25.05.2024

Energiewende oder doch nicht - Leserbrief

Auf meinen Hinweis, dass es tatsächlich Länder gibt, die sich zu 100 % aus Enerneuerbaren versorgen können, und dass ich den aktuellen Bericht des Bundesrechnungshofs nicht für neutral hielt, kam eine bissige Antwort, die noch mehrere weitere typische Argumente der Energiewende-Verhinderer enthielt. Hier meine Antwort darauf.

[veröffentlicht am 22.05.2024]

Hr. H. moniert in seinem Leserbrief, dass ich auf die Partei des Bundesrechnungshofspräsidenten hinwies. Am Bericht des BRH hatte ich inhaltlich wenig zu kritisieren, aber ich betone, dass Scheller seit mehr als zehn Jahren ein heftiger Kritiker jeglicher Energiewende ist und jahrelang eine führende Position in der CDU-Fraktion des Bundes hatte. Zusammen mit der Stellung seiner Ehefrau als Lobbyistin eines Gaslieferanten ergibt das schon ein politisches Geschmäckle, mit welcher Intensität gezielt einzelne Punkte aus der Kritik des Bundesrechnungshofes verbreitet werden. Dies ist weit entfernt von einem neutralen Bericht über die wirtschaftlichen Tätigkeiten des Bundes. Ich kritisiere nicht die Parteizugehörigkeit, sondern die Fähigkeit, zwischen Parteilichkeit und sachlicher, neutraler Führung einer Bundesbehörde zu trennen.

Natürlich kann man argumentieren, dass Deutschland “nur” 1,79 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortet. Aber dieses “guck mal, die anderen” hilft nicht, wenn “die anderen” so viel besser sind als wir. China z.B. erreicht schon 2025 die CO2-Reduktionsziele von 2030 und baut jährlich mehr neue Solaranlagen, als derzeit weltweit insgesamt existieren. Deutschland hat ungefähr 1 % der Weltbevölkerung, aber wir emittieren doppelt so viel CO2 pro Kopf, außerdem ist sehr viel unseres Konsums an chinesische Produzenten ausgelagert. Ehrlich gerechnet ist unser ökologischer Rucksack also noch viel größer als 2 %.

Alle Länder haben sich 2015 auf das Paris-Ziel geeinigt. Dieser Beschluss hat seit 2016 Gesetzeskraft in Deutschland. Die USA investieren die unglaubliche Summe von 390 Mrd. Dollar in die Energiewende - das ist nahezu ein deutscher Jahresetat! Lindner hat es mit seiner dummen Sparpolitik geschafft, dass schon zwei große Solarpanel-Hersteller aus Deutschland abgezogen sind und nun im Ausland produzieren. Damit geht Deutschland wichtiges Knowhow für einen Zukunftsmarkt verloren. Aber hey, wir investieren 150 Mio. Euro in eine Firma für Fantasie-Flugtaxis, dafür streichen wir 99 % des Etats für Digitalisierung und die Förderung für neue Batteriespeicher.

Weiterhin verlangt Hr. H., dass wir keine doppelten Infrastrukturen für die Stromerzeugung aufbauen oder vorhalten. Vor diesem Problem stehen wir derzeit gar nicht, weil noch deutlich Luft nach oben ist beim Ausbau der Erneuerbaren Energiequellen. Erst mit einem Sättigungsgrad von deutlich über 80 % müssen wir zusehen, dass auch die Stromspeicher mit dem Ausbau mithalten, damit wir für (seltene!) Flauten genügend “Vorrat” haben. Auch hier liegt Deutschland gut dabei: pro Jahr werden mehrere GWh Kapazität neu gebaut. Aktueller Stand ist z.B. 24 GWh bei Pumpspeichern und 11 GWh bei Batteriespeichern. Optimaler Standort für neue Batteriespeicher sind stillgelegte Kraftwerke, weil hier die vorhandenen elektrischen Anschlüsse genutzt werden können, aber es werden auch mehrere 100.000 private Kleinspeicher pro Jahr neu installiert.

Gegner der Energiewende argumentieren immer gern mit der “Grundlast” und den permanent laufenden Kraftwerken. Wenn die Elektrifizierung in allen Bereichen weiter so zügig voranschreitet wie es 2023 verspricht, werden wir generell weniger Strom benötigen. Hierzu ein Beispiel: mit einem durchschnittlichen Windrad kann man E-Fuels für 250 Verbrenner-Autos herstellen. Man kann damit aber auch 1.600 E-Autos direkt betanken.

Die “Grundlast” ist ein Märchen aus der Vergangenheit, weil sich Kohle- und Kernkraftwerke nur im Zeitraum von mehreren Stunden regeln lassen (ein- und ausschalten) und deshalb nahezu permanent laufen mussten. Deshalb haben bislang diese schmutzigen Kraftwerke die Stromleitungen “verstopft” und die schnell regelbaren Wind- und Solaranlagen mussten abgeschaltet werden. Jetzt werden weitere 7 schmutzige Kohlekraftwerke abgeschaltet. Die nötigen Kapazitäten für Engpässe werden zukünftig mit schnellen Gaskraftwerken abgedeckt, die man innerhalb von Minuten regeln kann. Die neuen modernen Gaskraftwerke werden außerdem “Wasserstoff-ready” sein, so dass man sie zukünftig auch mit grünem Wasserstoff ohne CO2-Ausstoß betreiben kann. Dies ist einer der wenigen sinnvollen Anwendungsfälle, wo das Speichermedium Wasserstoff wieder für die Stromerzeugung herangezogen wird - im großindustriellen Bereich.

17.05.2024

Was genau war da mit den #AKWFiles? - Leserbrief

[veröffentlicht am 17.05.2024]

Die Glosse von Hr. Deutschländer am 29.04. hat ja wenigstens eine klare Aussage: die Regierung soll sich auflösen, am besten vorgestern, damit die FDP wenigstens jetzt noch eine kleine Chance hat, bei Neuwahlen wieder in den Bundestag zu kommen.

So klar drückt sich Hr. Anastasiadis am 27.04. nicht aus: er kann sich nicht entscheiden, welche Richtung seine Glosse nehmen soll: will er hauptsächlich über das Stürmchen im Wasserglas schreiben, das gerade vom Cicero-Magazin als angeblicher Skandal “aufgedeckt” wurde, oder will er die Verschwörungstheorie pflegen, dass die Öffentlich-Rechtlichen Medien nicht darüber berichten würden.

Zur Einordnung: “Cicero” hat vom Wirtschaftsministerium ein paar Aktenvermerke (genauer: zwei Aktenordner) zusätzlich bekommen, die die Entscheidungsfindung vor der Abschaltung der letzten drei Kernkraftwerke dokumentieren. Das rechtslastige Magazin wertet dies als großen Erfolg, weil dazu ein Gerichtsurteil “nötig” war. Insbesondere ein Vermerk wird als Beweis für ein “grünes Netzwerk” zitiert: eine Anmerkung eines Referenten, dass man die KKW weiterbetreiben könne, was allerdings mit hohen Risiken verbunden sei. Das Stürmchen im Wasserglas besteht darin, dass dieser Vermerk nicht an Habeck weitergeleitet wurde. Damit das funktioniert, kürzt “Cicero” den Vermerk und lässt einen wichtigen Teil weg.

Das ist äußerst unredlich: hier wird unvollständig und aus dem Zusammenhang gerissen zitiert. Insbesondere wird hier ein Fass aufgemacht, weil auf einer der untersten Entscheidungsebenen ein kurzer Text geschrieben wurde, den - Skandal! - Habeck nicht zu lesen bekam. Dies zeigt entweder Vorsatz oder völlige Unkenntnis, wie ein Ministerium mit 2.400 Mitarbeitenden funktioniert. Beides ist enorm traurig, lässt es doch Rückschlüsse auf die journalistische Qualität des “Cicero” und des Glossisten der WZ zu. Natürlich erhält Habeck nicht jeden Aktenvermerk. Ein “Referent” ist ein rangniedriger Sachbearbeiter, über dem noch diverse Gruppen- und Abteilungsleiter den Informationsfluss filtern und steuern.

Schlussendlich formuliert der Aktenvermerk auch doch nur aus, was dann auch tatsächlich passiert ist: die KKW sind (wider besseres Wissen) noch drei Monate im “Streckbetrieb” künstlich am Leben erhalten worden. Der vom “Cicero” gekürzte Teil enthält das vollkommen unwichtige (Vorsicht Sarkasmus) Detail, dass alle KKW-Betreiber in Gesprächen schwerwiegende Einwände gegen den Weiterbetrieb hatten, sowohl in Hinblick auf die seit Jahren ausgesetzten Sicherheitsüberprüfungen, als auch in Hinblick auf die Restkapazität der Brennstäbe. Der “Streckbetrieb” erfolgte ja dann auch mit stark reduzierter Stromerzeugung. Habeck hat also entschieden, was der Aktenvermerk als “riskant” beschreibt, auch ohne ihn konkret zu kennen, zumal die Öffentlichkeit bereits wochenlang darüber diskutierte.

Schaut man genauer hin, sieht man seit längerem ein System, mit Dreck zu werfen, in der Hoffnung, dass irgend etwas hängen bleibt: zuerst der Versuch eines bis dahin auch eher unbekannten Onlinemagazins “Multipolar” (laut Wikipedia ein “verschwörungstheoretisches Alternativmedium”), aus RKI-Akten eine “Aufarbeitung” der Corona-Pandemie zu lancieren, und nun, wenige Tage später der nächste Versuch von rechts: der Verlag, in dem “Cicero” erscheint, gehört zur Hälfte dem CDU-Mitglied Dirk Notheis, der z.B. auch am milliardenschweren, überteuerten Rückkauf von EnBW-Aktien durch Baden-Württemberg eine dubiose Rolle gespielt haben soll, damals im Vorstand von Morgan Stanley.

Hieraus nun zu konstruieren, dass die “Öffentlich-Rechtlichen Medien” wichtige Nachrichten unterdrücken, ist weit hergeholt: die ÖR haben nach journalistischer Prüfung festgestellt, dass es so gut wie nichts dramatisches zu berichten gibt, und dementsprechend gab es “nur” Randnotizen statt meterhoher Schlagzeilen. Diese minimale Recherchearbeit zur Einordnung von Themen wäre den Glossisten der WZ ebenfalls zu wünschen.