Langsam kommt es mir so vor, als ob der WZ-Glossist Sattler ein rotes Tuch vor sich her trägt, auf das ich gereizt reagiere. Da kommt in letzter Zeit nur noch rechter Unfug und sachlicher Quatsch. Letzter Kracher: Bremen wagt es, 2,5 Mrd. Euro auszugeben, obwohl sie Geld aus dem Länderfinanzausgleich erhalten! Skandal!
Darauf hatte ich das dringende Bedürfnis, meinen alten Leserbrief von vor 10 Jahren nochmal zu suchen, nachdem ein damaliger Provinzpolitiker ähnlich krawallig geschrieben hat, wie großzügig die Nehmerländer mit dem gnädigen Almosen Länderfinanzausgleich wirtschaften.
[veröffentlicht am 27.05.2023]
Herr Sattler äußert sich polemisch über Dinge, die er nicht in aller Gänze durchdrungen hat, wie mir scheint, nämlich den Länderfinanzausgleich. Damit ist er aber nicht allein, denn schon vor 10 Jahren habe ich darüber geschrieben, als sich ein Politiker ähnlich zielstrebig dieses Thema als Fettnäpfchen ausgesucht hatte.
Hr. Sattler schreibt über den Länderfinanzausgleich und behauptet, dass die Geberländer die Wohltaten in den Nehmerländern finanzieren (hier: Bremen will 2,5 Mrd. Euro ausgeben).
Dabei unterschlägt er wie leider üblich, dass der Länderfinanzausgleich nicht die Ausgaben der Länder ausgleicht, sondern ihre Einnahmen an den Durchschnitt aller Bundesländer angleichen soll.
Im Klartext bedeutet dies, dass sich der Länderfinanzausgleich nach den durchschnittlichen Einnahmen eines Bundeslands pro Einwohner berechnet. Das Ziel ist, dass alle Bundesländer ungefähr vergleichbare Lebensbedingungen für ihre Bürger bieten können. Je mehr sich ein Nehmerland von unten dem Durchschnitt annähert, desto stärker sinken die Ausgleichszahlungen! Außerdem werden Steigerungen bei Steuereinnahmen teilweise nicht angerechnet, um einen Anreiz zu schaffen, sich aus eigener Kraft zu verbessern.
Die Idee des Länderfinanzausgleich liegt vor allem darin begründet, dass große Konzerne ihre Steuerschuld am Firmensitz bezahlen und nicht länderweit nach den Filialen verteilen. Baden-Württemberg z.B. bekommt 22,5% der bundesweiten Körperschaftssteuer (mit anderen Worten: fast ein Viertel dieser Steuer fließt in ein Bundesland!), hingegen alle neuen Bundesländer zusammen nur 9%.
Es ist also durchaus angemessen, dass die Länder, die durch günstige Umstände mehr Einnahmen haben, diese Einnahmen mit den anderen Bundesländern teilen.
Der größte Schreihals im Streit um den Länderfinanzausgleich ist Bayern, das selbst jahrzehntelang gern Zahlungen entgegennahm. Inflationsbereinigt hat Bayern erst vor kurzem den Schritt zum "Nettozahler" getan. Als Nehmerland hat sich Bayern vorher nie beschwert.
Noch 2013 erhielt Bayern milliardenschwere Ausgleichszahlungen für Solarförderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, die hauptsächlich von Nordrhein-Westfalen aufgebracht wurden. Höre ich bei dem Thema Gejammer aus Bayern über die Ungerechtigkeit oder hält man hier einfach gern die Hand auf, wenn andere zahlen müssen?
Der Länderfinanzausgleich steht - teilweise berechtigt - in der Kritik, aber die CDU im Bund ist nicht unschuldig daran, dass sich nichts bewegt: nur im Konsens wäre eine Reform möglich. Hier ist gefragt, dass sich beide Seiten bewegen und nicht einseitig mit dem Finger gezeigt wird.
Als Lektüre zum Einstieg empfehle ich den Wikipedia-Artikel. Er ist zwar etwas trocken, bietet aber einen ersten Überblick und weitere Quellenangaben. Mir scheint, Hr. Sattler sollte ihn lesen, bevor er weitere Glossen dazu verfasst.