22.11.2018

Wer ist noch wählbar?

Ich halte mich eigentlich eher für politisch links eingestellt. Wenn ich nicht in der UdSSR und der DDR gesehen hätte, dass der Kommunismus an der menschlichen Gier und Unvollkommenheit scheitert, wäre ich vermutlich auch ein Kommunist. So bin ich halt nur "irgendwie links" ;)

Leider macht es mir die SPD nicht leicht, links zu wählen. Samstag vor einer Woche war ein Interview mit Bouffier und Schäfer-Gümbel in der WZ, und beide Politiker brachten mich zum Kopfschütteln.

Die CDU behauptet, dass die Lehrerversorgung ganz wunderbar ist - sie kann es aber nicht belegen, weil sie dazu keine Statistik erfasst.
Die SPD genau wie die CDU findet die Vorratsdatenspeicherung ganz toll, und das ist ein schweres Problem für mich.
Abgesehen davon finde ich so gut wie alles von Oswin Veith grauenhaft, egal zu welchem Thema. Ich kann bei ihm keinerlei Sachkompetenz bei seinen Äußerungen erkennen.


Peter Tauber hat sich ein ganz dickes Fettnäpfchen geleistet: er hat bei Twitter des Todestags von Erwin Rommel gedacht ("Rommel galt allgemein als Hitlers „Lieblingsgeneral“").

Das große Interview (eine ganze Seite) und die ganzen kleinen Dinge außen herum waren der Anlass, diesen Frust in einen Leserbrief zu gießen.
Bemerkenswert finde ich die große Zahl Änderungen an meinem Leserbrief durch die Redaktion. Insbesondere der Unterschied, dass Bouffier von 105%, sein Kultusminister Lorz aber von realen 104% sprach, ist der Schere zum Opfer gefallen.

[Abgedruckt am 20.10.2018, Änderungen und Löschungen der WZ-Redaktion sind markiert]


Leserbrief zur Landtagswahl in Hessen
Herr Volker Bouffier hat deutlich gezeigt, dass er dem Thema Schulpolitik und seinem Kultusminister nicht viel Aufmerksamkeit schenkt, sonst hätte er nicht so vollmundig behauptet, dass die Lehrerversorgung in Hessen so toll ist. Er brüstet sich sogar mit der Zahl von 105% Lehrerversorgung. Dabei kann er weder anhand dieser Zahl noch generell überhaupt nicht beurteilen, ob die Lehrerversorgung gut ist - in Hessen gibt es nämlich keine zentrale Erfassung von Fehlstunden und Unterrichtsausfall. Er spricht auch noch von 105%, obwohl Herr Lorz im Frühjahr von 104% sprach (Bericht in der FR vom 15.02.18). Diese Zahl reicht 105% reichen nicht einmal aus, um die durchschnittliche Krankheitsrate abzufangen, die bei über 5% liegt (bei angestellten Lehrern, bei Beamten ist sie nochmals höher). Von diesen 104% Davon müssen auch noch Mediation, sozialpädagogische Zeiten und Aufwand für Inklusion und Integration abgezogen werden, und schon sieht diese Zahl gar nicht mehr so toll aus.
Leider ist die SPD in Hessen für mich auch nicht mehr wählbar, und das hat Herr Schäfer-Gümbel mit einem einzigen Satz im gedruckten Interview am Samstag geschafft: er unterstützt die Vorratsdatenspeicherung, für die auch Herr Veith so gern trommelt. Hat er die letzten Gerichtsurteile von Bundesverfassungsgericht und Europäischem Gerichtshof nicht wahrgenommen, die den Politikern mehrfach erklärt haben, auf wievielen Ebenen diese Schnüffelei verfassungswidrig ist? Ich bin ernsthaft erschüttert.
Unabhängig von diesem Interview möchte ich noch auf weitere mediale Äußerungen hinweisen, die sich Mitglieder der CDU kürzlich geleistet haben:
Herr Tauber, früher mal Generalsekretär der Bundes-CDU in Berlin, steht zwar nicht in Hessen zur Wahl, macht aber eifrig Wahlkampf. Er hat sich am 14.10. auf Twitter zu Wort gemeldet und an Erwin Rommel erinnert, der "von den Nazis zum Selbstmord gezwungen wurde". Dass dieser General aber vorher jahrelang Hitlers treuester General war, ist Tauber offensichtlich egal. Er hätte ja auch stattdessen an den Aufstand in Sobibor am selben Tag ein Jahr vorher erinnern können, aber das war ihm dann wohl zu profan.
Herr Veith, amtierendes Mitglied des Bundestages CDU-Bundestagsabgeordneter für den Wetteraukreis, spricht sich außer für die Vorratsdatenspeicherung auch für eine allgemeine Dienstpflicht aus, während er seinen Wahlkreis besucht. Schon mehrfach ist die Dienstpflicht gescheitert, was er eigentlich als Berufspolitiker und Jurist sogar besser wissen müsste als ich - ich bin "nur" Naturwissenschaftler.
Schon bei der Entstehung des Grundgesetzes - mit den Erfahrungen aus der NS-Zeit im Hinterkopf - wurde die allgemeine Dienstpflicht einhellig negativ beschieden, dann im Rahmen der Notstandsgesetze, erneut bei der Grundpflichtendebatte der 1980er/90er Jahre, anlässlich des Pflegenotstandes und der Entscheidung des BVerfG 1995 zur Feuerwehrabgabe, sowie bei der Aussetzung der Wehrpflicht gab es in Bayern 2011 einen Versuch eines sozialökologischen Pflichtjahrs. Alle diese Versuche sind gescheitert, weil das deutsche Grundgesetz eine allgemeine Dienstpflicht einfach nicht her gibt. Allein schon Art. 12 II GG, der den Arbeitszwang verbietet, steht der allgemeinen Dienstpflicht im Weg. Das Grundgesetz will damit verhindern, dass so etwas wie ein Reichsarbeitsdienst erneut eingeführt wird. Analog stehen der Dienstpflicht die EU-Grundrechtecharta und die Europäische Menschenrechtskonvention entgegen. 
Auf der einen Seite gibt es PISA, Bologna und weitere merkwürdige Bildungsreformen, landauf, landab hört man immer, dass die Schüler schneller zum Schulabschluss geführt werden müssen, und dann sollen sie mit der Dienstpflicht doch wieder ein Jahr lang fern vom Arbeitsmarkt sein? Schulabgänger ohne Ausbildung sollen qualifizierte Dienste, z.B. in Pflegeeinrichtungen, leisten? Und damit vielleicht den Arbeitsmarkt nachhaltig erschüttern und die "Preise", sprich Löhne, drücken? Oder ist das überhaupt der Hintergedanke?

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