26.03.2024

Corona-Aufarbeitung als Geschichtsrevisionismus - Leserbrief

Ein Glossist der WZ sammelt alle Vokabeln der Querdenker zu Corona in einem kurzen Aufsatz und will damit die Corona-Maßnahmen "aufarbeiten". Die Kritik an der WZ und ihren Glossisten wurde wohlweislich gekürzt (unten so markiert).

[veröffentlicht am 26.03.2024]

Was soll denn dieses aufgewärmte Corona-Leugnen heutzutage in der Glosse von Hr. Schäfer? Das ist Querdenker-Vokabular, das er hier bringt. Er fordert eine “Aufarbeitung” der Corona-Maßnahmen während der Pandemie und bejubelt Streeck, der durch vollkommen falsche Behauptungen, aber dafür große Medienpräsenz, aufgefallen ist. Es war jederzeit sicherer, das Gegenteil von dem zu tun, was Streeck gefordert hat. Die Untersuchung in Heilsberg am Beginn der Pandemie war eine unwissenschaftliche Medieninszenierung mit vorbestimmtem Narrativ.

Schäfer zitiert Spahn mit dem Bonmot “Wir werden viel zu verzeihen haben”. Derselbe Spahn, der wie viele andere Politiker durch Masken-Deals und Provisionen in Erinnerung bleiben wird, und nur durch Formfehler und fehlende oder lückenhafte Gesetze gegen Vorteilsnahme und Bestechung entgingen Politiker wie Nüsslein, Sauter, Tandler einer Strafe oder erhielten eher milde Urteile. Eigentlich habe ich wenig Veranlassung, solche finanziellen Winkelzüge zu verzeihen. Hier floss Steuergeld in Taschen, wo es nicht hingehört hat. Genauso auf EU-Ebene: durch schlechte Verträge schuldet die EU den Impfstoffherstellern 35 Mrd. Euro (!) Entschädigungszahlungen für bestellte, aber nicht abgenommene Impfdosen.

Unvergessen auch der eine oder andere AfD-Politiker, der öffentlich gegen Corona-Maßnahmen demonstriert hat, aber trotzdem gern Hunderttausende Euro Zuschüsse für seine Testzentren kassiert hat.

In der Epidemiologie (Seuchenlehre), gerade bei neuen Erregern mit unbekannten Eigenschaften, gilt die Regel “schnell und hart handeln” und gerade nicht zaudern und zögern. Von daher sollte die Aufarbeitung der Corona-Pandemie darin bestehen, über die zu frühe Aufhebung von Maßnahmen zu diskutieren, oder über die Rolle der Medien, die sehr gern das Märchen aufgenommen hat, Kinder und Jugendliche könnten sich nicht anstecken, würden das Virus nicht verbreiten, wären bei einer Erkrankung nicht so schlimm betroffen usw. usf.

Unvergessen auch die mediale Kampagne der Springerpresse gegen Prof. Drosten oder die isolierten Einzelmeinungen bestimmter Forscher, die Luftreinigungsgeräte für ineffizient hielten, aber überproportional Aufmerksamkeit erhielten. Trotz reichlich vorhandener Fördergelder auf Landes- und Bundesebene wurden deshalb mit fadenscheinigen Ausreden Tausende Klassenräume nicht mit Geräten zur Prävention ausgestattet.

Heute weiß man retrospektiv, dass statistisch ungefähr 70 % aller Ansteckungen ihren Ausgangspunkt in Kindergärten und Schulen hatten und sich von dort in die Familien und Arbeitsstätten ausgebreitet haben. Die Corona-Wellen haben sich während Schulferien und durch die jeweiligen Schulschließungen immer deutlich abgeschwächt.

Hr. Schäfer sollte auch nicht weiter über Impfschäden jammern: weltweit wurden nur wenige Tausend Impfschäden bestätigt, bei mehr als 13 Milliarden Impfungen. Das ist minimal weniger als die entsprechende Quote bei der Masern-Impfung. Wenig überraschend war mehr als die Hälfte aller weltweit gemeldeten Anträge auf Anerkennung von Impfschäden hingegen in Deutschland verortet, insbesondere in Ostdeutschland, wo die Impfrate erschreckend gering war und ist und verdächtig mit dem Anteil der AfD-Wählerschaft korreliert. Ist das nicht ironisch? Die geringste Impfquote korreliert mit der höchsten (behaupteten) Anzahl an Impfschäden. Insgesamt wurde in Deutschland eine geringe dreistellige Anzahl an Impfschäden anerkannt, bei knapp 200 Mio. Impfungen insgesamt.

Einschub: um den Unterschied zwischen Millionen und Milliarden etwas greifbarer zu machen: eine Million Sekunden sind 11 Tage, eine Milliarde Sekunden sind 31 Jahre.

Natürlich sind Impfschäden plausibel, das streitet auch niemand ab. Trotzdem ist die Impfung sicher und schützt. Nebenbei: die Aufnahme in eine Kita oder Schule ist in Deutschland an den Nachweis einer Masernimpfung geknüpft und mittlerweile mehrfach höchstrichterlich bestätigt.

Wie bereits oben erwähnt, finde ich die Rolle der Medien derzeit auf einem erschreckenden Niveau. Dies ist nicht nur beim Thema Corona, sondern generell bei politischen Themen ein Problem. Die Glossen der WZ sind hier stellvertretend genannt: die Anzahl an Halb- und Viertelwahrheiten, die anscheinend ohne große Recherche und Faktenprüfungen abgedruckt werden, lässt mich immer wieder kopfschüttelnd zurück. Man lässt Glossisten über Themen schreiben, bei denen die grundlegendste Recherche fehlt.

18.03.2024

Damsel - Ritter, Drachen und das ganze in originell

Nach all den Leserbriefen mal wieder eine Filmkritik :-)

Vor ein paar Tagen habe ich den neu erschienenen Film "Damsel" bei Netflix geschaut.

Fazit: solide Unterhaltung, guter Twist am Ende, der der Geschichte nochmal eine originelle Wendung gibt.

Kleiner Spoiler: der Film könnte auch als Prequel zu "House of the Dragon" durchgehen, dem Prequel von "Game of Thrones".

Die CGI ließ teilweise etwas zu wünschen übrig, der Drachenkörper war mehr so verhungerte Katze, aber Kopf und Gesicht waren gut gemacht, auch die Mimik war sehr schön.

Die Zeichnung mit dem Ausweg, den die Prinzessin tief unten in den Höhlen fand, war verwirrend - die Wandmalerei konnte ja erst gezeichnet werden, nachdem jemand *zurück* kommt, um die Karte zu vervollständigen.

Eine offene Frage (von Logikfehler will ich nicht reden): offensichtlich muss es ja für die 3 Dracheneier auch einen Papa gegeben haben. Ich frage mich, was aus ihm geworden ist.

Falls das nicht nötig wäre - es gibt ja auch bei manchen Tier- und Pflanzenarten Fortpflanzungsmethoden, bei denen kein zweiter Partner nötig ist - verstehe ich nicht, warum die Drachin "last of its kind" sein soll.

14.03.2024

Die Bundeswehr wurde abgehört - Leserbrief

Die Abhöraffäre der Bundeswehr über den Einsatz von Taurus-Marschflugkörpern erregt gar nicht so viel Aufmerksamkeit, wie sie eigentlich verdient hätte. Zur Glosse in der WZ schrieb ich ein paar Anmerkungen zur Verwendung proprietärer Software, die man nicht unter eigener Kontrolle hat.

[veröffentlicht am 14.03.2024]

Fr. Warnecke spricht einen wichtigen Punkt an: die digitale Souveränität, insbesondere das staatliche Handeln in Krisenfällen, ist in Gefahr, wenn wir Software verwenden, deren Quellen und Betrieb nicht der eigenen Kontrolle unterliegen.

Das ist der Fall bei allen ausländischen Diensten nicht nur für Videokonferenzen wie Zoom, WebEx, Teams, BlueJeans etc. Diese Dienste werden auf Servern betrieben, auf die Deutschland keinen Einfluss hat, und die Quelltexte der zugrundeliegenden Software sind nicht einsehbar.

Es ist also nicht nur so, dass bei Verwendung dieser Dienste die Gefahr von z.B. russischen Hackern besteht, sondern natürlich auch das gewollte Abhören durch “befreundete” Dienste. Dass der deutsche Staat und seine Organe abgehört werden, wissen wir seit Assange und Snowden, und die milde Empörung von Merkel (“Abhören unter Freunden geht gar nicht”) war ungefähr die zahmste und zahnloseste Reaktion, die man sich vorstellen kann.

Die Alternative besteht darin, Software zu verwenden, deren Abläufe man selbst prüfen kann (“Open Source Software”, OSS) und die man selbst betreibt. Der Wetteraukreis ist hier bei der regionalen Lösung für Schulen, die bis 2022 verwendet wurde, eine der wenigen positiven Ausnahmen gewesen: das damalige “wtkedu” hat eine Videokonferenzlösung aus und in Deutschland verwendet. Auch das staatliche Schulamt für den Wetteraukreis verwendet mit “Big Blue Button” eine OSS-Lösung, die in Deutschland betrieben wird. So geht verantwortungsvolles Handeln. Schulen sind natürlich nicht das primäre Ziel von ausländischen Abhöraktivitäten, aber das befolgte Prinzip ist vernünftig. Es gibt auch staatliche Institutionen, die auf Open Source setzen und entsprechende Dienstleistungen anbieten. Der Heise Newsticker hat hier schon vor Jahren über das “Projekt Phoenix” bei Dataport berichtet.

Auch bei PC-Arbeitsplätzen wäre es mittlerweile sinnvoll, sich von Microsoft Windows abzuwenden: der unkontrollierte und nicht abschaltbare Datenabfluss in Windows 10 und 11 ist genauso ärgerlich wie die zunehmende Überfrachtung mit Werbung und Zwangsmaßnahmen wie die Online-Benutzeranmeldung bei Microsoft. Linux ist seit Jahren eine ernst zu nehmende Alternative, und es gibt Varianten, die den Umstieg von Windows durch die Ähnlichkeit der Bedienung enorm erleichtern. “Linux Mint” z.B. sieht nahezu genauso aus wie Windows. Das hätte nebenbei auch den Vorteil, dass man sich vom höllischen Dreigestirn Active Directory, Exchange und Outlook lösen könnte, die für die meisten der aktuellen Sicherheitsprobleme und Erpressungsvorfälle bei Krankenhäusern, Ämtern, Behörden und Firmen verantwortlich sind.

Inwieweit die aktuelle Abhöraffäre der Bundeswehr eine tatsächliche Gefahr darstellt oder ein geplantes Täuschungsmanöver war, wird vermutlich im Dunkeln bleiben. Es ist offensichtlich, dass eine ungeschützte Telefoneinwahl eines Teilnehmers in Singapur ein offenes Scheunentor für das Abhören darstellt. Die veröffentlichten Gesprächsinhalte lassen aber vermuten, dass schon vor der Telefoneinwahl abgehört wurde. Wenn man Verschwörungstheorien mag, könnte das alles Absicht gewesen sein. Dies kann man natürlich ad infinitum weiter spinnen (“die wissen, dass wir wissen, dass sie wissen ...” usw.).

06.03.2024

Es ist keine Hybris, Fakten zu nennen - Leserbrief

Auf meinen letzten Leserbrief "Der Wirtschaft geht es nicht ganz schlecht" kamen zwei Antworten, die mir Hybris (Größenwahn) und handverlesene, also quasi "geschönte", Quellen vorwarfen.

[veröffentlicht am 06.03.2024]

Ich bedanke mich bei den Leserbriefschreibern F. und D. für Ihre Aufrichtigkeit, mich mit offenem Visier, d.h. unter vollem Namen zu kritisieren. Das ist ehrlich, im Gegensatz zu den feigen anonymen Schreibern, die mir Pamphlete in den Briefkasten werfen oder zuschicken und augenzwinkernd dazu schreiben “Wir sehen uns vielleicht mal im Berstädter Hof”.

Nichtsdestoweniger kann ich den Vorwurf von “Hybris” nicht akzeptieren, wenn meine Fakten, die von amtlichen Stellen oder öffentlichen Quellen (wie der Stand des DAX oder die Zahlen zur Arbeitslosigkeit) stammen, ohne Begründung als “geschönt” dahin gestellt werden.

Eine Behauptung wird nicht dadurch zum Fakt, dass man dahinter “Das ist eine Tatsache” schreibt, aber keinen Beleg dafür liefert.

Genauso kann man natürlich Nebenschauplätze eröffnen (“dem Mittelstand geht es schlecht”) und Dinge zu widerlegen versuchen, über die ich mich gar nicht geäußert hatte. Rhetorisch nennt man das ein “Strohmann-Argument”, um vom Hauptthema einer Diskussion abzulenken.

Unwidersprochen ist es tatsächlich so, dass es bestimmten Branchen schlecht geht oder sie zukünftig schlechten Aussichten entgegen sehen.

Mir fallen mehrere Branchen dazu ein: z.B. gibt es im Ärzte- und Pflegebereich einen eklatanten Fachkräftemangel, ebenso im Handwerk. Diese Probleme gibt es aber nicht erst seit der letzten Bundestagswahl! Ich schrieb ja schon früher, dass wir dringend einen gesteuerten Zuzug von Fachkräften benötigen, insbesondere muss die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen verbessert und beschleunigt werden (evtl. verbunden mit Nach- und Ergänzungsschulungen und Prüfungen). Derzeit gehen jährlich über eine Million Berufstätige in den Ruhestand, die nachfolgenden Generationen haben aber nur eine Größenordnung von knapp 400.000 Menschen für den Arbeitsmarkt. Der immer weiter zunehmende Rechtsextremismus hat jetzt schon zu einem massiven Imageproblem im Ausland geführt. So gut wie niemand will derzeit ernsthaft nach Deutschland kommen, um hier zu arbeiten.

Oder schauen wir auf die Solarbranche - der Hersteller Meyer-Burger überlegt ernsthaft, die angebotenen milliardenschweren Subventionen in USA zu nutzen und dafür die Fertigung in Deutschland einzustellen. Das wäre nach dem Altmaier-Rösler-Knick im Jahr 2011 (125.000 Arbeitsplätze verloren) das zweite Mal, dass die Solarbranche in Deutschland zerstört wird, und man fragt sich ernsthaft, welcher wirtschaftspolitische Sachverstand dahinter steckt. Weltweit explodiert die Nachfrage nach PV-Modulen, und wir machen uns abhängig von chinesischer Fertigung, statt Zukunftsbranchen in Europa zu halten.

All diesen drohenden Problemen könnten wir derzeit noch erfolgreich begegnen und gegensteuern, wenn wir nicht so eine zerstörerische FDP in der Koalition hätten. Nicht einmal die Wirtschaftsverbände stehen noch hinter dem Schlingerkurs der FDP, Beschlüsse zu fassen und in letzter Sekunde dann doch wieder zu kippen.