Eigentlich war das ein sehr netter Artikel, der Mut macht, sich selbst als Wahlhelfer zu melden und aktiv an unserer Gesellschaft mit zu arbeiten und zur Demokratie beizutragen.
Aber der Artikel hatte in meinen Augen einen üblen Haken: der Autor beschrieb, dass durch das Kumulieren und Panaschieren das Auszählen sehr kompliziert sei und spekulierte, dass es mit Wahlcomputern schneller und zuverlässiger ginge.
Das hat mir nicht gut gefallen, und in einem Leserbrief habe ich geschrieben, warum.
[veröffentlicht 15.03.2016]
[Beim Buchtitel ist mir ein Fehler passiert (von/für), unten korrigiert]
Leserbrief zum Wahlhelfer-Artikel vom 10.03.2016
Herr H. schreibt einigermaßen unterhaltsam über seine Tätigkeit als Wahlhelfer letzten Sonntag.
Ein Punkt, den er eher beiläufig erwähnt, hat mich aber als Informatiker zutiefst erschüttert:
die kritiklose Bemerkung, dass das Wahlverfahren so kompliziert und die Auszählung so anstrengend ist, dass Herr H. sich Wahlcomputer als Hilfe wünscht.
Ich als Informatiker und sehr auf Integrität und Zuverlässigkeit bedachter Software-Entwickler lehne Wahlcomputer grundsätzlich ab.
Das hört sich vielleicht zunächst absurd an, aber ich vertraue dem Grundprinzip freier, geheimer und nachvollziehbarer Wahlen.
Dies kann durch Wahlbeobachter gewährleistet werden. Aber es ist prinzipiell nicht möglich, einem Wahlcomputer zu vertrauen.
Zum Einen ist es einem Normalsterblichen nicht möglich, die Software in einem Wahlcomputer zu analysieren und zu verstehen.
Hingegen kann wirklich jeder die Auszählung der Stimmen aus den Wahlurnen beobachten und sich selbst überzeugen.
Sie mögen einwenden, dass in vielen Bereichen unseres Lebens die Prüfung an Fachleute delegiert wird, denen wir vertrauen (sollen).
Aber: eine demokratische Wahl ist das Fundament unserer Gesellschaftsordnung.
Wollen Sie wirklich an dieser Stelle Zuverlässigkeit und Vertrauen zugunsten von ein bißchen Bequemlichkeit beim Auszählen aufgeben?
Ob das Wahlergebnis nun einen oder erst zwei Tage später vorliegt, ist in meinen Augen vollkommen unerheblich. Wo ist der Zeitdruck?
Zum Zweiten weigern sich die Hersteller von Wahlcomputern, unabhängigen Kontrolleuren überhaupt diese Möglichkeit einzuräumen mit dem Hinweis auf Geschäftsgeheimnisse und Urheberrechte (z.B. weigert sich die amerikanische Firma Diebold vehement, externen Software-Prüfern Zugang zu geben).
Vertrauen wir wirklich einer amerikanischen Firma mit zweifelhaftem Leumund?
Sollte diese Hürde genommen sein, kommt das nächste Problem beim tatsächlichen Betrieb zu Tage:
es ist nicht klar, ob während der Durchführung wirklich exakt die vorher geprüfte integre Softwareversion zum Einsatz kommt oder nicht heimlich ausgetauscht wurde.
Bei früheren Wahlen hat der Chaos Computer Club (CCC) gezeigt, dass die Wahlcomputer durch menschliche Fehler nicht ausreichend geschützt werden und die Software heimlich ausgetauscht werden kann, ohne dass dies durch Schutzmechanismen bemerkt wurde. Teilweise wurden die Wahlcomputer in Privatwohnungen oder Autos von Wahlhelfern gelagert.
Ob nun wirklich die Stimme wie vom Wähler beabsichtigt gezählt wird und dies dem entspricht, was auf dem Bildschirm oder auf einer ausgedruckten "Quittung" angezeigt wird, kann der Wähler nicht prüfen.
Andreas Eschbach hat dieses Szenario in seinem Thriller "Ein König für Deutschland" sehr detailliert beschrieben. Dort hat der Programmierer eine Hintertür in die Software des Wahlcomputers eingebaut und eine Partei mit einem bestimmten Kürzel wurde unauffällig bevorzugt, wenn bestimmte Bedingungen eintrafen (so ähnlich wie die VW-Motorsoftware, die nur in bestimmten Situationen betrügt). Im Ergebnis erhielt eine monarchistische Partei die absolute Mehrheit. Das Buch ist sehr unterhaltsam geschrieben und enthält nebenbei viele interessante Details über Wahlrecht und die demokratischen Prinzipien. Ich kann es nur empfehlen!
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