07.06.2021

Impfgegner wollen gar nicht diskutieren

Ich bin ein großer Anhänger von sachlichen Diskussionen. Es gibt immer eine Grundlage, auf der sich zwei Menschen unterhalten können.

Dachte ich bislang.

Weit gefehlt.

Um zu verstehen, wie Impf- und Maskengegner argumentieren, wurde ich Mitglied einer Facebookgruppe "Eltern stehen auf ... gegen Tests an Kindern, Maskenpflicht und Impfen" (oder so ähnlich). Ich wollte für meine Arbeit als Elternbeirat verstehen, wie Impf- und Maskengegner argumentieren. Das Logo ist allein schon sehr bezeichnend.

 

Eine Zeit lang las ich schweigend mit und fand einige mäßig richtige, aber immer noch zivile Diskussionen, hauptsächlich aber Beiträge mit Verweisen auf Onlineartikel. So weit, so langweilig.

Ein übliches Werkzeug in diesen Kreisen ist die Forderung, "sich selbst zu informieren". Daher ist kaum verwunderlich, dass die meisten Beiträge solche Verweise sind. Offensichtlich hat man hier viel Zeit zum Lesen von Artikeln und Schauen von Videos, um "sich zu informieren". Die Stoßrichtung der Beiträge war klar gegen Impfen, Masken und andere Pandemiemaßnahmen gerichtet, also nix von wegen objektiver, sachlicher Diskussion aller Positionen.

Es ist ein sehr bequemer und gern genommener Weg der Wissenschaftsleugner: sie argumentieren nicht selbst, sondern verweisen immer wieder auf "Quellen" und wenn man sich dem Zeitaufwand verweigert, den angebotenen Quellen zu folgen, setzt man sich in deren Augen sofort in die Verliererposition, weil man ja nicht diese Quellen lesen/schauen und beurteilen will. Behelfsweise wird dann auch noch behauptet, die Ablehnung der Quelle (wie z.B. "Tichys Einblick", RT usw.) zeige die eigenen Vorurteile, sich aus allen Quellen zu informieren.

Interessant ist, dass die meisten Beiträge gefühlt von Frauen kamen (dieselbe Beobachtung macht auch Sascha Lobo) - mir sind kaum Posts von männlichen Teilnehmern aufgefallen, wobei ich natürlich zugeben muss, dass dies nur eine empirische Feststellung ist.

Dann folgte ein Beitrag, unter den ich unvorsichtigerweise einen Kommentar schrieb. Der Beitrag war auf mehreren Ebenen so krass, dass ich mich dazu hinreißen ließ. Er bestand aus einer Aufzählung von sachlich falschen Behauptungen wie "Kinder erkranken nicht schlimm und wenn, verbreiten sie das Virus nicht", gefolgt von "Impfungen schützen nur andere, nicht die Kinder".

Nach zwei Antworten auf meinen Kommentar ("Sicher, dass Sie in der richtigen Gruppe sind?") wurde ich stante pede aus der Gruppe entfernt, obwohl die Gruppenrichtlinien nur fordern, "nett" zu sein. Auf meine Nachfrage bei der Moderatorin wurde es dann richtig unfreundlich und dogmatisch.

 

Na ja, was soll ich sagen: ich vermisse die Gruppe nicht - die üblichen Behauptungen, die sich leicht sämtlich widerlegen lassen.

Was ich aber erschreckend finde: es besteht keinerlei Bereitschaft zum Gespräch. Wenn eine unbequeme Gegenposition erscheint, wird das Gespräch abgebrochen. Das ist natürlich in einer "privaten" Facebookgruppe besonders einfach. Erschreckend ist besonders, dass hier eine Moderatorin selbstgerecht einen Ausschluss durchführt, auch wenn nicht formal gegen die Gruppenregeln verstoßen wurde. Meine Äußerungen im Kommentar waren "Grund genug".

Daraus ergeben sich für mich einige Schlussfolgerungen: Menschen finden sich über soziale Netzwerke zu Gruppen zusammen und kapseln sich dort ab. Das ist keine "Filterblase", das ist wie ein Bunker, in dem sich Gleichgesinnte einigeln und nichts an sich heran lassen, was ihrer einmal gefassten Überzeugung widerspricht. Sie bestärken sich gegenseitig darin, nichts in ihr kleines Weltbild zu lassen. Diese Solidarität schaukelt sich gegenseitig immer weiter auf.

Die Antwort auf meine Nachfrage, gegen welche Verhaltensregel der Gruppe ich verstoßen habe, kam dann als private Nachricht, gefolgt vom Titelbild der Gruppe (warum auch immer). Die Gruppe gibt sich also Regeln und hält sich selbst nicht daran, sondern stellt das angebliche Gruppeninteresse, repräsentiert durch eine Moderatorin, über das Einhalten der Regeln. Das passt wie die Faust auf's Auge, was man von Querdenkerdemonstrationen und ähnlichen Veranstaltungen immer wieder in den Medien sehen kann: militante und gewaltbereite Teilnehmer ohne Reflexionsvermögen, die beharrlich alles verweigern, was nicht in ihr kleines Weltbild passt.