man nicht allzu logisch angehen sollte.

Der Film enthält viele Versatzstücke und Zitate aus anderen Filmen. Die Außerirdischen sind blutrünstige Monster, die mich an T-Rex mit bissigen Tentakeln als Schwänze erinnern (die Aliens haben zwei sehr lange, sehr bewegliche, sehr gefährliche Schwänze mit dreigeteilten bissigen Mäulern). Man fragt sich eigentlich den ganzen Film über, wie sie zu einer raumfahrenden Spezies werden konnten.

Der Film nimmt Anleihen bei Terminator (jemand kommt aus der Zukunft und hat "dort" ein Problem), der Alien-Reihe (die Aliens sind sehr bissig, viel Splatter), Dune (die wurmähnlichen Schwänze) und Independence Day 2 (das Weibchen kämpft und wird besiegt - auch nochmal Aliens 2). Die Optik im Alienraumschiff am Schluss ist sehr stark an das H.R. Giger-Raumschiff angelehnt, das die Eier der Aliens transportiert und auf Acheron (LV-426) abgestürzt ist. Die Massenszenen, vor allem beim Eindringen der Aliens in die Forschungsbasis im Meer erinnern an die Orks-Massenszenen bei Herr der Ringe.

Die Glaubwürdigkeit der inneren Handlungslogik leidet schwer: Soldaten aus der Zukunft von 2050 reisen in die Vergangenheit von 2020, um dort Soldaten zu rekrutieren, die mit schlechter Ausstattung in der Zukunft sieben Tage lang kämpfen sollen, bevor sie wieder zurück gebracht werden (sofern sie überleben). Man kann jetzt streiten, ob die Vergangenheit dadurch geändert wird, dass jemand aus seiner Zeit gerissen wird und in der Zukunft stirbt, oder ob das genau der Lauf der Dinge sein soll.

Der Protagonist (Dan Forester, Chris Pratt, der "Star Lord" aus Guardians of the Galaxy) trifft in der Zukunft seine Tochter Muri, die an gefangenen Aliens forscht, um Giftkampfstoff herzustellen. Die bislang vorhandenen Gifte wirken nur bei den Männchen gut, bei den Weibchen der Aliens hingegen kaum. Sie schaffen es, ein Weibchen zu fangen und ein wirksames Gift zu entwickeln, das Dan in die Vergangenheit mitnehmen kann. Die männlichen Aliens reagieren extrem aggressiv auf die Gefangennahme und versuchen, das Weibchen zu befreien. In der Zukunft ist nicht bekannt, wie die Aliens auf die Erde gelangt sind. Nach der Rückkehr gelingt dies einem Schüler aus Dans Schulklasse: sie finden heraus, dass es ein eingefrorenes, abgestürztes Raumschiff in Russland sein muss, das durch den Klimawandel auftaut und die Aliens freisetzt. Hier klärt sich auch das Verhalten der Aliens auf: sie sind nur Passagiere oder Zuchtvieh auf dem Raumschiff gewesen, möglicherweise auf dem Weg zu einer anderen Welt, als der Absturz geschah. Die Menschen schaffen es, alle Aliens zu töten und das Raumschiff zu sprengen - damit ist die Zukunft geändert und der Grund für die Existenz der Zeitmaschine entfällt. An dieser Stelle passiert das übliche Zeitparadoxon: in der Zukunft gibt es keine Aliens, deshalb wird man dort keine Zeitmaschine bauen und in die Vergangenheit reisen, um dort die Menschen über die Aliens zu informieren. Dadurch wird das Alienraumschiff nicht zerstört, sondern taut auf, die Aliens breiten sich aus und - zack! Alles zurück auf Anfang.

An der Handlung gibt es viele Stellen, die mich stören und nicht nachvollziehbar sind:

  • Die Besucher aus der Zukunft legen keine Beweise vor - sie verweigern den Soldaten Bilder oder Videos der Aliens, um sie "nicht zu verunsichern" (woher kennen wir diesen Spruch?). Die Politiker glauben es trotzdem und etablieren eine Rekrutierungsorganisation. Es gibt keine Möglichkeit, der Einberufung zu widersprechen.
  • Statt in der Vergangenheit Grundlagen für einen erfolgreichen Kampf zu legen, werden nicht ausgebildete Menschen in der Zukunft verheizt (Überlebensquote in den sieben Tagen unter 20%). Dadurch wird die Vergangenheit natürlich auch geändert, wenn Rekruten nicht zurückkehren.
  • Der Endkampf in Russland ist angeblich geheim wegen diplomatischer Verwicklungen.
  • Nach dem Tod aller Aliens müsste das Wissen um die Aliens sofort erlöschen, weil sich zwangsläufig die Vergangenheit ändert. Schon während der gezielten Tötung von einzelnen Aliens in den Brutkammern müsste sich graduell die Vergangenheit ändern, weil sich die Ausgangssituation damit schon ändert. Allein das Aufschweißen des Raumschiffs ist eine Veränderung.
  • Ein Schüler findet innerhalb weniger Minuten heraus, dass es ein Raumschiff in Russland geben muss, und die Menschheit der Zukunft in ihrem verzweifelten Überlebenskampf schafft das nicht?

Ein Detail, das genannt, aber auch nicht weiter ausgearbeitet wird: es werden nur Söldner rekrutiert, die in der Zukunft, d.h. vor der Ankunftszeit, schon tot sind, um sich nicht selbst zu begegnen. Dan würde in sieben Jahren sterben. Muri teilt ihm mit, dass es ein Autounfall gewesen sein werden worden wird (Futur III für Zeitreisende).

Insgesamt hinterlässt der Film einen mäßigen Eindruck. Viel Action, viel Bumms, viel Splatter, keine schlüssige Geschichte, wenig Hintergrund, warum und weshalb. Aus dem abgestürzten Alienraumschiff hätte man mehr machen können.