Der Hype in allen Medien war enorm - Marvel hat wirklich alles aufgeboten, um den Film schon Monate vorab ins Gespräch zu bringen. Instagram, Tumblr, Facebook, Twitter - überall gab es Werbebilder, Trailer, Teaser und was die Werbemaschinerie an Modewörtern noch alles aufbieten konnte. Als Merchandising-Artikel gab es jede Menge Tassen, T-Shirts und andere Andenken für Fans, um entweder zum "Team Cap" oder "Team Iron Man" zu gehören.
Unabhängig davon war natürlich klar, dass ich auf jeden Fall in den Film gehen muss. "Ant-Man" war der Schlusspunkt der sogenannten Phase 2, und mit Cap 3 beginnt die nächste Evolutionsstufe im Marvel Cinematic Universe, dem "Handlungsort" für die Kinofilme. Das MCU verwendet zwar die Figuren und Konzepte aus den Comics, aber erschafft eine eigenständige Handlung und eine ganz eigene Logik und vor allem auch Bildsprache. Die Handlung orientiert sich zwar grob an den schon veröffentlichten Comics, aber setzt sie nicht zwingend vollständig um. Das hat man nun auch bei Cap 3 gesehen. Die Comic-Vorlage ist sehr düster, und Steve Rogers stirbt dort. Im Kino hingegen stirbt niemand, da ja alle zu den "Guten" gehören und das Kinopublikum vermutlich auf tote Hauptpersonen anders reagieren würde als Comic-Leser. Die können sich demnächst darauf einstellen, dass es einen Sam Wilson (Falcon) als Cap geben wird, und auch Bucky Barnes hat ja in den Comics schon mal den Schild mit dem Stern getragen. Alles sehr verwirrend ;)
Zum Film selbst gibt es nicht viel zu sagen: entgegen den vorab bekannten Informationen war der Film über lange Strecken sehr ruhig, und die Charaktere konnten sich entwickeln. Das hat mir gut gefallen, der Film war kein bißchen langweilig, auch in den ruhigen Szenen. Die Action-Szenen hatten viel Bumms. Wir hatten uns für die 3D-Variante entschieden (Kind 2 und ich sind beides große Fans von Marvel- und DC-Comics), aber ehrlich gesagt lohnt es sich nicht, dafür mehr Geld auszugeben. Der Tiefeneindruck war vorhanden, aber es hat nichts zur "Experience" beigetragen. Ganz nett, aber mehr auch nicht.
Zur Handlung ganz kurz: die Ereignisse entwickeln sich absolut logisch. In Nigeria geschieht bei der Abwehr eines terroristischen Angriffs mit dem Ziel, eine Biowaffe zu stehlen, ein heftiger Kollateralschaden. Rumlo, der sich in Cap 2 als Bösewicht entpuppte, löst eine Bombe aus, die er versteckt am Körper trägt, um Rogers zu töten. Scarlett Witch kapselt die sich entwickelnde Explosion mit ihren Kräften ein und schleudert das flammende Inferno nach oben und seitlich weg - leider mitten hinein in ein Bürohochhaus. Das ist vermutlich der noch nicht perfekten Beherrschung ihrer Kräfte geschuldet - sie ist ja quasi erst ein "Avenger-Azubi", seit sie in "Age of Ultron" die Seiten gewechselt hat.
Sehr realistisch folgt dann ohne großartige Bewertung der Gesamtsituation eine politische Gegenreaktion, die sehr heftig ausfällt, wie wir das auch aus dem echten Leben(TM) gewöhnt sind: die "Öffentlichkeit" soll mit drastischen Maßnahmen davon überzeugt werden, dass die Politik alles im Griff hat - unterschwellig eine deutliche Kritik daran, dass die meisten Staaten mittlerweile die unbedingte Sicherheit vorziehen und keinerlei Abwägung mehr zwischen Sicherheit und Bürgerrechten vornehmen, oder überhaupt versuchen, die Situation zu untersuchen und zu bewerten.
Als Folge des Einsatzes in Nigeria soll das "Sokovia-Abkommen" in Wien bei der UN ratifiziert werden, das die Avengers unter UN-Kontrolle stellt und erreichen soll, dass die Avengers nur zum Einsatz kommen, wenn die UN es ausdrücklich befiehlt (bzw. nicht, wenn nicht). Während der König von Wakanda spricht, geschieht ein Anschlag, der König T'Chaka tötet. Sein Sohn T'Challa folgt ihm damit automatisch auf den Thron und schwört Rache. Bequemerweise gibt es Kameraaufnahmen, die nahelegen, dass Bucky Barnes den Anschlag verübt hat - man macht weltweit Jagd auf ihn. Relativ früh enttarnt sich der "Black Panther" als eben jener T'Challa, dessen Anzug aus Vibranium besteht, demselben Material wie Caps Schild.
Die Avengers entzweien sich immer mehr - überraschend stimmt Tony Stark für das Abkommen und versucht auch Rogers zu überzeugen. Cap ist allerdings nicht überzeugt und vermutet eine Intrige. Im Verlauf des Films bekommt er tatsächlich recht - es gibt ein Intrige mit dem Ziel, die Avengers aufeinander zu hetzen. Ausgelöst wird dies von einem der Hinterbliebenen, die durch die Aktionen von Ultron in Sokovia Angehörige verloren haben. Er täuscht vor, dass der "Winter Soldier" Bucky Barnes für alles verantwortlich ist, aber Cap bezweifelt dies und hilft Bucky bis zum bitteren Ende.
Abgesehen davon, dass dieser Plot gut in die Filmlogik passt, bleibt davon trotzdem unberührt, ob man wirklich eine Truppe von Superhelden mit fragwürdiger psychischer Stabilität unkontrolliert gewähren lassen sollte. Die Antwort auf diese Frage bleibt der Film schuldig, weil ja "der Rebell" Rogers irgendwie am Ende Recht behält, und trotz aller Schlüssigkeit der Handlung beim Zuschauer das Gefühl bleibt, dass beide Seiten irgendwie ein Argument haben. Vision stellt sogar die These auf, dass mit der Zunahme von "Begabten" auch die Anzahl der Angriffe steigt, weil die Existenz von besonders mächtigen Kämpfern den Anreiz zum "Kräftemessen" steigert, was in sich natürlich eine gewisse innere Logik birgt.
Die meisten Kollateralschäden entstehen übrigens beim Versuch, die "Rebellen" aufzuhalten, was in sich auch wieder eine gewisse Ironie birgt. Hätten die zwei Fraktionen der Avengers nicht so vehement gegeneinander gekämpft, wäre alles wesentlich entspannter geblieben. So wurden in Berlin und Leipzig jede Menge Straßen, Tunnels, Gebäude, Flughafenausstattung, Fahrzeuge und Flugzeuge beschädigt und zerstört - alles sehr bildgewaltig in Szene gesetzt. Trotzdem hätte man für die 3D-Variante mehr daraus machen können.
Insgesamt bleiben einige Plotelemente unbefriedigend offen: Zemo ist auf der Suche nach Beweismaterial für ein ominöses Datum "16. Dezember 1991". Nach und nach wird das Geheimnis gelüftet, aber nie wirklich erklärt, woher Zemo überhaupt wusste, wonach er zu suchen hat. Andererseits ist nun bekannt, warum es nie weitere Supersoldaten in den USA gegeben hat - das restliche Serum wurde vom Winter Soldier gestohlen und verbraucht
Auch die Logik der Einschränkung der Avengers-Einsätze ist nicht wirklich schlüssig. In Avengers 1 ist es eine außerirdische Bedrohung, hergerufen durch Loki; in Cap 2 tritt Hydra erneut ans Licht der Öffentlichkeit und will mit den neugebauten Heli-Carriern Systemfeinde eliminieren, in Thor 2 greifen die Dunkelelfen die Erde an und legen London in Schutt und Asche, nachdem Jane Foster (Natalie Portman) den "Aether" in sich aufgenommen hat, in den Iron Man-Filmen sind es Terroristen bzw. Bösewichte, im Hulk-Film sogar das Militär selbst, das nach Möglichkeiten für Supersoldaten sucht, und in "Age of Ultron" ist es ausgerechnet Tony Stark, unterstützt von Bruce Banner, der das künstliche Wesen Ultron erschafft. In dem Comics ist Ultron übrigens ein Geschöpf von Starks Konkurrent Hank Pym, dem ersten Ant-Man.
Der einzige Anlass, die Avengers zu kontrollieren, ist in "Age of Ultron", als Tony Stark selbst den Gegner in die Welt setzt. Alles andere sind unkontrollierbare Einflüsse von außen, und die Schäden bei deren Abwehr kann man nicht den Avengers anlasten.
In der Berliner Handlung taucht Martin Freeman als "Everett Ross" auf, allerdings hat er nur ein paar wenige Sätze und hofft am Ende im Gespräch mit dem inhaftierten Zemo, dass er sich tatsächlich "daneben benehmen" würde, um Gelegenheit zur Bestrafung zu bekommen. Diesen Charakterzug finde ich sehr daneben. Ob eine Verwandschaft zum Außenminister Ross (ehemals General Ross aus dem Hulk-Film) besteht, wird nicht erwähnt. Schön allerdings, dass Sherlock und Watson jetzt beide bei Marvel-Filmen mitspielen ;)
Generell in den Szenen in Deutschland gibt es Seitenhiebe auf die Bürokratie, von der ja alle Welt denkt, dass sie in Deutschland erfunden wurde: nach der Verhaftung von Rogers und Falcon werden ihre Ausrüstungsgegenstände, d.h. der Schild und das "Vogel-Kostüm" beschlagnahmt und den Verhafteten werden dafür "selbstverständlich" Quittungen ausgestellt.
Leider ist die Ausstrahlung der zeitlich parallel ablaufenden TV-Serien nur in USA wirklich synchron zur Veröffentlichung der Kinofilme. Im deutschen TV wird gerade erst die 2. Staffel von "Agents of S.H.I.E.L.D." ausgestrahlt, die ja bekanntlich in der Handlung von "Age of Ultron" kulminiert (in der Folge von gestern wird zum ersten Mal Strucker erwähnt, der in "Age of Ultron" mit Lokis Szepter und dem Gedankenstein darin experimentiert). In der 2. Staffel wird die detektivische Arbeit geleistet, durch die die Avengers erst von Struckers Aufenthaltsort erfahren und dann die Burg angreifen, was die Eingangsszene von "Age of Ultron" darstellt. In den USA läuft derzeit schon das Finale der 3. Staffel dieser Serie.
Eine weitere Remineszenz an das weit gefächerte MCU ist die Erwähnung von Peggy Carter, der Gründerin von S.H.I.E.L.D., die im zarten Alter von 95 Jahren verstirbt und von Rogers zu Grabe getragen wird. Agent 13, die in Cap 2 als "Nachbarin" auftrat, hält eine Abschiedsrede und gibt sich erst jetzt als ihre Nichte Sharon Carter (Emily Van Camp) zu erkennen. Sie hilft Rogers und Wilson, ihre Ausstattung zurückzubekommen und aus der Haft zu fliehen, um Barnes aufzuspüren. Peggy Carter (Hayley Atwell) hat mehrere Gastauftritte in der 2. Staffel von "Agents of S.H.I.E.L.D.", was damals natürlich eine Vorbereitung für ihre eigene TV-Serie "Agent Carter" war, die nun leider nach 2 Staffeln nicht weiter verlängert wird. Die "Agents of S.H.I.E.L.D." werden möglicherweise in einen weiteren Kinofilm über die "Inhumans" münden, d.h. die Wesen, deren Kräfte durch den Obelisken geweckt werden. Außerdem gibt es bei Netflix die Serien "Jessica Jones" und "Daredevil", die dann zusammen mit Luke Cage und Iron Fist die "Defenders" bilden (... werden, nehme ich an).
Das Auftauchen von Spiderman war für mich eher gekünstelt in Szene gesetzt. Wirklich geholfen hat er nicht. Der Kampf am Flughafen hat dadurch ein paar nette Szenen gewonnen, aber entscheidend war es nicht, ob er da war oder nicht. Die Szenen mit dem fliegenden Falcon und dem schwingenden Teenie Peter Parker waren sehr schön anzusehen, und auch der Humor war ok. In diesem Film-Universum hat Peter Parker seine Kräfte seit ca. 6 Monaten und Tante May ist eine erstaunlich junge, gut aussehende Frau (Marisa Tomei), die natürlich von nichts weiß. Tony Stark bringt ihm zu den Avengers und stattet ihn mit leicht verbesserter Superheldenkleidung aus. Die Spinnfäden hat Parker selbst entwickelt und Stark zollt ihm dafür viel Respekt. Die Entstehungsgeschichte von Spiderman wird vermutlich der Film "Homecoming" schildern, den wir für nächstes Jahr Juli erwarten.
Es gab nicht ganz so viele lockere Sprüche wie in den früheren Filmen. Hier ist mir im Wesentlichen ein kurzer Dialog zwischen Hawkeye und Black Widow im Gedächtnis geblieben: "Sind wir noch Freunde?" - "Kommt drauf an, wie fest Du zuschlägst.". Unerreicht bleibt immer noch der Running Gag mit "Watch your language" in "Age of Ultron", das immer wieder verwendet wird, um Cap damit aufzuziehen.
Natürlich hatte der Film als Auftakt für die Phase 3 nicht nur das Ziel, die Zuschauer zu unterhalten, sondern auch das Fundament zu legen für die weitere Handlung bis zum finalen zweiteiligen Knaller mit dem "Infinity War" gegen Thanos und seinen "Gauntlet" (Handschuh) mit den 6 Infinity-Steinen. Bis dahin werden wir uns an weiteren Filmen wie "Dr. Strange" mit Benedict Cumberbatch erfreuen, außerdem "Thor 3" mit Thor und Hulk, "Ant-Man 2" mit Ant-Man und Wasp, "Black Panther", "Guardians of the Galaxy 2" mit Kurt Russell als Quills Vater, sowie "Captain Marvel" mit einer weiteren weiblichen Superheldin, und ich hoffe auch weiterhin, dass es tatsächlich einen Solo-Film mit Black Widow geben wird und der Inhumans-Film realisiert wird, vielleicht sogar mit Sky (Daisy Johnson, "Quake").
Warum nun ein Film, der nach wenigen Wochen schon auf einen Milliarden-Umsatz hinsteuert, vom deutschen Steuerzahler noch siebenstellig bezuschusst wird (gemäß Wikipedia), kann ich nicht verstehen. "Der FilmFernsehFonds Bayern förderte den Film für digitale Effekte mit 450.000 Euro. Die Produktion erhielt von der Mitteldeutschen Medienförderung 350.000 Euro. Von der MFG Filmförderung Baden-Württemberg wurden nochmals 350.000 Euro bezuschusst."
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