10.01.2023

Rechte Glossen in der WZ - Leserbrief

Anscheinend hatten alle anderen Autoren Winterurlaub. Der WZ-Glossist Sattler hatte in der ersten Januarwoche nahezu jeden Tag einen Beitrag, und jedem davon merkt man eine weit rechts gelegene politische Einstellung an. 

[abgedruckt am 10.01.2023]

Zum wiederholten Mal schreibt Hr. Sattler eine Glosse über Zuwanderung. Erneut stelle ich fest, dass er extreme rechtskonservative Narrative bedient (um es noch freundlich auszudrücken). Er will unterscheiden zwischen “guter” und “schlechter” Zuwanderung und unterschlägt dabei, dass ein Großteil der derzeitigen Zuwanderung aus den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine besteht. Er wünscht sich eine kontrollierte Zuwanderung von qualifizierten Fachleuten.

Das Traurige an dieser Art von Meinungs”bildung”: Deutschland ist seit längerem das unbeliebteste Land für Einwanderer, trotz sonst guter Arbeitsbedingungen (wie Urlaub, Krankenkasse, Recht auf Kinderbetreuung). Als Grund dafür wird oft die Ausländerfeindlichkeit angegeben. Warum auch sollten gut ausgebildete Zuwanderer nach Deutschland kommen, wenn sie in den Medien erfahren, welches Risiko sie damit eingehen, insbesondere im Osten, wo die AfD laut Sonntagsfrage auf fast 30% Zustimmung stößt?

In der Glosse vom 03.01. behauptet er sogar (noch vor Abschluss der amtlichen Ermittlungen), dass die Ausschreitungen von Silvester “Migranten” zuzuschreiben sind. Dies wird in keinem der aktuellen Berichte von z.B. "Berliner Zeitung" oder "Morgenpost", noch nicht einmal der “Bild”-Zeitung, bestätigt. Die Ausschreitungen von Silvester 2021 waren hauptsächlich Täter aus der Reichsbürgerszene (84% männlich, 70% deutsch). Dazu passt, dass die Kriminalstatistik seit Jahren rückläufige Zahlen für Vergehen durch Ausländer meldet. Abgesehen davon zählt die Kriminalstatistik die Anzahl polizeilicher Ermittlungen und nicht die tatsächlichen Verurteilungen. Und sagen wir mal so: wenn der “Gesundheits- und Energieexperte” Jens Spahn behauptet, es waren Migranten, dann ist mehr als nur ein Körnchen Vorsicht angebracht.

Erneut wiederholt Hr. Sattler die Behauptung, dass durch die finanzielle und sachliche Unterstützung von Geflüchteten noch mehr Flüchtlinge angezogen werden - der angebliche und sogenannte “Pull-Effekt”.

Erneut also bedient Hr. Sattler die Hetze gegen Menschen, die vor Krieg, Terror und Verfolgung flüchten. Solche Glossen sind Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen, ob nun in einer Partei organisiert oder nicht.

Schon Merz ist im Wahlkampf vor der Landtagswahl in Niedersachsen mit dieser Behauptung gescheitert. Er hat zusätzlich noch das Unwort des Jahres 2013 “Sozialtourismus” aus der Mottenkiste der Geschichte geholt. Nun, was hat es gebracht? Seine “Unterstützung” war ein Bärendienst für die niedersächsische Landespartei. Er hat Fake-News aus dem Internet ungeprüft übernommen, dass Ukrainer “nur kurz” mit dem Bus hierher kommen, Geld abholen und wieder zurückkehren. Die Wählerwanderung von CDU und FDP hin zur AfD war beträchtlich. Warum den Nachahmer wählen, wenn man das Original haben kann?

Auch Hr. Kuger, der für die AfD im Wetterauer Kreistag sitzt, verwendet diese Behauptung. Schon im Mai 2020 schwadroniert er in der Kreistagssitzung von “Gesinnungsethik” und “Menschenschleppern” (die WZ berichtete).

Der “Pull-Effekt” wurde seit 2015 mehrfach wissenschaftlich untersucht und jedes Mal in jeder Studie eindeutig widerlegt. Schon nach der o.g. Kreistagssitzung habe ich in einem Leserbrief einige dieser Studien benannt und damit Hr. Kuger (und jetzt auch Hr. Sattler) widerlegt. Hr. Kuger wiederholt diese Behauptung bis heute immer noch.

2 Kommentare:

  1. Was mich wundert und mir Sorge macht: Versuchen sich diese Leute 'nur' als Trittbrettfahrer um mit Meinungsmache Einfluss zu gewinnen? Oder sind sie wirklich so dumm und glauben nur was ihren Ängsten entspricht?
    Man fragt sich, was in den Köpfen derer vor sich geht, die 'wir' als unsere Vertreter wählen. -Oder in denen mancher Wähler...
    -Bis zu einem "Trump" oder "Putin" (um nicht den "H..." zu nennen) ist der Weg auch bei uns nicht mehr weit, die "Einschläge"
    (USA, Ungarn, Weißrussland, Russland, Italien; auch die Türkei war mal EU-Beitrittskandidat, was heute in weite Ferne gerückt ist...) kommen näher...

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  2. Ich nochmal:
    Zu den Silvesterausschreitungen fällt mir nur ein: Schnelle juristische Aufarbeitung und Strafe, die wehtut. Es braucht sicher keine neuen Gesetze, Verbote oder Strafen, sondern die Justiz muß in die Lage versetzt werden, schnell und gründlich zu arbeiten. Daran sollten die politisch Verantwortlichen arbeiten.
    Obwohl ich eigentlich immer gegen die Wehrpflicht war, komme ich langsam zu dem Schluß, daß die Aufhebung/Aussetzung nicht gut war/ist. Es braucht wohl doch eine gewisse "Führung" um junge Erwachsene zu moral- und respektvollem Umgang mit Anderen anzuleiten.

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