Ein Leserbriefschreiber greift Gerüchte auf und "stellt ja nur Fragen".
[veröffentlicht am 22.02.2024, der Link zur Rede von Banaszak wurde entfernt]
Hr. P. wundert sich und “stellt nur Fragen”. Das ist ein üblicher rhetorischer Trick, um den Leser in die gewünschte Richtung zu locken, nämlich in seiner Filterblase nach Antworten zu suchen, die die eigenen Vorurteile unterstützen. Er deutet eines der reißerischen Themen an, die gerade in den Sozialen Medien als neue Sau durch’s Dorf getrieben wird: Geld, das ins Ausland fließt, statt in Deutschland “besser” genutzt zu werden. Dieses Gerücht wurde mit einer völlig unbelegten Zahl von 315 Mio. Euro von Joana Coatar (früher AfD, heute fraktionslos) im Bundestag in die Welt gesetzt und wird immer noch gern wiederholt, um Stimmung gegen die Regierung zu machen.
Dazu habe ich nach einer kurzen Recherche folgende Zitate aus dem Ministerium gefunden:
„Das BMZ unterstützt mit einem im Jahr 2020 zugesagten Zuschuss in Höhe von 20 Millionen Euro den Aufbau eines Fahrradschnellwegenetzes in Lima, das sich derzeit im Bau befindet. Im Jahr 2022 hat das BMZ weitere 24 Millionen Euro für den Bau von Radwegen in Peru zugesagt, die sich derzeit in der Planungsphase befinden. Aus diesem Grund unterstützt Deutschland Peru ganz gezielt mit Krediten auch beim Aufbau eines umweltschonenden Bussystems. Hierfür wurden bereits 2015 rund 55 Millionen Euro als Kredit zur Verfügung gestellt, also rückzahlbar. 2022 wurde ein weiterer Kredit in Höhe von gut 100 Millionen Euro zugesagt.“
“Doch warum leistet Deutschland überhaupt so viel Entwicklungshilfe? Schließlich wäre das Geld doch auch im Land selbst gut angelegt. Das sei zu kurz gedacht, denn Entwicklungspolitik lohne sich für alle, sagt die Sprecherin des BMZ. "Mit jedem Euro, mit dem wir heute weltweit Gesellschaften krisenfester machen, sparen die Steuerzahlenden laut Weltbank-Berechnungen später vier Euro an humanitärer Nothilfe." Ob Stadtentwicklung in Namibia oder Zentren für Migration in Ghana - wenn sich die Lage in den Ländern verbessert, gebe es auch weniger Gründe für eine Flucht. Es gibt auch ein wirtschaftliches Argument: "Jeder zweite Euro wird mit Export verdient".
Verkehrs- und Radwegprojekte in Peru sowie weitere Entwicklungshilfeprojekte, die jetzt schlecht geredet werden, sind schon vor der Wahl 2021 beschlossen wurde. Durch die CSU. Damaliger Minister: Gerd Müller. Sehr unterhaltsam im Bundestag erklärt von Felix Banaszak.
Des weiteren empört er sich über die Namensgebung “Wannseekonferenz 2.0”. Diese Namensgebung ist völlig zu Recht erfolgt: bei dem Potsdamer Treffen im November war von den üblichen Verdächtigen aus der rechten Szene nach Recherchen des Medienhauses Correctiv besprochen worden, wie Menschen mit Migrationsgeschichte aus dem Land geschafft oder gedrängt werden könnten und dabei der Begriff “Remigration” verwendet. In der Öffentlichkeit wird nun nachträglich behauptet, es ginge “nur” um straffällige Ausländer, während des Treffens selbst wurde aber darüber gesprochen, auch deutsche Bürger mit Migrationshintergrund abschieben. Der österreichische Neonazi und Finanzier der Identitären Bewegung in Österreich Sellner spricht sogar in seinem Buch von einem “Musterstaat” in Nordafrika, in dem zwei Millionen abgeschobene Menschen angesiedelt werden sollen, ähnlich wie es die Nazis 1940 für Juden auf Madagaskar geplant hatten.
Ich stimme aber soweit zu, dass es gefährlich ist, solche Vergleiche zu benutzen, wenn die Gefahr besteht, damit Ereignisse im Dritten Reich zu verharmlosen. Entgegen landläufiger Meinung fiel die prinzipielle Entscheidung zum Massenmord schon vor der Wannseekonferenz 1942. Dort wurde hauptsächlich die industriell organisierte Deportation von Millionen Menschen in den Osten zur späteren Ermordung logistisch geplant. Das Treffen 2023 hatte ebenfalls einen völkischen, rassistischen und rechtsnationalen Hintergrund, aber es gibt keine Belege für geplante Ermordungen. Die Tragweite, die Größenordnung und die Absichten des Treffens sind aber durchaus vergleichbar.