17.04.2018

Leserbrief zur Diskussion über Impfpflicht

Tja nun, die WZ dachte sich wohl "wir brauchen mehr Klicks" und hat auf Facebook eine Diskussion angefangen über das Impfen und die Impfpflicht.
Wen wundert's - die Impfgegner gießen die üblichen Verschwörungstheorien und wilden Behauptungen in die Kommentare unter den Facebook-Beitrag.

Ein paar Tage danach folgt dann ein scheinheiliger Artikel in der gedruckten Ausgabe, der die Facebook-Kommentare zusammenzufassen versucht.
Garniert wird der Artikel von einem "Pro"- und einem "Kontra"-Kommentar von zwei Redakteuren der WZ.

Es ist absolut in Ordnung, dass jeder eine Meinung hat und sie auch äußern kann - aber wenn man zu einem Thema inkompetent ist, sollte man vielleicht einfach mal das Motto von Dieter Nuhr beherzigen ("wenn man keine Ahnung hat ..."). Insbesondere regt es mich unglaublich auf, wenn Impfgegner mit harten wissenschaftlichen Fakten konfrontiert werden und das mit einem Achselzucken abtun. Schade ist nur, dass die meisten Impfgegner eine starke Meinung haben und keinerlei Hemmungen, dies auch öffentlich kund zu tun, aber sie erkennen leider nicht, dass diese Meinung falsch ist - ein schönes Beispiel für den Dunning-Kruger-Effekt ;-)

Das gute an Wissenschaft ist: sie funktioniert auch, wenn man nicht daran glaubt. Das Schlimme an Impfgegnern: wenn sie nicht daran glauben und das Impfen verweigern, gefährden sie nicht nur sich selbst (das wäre mir ja noch egal), sondern auch jeden anderen, den sie anstecken könnten.

[Der Leserbrief wurde am 14. April 2018 veröffentlich.]


Leserbrief zur Diskussion über Impfen und Impfpflicht (Facebook und gedruckt)
Liebe WZ-Redaktion,

was hat Sie denn geritten, dieses Fass aufzumachen? Geht es um Klicks und Onlinewerbung?

Beim Impfen kann es eigentlich gar keine Diskussion mehr geben. Das Thema ist medizinisch hervorragend erforscht.
Statistisch gesehen gibt es überhaupt keinen einzigen Grund, gegen das Impfen zu sein.
Durch Schutzimpfungen sind viele Krankheiten nahezu ausgerottet.

Stattdessen eröffnen Sie die Diskussion auf Ihrer Facebookseite erneut und bieten dadurch Impfgegnern eine willkommene Plattform, um größtenteils unwidersprochen Behauptungen in die Welt zu setzen und zu wiederholen, dass das Impfen "nutzlos" sei und mehr Schaden verursache als es Gutes tue.

In Venezuela sind seit Jahresbeginn mindestens 54 ungeimpfte Kinder an Masern gestorben. 2016 galt das Land noch als masernfrei.

In Serbien gab es eine Masernepidemie mit 4000 Ansteckungen und fast 20 Toten.

Die Diskutanten, die lautstark in den Facebook-Kommentaren Verschwörungstheorien über die Geldgier der Pharmakonzerne äußern, sind dieselbe Sorte Mensch, durch deren Schuld in Berlin vor kurzem Masern mit über 700 Ansteckungen und einem toten Säugling ausgebrochen sind.

Als Krönung des Ganzen darf Frau Kaufmann in ihrem "Kontra"-Kommentar in der Druckausgabe noch zeigen, dass sie in der Schule nicht aufgepasst hat, als das Grundgesetz besprochen wurde. Sie fabuliert munter drauflos, dass das Recht auf körperliche Unversehrtheit im Grundgesetz verankert ist und nicht durch eine Impfpflicht gebrochen werden kann. Dabei vergisst sie leider die Tatsache, dass alle Grundrechte nicht absolut gelten, sondern immer gegeneinander abgewogen werden müssen. Jedes Grundrecht findet seine Grenzen dort, wo die Grundrechte anderer verletzt werden, und das ist beim Impfen ganz klar der Fall. In Deutschland gab es jahrelang eine Impfpflicht gegen die Pocken. Das Bundesverwaltungsgericht entschied schon 1959, dass die verpflichtende Pockenschutzimpfung mit dem Grundgesetz vereinbar sei.

Es kann nicht sein, dass ein dogmatischer Impfgegner sich oder seine Kinder nicht impfen lässt und sie damit zu Trägern der Erreger macht. Dabei verletzt er nämlich offensichtlich das Recht auf körperliche Unversehrtheit aller Personen in seinem Umfeld. Wenn es hier Neugeborene oder Menschen mit Immunschwäche gibt, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können, provoziert er damit vorsätzlich deren Ansteckung und Gefährdung.
Manche Impfungen kann man erst ab einem Mindestalter impfen. Wenn nun die Mama das große Kind im Kindergarten abliefert und hat ihren 2 Monate alten Säugling dabei, dann ist so ein Schild an der Eingangstür "wir haben einen Fall von Masern" für mich schon vorsätzliche Körperverletzung, begangen von den Eltern, die ihr Kind nicht impfen lassen und trotzdem in den Kindergarten geben.
Es heißt nicht "Kinderkrankheit", weil es so ungefährlich ist, sondern weil hauptsächlich ungeschützte Kinder daran erkranken und womöglich sterben.

In Deutschland wurden in 10 Jahren ca. 180 Fälle von Impfschäden gemeldet, die meisten davon Bagatellen wie Fieber oder Hautausschlag. Statistisch ist ohne Impfung in derselben Zeit allein mit 800 Maserntoten zu rechnen, die sonstigen Folge- und Dauerschäden noch gar nicht eingerechnet. Natürlich ist jeder Impfschaden eine schlimme Sache für die Betroffenen, aber die Chance auf ein sorgenfreies, langes Leben ist mit Impfung wesentlich höher.

Eine Langzeitstudie an der Charité in Berlin hat übrigens festgestellt, dass der plötzliche Kindstod (SIDS) statistisch wesentlich seltener bei Säuglingen auftritt, die gegen Keuchhusten, Diphtherie und Polio geimpft sind.

Ich sehe das so ähnlich wie beim Führerschein oder beim Gesundheitspass für Beschäftigte in der Lebensmittelverarbeitung: ohne Schein kein Rein. Ganz einfach. Ohne Impfung kein Zugang zu öffentlichen KiTas, Schulen usw. Eine Impfpflicht muss es nicht geben - es steht jedem frei, das Risiko für sich einzugehen. Aber niemand darf für sein Umfeld entscheiden.

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