12.07.2022

Das Märchen von den e-Fuels - Leserbrief

[veröffentlicht am 12.07.2022]

Diverse fachfremde und offensichtlich wissenschaftsferne Politiker wie z.B. der Finanzminister werfen immer gern das Wort "Technologieoffenheit" in den Raum, wenn ihnen oder einer interessierten Lobby die bereits vorhandenen, einsetzbaren Lösungen nicht gefallen.

Besonders massiv fällt dies im Moment auf, wenn Lindner und der VDA davon träumen, dass Neuwagen mit Verbrennermotor länger eine Neuzulassung erhalten sollen als die EU und selbst die Autohersteller planen.

Generell ein paar Anmerkungen hierzu: nahezu alle großen und kleinen Autohersteller haben sich mit dem Umstieg auf E-Autos abgefunden, der Zeitrahmen geht von 2024 (DS) über 2025 (Jaguar), 2026 (Audi), 2028 (Opel), 2030 (Fiat, Bentley, Volvo, Cadillac, Ford), 2031 (Mini), 2033 (VW) bis 2035 (Hyundai), dem Ende der Neuzulassungen nach den aktuellen EU-Plänen. Deshalb ist es so überraschend, dass sich der VDA mit dem Cheflobbyisten Wissmann (früherer Verkehrsminister) so massiv für e-Fuels einsetzt. Auch der Spiegel findet diesen Lobbyismus nicht gut. Vermutlich breitet sich eher bei den Zulieferbetrieben Panik aus.

Der Otto- bzw. Dieselmotor als Antriebsquelle für den Individualverkehr ist "ausentwickelt", es gibt keine wesentlichen Verbesserungen mehr zu erfinden, die rechtzeitig auf den Markt kommen könnten. Die Hersteller versuchen jetzt noch, mit kleinen Tricks die Emissionen zu verringern, aber niemand kann an den physikalischen Grundlagen rütteln. Ein Ottomotor hat einen Wirkungsgrad von ca. 30 %. Mehr als Zweidrittel der Energie, die man aus fossilem Sprit gewinnen könnte, verpuffen als Wärme und müssen aufwändig abgeleitet und entsorgt werden. Es gibt zwar Wärmekraftmaschinen wie den Stirling-Motor mit einem Wirkungsgrad von 80 %, aber nicht als Antrieb für Autos. Ein E-Auto erreicht diesen Wirkungsgrad!

Gasthermen als Heizung erreichen rechnerisch einen hohen Wirkungsgrad, weil sie die Abwärme aus dem "Auspuff" ebenfalls verwerten können. Die Abwärme bei Automotoren verpufft buchstäblich.

Wir müssen uns davon trennen, flüssige Brennstoffe zu verwenden, die nicht vollständig klimaneutral hergestellt wurden. Die grundlegende chemische Tatsache ist: ein Liter Diesel verbrennt zu 2,6 kg klimaschädlichem CO2.

Das umfasst auch die eingangs erwähnten e-Fuels, also Brennstoffe, die mit elektrischer Energie hergestellt wurden. Die Fabrik, die z.B. Porsche mit Exxon in Chile für 500 Mio. Liter e-Methanol pro Jahr plant, stellt eine Form von Alkohol her, der nur als Beimischung zu maximal 40 % verwendet werden kann ("blending").

Durch die aufwändige Herstellung aus Wasserstoff und CO2 und den Strombedarf ergibt sich insgesamt bei der Verwendung in Autos ein Wirkungsgrad von ca. 10 % (Quelle: ADAC), also nochmals einen gigantischen Faktor schlechter als bei der Verwendung von raffiniertem Erdöl. Auch der Wasserstoff als Zwischenprodukt muss zunächst unter Einsatz von immensen Strommengen durch die Aufspaltung von Wasser hergestellt werden. Um die linksgrüne Kampfzeitschrift "Auto Motor Sport" zu zitieren: "e-Fuels verursachen 4-fache CO2-Emissionen" und "e-Fuels sind zu ineffizient und zu teuer".

e-Fuels und Wasserstoff sind in gewissem Umfang sinnvoll in Situationen, in denen man Treibstoff braucht, aber nicht im Individualverkehr. Durch die Herstellung sind e-Fuels viel zu teuer für die Verwendung in Autos, gerade, wenn man nicht genügend umweltfreundlichen Strom hat, weil z.B. die Atomkraftwerke wegen Wassermangel abgeschaltet werden müssen

Opel hat einen Prototypen auf e-Fuel umgerüstet, laut Pressemitteilung mit "massiven Veränderungen" am Motor. Technisch ist es möglich, aber industriell und in großem Maßstab sinnlos und zu teuer. Zudem sind wasserlösliche e-Fuels (Alkohole wie 2-Butanol) bei Unfällen eine große Umweltkatastrophe.

Wenn man bedenkt, wie groß der öffentliche Aufschrei war, als das E10-Benzin mit einer Beimischung von Ethanol eingeführt wurde, bin ich gespannt darauf, wie man den Autobesitzern nun die Verwendung von e-Fuels verkaufen will, wenn das nur mit starken Veränderungen am Motor möglich sein wird.

Fracking ist keine gute Idee - Leserbrief

[gekürzt veröffentlicht am 08.07.2022]

Hr. F. gibt sich nun genau wie Jens Spahn als Experte für Energiewirtschaft aus, und die Glosse vom Dienstag von Hr. Astanasiadis schlägt in dieselbe Kerbe. Voller Selbstvertrauen schreibt Hr. F. in seinem Leserbrief, dass “sämtliche Gutachten” dem Fracking (kurz für “Hydraulic Fracturing”) die Harmlosigkeit bescheinigen und schwärmt von der riesigen Menge an Gas im deutschen Schiefergestein. Die Glosse fordert, es dürfe keine “ideologischen Denkverbote” für Fracking und Atomkraft geben.

Das sind ganz schön mutige Aussagen, wenn ich auf der Seite des Bundesministeriums für Umwelt und Naturschutz finde: “Am 11. Februar 2017 ist ein Gesetzes- und Verordnungspaket in Kraft getreten, durch das die Erdgasgewinnung in Schiefer-, Ton-, Mergel- und Kohleflözgestein (sogenannte unkonventionelle Fracking-Vorhaben) aufgrund der fehlenden Erfahrungen und Kenntnisse in Deutschland grundsätzlich verboten ist. Lediglich zu wissenschaftlichen Zwecken können die Bundesländer bundesweit maximal vier Erprobungsmaßnahmen im Schiefer-, Ton-, Mergel- oder Kohleflözgestein zulassen. Dafür sind strenge Bedingungen vorgesehen. Ebenso werden an das sogenannte konventionelle Fracking in anderen Gesteinen strenge Anforderungen gestellt.”

Bislang war keine wissenschaftliche Auswertung dieser Probebohrungen möglich, weil “die für entsprechende Forschungsbohrungen in Frage kommenden Bundesländer, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, das Fracking im Schiefergestein ablehnen.” - Tja, warum nur?

Entgegen seiner Behauptung über “sämtliche Gutachten sind positiv” finde ich nach kurzer Recherche genau gegensätzliche Untersuchungen:

“Eine Auswertung der im Zeitraum 2009 bis 2015 veröffentlichten rund 685 Studien und Berichte zum Thema Fracking, ergab folgendes Bild:

  • 84 Prozent der Studien zu den gesundheitlichen Auswirkungen wiesen auf potenzielle Risiken für die öffentliche Gesundheit oder tatsächlich beobachtete negative Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit hin;
  • 69 Prozent der Studien zur Wasserqualität zeigten potenzielle oder ein tatsächliches Auftreten von Wasserkontaminationen
  • 87 Prozent der Studien zur Luftqualität wiesen auf erhöhte Luftschadstoffemissionen und/oder eine erhöhte Konzentration in der Atmosphäre hin.”

Wenn neben den beim Verbrennen entstehenden CO2-Emissionen auch die bei Förderung, Transport und Lagerung anfallenden Methanleckagen berücksichtigt werden, fällt die Klimabilanz von Erdgas – insbesondere von gefracktem Erdgas – so schlecht wie die von Kohle aus.

Berechnungen zufolge ist gefracktes Gas für mehr als die Hälfte des globalen Anstiegs der Emissionen aus fossilen Brennstoffen sowie für etwa ein Drittel des Anstiegs aus allen Quellen in den letzten zehn Jahren verantwortlich.

Nebenbei benötigt das Fracking unglaubliche Mengen an Wasser, um unter hohem Druck und Zusetzung von teilweise höchst gefährlichen Chemikalien Gesteine aufzubrechen, um das darin enthaltene Gas zu extrahieren. Für jede Bohrstelle ist soviel Wasser nötig, wie eine mittlere Großstadt pro Tag verbraucht (ca. 175.000 m3).

Offensichtlich greift Hr. F. verzweifelt nach jedem Strohhalm, damit sein Leben so weitergehen kann wie bisher. Genau wie in seinem letzten Leserbrief zur Atomkraft sind ihm die Auswirkungen auf die Umwelt und die Gefahren vollkommen gleichgültig.

Wir müssen endlich aufhören, fossile Brennstoffe aus dem Boden zu holen, die dem atmosphärischen Kreislauf Millionen von Jahren entzogen waren. Wir sehen heute die Erwärmung der Atmosphäre durch die CO2-Emissionen von vor ca. zehn Jahren (390 ppm). Die Auswirkungen von 420 ppm CO2 (heutiger Stand) werden wir erst in zehn Jahren erleben, und sie werden nicht schön sein.

Zum Abschluss nochmals zur Atomkraft: die Betreiber haben schon mit dem Abbau der Bauwerke begonnen, z.B. werden keine Sicherheitsüberprüfungen mehr durchgeführt. Auch werden schon mit aggressiven Reinigungsmitteln Dekontaminationsmaßnahmen durchgeführt, die das Material angreifen. All das müsste rückgängig gemacht bzw. repariert werden, bevor nur an einen Weiterbetrieb zu denken ist. Die jetzigen Brennstäbe haben eine kalkulierte Lebenszeit und Kapazität bis Ende 2022 und werden für jedes Kraftwerk speziell hergestellt. Die Lieferzeit für eine Neubestellung betrüge dadurch 18 bis 24 Monate.

Abgesehen davon haben wir kein Energieproblem, sondern ein Wärmeproblem: Strom ist genug da, aber mit Atomkraftwerken können wir nicht heizen.