09.04.2024

HVO als Dieselersatz - Leserbrief

[veröffentlicht am 09.04.2024]

Wenn man sonst nix zu sagen hat, wird das Thema “flüssige Ersatztreibstoffe” aus der Mottenkiste geholt. Vor längerem waren es Leserbriefe über e-Fuels aus Kohlendioxid (CO2) und Wasserstoff (H2), nun ist es die FDP, die wie immer das Banner der “Technologieoffenheit” vor sich her trägt und über eine der wenigen Tankstellen in der Wetterau jubelt, die künstlich hergestellten Diesel-Ersatz verkauft (HVO, hydro-treated vegetable oil).

Dieser Ersatztreibstoff gehört zu den zahlreichen Varianten von künstlichem Diesel, der aus Abfallfett hergestellt wird. Andere Varianten verwenden Erdgas, Kohle oder sonstige kohlenstoffhaltige Grundstoffe.

Die Energiebilanz allein bei der Herstellung von HVO reicht von “naja” (2 kWh pro Liter) über “schlimm” (10 kWh pro Liter) bis “katastrophal” (16 kWh pro Liter), je nach verwendeten Ausgangsstoffen, und über die Größenordnung der Herstellung (also die lieferbare Menge in den Handel) decken wir auch lieber den Mantel des Schweigens. Zum Vergleich: ein Liter “klassischer” Diesel aus Erdöl erfordert einen Aufwand von ca. 4 kWh pro Liter.

Aber damit ist die Betrachtung der Energiebilanz noch nicht zu Ende gedacht: für die Herstellung von HVO wird nämlich Wasserstoff benötigt und es fällt Propan als “Abfall” an. Nunja, mag man meinen, Propan ist ja nicht schlimm: kann man zum Heizen verbrennen oder industriell verwerten. Aber auch das feuert natürlich wieder die Klimakatastrophe an.

Der benötigte Wasserstoff müsste “grün” sein, also aus erneuerbaren Energien hergestellt werden. Alle anderen Varianten von Wasserstoff (blau, grau, türkis) haben eine katastrophale Umwelt- und Energiebilanz (bis zu 55 kWh Strom und 10 Liter Wasser pro kg Wasserstoff). Pro Liter HVO wird (je nach Zusammensetzung) geschätzt, dass etwa 40 Liter Wasserstoff benötigt werden. Das Verfahren erfordert außerdem einen teuren Katalysator, üblicherweise Platin, Palladium oder Nickel, der auch zu anderen industriellen Zwecken benötigt wird.

Des weiteren gibt es bei der Verwertung von Fettabfällen ein gravierendes Konkurrenz- und auch Skalierungsproblem: bislang wurde ein Großteil dieser Abfälle, in Deutschland ca. 1,9 Mio. t pro Jahr, bei hohen Temperaturen in Kraftwerken verbrannt und hat dort einen Wirkungsgrad von über 40 %. Ein Dieselmotor im Auto hat im Bestfall nur einen Wirkungsgrad von knapp 30 %. Wenn nun HVO als Dieselersatz verwendet wird, ist für Kraftwerke eine Alternative nötig. Allein unter diesem Aspekt erscheint es nicht sinnvoll, die Ausgangsstoffe für die energieintensive Herstellung eines Treibstoffs mit schlechterem Wirkungsgrad zu verwenden. An der Uni Graz stellt eine Masterarbeit fest, dass der Ertrag an HVO ungefähr 80 % des eingesetzten Rohstoffs beträgt, der Rest entweicht als kurzkettige Alkane oder Wasser. Und: es gibt gar nicht genügend Abfallfett für den deutschen Bedarf von 35 Mio. Liter Diesel pro Jahr.

Ein weiteres Problem ist die Verwendung von derzeit 10-20 % Palmöl als Ausgangsstoff. Wenn die Nachfrage nach HVO steigt, ist zu befürchten, dass noch mehr Regenwald abgeholzt wird, um Ölpalmen anzubauen, die dann noch zur Verarbeitung transportiert werden müssen. Die Fläche dafür fällt dann auch für den Anbau von Lebensmitteln weg. Fettabfälle müssen außerdem gereinigt werden, und die Schadstoffe können je nach vorherigem Einsatzzweck giftig oder krebserregend sein.

Ein kleiner Vorteil für Oldtimerfans: HVO enthält wenig Sauerstoff, deshalb vergammelt es im Tank nicht (wichtig für Autos, die lange still stehen). HVO-Verbrennung hat einen etwas geringeren CO2-Ausstoß als Diesel aus Erdöl: doch immerhin gigantische 2 % weniger. Und noch ein Trost: wenn das Abfallfett pflanzlich war, fährt das Auto dann immerhin vegan.

Fazit: die FDP jubelt hier ein Thema hoch, das nicht dazu beiträgt, die Klimakatastrophe zu verhindern. Leider hat sie vor dem Jubeln vergessen, die Fakten zu prüfen. Es ist zwar technisch machbar, aber wirtschaftlich und ökologisch sinnlos, wenn man die gesamte Herstellungs- und Lieferkette betrachtet. Die FDP zeigt damit erneut, dass sie in der Vergangenheit bleiben will.

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