14.01.2025

"Die Energiepreise sind zu hoch" - Leserbrief

[veröffentlicht am 14.01.2025, Änderungen der Red. sind markiert]

Der Glossist Sattler wünscht sich eine bessere wirtschaftliche Entwicklung und sieht - natürlich - die Schuld bei Scholz. Die Börsenentwicklung beim DAX passt ihm aber nicht in die Argumentation, deshalb wirft er gleich noch den MDAX und SDAX in seine Glosse mit dazu, denn die hätten sich ja schlecht entwickelt. Schaut man aber genauer hin, sind die Werte in beiden Börsenindizes nur minimal gefallen, und es gibt auch deutlich positive Meldungen: die Firma, die als Spitzenreiter für 2024 bei boerse.de genannt wird, legte z.B. im Aktienwert um fast 120 % zu, der Nachfolger hat immer noch 75 % gegenüber dem Vorjahr hinzugewonnen. Es ist also nicht alles so schlecht, wie es Sattler herbeireden will.

Ich frage mich bei jeder Glosse von Sattler erneut, woher er seine Informationen bezieht: er beweint die “hohen Energiepreise”, dabei ist der durchschnittliche Strompreis von 36 auf 25 ct pro Kilowattstunde gefallen, für Industriekunden sogar auf ca. 18 ct. Allein im Vergleich zum Vorjahr ist der Großhandelspreis um fast 20 % gefallen! Nebenbei ist das eine Nebelkerze: der Strombedarf der Industrie beträgt im Schnitt nur ungefähr 3 % der Betriebskosten. Wir sollten unbedingt beim Ausbau der Erneuerbare Energien noch besser werden, denn das stärkt die Unabhängigkeit von Öl- und Gasimporten. Der Klimaschutz ist dabei natürlich ein wünschenswerter Nebeneffekt. Deutschland importiert fast 95 % des Öl- und Gasbedarfs, und leider umfasst das auch extrem umweltschädlich gewonnenes Frackinggas und Öl aus dubiosen Quellen, wenn russische Öltanker auf hoher See unbeobachtet ihre Ladung auf Schiffe mit neutraler Beflaggung umpumpen.

Weiter beklagt sich Sattler über Defizite bei der Bildung und die hohen Sozialkosten. Vielleicht sollte man ihm erklären, dass das Bürgergeld eine verfassungsrechtlich notwendige Ausgabe ist? Die Regierungskoalitionen vor der Ampel haben Deutschland 16 Jahre lang kaputt gespart, und dieselben Politiker sollen jetzt nach Sattlers Meinung wiedergewählt werden? Nein danke! Die CDU legt ein Wahlprogramm mit 100 Mrd. Euro Steuersenkungen vor. Wirtschaftsexperten haben vorgerechnet, dass dazu ein illusorisches Wachstum von mehr als 9 % nötig wäre. Die meisten Senkungen kommen den reichsten 10 % (50 Mrd.) zugute. Die FDP gibt sich schon gar keine Mühe mehr, realistisch zu sein: sie plant 188 Mrd. Euro Steuererleichterungen insbesondere für Superreiche. Eine Gegenfinanzierung wird nicht ernsthaft diskutiert. Man könnte ja z.B. die Erbschaftssteuer, die Vermögenssteuer, die Kapitalertragssteuer, Dienstwagenprivileg und viele weitere Vergünstigungen angehen. In Deutschland wird Arbeit fast doppelt so hoch besteuert wie Vermögen (im Schnitt 45 % zu 26 %). Auch die Abschaffung von Tricks wie dem steuerfreien Verschenken von Milliardenbeträgen (Springer, BMW) wären eine realistische Aussicht auf eine gesunde Finanzierung für Bildung und die anstehenden Probleme. Oder man könnte ernsthaft über eine 2 %-Abgabe für Superreiche diskutieren, wie sie auf dem letzten G20-Gipfel nahezu einhellig begrüßt wurde (außer von Deutschland und den USA).

Zum Schluss positive Nachrichten: aus der Versteigerung von Genehmigungen für Windkraftstandorte hat der Staat dieses Jahr über 13 Mrd. Euro eingenommen, und der Ausbau von Windkraft, Photovoltaik und Batteriespeichern ist deutlich über dem prognostizierten Ziel angekommen - all dies trägt zu einer stabilen und umweltfreundlichen Energieversorgung bei. Die immer so panisch herbeigeredete “Dunkelflaute” beim Wetter findet zwar tatsächlich gelegentlich statt, aber mal ehrlich: wann hatten wir den letzten bemerkbaren Stromausfall? Deutschland und Europa haben das stabilste Stromnetz weltweit und selbst wenn eine - Wochen vorher bekannte - Dunkelflaute die Stromerzeugung aus Windkraft und Photovoltaik verringert, gibt es genügend Ersatzkapazitäten. Gegenüber 2023 hat sich der CO2-Ausstoß um 11 % verringert, wir verbrennen sowenig Kohle für Strom wie seit 1959 nicht mehr. Insgesamt gab es in Deutschland 2024 statistisch ganze 13 Minuten Stromausfall.

In diesem Sinne: allen Lesern ein gutes neues Jahr und hoffentlich weniger Märchen von den Glossisten der WZ.

04.01.2025

Plant Belgien wirklich neue Kernkraftwerke? - Leserbrief

[veröffentlicht am 04.01.2025]

Der Leserbrief von Frau K. strotzt von falschen Behauptungen. Offensichtlich sind ihr meine Leserbriefe mit realen Fakten ein Dorn im Auge. Frau K. behauptet, dass Belgien neue Kernkraftwerke plant. Das ist so offensichtlich falsch, dass sie mit ein paar Momenten Lesen z.B. in der Wikipedia festgestellt hätte, dass Belgien ganz im Gegenteil plant, vollständig aus der Kernkraft auszusteigen. Der erste Beschluss dazu stammt von 1999 (!), also noch weit vor der deutschen Entscheidung. Durch die wechselnden Koalitionen gab es ein zeitliches Vor und Zurück, aber die Marschrichtung steht fest: Belgien wird seine sieben Kernkraftwerksblöcke in Doel und Tihange abschalten. Insbesondere empfehle ich Frau K. eine Recherche über die langjährigen Sicherheitsprobleme von z.B. Tihange nah an der deutschen Grenze. Belgien hat kein KKW im Bau und auch keine Planungen für Bau oder Weiterbetrieb der vorhandenen KKW.

Auch die Nennung von Frankreich als Leuchtturm der Kernkraftnutzung ist von vorn bis hinten falsch. Das mehr oder weniger immer noch im Bau befindliche Flamanville 3 hat deutlich mehr als 19 Mrd. Euro gekostet, hat Sicherheitsprobleme mit z.B. defekten Schweißnähten, wird wie alle anderen 56 KKW in Frankreich nächsten Sommer wieder massive Probleme mit fehlendem Kühlwasser haben und läuft wegen Reparaturarbeiten seit längerem schon nur mit 20 % der geplanten Kapazität. Der Bau hat sich um mehrere Jahre verzögert und die Baukosten sind viermal höher als vorgesehen. Solch ein Verlustgeschäft funktioniert nur, wenn der Staat hier unter großen Schmerzen finanzielle Garantien gibt. Habeck hat sogar 2022 vor der Abschaltung der deutschen KKW die französische Regierung angefragt, ob Frankreich nach der Abschaltung noch genügend Strom zur Verfügung hat, mit dem Angebot, die deutschen KKW doch länger laufen zu lassen. Frankreich hat wie so oft im Sommer deutschen Strom importieren müssen.

In England sieht es beim Bau von Hinkley Point C noch viel schlimmer aus: die Baukosten sind auf mittlerweile über 62 Mrd. Euro explodiert, und der garantierte Abnahmepreis für die Kilowattstunde sind 14 ct. Im Vergleich dazu kostet eine Kilowattstunde aus erneuerbarer Stromerzeugung weniger als 4 ct.

Frau K. unterstellt mir einen politisch “grünen” Standpunkt und mutmaßt, dass meine Leserbriefe deswegen entsprechend “gefärbt” sind. Dazu stelle ich fest: Ich habe eine naturwissenschaftliche Ausbildung. Ich bin politisch nicht grün, aber die Grünen sind derzeit die einzige Partei, die sich an naturwissenschaftlichen Fakten orientiert und den daraus resultierenden Schlussfolgerungen überhaupt Taten folgen lassen will. Ich möchte ausdrücklich festhalten, dass es einen Unterschied macht, ob man eine Meinung äußert, z.B. zum Kaufhaus Joh, oder ob man falsche Fakten in die Welt setzt. Es gibt ein Recht auf freie Meinungsäußerung, aber kein Recht darauf, Fake News zu verbreiten und unwidersprochen zu bleiben. Auch die WZ sollte einen journalistischen Anspruch auf Korrektheit für sich in Anspruch nehmen. Für die Allgemeinbildung von Frau K. erlaube ich mir anzumerken, dass ein Abdruck eines Interviews in einer Zeitung von der Pressefreiheit im Grundgesetz geschützt wird und nicht von der Meinungsfreiheit.

Übrigens “lacht das Ausland” gerade nicht über die deutsche Energiewende, sondern ist im Gegenteil bass erstaunt, wie geschmeidig der Ausbau von Photovoltaik und Windkraft vorangeht, nachdem Habeck das BMWK übernommen hat. Deutschland hat gerade über 13 Mrd. Euro bei Versteigerungen für Genehmigungen von Windkraftstandorten eingenommen.

Wie man z.B. an den regelmäßigen Veröffentlichungen der Parteispenden und im Lobbyregister des Bundestags ablesen kann, sind die Politiker insbesondere der CDU/CSU und FDP großartig darin, öffentlich die Physik zu ignorieren. Hier sieht man allzu deutlich, dass es möglich ist, in der Politik ohne Faktenkenntnisse zu überleben - Hauptsache, die Kasse klingelt. Bei vielen Politikern könnte man genausogut über “leistungsloses Einkommen” sprechen wie diese es abfällig tun, wenn sie über Kürzungen bei Sozialleistungen fabulieren.

03.01.2025

Eine Glosse für Musk - Leserbrief

[nicht veröffentlicht im Januar 2025]

Ich bin ja von den rechtslastigen Glossen in der WZ schon einiges gewöhnt, insbesondere gefühlt, seit die Ampel unerwarteterweise halbwegs erfolgreich ist, aber die vom 30.12. von Deutschländer ist ein Tiefpunkt von sowohl Journalismus als auch Demokratieverständnis. Selbst für einen Redakteur einer bayerischen Zeitung sollte es einen Unterschied machen, ob man eine “Meinung” abdruckt, die von einer tatsächlich demokratisch verwurzelten Partei handelt, oder von einer Partei, für die (endlich!) von mehr als 100 Bundestagsabgeordneten die Prüfung eines Parteiverbotsverfahrens gefordert wurde.

Deutschländer sieht wirklich kein Problem damit, dass der Käufer der amerikanischen Wahl sich vollkommen uninformiert und unqualifiziert in die deutsche Politik einmischt und eine Partei zur Wahl empfiehlt, die in mehreren Bundesländern als “gesichert rechtsextrem” gilt und in allen übrigen vom Verfassungsschutz beobachtet wird? Der nicht mal den Namen der Zeitung korrekt schreiben kann (“Weld”), in der er einen “Meinungsartikel” bestellt hat? Es kann mir doch niemand erzählen, dass die Redaktion der “Welt” von sich aus auf Musk zugegangen ist und ihn gebeten hat, zur Lage in Deutschland vor der anstehenden Bundestagswahl ein Pamphlet zu verfassen? Musk ist seine neue Funktion in der kommenden amerikanischen Regierung anscheinend so sehr zu Kopf gestiegen, dass er sich nicht nur in Deutschland, sondern gleich auch noch in Italien in die Politik einmischt. Nebenbei scheint es niemanden zu stören, dass durch seine Position (“Department of Government Efficiency”) ein massiver Interessenkonflikt entstanden ist, wenn er staatliche Stellen kontrollieren soll, die mit seinen zahlreichen Firmen Geschäfte machen.

Deutschländer ist immer noch der Meinung, man müsse der AfD “inhaltlich” begegnen? Hat das in den letzten zehn Jahren denn funktioniert? Die Anhänger der AfD sind verblendet und für einen gehaltvollen inhaltlichen Austausch von Argumenten unzugänglich. Die Corona-Pandemie hat ihr Übriges dazu beigetragen, die mentale Blockade zu verhärten. Es ist kein Wunder, dass die AfD dort besonders stark ist, wo auch die Corona-Schwurbler, Klimawandelleugner und Impfgegner besonders zahlreich und lautstark auffallen. Das Traurige daran ist, dass besonders die “normalen” Bürger am meisten unter einer AfD-Politik leiden würden, nur: keiner davon liest deren Wahlprogramm.

Solche Glossen tragen dazu bei, dass die Themen der AfD immer wieder durch die Medien getragen werden. Das trägt zu ihrer Normalisierung bei, wie man auch an den immer schriller werdenden Tönen aus der CDU/CSU bemerken kann. Nicht nur Themen, sondern auch Sprachgebrauch der AfD werden übernommen.

Wir können gerade live dabei zuschauen, wie 1933 erneut auf uns zukommt.