09.10.2024

Und täglich grüßt der Sattler - Leserbrief

Der Glossist Sattler ist nahezu täglich in der WZ vertreten und schimpft über die Ampel. Dabei nimmt er es mit den Fakten nicht besonders genau.

[veröffentlicht am 18.10.2024]

Die Glosse von Hr. Sattler am 09.10. ist ein Sammelsurium von Halb- und Viertelwahrheiten aus den letzten 3 Jahren, die er für sein nahezu tägliches Gejammer gegen die Ampelkoalition zusammengestellt hat. Ich wünsche mir zu jedem Beitrag von Sattler einen sofortigen Faktencheck, der unmittelbar alles korrigiert und klarstellt, was er behauptet.

Die Diskussion um Kernkraft sollte eigentlich lange beendet sein. Sattler versucht sie wieder aufzuwärmen und behauptet, überall werden neue Kernkraftwerke gebaut, nur Deutschland hat 6 % seiner Stromerzeugung leichtfertig aufgegeben.

Die Wahrheit ist: weltweit geht die Nutzung von Kernkraftwerken zurück. Finnland hat nach mehreren schwerwiegenden Störfällen das neueste KKW Olkiluoto gleich wieder für mehrere Monate abgeschaltet. In Frankreich laufen die KKW oft nicht wegen Sicherheitsmängeln und fehlendem Kühlwasser - wir werden nächsten Sommer wieder massiv EE-Strom nach Frankreich exportieren. Der Neubau Hinckley Point C in England steht vor dem Scheitern, nachdem die Bauzeit und die Kosten von geplanten 21 Mrd. auf derzeitige 58 Mrd. Euro explodiert sind und der chinesische Investor beim Stand von 38 Mrd. Euro ausgestiegen ist. Es sind so gut wie keine Neubauten konkret in Sicht, es gibt weltweit eigentlich nur ein paar schwammige Absichtserklärungen, aber dafür viel Getrommel von Lobbyorganisationen. Habeck zu England: “Das wird die teuerste Kilowattstunde Strom, die je in Europa produziert wurde”.

Die Wahrheit ist: der Atomausstieg wurde von der CDU-FDP-Koalition 2011 beschlossen und diese Regierung hat insgesamt 14 der 17 KKW abgeschaltet. Die Ampel hat die drei noch laufenden KKW sogar länger in Betrieb gehalten und dafür monatliche Strafzahlungen an die Betreiber geleistet, weil das Ausstiegsdatum längst vertraglich festgelegt war. Die deutschen KKW mussten gesetzlich abgeschaltet werden, weil die vorgeschriebenen Sicherheitsüberprüfungen (alle zehn Jahre) wegen des absehbaren Laufzeitendes lange vorher ausgesetzt wurden.

Es gab nie das Risiko eines Blackouts. Deutschland hat genügend Kapazitäten mit Wind, Solar, Kohle, Gas, Biomasse und Wasserkraft. Seit der Abschaltung der KKW ist der Strompreis an der Börse deutlich gesunken, und der CO2-Ausstoß ist geringer, weil viel mehr EE-Strom eingespeist werden kann. Sogar die Kohleverstromung ist deutlich zurückgegangen und hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als halbiert. Die Erzeugung von EE-Strom steigt und liegt mittlerweile sogar deutlich über Plan. Was jetzt zur Abrundung noch fehlt, sind mehr Stromtrassen von Nord nach Süd und Batteriespeicher sowie der Stopp der bayrischen Verhinderungspolitik beim Ausbau der Erneuerbaren.

Sattler behauptet, die Wirtschaft schrumpft. Die Wahrheit ist: es gibt Branchen, denen es gut geht, und welche, denen es schlecht geht. Das ist offensichtlich eine Binsenweisheit, aber Sattler pickt sich natürlich gezielt den schlechten Teil heraus. Liebherr hat gerade einen Milliardenauftrag für elektrische (!) Bergbaumaschinen aus Australien bekommen. Der DAX steigt auf über 19.000. Die Bemessungsgrenze für die Renten soll steigen wegen “der guten Lohnentwicklung”. Es sind mehr als 46 Mio. Arbeitnehmer in Lohn und Brot. Die letzte saisonale Winterarbeitslosigkeit war die geringste seit mehreren Jahren. Tesla und TSMC bauen Fabriken in Deutschland auf. Das “Schrumpfen” bewegt sich im Promillebereich.

Was viel problematischer für die Wirtschaftsentwicklung ist: in Deutschland wird Arbeit viel stärker besteuert als Vermögen. Die Superreichen haben in den letzten zehn Jahren und insbesondere während Corona ihr Vermögen vervielfacht und angehäuft. Die Vermögenssteuer ist seit 1998 ausgesetzt und nach Schätzungen fehlen dem Staat dadurch insgesamt 380 Mrd. Euro. Die Erbschaftssteuer enthält lächerliche Deckelungsgrenzen, und mit Tricks und Schlupflöchern konnte Friede Springer Aktien im Wert von einer Milliarde Euro steuerfrei verschenken. Die Mitbesitzerin von BMW, Susanne Klatten, kann an ihre drei Kinder je 1,5 Mrd. Euro steuerfrei verschenken. Statt über Kürzungen beim Bürgergeld nachzudenken, könnte der Staat hier ansetzen. Das eingenommene Geld kann dann zur Stützung von wirklichen Zukunftstechnologien verwendet werden statt den Reichen weitere Steuergeschenke zu machen.

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