04.02.2025

So biegt man sich die Realität zurecht - Leserbrief

[veröffentlicht am 04.02.2025]

Es ist immer wieder unglaublich, dabei zu sein, wenn die Glossisten in der WZ die Realität verbiegen, nur um nochmals gegen Habeck persönlich nachzulegen.

Am 30.01. mal wieder Anastasiadis, der Habeck bescheinigt, ein enorm schlechter Wirtschaftsminister zu sein, der höchstpersönlich und ganz allein an der schrumpfenden Wirtschaft schuld sein muss. Er erwähnt positive Punkte, relativiert sie aber gleich wieder, damit sie in sein gewünschtes Narrativ passen, und vergisst dabei ganz Wesentliches: Europa ist mitten in einer schweren Krise, in der Ukraine wird Krieg geführt, China und Russland führen mehr oder minder offen einen Wirtschaftskrieg gegen die westliche Welt, die Ampel hat erfolgreich Corona und die Energiekrise (leere Gasspeicher!) gemeistert. Der DAX hat die 20.000 deutlich überschritten, und versuchen Sie mal, kurzfristig einen Handwerker zu bekommen.

Es gibt Branchen, denen es schlecht geht - aber das ist ein hausgemachtes Problem, bspw. in der Autoindustrie. Habeck hat schon 2019 gewarnt, dass deutsche Autobauer ein E-Auto für 20.000 € anbieten müssen, um zukunftsfähig zu sein. Stattdessen gab es jahrelang nur Luxusmodelle, die am deutschen Massenmarkt und - noch wichtiger - am chinesischen Markt vorbei geplant wurden (der Marktanteil deutscher Autos in China war mal über 40 % und ist jetzt einstellig!). Die Politiker von CDU, CSU und FDP faseln über “Technologieoffenheit”, statt klar zu äußern, ob Wasserstoff und E-Fuels in Pkw sinnvoll sind (Spoiler: sind sie nicht). Die Technologien sind vorhanden, es braucht klare Entscheidungen. Bei der Gurtpflicht, dem Katalysator, FCKW-Verbot, Rauchverbot und vielen anderen Regelungen hat es doch auch geklappt (auch wenn das Gemaule zunächst groß war).

Schauen wir allein mal auf die Vergangenheit, die Wirtschaftsminister und das jeweilige Wachstum:

  • Rexrodt (1993, FDP): BIP - 1 %
  • Clement (2003, SPD): BIP - 0,5 %
  • Glos (2005 bis 2009, CSU): BIP - 5,7 %
  • Guttenberg (2009, CSU): BIP - 5,7 %
  • Brüderle (2009, FDP): BIP -5,7 %
  • Altmaier (2018 bis 2021, CDU): BIP - 4,1 %
  • Habeck (seit 2021, Grüne): BIP - 0,1 %

Mit diesem Vergleich möchte ich gern vom Glossisten wissen, wer nun ein schlechter Minister war, wenn das das einzige Kriterium sein soll. Nebenbei ist die Wirtschaft in Bayern um 0,6 % geschrumpft, also ebenfalls deutlich schlechter als auf Bundesebene. Und der bayerische Wirtschaftsminister Aiwanger will nun tatsächlich für den Bundestag kandidieren? Nach des Glossisten Argumentation sollte er das besser nicht tun. Aber wahrscheinlich wird er auch einen verbogenen Gedanken erfinden, warum Habeck selbstverständlich dafür ebenfalls verantwortlich sein muss.

Nicht zu vergessen fällt in die Amtszeit von Altmaier als Umweltminister die Zerstörung von ca. 120.000 Arbeitsplätzen in der Solarindustrie. Bis 2012 stammten acht der zehn größten Solarmodulhersteller aus Deutschland, jetzt ist China Marktführer. Die letzten beiden Merkel-Kabinette haben die Bürokratisierung so weit getrieben, dass für die Beantragung eines Windrads 36.000 Blatt Formulare ausgefüllt und an 60 (!) Behörden für Stellungnahmen und Genehmigungen geschickt werden mussten. Damit gingen zwischen 2016 und 2019 in der Windkraftindustrie 70.000 Arbeitsplätze verloren. Söder hat eine Abstandsregelung “10H” durchgesetzt, durch die in Bayern im letzten Jahr nur 6 Windräder gebaut wurden (in anderen Bundesländern fast 1.000). Welche Parteien sollen wir nun anschauen, wenn jemand das Wort “Deindustrialisierung” in den Mund nimmt? Eher nicht die Grünen!

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