Diese unbewiesene Behauptung wird vom Bildblog eindrucksvoll widerlegt.
Ein Leserbriefschreiber setzt in der WZ noch einen drauf. Er rundet die 70% zu 80% auf und behauptet aus dem Handgelenk, dass 30% davon "Kampferfahrung" hätten.
Daraufhin habe ich die Zahlen aus dem Bildblog-Artikel mal nachgerechnet und einen Leserbrief als Antwort geschrieben.
Leserbrief zum Leserbrief von Hr. B. (WZ 11.11.15)
Hr. B. verwendet unreflektiert Statistiken, die seit Wochen im Internet, z.B. bei Facebook, verbreitet werden. Niemand aber macht sich die Mühe, diese Zahlen in Frage zu stellen. Eine Statistik darf man aber nur bewerten, wenn man versteht, wie sie zustande kommt!
Im Internet kursiert eine Zahl von angeblich mehr als "70" %, je nach Beitrag und Intention sind dies dann Flüchtlinge oder Asylbewerber.
Hr. Becker rundet großzügig auf und behauptet mal eben, dass "80" % davon junge Männer seien.
Genauso locker aus dem Handgelenk entfließen ihm, dass davon 30 % "Kampferfahrung" hätten.
Woher stammt diese Zahl? Was war die ursprüngliche Frage, die dann in dieser Zahl resultiert? Was genau bedeutet "Kampferfahrung"? Fragen über Fragen.
Ich war mal vor über 30 Jahren bei der Bundeswehr. Je nach Fragestellung müsste ich wohl auch mit "ja" antworten.
Die Realität folgt leider - oder zum Glück - nicht den Behauptungen aus dem Internet, diesem unerschöpflichen Quell von Wissen und Gerüchten.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) teilt derzeit diese realen Zahlen mit, wenn man sich die Mühe macht zu fragen:
Für die von Januar 2015 bis einschließlich September 2015 gestellten Asyl-Anträge (gesamt 303443):
Altersgruppe männlich weiblich %männlich
relativ%männlich
insg.bis unter 16 43.482 36.743 54 14 16 bis unter 18 9.706 2.948 77 3 18 bis unter 25 56.539 14.743 79 19 25 bis unter 30 34.517 11.685 75 11 30 bis unter 35 23.075 9.858 70 8 35 bis unter 40 15.213 7.549 67 5 40 bis unter 45 10.058 5.003 67 3 45 bis unter 50 6.263 3.336 65 2 50 bis unter 55 3.513 2.213 61 1 55 bis unter 60 1.870 1.521 55 1 60 bis unter 65 965 839 53 0 65 und älter 834 967 46 0 unbekannt 2 1 67 0 Gesamt 206.037 97.406 68 68
Um auf die Aussage "fast 70 %" zu kommen, muss man den Prozentsatz pro Altersstufe einzeln betrachten, aber daraus darf man dann natürlich nicht die bösartige Schlussfolgerung ziehen, dass dies "70 % aller Flüchtlinge" seien.
Falls man "junge Männer" zwischen 18 und 35 Jahre zählt, sind es also nicht 70 %, sondern ca. 40 %, bezogen auf alle Flüchtlinge (eben 303443).
Selbst wenn man "junge Männer" von 16 bis 40 Jahre addiert, kommt man nur auf 46 %.
Es stimmt, dass überwiegend männliche Flüchtlinge in Deutschland Asyl suchen (rund 70 %).
Doch fast die Hälfte davon ist entweder minderjährig oder älter als 35.
Den Hetzern kommt dabei zugute, dass durch die Betonung des (falsch berechneten) "junge Männer"-Anteils ein anderer Ausschnitt der (tatsächlichen) Migrationswirklichkeit verzerrt wird: der Anteil der Kinder.
Der - sonst eher auf Esoterik spezialisierte - "Kopp-Verlag" behauptet: "70 % der Flüchtlinge sind junge, alleinstehende Männer - es gibt kaum Kinder."
Die Rechnung scheint nicht schwer: Wenn schon 70 % der Flüchtlinge junge Männer sind, kommen noch alte Männer dazu, dann junge Frauen, alte Frauen - da muss die Zahl der Kinder ja gering sein.
In Wahrheit aber ist fast jeder dritte Flüchtling minderjährig, jeder vierte ist jünger als 16.
Allein in diesem Jahr haben laut BAMF bis Ende September fast 7.500 unbegleitete und 85.000 begleitete Minderjährige Asylanträge gestellt.
Die Statistiken für 2014 sehen übrigens ähnlich aus: Anteil der jungen Männer: 37 %. Anteil der Kinder unter 16: 28 %.
(Quelle der Zahlen: BAMF und bildblog.de/73416).
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