23.08.2023

Ich habe aber schon vor Merz gegen die Grünen gehetzt! - Leserbrief

[veröffentlicht am 23.08.2023]

Nun gut, Hr. F. hat schon vor den Tiraden des Merz die Grünen schlecht gemacht. Ehre, wem Ehre gebührt.

Leider ist nichts davon richtig, was er schreibt: die Grünen sind die einzige Partei, die derzeit in den Umfragen bis auf kleine Schwankungen stabil bleibt. Alle anderen Parteien verlieren an die AfD.

Erneut fällt Hr. F. auf die einseitige Berichterstattung seiner bevorzugten krawalligen Nachrichtenquellen herein: Jim Skea, der Vorsitzende des IPCC, hat mitnichten gesagt, dass alles halb so schlimm ist. Seine Kernaussage ist, dass wir durch die Berichterstattung nicht in Schockstarre verfallen, sondern tatsächlich Maßnahmen ergreifen müssen. Insbesondere hat er aktuell gesagt: “Every action we take to mitigate climate change helps," he said, adding that the measures are becoming ‘increasingly cost-effective.’" (Sinngemäß: “Jede Maßnahme, die wir ergreifen, um den Klimawandel zu stoppen, hilft. Je mehr wir tun, desto billiger wird es insgesamt”). Das ist die positive Erweiterung seiner Äußerungen aus dem letzten Jahr: “It's now or never, if we want to limit global warming to 1.5 C. Without immediate and deep emissions reductions across all sectors, it will be impossible.” (“Wenn wir die Erderwärmung auf 1.5 Grad C begrenzen wollen, ist jetzt der letzte Zeitpunkt dafür, die Emissionen sofort und massiv zu reduzieren. Später wird es unmöglich sein.”).

Aber: je mehr wir das seit 2016 in der EU gesetzlich festgelegte Ziel von 1.5 Grad C überschreiten, desto höher werden die Gefahren und Schäden durch Extremwetter. In manchen Bundesstaaten der USA können Hausbesitzer keine Gebäudeversicherung mehr abschließen, weil den Versicherungsgesellschaften das Risiko durch Extremwetter zu groß wird.

Man sieht hier erneut, wie man durch einseitige und selektive Berichterstattung erreichen kann, dass eine Aussage nahezu vollständig ins Gegenteil verkehrt wird. Zumindest bei Hr. F. hat es funktioniert: seine unterschwellige Botschaft ist nun: alles nicht so schlimm, nix zu sehen, gehen Sie weiter, wir müssen nix unternehmen, hören Sie auf mit dem CO2-Psychoterror, alles ist gut. Er steckt sich die Finger in die Ohren und will nichts mehr hören über Umweltschutz und den Klimawandel.

Nebenbei schafft es Hr. F. auch noch, die vorgebliche Vetternwirtschaft mit “Habeck und Graichen” zu erwähnen, die sich als Sturm im Wasserglas entpuppt hat, da kein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist. Umgekehrt verzichtet er gern darauf, die Vetternwirtschaft im Verkehrsministerium zu erwähnen, bei der ein Abteilungsleiter Patente über Brennstoffzellen hält und gleichzeitig für die Vergabe von 98 Mio. Euro an die Wasserstoffindustrie zuständig ist. Derzeit ist unklar, ob er durch die Patenteinnahmen unmittelbar profitiert. Bei den üblichen Krawallblättern erfährt man hierzu: nichts außer dröhnender Stille. Das passt ja auch nicht in deren Narrativ, dass die FDP etwas falsch machen könnte.

Die kognitive Dissonanz lässt sich auch hier beobachten: in früheren Leserbriefen war es die schlimme Ampel, die das fiese Gebäude-Energie-Gesetz durchpeitschen will. Im Leserbrief vom 15.08. sollen wir die “Schuldverschiebung” hinter uns lassen - ein Eingeständnis, dass das GEG eben nicht von der Ampel stammt. Das GEG in der ursprünglichen Fassung war erstaunlich streng und hätte somit mittelfristig eine Verbesserung für die Umwelt bewirken können. Die FDP hat durch ihre Intervention so viele Schlupflöcher erzwungen, dass ich wirklich nicht verstehen kann, was Hr. F. jetzt noch am GEG schlecht finden kann.

Mein Fazit: es geht nur darum, die derzeitige Politik schlecht zu reden, unabhängig von den tatsächlichen Ergebnissen der Regierungsarbeit.

19.08.2023

Wer hat denn nun Kompetenz? - Leserbrief

[veröffentlicht am 19.08.2023]

Hr. Seligmann schafft es erneut, mich mit der Faktenfreiheit in seiner Kolumne zu verblüffen. In der Kolumne vom 12.08. zählt er mehrere Punkte auf, die er der amtierenden Regierung anlastet.

Ich kann ihm nur in seinem zweiten Punkt zustimmen:

Die Digitalisierung in Deutschland könnte wirklich besser voranschreiten. Bezeichnend dafür ist mal wieder die Opposition in der Ampel. Lindner hat angekündigt, die Mittel für die Digitalisierung um 99 % von 399 Mio. Euro auf 3 Mio. Euro zu kürzen.

Für alle anderen Punkte aus seiner Aufzählung hier einige Fakten:

Der deutschen Wirtschaft geht es nicht schlecht. Das ist natürlich branchenabhängig, und was speziell die Autoindustrie gerade plagt, ist hausgemacht - die Entscheidungsschwäche in Politik und Wirtschaft, die die Opposition gern “Technologieoffenheit” nennt, führt dazu, dass uns China bei E-Autos rechts und links überholt. Tesla hat ebenfalls gerade deutlich die Preise gesenkt. Wer sich jetzt noch ein Verbrennerauto anschafft, hat in wenigen Jahren einen sehr schmerzhaften Wertverlust zu erwarten.

Ein guter Indikator für die Wirtschaftsleistung ist die Arbeitslosenquote, und da steht Deutschland in der EU ziemlich gut da. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im ersten Halbjahr um gerade mal 0,3 % gesunken (Stichworte Corona und Ukraine), erholt sich aber schon wieder. Deutschland ist nach wie vor an vierter Stelle der wirtschaftsstärksten Länder weltweit. Gerade wird ein Wirtschaftswachstum von 6 % gemeldet.

Der Strompreis sinkt und ist derzeit an der Börse fast auf dem Vorkriegsniveau angekommen. Die Abschaltung der Atomkraftwerke war sinnvoll. Atomstrom ist die teuerste Variante der Erzeugung und hat durch das “merit order”-Prinzip den Börsenpreis lange Zeit künstlich hochgehalten. Jetzt gibt es deutlich mehr EE-Strom in europäischen Verbundnetz, und die Strompreise fallen. Nebenbei sind derzeit auch 29 deutsche teure Kohlekraftwerksblöcke abgeschaltet, weil es auf dem Markt genügend EE-Strom gibt.

Die Steuerpolitik in Deutschland belastet abhängige Beschäftigung und bevorzugt große Firmen extrem. Wenn es Steuerreformen geben soll, sollten kleine Einkommen entlastet und die Steuertricks der großen Firmen verhindert werden. Subventionen wie das Dienstwagenprivileg oder Tricks wie “double dutch irish” - die buchhalterische Verlagerung von Gewinn in Niedrigsteuerländer (auch in der EU!) kosten den Fiskus Milliarden. Hier ist dringend EU-weit eine konsolidierte Steuerreform nötig.

Außerdem wäre es sinnvoll, Steuerprüfungen dort anzusetzen, wo es sich “lohnt”, nämlich bei großen Firmen. Es gibt ein auffälliges Missverhältnis: 25 % aller “kleinen Fische” haben im Schnitt irgendwann eine Steuerprüfung, während es bei großen Firmen nur 4 % sind, obwohl hier mehr “Ertrag” zu erwarten ist (Steuerfahnder-Affäre!).

Große Firmen sind über trickreiche Firmengeflechte in Irland ansässig und zahlen dort minimale Steuern, weil z.B. die “Vermietung” von Software (auch an Tochterfirmen) nahezu steuerfrei ist.

Zum Punkt “Zuwanderung”: ab jetzt gehen jedes Jahr eine Mio. Menschen in den Ruhestand, es gibt aber nur jugendlichen Nachwuchs von knapp 400.000 Menschen pro Jahr. Wenn wir Zuwanderung insbesondere von Fachkräften wollen, muss Deutschland weniger fremdenfeindlich werden. Der Ruf von Deutschlands Arbeitsmarkt im Ausland ist ruiniert durch die offen fremdenfeindliche, rassistische und faschistische AfD, insbesondere im Osten Deutschlands. Zur Erinnerung: die CDU hat in jeder Koalition seit 1980 eine regulierte Zuwanderung in der Gesetzgebung verhindert. Mehr als die Hälfte aller Flüchtlinge, die seit 2015 aufgenommen wurden, sind gut integriert, haben die Sprache erlernt und sind in Beschäftigung.

Habeck hat es geschafft, die großen Chipfirmen TSMC und Intel nach Deutschland zu holen, die hier Werke für Chips von 28 bis 60 nm Strukturgröße gründen wollen (Brot- und Butter-Chips für die Industrie). Das ergibt auch Chancen für Zulieferer. Wenn wir die nach 2012 zerstörte Solarindustrie (wer war’s?) wieder aufbauen können, ist Deutschland gut aufgestellt. Zum Vergleich: die USA loben gerade 390 Mrd. Dollar Subventionen für Zukunftstechnologien aus und locken auch deutsche Firmen an.

02.08.2023

Die CDU ist die schlechtere AfD - Leserbrief

 [Veröffentlicht am 01.08.2023]

Zuerst dachte ich, Hr. F. zeigt durch die zurückliegenden Leserbriefe, dass er sich als Pressesprecher der kommenden CDU-FDP-Koalition bewirbt, auf die er vermutlich hofft. Nach seinem letzten Beitrag mit den “gepackten Koffern”, dem “CO2-Psychoterror” und dem “Mainstream” glaube ich eher, dass er zu den Querdenkern mit AfD-Nähe tendiert.

Nach dem flammenden Plädoyer für e-Fuels und gegen die Wärmepumpe kommt nun ein Leserbrief, der das Erstarken der AfD den Grünen und ihrer Politik in der Ampel-Koalition zuschreiben will.

Er folgt damit blindlings den Sprüchen, die Hr. Merz klopft.

Eigentlich hätte ich erwartet, dass eine ehemalige Führungskraft einer recht großen Firma in der Lage ist, Informationen aus mehreren Quellen zu verwerten und zu beurteilen.

Stattdessen wird die einseitige Propaganda der CDU wiederholt, die sich nur daran abarbeitet, die Regierungspolitik schlecht zu machen, ohne eigene Ideen und Vorschläge zu liefern.

Was Hr. F. der Regierung in die Schuhe schieben will: das Gebäude-Energie-Gesetz mit dem “Heizungsverbot”.

Fakt ist: das GEG stammt wortwörtlich aus der Feder von Altmaier und Seehofer und wurde 2019 entworfen. Es wurde bis April 2023 in allen Gremien bis hin zum Koalitionsausschuss einstimmig befürwortet, bis die FDP urplötzlich ausscherte und massive Verschlechterungen verlangte und durchsetzte.

Das GEG in der aktuellen Fassung enthält katastrophal schlimme Schlupflöcher, um quasi allem aus dem Weg zu gehen, was es ursprünglich bewirken wollte. Eigentlich müsste Hr. F. darüber jubeln, wie die FDP das GEG zerstört hat.

Hr. Merz wiederholt immer und immer wieder rechte Positionen und befolgt damit das Mantra von F.J. Strauß - “es darf keine Partei rechts der CSU geben”. Aber wer die Positionen der AfD nahezu wortwörtlich übernimmt und sich selbst als “AfD mit Substanz” bezeichnet, holt keine Wähler zurück, sondern verprellt nur die halbwegs liberalen Wähler. Die Wählerwanderung geschieht derzeit von den konservativen Parteien zur AfD - die Grünen sind halbwegs stabil geblieben.

Aus der “Brandmauer gegen rechts” und der Drohung, jeden aus der CDU auszuschließen, der mit der AfD zusammen arbeitet, ist nicht viel übrig geblieben: die JU von Sonneberg fordert in einer Pressemitteilung, dass man “jetzt zur sachorientierten Politik zurückkehren” müsse. Dies und die ersten Abstimmungen mit gleichlautender Stimmabgabe von CDU und AfD in mehreren Stadt- und Kreisparlamenten lässt ahnen, dass die “Brandmauer” und der “Parteiausschluss” nur leere Worthülsen waren.