20.02.2024

Der "kranke Mann Europas" ist nicht krank - Leserbrief

[veröffentlicht am 20.02.2024]

Hr. Sattler schreibt wieder über den “kranken Mann”, weil es nach seiner Meinung der deutschen Wirtschaft schlecht geht und nur die Wahl zwischen Pest und Cholera bleibt - Sparen und Steuern senken oder Schuldenbremse anpacken.

Er könnte - wie so oft in letzter Zeit - kaum falscher liegen. Das Wirtschaftswachstum ist nur minimal gesunken, und zwar um 0,3 %, was im Bereich der üblichen statistischen Schwankungen liegt. Wenn insbesondere die FDP seit Beginn der Corona-Pandemie nicht den Fetisch “Freiheit” vor sich her getragen hätte, so dass es so gut wie keinerlei Hygiene- und Schutzmaßnahmen mehr gibt, hätte die deutsche Wirtschaft wesentlich weniger Ausfälle durch Krankheit gehabt und das Wirtschaftswachstum wäre um deutlich ein Prozent höher ausgefallen.

Der letzte Winter war der schlimmste mit den höchsten Corona-Zahlen und Todesfällen seit langem, aber immer noch behaupten Laien, es sei ja “nur eine Erkältung”. Dabei ist CoVid-19 ein Virus der Klasse 3, das in Labors nur mit voller Schutzausrüstung untersucht werden darf. Corona ist eine Gefäßkrankheit und keine Atemwegserkrankung, daher auch die erschreckend hohe Zahl an z.B. Herzinfarkten unter jüngeren Menschen.

Der Industriestrompreis ist seit Monaten stetig am Fallen, und liegt je nach Region und Vertrag bei ca. 7,5 ct/kWh. Der niedrige Strompreis liegt insbesondere daran, dass wir seit einem Jahr keine Kernkraftwerke mehr haben, die mit teurem Strom die Netze verstopfen, und sogar die Verstromung von Kohle liegt historisch niedrig (mehr als 40 % weniger als im Vorjahr, und unter dem Stand von 1965). In USA liegt der Strompreis auf ähnlichem Niveau (8 ct/kWh). Woher Hr. Sattler seinen “dreimal höheren Preis als in USA” herbeigeholt hat, würde ich gern belegt haben. Auch in USA sinkt der Anteil der Kernkraft am Strommix seit längerem.

Zur Wirtschaft in Deutschland ein paar Fakten:

  • Der DAX ist gerade über die Marke von 17.000 geklettert.
  • Die Arbeitslosenquote ist die drittniedrigste seit 1990.
  • Es sind fast 46 Mio. Menschen in Lohn und Brot - ein Rekordwert.
  • Der Mindestlohn funktioniert und sorgt für mehr Steuereinnahmen.
  • Habeck und Scholz haben gerade noch rechtzeitig den deutschen Gazpromableger verstaatlicht, bevor Putin Deutschland damit erpressen konnte.
  • Die Inflationsrate ist wieder nahezu auf dem von der EZB erwarteten Niveau.
  • Massive Entbürokratisierung, z.B. bei Windkraftgenehmigungen.

Die Probleme, die wir angeblich haben, werden entweder durch die Hetze der rechten und konservativen Parteien und der Krawallpresse herbeigeredet oder wurden in 30 Jahren CDU-Regierung geschaffen. Die Ampel verdient Kritik, aber sie muss andererseits auch historisch nie dagewesene Probleme bewältigen: Klimakatastrophe, Ukraine, Corona und die Hinterlassenschaften von 30 Jahren Regierung mit CDU-Beteiligung.

Das Lobpreisen von Reagans Wirtschaftspolitik ist eine schlimme Umdeutung der Geschichte. Die Deregulierung von Reagan (und parallel Thatcher in England) hat katastrophale wirtschaftliche Auswirkungen gehabt, nicht nur in USA und England, sondern weltweit. Hier ist Hr. Sattler auf beiden Augen blind, und er braucht noch viel Nachhilfe in Geschichte. Historisch ging es den USA mit den Demokraten in den letzten 50 Jahren wirtschaftlich gut, und die Republikaner haben danach regelmäßig den Karren wieder in den Dreck gefahren.

Reale Probleme in Deutschland sind:

  • Fetisch Schuldenbremse
  • Unterfinanziertes Schulsystem mit extremer Chancenungleichheit
  • Keine Integrationspolitik für Zuwanderer
  • Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen
  • Investitionsstau bei ÖPNV und Bahn
  • 10 Jahre Zeitverlust bei Wind- und Solarzubau wegen Altmaier und Rösler (CDU und FDP)
  • Ungleiche Steuerbelastung (z.B. Lohnarbeit vs. Unternehmensbesteuerung, Erbschaft, Vermögen)
  • Deutsche Autoindustrie hat Elektrifizierung verschlafen
  • Zuviel Lobbyeinfluss
  • FDP ist die Opposition in der Ampel
  • Kindergrundsicherung
  • Kinderbetreuung
  • Fachkräftemangel
  • Propaganda für “Technologieoffenheit” mit Kernkraft, E-Fuels und Wasserstoff

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen