27.04.2022

"Endemisch" heißt nicht "harmlos" - Leserbrief

Heute war wieder der Tag der grausamen Leserbriefe in unserer regionalen Tageszeitung, der WZ.

Einer stach besonders hervor: eine Mathematikerin (nach eigenen Angaben) schrieb, dass das Virus endemisch werde, dass die beste Vorgehensweise eine durchstandene Infektion sei und dass man nach einer Infektion immun sei. Das ist sehr traurig, weil nichts davon stimmt und damit nur die Argumentationslinie von Streeck und Konsorten aufgegriffen wird, alles laufen zu lassen ("wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben" ...).

[veröffentlicht am 22.04.22]

Frau B. schreibt, dass wir in einem Stadium der Pandemie angelangt seien, in dem wir das Virus als normalen Bestandteil unseres Lebens akzeptieren sollen. Sie argumentiert damit, dass das Virus mittlerweile endemisch sei und die beste Vorgehensweise eine durchstandene Infektion sei, und dass man nach einer Infektion immun sei.

Leider stimmt nichts davon: "endemisch" ist nur der Fachbegriff für eine weite Verbreitung einer Krankheit. Das heißt nicht automatisch, dass die Krankheit deswegen harmlos geworden ist. Tuberkulose und Malaria sind auch endemisch und gute Gegenbeispiele dafür, dass das Wort "endemisch" allein keine Begründung sein kann.

Dinge einfach laufen zu lassen, führt zu den katastrophalen Ergebnissen wie in Dänemark und Schweden. Diese Länder haben absichtlich auf das Prinzip "Durchseuchung" gesetzt, wie eine Untersuchung letzte Woche aufgedeckt hat.

Wir wissen inzwischen genau, dass weder eine durchstandene Infektion noch eine Impfung eine Immunität hervorruft. Das Risiko, bei einer Infektion schwer zu erkranken, ist nicht zu vernachlässigen, deswegen ist eine Impfung die einzige sinnvolle Möglichkeit, das Risiko bei erfolgter Infektion so weit wie möglich zu reduzieren. Alles andere (AHA+L+A usw.) sind Hilfsmaßnahmen, die zusätzlich erforderlich sind oder waren.

Der Verlauf einer durchstandenen Infektion gibt außerdem keinerlei Hinweises darauf, dass die nächste Infektion denselben Verlauf haben wird. Jede Infektion kann harmloser oder schlimmer aufallen.

Es gibt zwar Forschungsansätze, dass manche Menschen immun zu sein scheinen, weil ihr Immunsystem andere Marker des Virus erkennt, so dass sie nicht auf das Spike-Protein reagieren, sondern auf Teile des Virus, die für dessen Reproduktion nötig sind und kaum mutieren. Diese Forschung könnte irgendwann zu besseren Impfstoffen führen, aber das ist noch Zukunftsmusik.

Wenn wir nicht alles daran setzen, die Infektionen zu reduzieren, bieten wir mit jeder Infektion dem Virus die Chance zu mutieren, und niemand kann vorhersagen, ob die neuen Mutationen harmloser oder gefährlicher sein werden.

Abgesehen davon gibt es immer mehr Hinweise darauf, dass viele Infizierte (je nach Studie um die 10%) ein oder mehrere Post- oder LongCovid-Symptome entwickeln. Diese Auswirkungen auf das Gesundheitssystem und den Arbeitsmarkt sind langfristig überhaupt noch nicht absehbar.

23.04.2022

was ist das "Institut Mobile Zukunft"? - Leserbrief

Mitte März druckte die WZ ein großes Interview mit einem Vertreter des "Instituts für mobile Zukunft" (IMZU), Johannes Hübner. Das Institut wurde als Sammlung von Experten für quasi alles und jedes vorgestellt. Das machte mich neugierig und ich versuchte herauszufinden, welche Experten das sind und in welchen Fachgebieten sie das sind.

Außerdem fragte ich die Redaktion der WZ, wie das Interview zustande kam, ob Hr. Hübner sich als Interviewpartner anbot oder ob die WZ auf ihn zuging, um ein Interview zu führen. Diese Frage wollte die WZ-Redaktion nicht beantworten, da grundsätzlich keine Interna zu redaktionellen Entscheidungen nach außen gegeben würden. Ich denke aber, das beantwortet sich von selbst.

Spoiler: es sind im Wesentlichen Experten für bezahlte PR, das Interview erschien auch in anderen Blättern der Ippen-Verlagsgruppe (FR, FNP u.a.). Das schrieb ich der WZ in einem Leserbrief. Respekt trotz allem dafür, den Leserbrief abzudrucken.

Mit Hr. Hübner hatte ich nach Veröffentlichung einen eher schrägen Emailaustausch, in dessen Verlauf ich einen "Fragebogen" ausfüllen sollte, um mich zu "identifizieren". Vermutlich ist damit gemeint, dass Hr. Hübner herausfinden wollte, wie ich zum Klimawandel stehe. Er blieb hartnäckig bei der Behauptung, dass sich der CO2-Anteil in der Atmosphäre nicht verändert hat. Seine wissenschaftlichen Kenntnisse erschöpfen sich darin, zu behaupten, dass 1 Liter Kraftstoff (850 g Diesel) nicht zu 2,6 kg CO2 verbrennen könne. Also Chemie: setzen, sechs.

Aus Platzgründen nicht mehr in den Leserbrief gepasst hat eine Beispielrechnung, warum eine Halbierung der Mehrwertsteuer auf Kraftstoffe keine besonders große Entlastung darstellt. Nebenbei gibt es eine rechtliche Hürde: die Mehrwertsteuer ist EU-weit harmonisiert, es gibt Mindestsätze von 15 bzw. 5 %, die die Mitgliedsstaaten nicht unterschreiten dürfen. Eine Halbierung ist also gar nicht möglich. Die Corona-bedingte Reduzierung auf 16 bzw. 5% war schon hart am rechtlichen Limit. Kraftstoffe stehen übrigens auf einer Liste von Waren, die ausdrücklich nicht für die reduzierte Mehrwertsteuer in Frage kommen, also könnte der Staat auch nicht einfach den Satz für Kraftstoffe auf 7 % senken.

Die Preissteigerung beim Benzin und Diesel dem Finanzamt anzulasten, ist unterkomplex.
Einfach mal als Rechenbeispiel, wieviel Einfluss die Mehrwertsteuer auf den Preis hat:

Zur Vereinfachung der Rechnerei mal angenommen, Diesel hat vor der Erhöhung 1,50 gekostet, davon sind dann 0,24 MwSt. (1,50 geteilt durch 1,19).

Jetzt kostet Diesel 2,00, davon sind dann 0,32 MwSt., ohne MwSt. also 1,68 (2,00 geteilt durch 1,19).

Diesel mit halbierter MwSt. (ich rechne mit 1,09) würde dann 1,83 kosten (1,68 mal 1,09), die MwSt betrüge 0,15 statt 0,32.

Eine Halbierung der MwSt auf Diesel würde den Verbraucher also um gigantische 17 Cent pro Liter entlasten, bei einem Tankinhalt von 50l macht das immerhin 8,50 pro Tankvorgang. Diese Entlastung wäre ziemlich ungerecht, weil sie PKW mit hohem Verbrauch massiv bevorteilt. Wer ein dickes Auto und/oder weite Strecken fährt und deswegen viel verbraucht, hat also deutlich mehr von dieser selektiven Steuerentlastung als Autofahrer mit einem kleinen Auto, wenig Fahrtstrecke oder Personen, die gar kein Auto fahren. Da die meisten Firmenwagen mit Diesel fahren, fehlt hier jeglicher Anreiz, spritsparend zu fahren - es zahlt ja die Firma und nicht der Fahrer.

[abgedruckt am 31.03.2022]

Das „Institut Mobile Zukunft (IMZU)“ hat seinen Sitz angeblich in Friedberg, auch wenn das Impressum der Website Frankfurt nennt. Die WZ feiert die „Experten für Fachrichtungen der Wissenschaft, Technik, Politik und Gesellschaft“ – also Experten für quasi alles, und das so nah!

Nur verwunderlich, dass man über das IMZU so gut wie nichts findet, wenn man recherchiert. Die Namen im Impressum sind unbeschriebene Blätter in der Welt der Klimawissenschaft, man erfährt von der Website nicht, welche Fachgebiete die „Experten“ beherrschen und inwieweit sie darin Besonderes geleistet haben. Die letzte offizielle Publikation war von 2020, kurz nach dem Beginn der Corona-Pandemie. Die Titel der aufgeführten Werke lassen eher auf eine Nähe zur Industrie schließen als auf „Unabhängigkeit“. Sogar noch 2015 findet sich ein Beitrag „Irrweg Elektromobilität“, und der Klimawandel durch CO2 wird schlicht geleugnet. Zitat: „die behauptete Anreicherung der Atmosphäre mit CO2 und NOx seit Beginn der Industrialisierung ist in der Atmosphäre nicht nachweisbar - die o.a. Zusammensetzung der Atmosphäre ist, wie obige Fakten belegen, seit Jahrhunderten gleich.“

So weit kann es mit der Kompetenz des Gremiums nicht her sein, wenn alle sonstigen Fachleute den Vorstoß Lindners zu Rabatten in der Luft zerreißen, sogar die Tankstellenbetreiber, die eine ausufernde Bürokratie bei der Rückerstattung des Rabatts befürchten.

Ein paar weitere Nachforschungen über dieses „Institut“ und damit verbundene Namen lässt erkennen, dass die weiteren an IMZU Beteiligten trotz beeindruckender akademischer Titel im Wesentlichen Journalisten und PR-Profis sind, die das schreiben, was ihre Auftraggeber bestellen und bezahlen: Johannes Hübner - Institut für zielgerichtete Kommunikation, Johannes Hübner autoconsult, Johannes Hübner PubliZitat, Das Fuhrwerk - Alfred F. Fuhr - AIVS, Dr. Susanne Roeder (Doktortitel in englischer Philologie).

Die fragwürdige Kompetenz erkennt man daran, dass Hr. Hübner eine Senkung der Steuern fordert und behauptet, dass die Preissteigerung auf die Steuern zurückzuführen ist. Aber: die Energiesteuer auf Diesel und Benzin beträgt fix 47 bzw. 65 ct. Der Löwenanteil der Preissteigerung fließt an die Mineralölfirmen! Natürlich steigt auch der Mehrwertsteueranteil, aber im Verhältnis ist das nur ein kleiner Teil (Details beim Datenjournalisten Kreutzfeldt). Die Erdölfirmen machen sich nun mit Spekulationsgewinnen die Taschen voll, sogar das Kartellamt ist eingeschaltet.

Die Gaspipeline Nordstream 2 war von Anfang an eine Totgeburt, und als Nebeneffekt der derzeitigen Krise freuen sich die Amerikaner, dass Europa nun dreckiges, umweltschädliches Frackinggas aus den USA bezieht.

Die Gasspeicher, die nun nur zu 30% gefüllt sind, sind eine Folge der Kündigung von langfristigen Lieferverträgen zugunsten von Einkäufen auf dem Spotmarkt. Das mag vor einiger Zeit aus BWL-Sicht billiger gewesen sein, aber man hat dabei der Hoffnung auf weiterhin niedrige Preise Vorrang vor Versorgungssicherheit gegeben und sich verzockt. Die Speicher selbst sind gar nicht mehr in deutschem Besitz, man hat sie vor einiger Zeit verkauft – Überraschung: an Gazprom.

Abgesehen davon ist es absolut sinnvoll, dass Diesel teurer ist als Benzin, denn Diesel ist deutlich umweltschädlicher als Benzin, und selbstverständlich sollte sich das bei der CO2-Bepreisung auch widerspiegeln. Ein Liter Diesel verbrennt zu ca. 2,6 kg CO2, ein Liter Benzin zu 2,3 kg CO2. Die derzeitige CO2-Abgabe war von Anfang an zu niedrig angesetzt und müsste noch deutlicher steigen. Die ersten Kipppunkte sind überschritten, wir haben effektiv nur noch knapp 5 Jahre, um deutliche ökologische Verbesserungen zu erzielen. Dazu gehört auch, die Blockade des Neubaus von Windkraftanlagen aufzuheben, z.B. die 10H-Regel. Der Flächenverbrauch von Windkraftanlagen ist lächerlich gering, und durch die Aufforstung an anderen Standorten gibt es sogar netto einen Gewinn an Bewuchs. Die Mär vom gefährlichen Infraschall ist lang widerlegt und resultiert nur aus einem Rechenfehler, und Hauskatzen töten jährlich mehr Vögel als alle Windkraftanlagen zusammen.