22.07.2024

Angeblicher Bürgerwille gegen Windkraft? - Leserbrief

[veröffentlicht am 19.07.2024]

Hr. Kluger schreibt in der Kolumne vom 04.07. auf der Titelseite, dass es “Bürgerwille” sei, dass keine Stromtrassen und Windkraftanlagen gebaut werden, und dass Erdkabel ja um so vieles teurer wären, weil niemand die Überlandleitungen haben will.

Das verdreht Ursache und Wirkung: der Streit um Stromtrassen und Windkraft tobt seit Jahrzehnten und wird von Politikern und Medien befeuert, die die Energiewende behindern und verzögern wollen. Dazu ist ihnen jedes Mittel recht, insbesondere die Verbreitung von falschen oder veralteten Behauptungen, auf die sich dann fragwürdige Bürgerinitiativen stürzen und stützen.

Besonders tut sich hier Hr. Aiwanger, Wirtschaftsminister in Bayern (Freie Wähler) hervor. Er tingelt durch Bierzelte und lobt sich immer wieder dafür, Windkraft und Stromtrassen zu verhindern (und Flutpolder, aber das ist ein anderes Thema). Gerade die Bayern haben lang für die Erdverlegung statt Überlandmasten gestritten, auch um Zeit zu schinden, in der Hoffnung, dass die Mehrkosten zur Einstellung führen. Der Windkraftausbau wird durch die Abstandsregelung “10H” (Mindestabstand von Windrädern zu Bebauung ist zehnmal deren Höhe) so stark behindert, dass letztes Jahr in Bayern nur vier neue Windräder gebaut wurden, in Niedersachsen hingegen 745. Insgesamt gibt es in Bayern nur 1.100 Anlagen, in Niedersachsen 6.100, und sogar in Brandenburg und Nordrhein-Westfalen mehr als 3.600.

Und natürlich sind immer die Grünen schuld. Hier zwei Zitate von Aiwanger: (2016): „Mit riesigem Aufwand werden hier überflüssige, schädliche Stromtrassen vorbereitet, die überhaupt nicht erforderlich sind. Die grössenwahnsinnigen Lobbyprojekte müssen verhindert werden." (2023): "Die Grünen sind schuld am Nichtbau der Stromtrassen."

Im sächsischen Vogtland ruft CDU-Landrat Thomas Hennig auf einer Veranstaltung des windkraft-kritischen Vereins „Lebenswertes Vogtland“ die Behörden dazu auf, Genehmigungsverfahren „so lange hinzuziehen, solange es rechtlich möglich ist“.

Und sogar in Friedberg weinen die Freien Wähler, dass Windkraft ja so schlimm ist und wiederholen dabei die altbekannten, seit Jahren widerlegten Falschbehauptungen.

Besonders gern wird auch immer wieder der angeblich so gefährliche “Infraschall” aus der Mottenkiste geholt - eine Mär, die seit mehr als zehn Jahren widerlegt ist, aber immer noch verbreitet wird, obwohl in diesen Behauptungen ein Rechenfehler mit dem Faktor 4.000 steckt. Jedes vorbeifahrende Auto erzeugt mehr “Infraschall” als ein Windrad. Die anderen Verhinderungsmärchen über Windkraft habe ich bereits früher widerlegt, hier zum Nachlesen.

Im Ergebnis schimpfen jetzt die Schweden, dass wegen fehlender innerdeutscher Stromtrassen der Strom aus Deutschland zu teuer sei, und verzichten auf den Bau einer Stromtrasse nach Deutschland - eine Folge der Tatsache, dass es für ganz Deutschland nur eine Strompreiszone gibt (Schweden hat vier). Auch hier wehren sich die Bayern energisch und egoistisch, denn aufgrund dieser fehlenden innerdeutschen Stromtrassen würde dann der Strom im Norden billiger, aber in Bayern teurer werden.

Nur wenn es ums Handaufhalten geht, ist Bayern ganz vorn dabei (Länderfinanzausgleich, EEG-Ausgleich, Straßenbau), abgeben wollen sie umgekehrt nichts. Söder lobte seine CSU-Verkehrsminister im Bund sogar ausdrücklich dafür, dass sie so viel Geld ins Land holen. Seit Bayern seit einigen Jahren ein Nettozahler ist, will Söder den Länderfinanzausgleich abschaffen oder zumindest so reformieren, dass Bayern nichts zahlen muss.

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