21.10.2016

CETA in einem WZ-Kommentar - Leserbrief

Wieder jubelt ein Kommentator in der Wetterauer Zeitung, dass das kürzliche Urteil des Bundesverfassungsgerichts den Weg für die Zustimmung zu CETA geebnet habe.
Mitnichten, finde ich - die Auflagen sind enorm hoch und viele Dinge dürfen derzeit nicht abgestimmt werden, und schrieb einen Leserbrief.
[Veröffentlicht am 21.10.2016]

Leserbrief zum Kommentar über CETA von Hr. Gillies

Ach Herr Gillies, schon wieder ein Jubelkommentar über eines der zahlreichen lobbygesteuerten Freihandelsabkommen, aber wenigstens haben Sie diesmal nicht die große Keule mit dem "Anti-Amerikanismus" ausgepackt.

Sie freuen sich darüber, dass freier Handel eine gute Sache ist. Aber das ist ja nur ein kleiner Teil dessen, was verhandelt wird.

CETA enthält im Prinzip denselben Vertragsumfang wie TTIP. CETA wird zwischen der EU und Kanada abgeschlossen, TTIP zwischen der EU und USA. Viele Gegner befürchten, dass CETA deshalb ein "TTIP durch die Hintertür" ist und eine amerikanische Firma mit Hilfe ihrer kanadischen Tochterfirma bequem klagen kann, selbst wenn TTIP (noch) nicht in Kraft getreten ist.

Außerdem ist CETA viel mehr als ein Freihandelsabkommen: es enthält Vereinbarungen über Schiedsgerichte, Investitionsschutz, Portfolioinvestitionen, zum internationalen Seeverkehr und zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen und zum Arbeitsschutz (Quelle: Spiegel Online).

Den größten Teil davon hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Abstimmung zugelassen. Das bedeutet, dass die EU über die Teile von CETA, über die Deutschland eine souveräne Entscheidung treffen kann und muss, nicht "vorläufig" beschließen kann und insbesondere Deutschland dann nicht daran gebunden wäre.

Auch die Auflage, dass Deutschland bis zur endgültigen Zustimmung jederzeit ein Kündigungs- und damit faktisch Vetorecht hat, ist in meinen Augen ein deutlicher Gewinn der Kläger gegen CETA.

Bemerkenswert finde ich außerdem, dass die Zustimmung für dubiose Handelsabkommen in der gesamten EU am Wanken ist: das wallonische Parlament lehnt CETA ab, und in Spanien gab es kürzlich ein EU-weites Treffen bedeutender Kommunalpolitiker, um die Auswirkungen von TTIP, CETA und TISA auf die regionale Politik zu beleuchten.

So eindeutig kann man also gar nicht sagen, dass eine Seite vor dem höchsten deutschen Gericht "verloren" hat. Die Zustimmung zu CETA ist mit ziemlich schwerwiegenden Auflagen und Hürden versehen, und das ist gut so. Auf diese Weise wird nicht überhastet entschieden, sondern die einzelnen Klauseln werden hoffentlich noch intensiv überprüft.

10.10.2016

Die Telekom-Hotline in 3 1/2 Akten bei einer Störung

Am Donnerstag war unsere Tierarztpraxis plötzlich nicht mehr telefonisch erreichbar, und es konnte auch niemand mehr nach draußen telefonieren.

Die üblichen Schritte - alles ausschalten bzw. ausstöpseln und wieder einschalten - halfen nichts. Anrufe von außen mit dem Handy führten zu "Dieser Anschluss ist vorübergehend nicht erreichbar".

Also über das Handy eine Störungsmeldung abgesetzt und mit dem Sprachcomputer verhandelt. Das ging soweit erfreulich schnell. Beim darauffolgenden Gespräch mit einem Mitarbeiter dann die Ernüchterung: obwohl wir Firmenkunde sind, bedeutet "Reaktionszeit" nur, dass man innerhalb dieser Frist eine Zusage für einen Termin bekommt; es heißt noch lange nicht, dass innerhalb dieser Reaktionszeit auch das Problem behoben sein muss. Schöne neue Servicewelt!

Immerhin gehört zum Service dazu, dass man die Rufnummer auf ein Handy umleiten kann, so dass wenigstens die Erreichbarkeit wieder gegeben war.

Am Samstag vormittag kam dann tatsächlich ein Techniker und untersuchte die Installation in der Praxis. Dabei stellte sich heraus, dass einer der zwei NTBAs unserer ISDN-Anschlüsse defekt war und getauscht werden musste. Soweit, so gut.

Danach folgte dann eine kleine Odyssee mit derselben Hotline-Nummer, an die ich schon die Störung gemeldet hatte.

Beim ersten Anruf nahm ich die Ansage nicht allzu ernst "Bitte halten Sie Ihre Kundennummer bereit". Der Mitarbeiter fragte mich dann tatsächlich danach, und als ich antwortete, dass ich sie nicht griffbereit habe, wurde mir mitten im Satz aufgelegt. So eine Frechheit!

Der zweite Anruf brachte das Ergebnis, dass die Rufumleitung automatisch annuliert werde, wenn der Techniker das Ticket schlösse. Die Hotline selber habe keinen Zugriff auf die Technik der Rufumleitungen. Immerhin konnte ich bei diesem Anruf am Ende meinen Unmut über das unhöfliche Auflegen beim ersten Anruf loswerden. Es wird zwar nix nutzen, aber ich wollte es trotzdem mal gesagt haben.

Der dritte Anruf war kurz und schmerzlos: "Der Anschluss, von dem ich anrufe, funktioniert wieder, nachdem der Techniker etwas repariert hat. Bitte entfernen Sie die Anrufumleitung." - "Kein Problem, ist beauftragt und in 10 min. erledigt." - "Danke, Auf Wiederhören".

Drei Anrufe, drei verschiedene Service-Qualitäten. Und zwei davon aus Kundensicht gescheitert. Schade um die Lebenszeit.

Nachtrag Montag morgen:
um 9.30 noch kein einziger Anruf in der Praxis, das war verdächtig. Mit dem Handy war es auch nicht möglich, in der Praxis anzurufen. Praktischerweise schlug ein paar Minuten später die SMS auf, dass das Ticket als "erfolgreich" gekennzeichnet und geschlossen würde, verbunden mit dem Hinweis auf eine andere Hotline-Nummer.

Also habe ich dort angerufen und erneut gebeten, dass die Anrufumleitung entfernt wird. Ich wurde weiterverbunden zu einem Techniker in Recklinghausen, und ein paar Minuten später hat es dann tatsächlich funktioniert.

Danach kam dann nochmals eine SMS mit einem Hinweis, dass ich bei noch einer anderen Hotline-Nummer anrufen dürfe, wenn es immer noch Probleme gäbe. Ich müsste dann ganz konspirativ das Stichwort "Nadelbaum" nennen. Man merkt, dass Weihnachten naht. Nur noch 75 Tage, und schon werden die geheimen Codeworte auf festlich umgestellt.

06.10.2016

Politwochs die Daten löschen - Leserbrief

Immer wieder mittwochs kommt ein Kommentar, der irgend ein Geschehnis der letzten paar Tage aufgreift und versucht, einen neuen Aspekt zu finden. Traditionell endet diese Kolumne dann mit "aber nicht politwochs" - manchmal soll das resigniert klingen, manchmal ironisch, und manchmal versteht man nicht, was der Autor damit ausdrücken will.

Genauso ist mir das letzten Mittwoch gegangen, als der Chefred. über das Datensammeln schrieb und am Ende hoffte, dass "irgendwie" die Möglichkeit besteht, dass man seine ihn betreffenden Daten löschen könnte. Wirklich verstanden habe ich nicht, was er eigentlich aussagen wollte, und das hab ich dann als Leserbrief geschrieben.

Lieber Herr Bräuning,
Ihre "politwochs"-Kolumne lässt mich etwas ratlos zurück.
Abgesehen vom Schreibfehler bei der Vorsilbe "Tera" (und nicht "Terra") verstehe ich nicht ganz, wofür oder wogegen genau Sie nun sind.

Außerdem haben Sie die größten Datenstaubsauger gar nicht erwähnt: die Geheimdienste, insbesondere die aus dem englischsprachigen Ausland, die sich einbilden, dass sie das gesamte Internet in Echtzeit überwachen müssen, um dann mit Drohnen ganze Hochzeitsgesellschaften zu töten.

Die "Profile", von denen Sie sprechen, werden mit höchster Aufmerksamkeit auch von Lebensversicherungsunternehmen erhofft und nicht nur von den Krankenversicherungen. Natürlich würde das niemand so deutlich sagen, ist ja klar. Aber gewünscht wird es, um vorherzusagen, mit welcher Wahrscheinlichkeit jemand krank wird oder bei einer gefährlichen Sportart einen Unfall erleidet. Es ist ja jetzt schon so weit gekommen, dass es Rabatte gibt, wenn man ein Fitness-Armband trägt und die Daten der Versicherung zur Verfügung stellt, oder die Kfz-Versicherung billiger wird, wenn man dem Einbau einer Blackbox zur Überwachung zustimmt.

Die amerikanische Versicherung Aetna bezuschusst die Apple-Watch im Austausch gegen die Daten. Auch die Autohersteller mit internetfähigen Autos und Bordcomputern tragen zu diffusem Unbehagen bei, wenn sie Daten sammeln und nicht offenlegen, wie diese Daten verwendet werden.

Warum z.B. Mercedes im 2-Minuten-Takt die GPS-Position, den Kilometerstand, den Verbrauch und Reifendruck an den Hersteller meldet und im Wagen die Zahl der Gurtstraffungen speichert, als Indiz für starkes Bremsen, ist fragwürdig, aber der Zweck ist ganz offensichtlich.

Ehrlich gesagt traue ich den von Ihnen ebenfalls erwähnten Firmen wie Google und Amazon noch eher als den eben erwähnten Versicherungen und Autoherstellern. Bei Google arbeiten Ingenieure, die etwas von "Security by Design" verstehen. Das kann man z.B. von der Autoindustrie nicht behaupten, wie z.B. die Berichte über Chrysler und BMW im letzten und in diesem Jahr erschreckend eindrucksvoll belegen.

Tendenziell kann ich Ihnen aber zustimmen, sofern ich die Bemerkung über das Löschen Ihrer Daten richtig verstanden habe. Es ist im Sinne der freien Entfaltung der Persönlichkeit und der Meinungsfreiheit nicht wünschenswert, dass Firmen und Staaten unkontrolliert Daten aus verschiedenen Quellen sammeln und daraus Schlussfolgerungen ziehen. Ich habe aber ehrlich gesagt wenig Hoffnung und vermute, dass dies schon lang geschieht und nur niemand darüber reden will. Wir sind definitiv auf dem Weg zu einer Gesellschaft, die die schlechtesten Dystopien aus "1984" und "Brave new world" vermengt.