13.09.2022

"Alle anderen Wissenschaftler sind unwissend" - Leserbrief

Auf meinen Leserbrief mit der Überschrift "Alle relevanten Wissenschaftler sind sich einig" kam eine kurze Antwort, dass ich damit allen anderen Wissenschaftlern ihre Kompetenz und ihr Wissen abspreche. Nur: die Umkehrung meiner Aussage ist dem Schreiber nicht gelungen. Er hat etwas vollkommen anderes als Umkehrung behauptet und versucht, dies dann zu kritisieren.

Hier meine kurze Antwort darauf:

[veröffentlicht am 13.09.2022]

Hr. D. versucht, mir Dinge in den Mund zu legen, die ich nicht gesagt und nicht gemeint habe. Ich würde mir weniger persönliche Angriffe und Unterstellungen wünschen und mehr sachliche Auseinandersetzung.

Meine Aussage war “Alle relevanten Klimawissenschaftler sind sich einig, dass die Klimakatastrophe menschgemacht ist”.

Hr. D. versucht sich an der Umkehrung dieses Satzes und scheitert damit kläglich. Die Umkehrung ist nicht, dass Wissenschaftler, die eine andere “Meinung” haben, unwissend wären.

So funktioniert Wissenschaft nicht. Es geht nicht um “Meinungen”, sondern um Fakten. Alle relevanten Wissenschaftler haben die vorhandenen Tatsachen geprüft und die konkrete Schlussfolgerung daraus ist, dass die Klimakatastrophe definitiv menschgemacht ist.

Meine Kritik an der derzeitigen Pseudodiskussion ist, dass Laien, die nicht auf diesem Gebiet forschen, Behauptungen aufstellen, die den bekannten und anerkannten Fakten widersprechen. Diese vehemente Ablehnung von Fakten hat kurzsichtige wirtschaftliche Gründe und den Erhalt der persönlichen Bequemlichkeit als Ziel.

Jeder Wissenschaftler ist ein Experte auf seinem Gebiet - die Betonung dabei ist: auf seinem Gebiet. Wer der aktuellen, gut belegten Forschung widersprechen will, muss dazu enorm schlagkräftige Fakten auf den Tisch legen, die den herrschenden Konsens erschüttern können. Dazu gehört Erfahrung - die wird üblicherweise durch Veröffentlichungen in der Fachpresse und die Anzahl von Zitaten durch Fachkollegen nachgewiesen. Es reicht nicht, einen Leserbrief zu schreiben und mit hastig zusammengesuchten Formeln aus der Formelsammlung der zehnten Klasse zu behaupten, dass CO2 harmlos sei.

Schlichte Erkenntnis: Verwechseln Sie nicht Meinung und Fakten.

10.09.2022

Das Wörterbuch der Querdenker - Leserbrief

[veröffentlicht am 10.09.2022]

[Update: Altmaier ist CDU, nicht CSU]

Herr B. hat keinen Leserbrief geschrieben, sondern ein Wörterbuch der Querdenker. Darin ist nun wirklich alles enthalten, was im Moment die rechte Volksseele zum Kochen bringt - die Essenz aller Verschwörungstheorien von Telegram. “woke”, “cancel culture”, “Freiheit”, “Eliten”, und natürlich darf “Winnetou” auch nicht fehlen.

Genau wie andere Kommentatoren in der WZ vom 29.08. zeigt er, dass man viel Meinung haben kann, selbst wenn es dazu keine oder kaum Fakten gibt.

Die ARD hat die Filmrechte 2020 nicht verlängert, weil die Einschaltquoten zu schlecht waren. Sofort danach hat das ZDF zugegriffen und sich die Rechte gesichert. Zumindest bei den Filmen hat sich der Vorwurf “cancel culture” also schon mal erledigt.

Der Verlag hat das Buch zum Film “Der junge Winnetou” zurückgezogen und begründet dies mit “negativen Rückmeldungen” wegen (u.a.) “kultureller Aneignung” (z.B. deutsche Schauspieler im Film). Dazu kann man sich eine differenzierte eigene Meinung bilden oder mit dem Holzhammer aus dem Wörterbuch der Querdenker sofort “cancel culture” schreien. Die “negativen Rückmeldungen” kamen übrigens vom Testpublikum, Journalisten und Historikern, noch vor der Veröffentlichung des Films. Trotzdem gab es keinen “Zwang”, das Buch zurückzuziehen.

Eine genaue Analyse des im Wesentlichen von der “Bild”-Zeitung initiierten angeblichen “Shitstorms” findet sich z.B. hier. Spoiler: es gab gar keinen Shitstorm gegen den Verlag, bevor die “Bild”-Zeitung ihn losgetreten hat. Zitat: “Absahnen tut vor allem der Springer-Verlag. Die Datenanalyse zeigt, dass das Thema massiv von „klassischen“ Medien getrieben wird, also von Tageszeitungen, News-Portalen, Nachrichtenagenturen und Online-Medien, in denen ausgebildete Journalisten sitzen.”. Fazit: es geht nur um’s Geld durch Aufmerksamkeit (Klicks und Werbung) und überhaupt kein bisschen um das eigentliche Thema.

Man mag Karl May mögen oder nicht, aber eine 140 Jahre alte Buchreihe voller Stereotypen und Klischees über “gute” und “böse” Indigene sollte man heutzutage nicht mehr verherrlichen, nur weil man es als Jugendlicher unreflektiert konsumiert hat und immer noch “im Bücherregal stehen” hat. Die Bücher und die Filme der 60er Jahre sind nur sehr lose verbunden, die Filme wurden sehr “frei” nach Karl May gedreht.

In seinem Rundumschlag vergisst Hr. B. auch nicht zu erwähnen, dass der “Sozialismus” im Prinzip an allem schuld ist. Westdeutschland hat sich als Staat mit “Sozialer Marktwirtschaft” gegründet, aber die letzten 40 Jahre hat fast nur die rechtskonservative CDU (mit-)regiert - also im Westen wenig Sozialismus, und die kurze Zeit Schröders war eine Sternstunde des Neoliberalismus. Traurig, dass er die Ironie nicht erkennt, wenn er den Staat der ehemaligen DDR bejubelt und sich dabei nicht bewusst ist, dass die DDR gemäß ihrer eigenen Verfassung formell ein sozialistischer Staat war.

Die Energiewende hat im Wesentlichen Altmaier (CSUCDU) vermurkst, als er das bis dahin passable EEG von 2012 an so kaputt reformierte, dass in der deutschen Industrie für Windkraft und Solar zusammen über 120.000 Arbeitsplätze verloren gingen (zum Vergleich: die Kohleindustrie hatte und hat um die 25.000 Arbeitsplätze). Jetzt die neun Monate alte Ampelregierung für Versäumnisse der letzten 20 Jahre verantwortlich zu machen, ist reichlich unterkomplex - wobei mich das bei Querdenkern auch eher wenig wundert. Hier werden gern einfache Erklärungen für schwierige Themen gesucht, Hauptsache, sie klingen gut, selbst wenn sie noch so falsch sind.

Mein Fazit: Medienkompetenz sollte nicht nur in der Schule als Querschnittsthema in allen Fächern sinnvoll gelehrt werden. Auch die Welt der Erwachsenen, die die Schule länger hinter sich haben, hat hier deutlichen Nachholbedarf bei der Bewertung von Themen, die von interessierten Gruppen hochgepeitscht werden.