23.08.2024

Schwache Argumente gegen Windkraft - Leserbrief

[veröffentlicht am 23.08.2024]

So, Hr. D. legt nochmal nach bei seinen Kampf gegen Windräder. Nachdem es keine sachlichen Argumente mehr gibt, müssen nun die Versiegelung und die Rückbaukosten von weit weg hergeholt werden.

Es ist richtig, dass für den Bau einer Windkraftanlage in etwa 2 Hektar Fläche benötigt werden und nach Fertigstellung 0,5 bis 0,7 Hektar Fläche benötigt werden. Das sehe ich nicht besonders negativ, denn durch die Wiederaufforstung kann man ökologisch wertvolleren Bewuchs in die Fläche bringen. Wie die WZ schon 2020 und 2022 berichtete, geht es dem Wald am Winterstein durch Dürre, Schädlinge und Wildverbiss nicht besonders gut. Wenn hier eingegriffen wird, schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe.

Der Flächenbedarf von 0,7 Hektar für eine Windkraftanlage ändert sich nicht. Für den Betrieb z.B. eines Kohlekraftwerks werden täglich 1,6 Hektar Fläche für den Tagebau vernichtet, die regelmäßig renaturiert werden müssen. Die Qualität von z.B. Ackerboden ist danach deutlich schlechter als vorher - die Wetterauer Landwirte können davon ein Lied singen.

Für den Rückbau einer Anlage nach Ende ihrer Lebensdauer ist eine gesetzliche Rücklage von 160.000 Euro erforderlich. Hr. D. geht nun vom Sparbuch aus, auf dem das Geld durch die Inflation aufgefressen wird. Man kann natürlich die Rücklage auch besser anlegen und somit langfristig der Inflation voraus sein. Insbesondere aber erregt sich Hr. Durchdewald über geschätzte Gesamtkosten von unter 500.000 Euro. Zum Vergleich dazu: “Fast 20 Jahre hat der Rückbau des Atomkraftwerks in der Nähe von Landshut gedauert - zweieinhalbmal so lange wie die Bauzeit. Hinzu kommen enorme Kosten: Schätzungen zufolge kostet der Rückbau eines Atomkraftwerks mindestens eine Milliarde Euro.”

Bevor hier also weiter über Kosten lamentiert wird, sollte man die Relationen im Auge behalten. Wir kommen weltweit bei der notwendigen Energiewende nicht an Photovoltaik und Windkraft vorbei. Der Rückbau eines Windrads ist in wenigen Monaten erledigt und es fällt kein Sondermüll an. Der Rückbau eines fossilen oder atomaren Kraftwerks dauert Jahre und die Menge an Sondermüll ist enorm - wohlgemerkt: wir haben immer noch kein Atommüllendlager, auch wenn Söder seit langem darum bettelt, es in Bayern anzusieden.

19.08.2024

Der Kampf gegen die Wärmepumpen - Leserbrief

[veröffentlicht am 17.08.2024, redaktionelle Kürzung markiert]

Der Glossist Schier schreibt am 30.07. über Absatzeinbrüche beim Verkauf von Wärmepumpen und schimpft auf “die Ampel”. Ehrlicherweise sollte er Ross und Reiter benennen und vor allem ein wenig die politische Entwicklung dahin bedenken.

Das “Gebäude-Energie-Gesetz” ist während der Großen Koalition unter der Ägide von Seehofer und Altmaier als Umsetzung einer EU-Richtlinie entstanden. Das Verbot von fossilen Heizungen wurde von Kohl seit 1998 betrieben und von der EU gesteuert, um nationale Alleingänge zu verhindern. Andere Länder haben schon viel länger als Deutschland entsprechende Fristen und Verbote, z.B. Frankreich (2017) und die skandinavischen Länder (Dänemark 2013).

Was nun der Ampel zugeschrieben und von der Krawallpresse letztes Jahr massiv als “Heiz-Hammer” unter Beschuss genommen wurde, wäre lediglich eine Änderung im GEG gewesen, um das Vorziehen einer Frist von 2026 auf 2025 festzulegen, wie von der EU gefordert.

Stattdessen hat die FDP im Frühling 2023 nach anfänglicher Zustimmung im Koalitionsausschuss (!) einen ihrer mittlerweile leider zahlreichen Rückzieher vollzogen und das GEG kurzfristig massiv verwässert, so dass es kaum noch positive Lenkungseinflüsse entfalten kann. Diese Verwässerung war heftig lobbygesteuert, denn der Investmentkonzern KKR besitzt mehrere Tausend Mietwohnungen in Deutschland und ist auch tief im fossilen Öl- und Gasgeschäft involviert. Rein zufällig ist KKR auch mit 48 % großer Anteilseigner am Springer-Konzern (“Bild”, “Welt” u.a. Krawallblätter), was die intensiven Schlagzeilen gegen Habeck und gegen Wärmepumpen in dieser Zeit erklären mag.

Die Verfälschungen und Verkürzungen über die Funktionsweise von Wärmepumpen (Stichworte z.B. Fußbodenheizung, Altbau, Fachwerkhaus, Preise usw.) entstammen größtenteils der Märchenwelt und der gezielten Auswahl von extremen Spezialfällen, um die Technologie schlecht zu reden. Im Normalfall hat eine Wärmepumpe eine wesentlich bessere Energie- und Kosteneffizienz als jede Öl- oder Gasheizung, und insbesondere in Verbindung mit Solaranlage und Speicher kann man kaum billiger und umweltbewusster heizen.

Fun Fact: das Haus von Lindner hat eine Wärmepumpe.

16.08.2024

Schwache Argumente für die Schuldenbremse - Leserbrief

[veröffentlicht am 16.08.2024]

Hr. Schier schreibt über die Schuldenbremse und begründet ihre Einhaltung mit dem Argument, wir dürften den kommenden Generationen keine “laufenden betrieblichen Kosten” hinterlassen. Das Gegenteil seiner Argumentation ist richtig: wir verschieben immer mehr notwendige Investitionen in die Zukunft und hinterlassen damit unseren Kindern einen Trümmerberg von maroder Infrastruktur. Je später wir investieren und reparieren, desto teurer wird es werden.

Allein das Beispiel “Bahn” zeigt, was passiert, wenn man nicht rechtzeitig eingreift: 2010 wurden notwendige Reparaturen und Investitionen auf 10 Mrd. Euro beziffert. Da dies nicht stattfand, ist der heutige Bedarf auf 88 Mrd. Euro angewachsen. Die Schweizer verweigern mittlerweile den notorisch verspäteten deutschen Zügen die Einfahrt, damit die Taktung der Schweizer Bahnen nicht gestört wird.

Kredite für Investitionen sind sinnvoll, denn mit dem Geld wird ein Gegenwert geschaffen, der im Normalfall dann zu einer gut funktionierenden Infrastruktur beiträgt. Es ist also gerade nicht geplant, die Kredite für den laufenden Betrieb zu verwenden, sondern bleibende Werte zu erschaffen oder zu bewahren. Die “schwäbische Hausfrau” Lindner ist hier volkswirtschaftlich vollkommen auf dem Holzweg. Zu Recht haben vor drei Jahren führende Ökonomen vor dem Laien Lindner als Finanzminister gewarnt. Eine staatliche Kreditaufnahme ist nicht mit einem Kredit für Privatleute vergleichbar. Insbesondere erhält der Staat für das Geld eine bessere Infrastruktur, die allen Bürgern zugute kommt, und durch mehr Geld im Umlauf steigt die Beschäftigung - es braucht ja Arbeitskräfte für die Maßnahmen. Die staatlichen Kredite werden durch eine mäßige Inflation langfristig auch harmloser.

Mittlerweile ist die FDP der einzige Streiter für die Erhaltung der Schuldenbremse: alle Wirtschaftsforschungsinstitute und Organisationen sprechen sich deutlich für eine Änderung aus. Eine sinnvolle volkswirtschaftliche Begründung kann Lindner nicht geben; die Schuldenquote Deutschlands im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt ist die drittniedrigste weltweit. Japan und USA haben wesentlich höhere Schuldenquoten und dort brummt die Wirtschaft durch eine kluge Investitionspolitik. Biden ist der US-Präsident mit dem höchsten Wirtschaftswachstum der letzten 100 Jahre, während im Gegensatz dazu die Steuersenkungspolitik von Trump in der Legislaturperiode davor zu einem Viertel (!) der jetzigen amerikanischen Staatsschulden beitrug.

Ich bin mir absolut sicher, dass im Fall eines Wahlsiegs der CDU nächstes Jahr als erstes die Schuldenbremse fallen würde - erste Anzeichen für ein Umdenken der jetzigen Opposition gibt es ja schon. Aber natürlich kann die Opposition jetzt nicht zustimmen, denn einen Erfolg der Koalition kann und will sie derzeit nicht unterstützen.

Abgesehen von der Aufnahme neuer Kredite könnte Lindner natürlich dem Vorschlag Brasiliens in der G20-Gruppe zustimmen, eine weltweite Milliardärssteuer einzuführen. USA und Deutschland sind die einzigen Blockierer. Es beträfe in etwa 2000 Personen und Familien, denen eine Steuer von 2 % sicherlich nicht wehtun würde.

Lindner könnte auch Steuergeschenke wie z.B. für Dienstwagen kürzen (97 % aller Porsche sind als Dienstwagen steuerlich gemeldet). Er könnte durch verstärkte Steuerprüfungen bei Firmen eine geschätzte Lücke von jährlichen 100 Mrd. Euro an fehlenden Steuereinnahmen schließen. Er könnte die derzeit ausgesetzte Vermögenssteuer in eine verfassungsgemäße Form bringen - geschätzt fehlen seit 1996 dem Staat dadurch 380 Mrd. Euro. Er könnte auch als Schadensersatz Gelder aus dem jahrelang laufenden Cum-Ex- und Cum-Cum-Steuerbetrug für die Staatskasse reklamieren und dabei die Banken in die Pflicht nehmen, durch deren Kassen eine geschätzte Summe von 55 Mrd. Euro geflossen ist. Stattdessen darf einer der angeklagten Banker sich freuen, dass wegen Gesundheitsproblemen sein Verfahren eingestellt wird - die 40 Mio. Euro aus den schattigen Geschäften darf er behalten.

13.08.2024

Die Wahlrechtsreform schlechtreden - Leserbrief

[veröffentlicht am 13.08.2024]

Hr. Sattler schreibt in seiner Glosse von einer Niederlage der Ampel vor dem Bundesverfassungsgericht in Bezug auf die Reformierung des Wahlgesetzes. Dabei ist wohl eher der Wunsch, der Ampel eins auszuwischen, der Vater des Gedankens, und nicht der Wunsch, eine reelle Darstellung zu geben.

Das Gericht hat die Reform des Wahlgesetzes im Großen und Ganzen für verfassungsgemäß befunden bis auf ein Detail, nämlich die 5 %-Klausel und die Direktmandate. Das hat die WZ auch einen Tag später redaktionell korrekt berichtet und immerhin dann die Pressemitteilung des BVerfG korrekt wiedergegeben.

Was ich trotzdem noch wesentlich schlimmer als Sattlers magere Argumentation finde, ist Söder, der hier in trumpesker Manier von “Wahlmanipulation” spricht und z.B. auf X/Twitter behauptet, die Ampel habe eine “Klatsche” erhalten. Dieses eine Reformgesetz nun als Beweis für eine Unterstellung zukünftiger krimineller Machenschaften zu verwenden, ist in sich höchst demokratiefeindlich und demagogisch.

Im Kern ist die Reform gelungen, denn der vorherige Versuch einer Reform, z.B. das sog. “negative Stimmengewicht” (mehr Stimmen führen zu weniger Sitzen) zu verhindern, hat zu immer mehr Ausgleichs- und Überhangmandaten geführt (aktuell 730 statt 598 Sitze im Parlament!). Die Reform legt das Parlament auf maximal 630 Abgeordnete fest, dabei haben im Vergleich zur jetzigen Sitzverteilung alle Parteien gleichmäßig verloren, und somit bleibt das Stimmenverhältnis erhalten. Nebenbei spart der Staat durch diese Reform Hunderte von Millionen Euro.

Natürlich schießt besonders die CSU scharf gegen die Reform, denn sie profitierte in der Vergangenheit am meisten von Ausgleichs- und Überhangmandaten, da die CSU in Bayern fast alle Landkreise direkt gewinnen und deshalb viele Erststimmenmandate in den Bundestag entsenden konnte (und zwar mehr als der CSU prozentual zustünden). Auch hier hat das Gericht eher der CSU als der Ampel eine Klatsche erteilt, denn im Urteil ist zu lesen, dass die Abgeordneten allen Wählern und nicht (nur) ihrem Landkreis verpflichtet sind (Art. 38 Grundgesetz). Von daher ist es dogmatisch nicht schlimm, dass ein Wahlkreis nicht mit einem Direktmandat im Parlament vertreten ist, sondern nur mit den Abgeordneten der Liste, also den prozentualen Zweitstimmen. Abgesehen davon könnten CDU und CSU eine Listenverbindung einführen, was sie genau wegen der bequemen Überhangmandate in der Vergangenheit tunlichst vermieden haben. Hauptsächlich die CSU hat über mehr als zehn Jahre hinweg jegliche Reform verhindert, die dieses Problem angehen wollte. Der alternative Reformvorschlag von CDU/CSU hätte nebenbei alle Parteien Sitze gekostet - außer natürlich der CDU/CSU.

Der Kritikpunkt von Hr. Sattler, dass durch die Reform möglicherweise ein Direktmandat (Erststimme) nicht zu einem Sitz im Parlament führt, ist vermutlich in Unkenntnis der Tatsache geäußert worden, dass exakt dieselbe Regelung in Bayern schon seit langem gilt. Wenn die Partei die 5 % im Wahlkreis nicht erreicht, hat auch der Direktkandidat keinen Sitz im Parlament erlangt. Sattler kritisiert hier also sehr einseitig etwas, was auf Landesebene schon längst geltendes Recht ist.

Trotzdem hat die Reform vorläufig Bestand, bis die Regierung hier (minimal) nachbessert. Eine Behelfslösung für die Parteien wäre, dass der Direktkandidat auch einen Listenplatz erhält (was sowieso meistens der Fall sein wird).

Zum Vergleich: den Regierungen mit CDU-Kanzlerschaft wurden knapp 240 Entscheidungen vom Bundesverfassungsgericht kassiert, Regierungen mit SPD-Kanzlerschaft ca. 130. Bezogen auf die Regierungszeit pro Jahr, nehmen sich hier beide Parteien nicht viel.